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About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (Jan. 20, 1899)
Der blaue Christian — Erzählung von W i l h. S ch ii s e r. Jn Klingenbach war es, wo ich den Wernhandel lernen sollte, aber gleich nach der zweiten Woche inUniersuchungI lam, als der Gendarin den blauen Christian rnd den Heinrich erichossen atte. Man nannte uns den »zweiten chnitt«., Wir waren ein Dutzend jun ger Leute und derübten närrischeStrei Ze, die der blaue Christian auihecitr. r hatte einmal von einem faulen Kun den einen Ballen blauen Tuches neh men müssen. Davon kleidete er sich Zeit seines Lebens. Wer das blaue önnchen zum ersten Mal sah, hielt ihn für einen Jahrmarltölünstler oder einen verrückten Geigenspieler. Dabei war er Gla ermeister, hatte ein eigenes Zeus am arltplatz und schickte drei inder zur Schule. Seine Freude an Narr eiten war so grenzenlos wie seine Ersin ungs abe und seine lindliche Irrmlosigieit Er hat den Klingenba rn jahrelang herzliches Vergnügen bereitet, bis das surchtbare Ende lam: an einem Sonntag, genau am achten Tage, nachdem wir den Bürgermeister ein emaueri hatten. S war elommen wie immer: die gelungenen " pässe hatten uns übermü thiger gemacht, als dem Christian recht war. Wir waren gegen seinen Willen an die Behörde gerathen. Namentlich an den Bürgermeister, einen würdigen alten deren, der bis dahin unsern Streichen mit wohlwollender Gleich å ltigieit zugesehen hatte. Er ließ den hristian eines Tages vorladen und verwarnte ihn steundschastlichst. Da durch fühlte der Anton, ein Metzger bursche, dem fiir seine Körperkräfte alles zu ahm herging, die Ehre des »zweiten chniits« getränkt und hetzte zur Rache. Der Christian redete ab. Aber eines Morgens hatte der dürre Brunnenritter auf dem Marttbrunnen den unmüßigen Schlafrock des Bürger meisters an. Der alte Herr nahm auch das noch leicht, bis er beim Abendslat gehünselt wurde. Da gerieth er in blindwiithigen Eifer und ließ sich hin reißen, die Ortsseierstunde von elf aus ehn ilhr zu verlegen. Zur besseren urchiiihrung erbat er sich einen Gen darm aus der Kreisstadi. Mit dem Augenblick, wo der schwarzbärtige Be amte säbelrasselnd in den, Straßen er sllslclh Mal DIc Ocmoyllcksmllsl lllls Illi erer Seite, zumal der Bürgermeister o unvorsichtig war, nach wie vor bis itternacht im »Rotben Ochsen« Slat u spielen. Unter dem Einfluß eines eders hätte sich dieStimmung bedroh lich entladen können. Der Christian leitete sie in ein endloses Gelächter. Neben dem »Rotben Ochsen« wurde ein Neubau ausgeführt Eines Abends mußte der Anton die Schlüssel vom Hosthor verschassen. Nachher, als der Gendatm seine Feierabendrunde ge macht hatte, holten wir leise einenStein nach dern andern und mauerten die Tbür aus der hoben Treppe regelrecht zu. Das haus stammte angeblich noch aus der hobenstausenzeiL Es stand am Marlt zwischen der schmalen-kirch gasse und der hauptstraßr. Zur ebenen Erde lagen Kellerräume und Stamm gen, nur vom Hof aus zugänglich. Ueber ihnen. etwa zwei bis drei Meter über dem Boden, erhob sich der eigent liche Wohnbau mit den Wirtbsräumen. Der Marltplatz selbst war so unregel mäßig, wie es nur in einem altrheini schen Orte möglich ist. Kein Haus stand in der Richtung Das eine sprang mit dem Giebel vor, das andere mit der Breitseitr. Fast jedes war von dem andern durch eine Gasse getrennt. Ei ner von uns mußte vorgeplaudert ba ben. Als wir im ledten Augenblick die hostbiir noch von außen verschlossen hatten und uns in den Schatten zu rückzogen, standen all die Gassen und Winlel voll lichernder Menschen. Jch lauerte neben dem Christian im Schat ten des Brunnenritters. Von oben lam dann und wann in das Geplätscher des Wassers ein lurzes Gelächter oder das dumpfe Faustausschlagen eines eisrigen Spielers. Gegen zwöls —- die Wartenden rund herum waren schon laut geworden —- börten wir poltern und Stühleriiclen. Einer sagte es dem andern, das Gesliister lies von uns fort um den ganzen Markt und machte alles mu. Endlich tam das, worauf Hunderte von Augen und Ohren warteten: Die auithiir sollte geöffnet werden und chlug nach aufzen dumpf gegen die Steine. Ein halbes Dutzend ände schien nach einander zu pro tren. Dann wurde vorsichtig an der Hinter thiir geriittelt. Jedes Geräusch rief neues Kichern hervor. Nach einer lan sen Pause öffnete sich eine Fensterladr. in langer Lichtstreis legte sich quer über den Markt, der Schatten eines belms darin mit unendlicher Spitze. Der Gendarm beugte sich weit heraus, um nach der Thür zu sehen. Sie lag zu weit zurück. Die Zurufe tonnten taum noch zurückgehalten werden. Es llirrte laut aufs Pslaster· Der Gendarm hatte sich in’5 Fenster ge schwungen und war mit dem Säbel in eine Scheibe gerathen. Wir hörten ihn fluchen. Er war ein Oftpreuße und atte die laute Art seiner Landsleute. lit einem wüthenden Ruck schnallte er: ab und wars den Säbel hinaus, ums nachzuspringen. Ehe er auf der Brit-! stung war, hatte der Anton die Waffe aufgehoben und war damit um die Ecke der Kirchgasse verschwunden. Der Gendarm wollte ihm nach, versprang sich in der haft, plumpste und tollerte in den Rinnstein Sein velm rollte rasselnd weit aus uns zu. Toll vor Muth sprang er aus und ftiirzte dem Anton nach. Wir hörten die haus thttren tn der Kirchgasfe zutchlagen Jn -:—— zwei Sätzen hatte ich den helm, und« ehe ich no wußte. wie ich zu deni Ge danken ge ommen war, blitzte er auf dem grauen Steiniopf des Brunnen ritters· Beim hinunterspringen glitt ich aus und gerieth mit den Beinen in den Brunnentrog. Der Christian half mir heraus. Dann liefen wir zum nächsten Hause. Da standen wir iiii verschlossenen Thoriveg und sahen durch das Gitker hinaus-. Der Gen darm tani nicht zurück. Wir hörten ihn von der Kirchgasse her an die Thü ren klopfen und schreien. Oben wurde man ungeduldig. Der Bürgermeisterj beugte sich weit hinaus und rief nacht ihm. Ein zweites Fenster wude geöff net. Der dürre Apotheter versuchte« hinauszuspringen und wurde von den andern zurückgehalten. Dann tam der Gent-arm angeschossen, abgehetzt, sinn los hin und her springend, ohne Helni und Säbel Der Bürgermeister wurde wüthend. Er solle öffnen. hülflos rannte der Uiigliickliche zur Thür und stand vor der frischen Mauer. Ein helles Ge brause von Lachen und unterdrückten Zurufen zog über den Platz! Die Thiir ist zu emauert! hörten wir kläglich melden. a lief dem würdigen Herrn da oben die Galle über. Kurz entschlossen streckte er seine dicken Beine hinaus, drehte sich aus den Bauch und rutschte langsam an der Mauer herun ter, bis er ausgestreckt an der Fenster briistung hing. Da schien ihn der Muth zu verlassen. Er zappelte mit den Beinen nach Halt. Der Gendarm wollte ihm zu Hülfe springen, stolperte und fiel lang hin. Ein Gelächter brach los, wie ich es seitdem nicht mehr·ge hört habe. Der Gendarm wollte ihm helfen. Er faßte feine Beine, faßte zu heftig: der Bürgermeister kutschte ab, fiel wie ein Sack auf ihn, und ietzt roll ten beide in den Rinnstein. Der Wirth verfiel auf den unglückseligen Gedan ken, hinauszuleuckiten. Und nun kannte der Jubel keine Grenzen mehr. sp: s Sechs Tage lang ließ sich der Our-» gerineister nicht aus der Straße sehenJ Er war machtlos. Und wenn er alleJ Wirthshäuser abgesperrt hätte, dasGeH lächter der Klingenbacher hatte ihn be siegt siir alle Zeiten. Wo sich einer von uns sehen ließ, trank man ihm zu. Der Anton wurde kaum noch nüchtern. Die andern trieben es ähnlich. Nur einer, der blasse Heinrich s— er war Seher und geigte sehr schön -—, kam zu mir und klagte, er hätte die Lust verloren Wir beschlogem uns allmählich loszu « lösen,sdorsa em aber abzuwarten, was der Christian selber machen würde. Der ließ sich über nichts aus. Aber seine Art war, wie wenn er iinGriinde seines Wesens eine Wunde fühlte. Sein Kin dergemiith spürte den Ernst, den sein Svssi angerichtet hatte. Der Gendarni war an dem AbendI unser Todseind geworden. Er war in einen Haß gerathen, siir den er nicgts konnte. Es that mir leid um i n. Alles an seiner hohenGestalt war kraft . voll und einnehmend. Und nun mußte grade ihn ein roher Spaß des Anton aus-) äußerste rei en. Als er spät sAbends aus dein » othen Ochsen« kam, Jtappten drei Betrunkene vor ihm her. EEr setzte ihnen nach durch den ganzen . Ort. Als sich genügend Zuschauer an gesammelt hatten, siel der mittelste hin. »Die beiden andern versuchten ein paar Mal, ihn auszusiehem liessen ihn lie gen und rannten sort. Aufstehen! Und zur Wache! schnauzte der abgehe te Gendarm. Der Betruntene rührt . nicht. Ein dichter Kreis sammelte sich und lachte, bis der Gesoppte die Geduld( verlor, sein Opfer mit Gewalt hochrei ßen wollte und einenStrohmann in den Armen hielt. — Am andern Nachmit tag —---«es war wieder Sonntag — machte ich mit dem Christian und dem» Heinrich einen Spazirgang ins Jonasq ihal. Es zieht sich voin Rhein weit in» den Wald hinaus, hat alteStämnie und; viel Unterholz. Oben an der Wasser-! leitung. wo man weit den Stroin hinaussieht bis Coblenz, hatten wir ei ne Viertelstunde schweigend gesessen,J als wir lautes Geschrei hörten. Die’ andern hatten uns gesehen und tamen nach. Sie waren schon betrunken, na-z mentlich der Anton. Der sing gleich an zu höhnen in seiner rohen Art. Dann machte er einen Vorschlag, der mich vor Schreck ausfpringen ließ. Der Taumel der gelungenen Spässe s ien sdiese Menschen toll gemacht zu ha en. YSie hatten unten den Förster kommen sehen, nun wollten sie hier oben den Wald anstecken, selbst wieder löschen und von dem Förster, den sie während des Brandes herbeizuschreien gedach ten, eine Belohnung zu verlangen. Jch hatte den Christian nie erregt gesehen. Jetzt war er graubleich und zitterte bis in die langen Bartspitienx das wäre ein emeiner Bubenstreich und die ihn aus-J iihrten, gehörten in's Zuchthaus Der» Anton schlug eine rohe Lache an, stellte; sich breit vor ihn hin und grinste ihn höhnisch in’s Gesicht: Der Herr Glas sermeister hat natürlich Anast, seine! Kundschast zu verlieren. Der SpaßJ geht ihm an den Geldsack. l Jni selben Augenbtick schien sich der( Christian bewußt zu werden, wen er vor sich hatte, das tluge Lächeln tain in( die Kinderaugeii zurück. Wortlos drehte er sich um und winkte uns· Wir’ gin en. von deii Zurusen der andernl ver olgt, deii Weg zurück ins’ Thal.1 Dann übermannte ihii doch wieder der Zorn: Es isst zu gemeint knirschte er und wandte ch uni. Da hatte der An ton schon ein Streichholz in das dürre Gras geschleudert. Die andern spran en herum, britllten und warsen auch ihre Spä ne hinein. Es war wachen-« lang tro en ewesen.- Die Flammen s lagen let meterhoch. Der Wind tr eb sie ort, aus uns su. Es war nicht, wie wenn der Waldboden wirt lich brannte, nur oben m der Lust hüpf-? ten die Flammen weiter Die Röcke aus! schrie der Christian Verzweifelt. Wir sprangen dem Feuer entgegen und schlugen hinein, liefen vor und zurijck und brachien es zum Verlöschen. Unterdessen waren auch die andern vernünftig geworden und halfen mit. Nur der Anton stand grinsend und wars ein brennendes Streichholz nach dem andern auf den Boden, bis wir ihm die Schachtel aus den Händen rissen. Jn dem Augen blick — rundum tauchten noch die ver lohlten Gräser und wir standen mit» unsern Rocken zum Schlagen bereit — hörten wir Tritte. Wie wir uns um drehten, war es der Gendarm, der einen Patrouillengang machte, das Gewehr am Riemen hatte, und so von den an dern siir den Förster gehalten worden Wat. Mir schlug ein Schrecken in die See le. Xch fühlte, wie der große schwarze Mensch jetzt so zwischen uns trat, stan den sich Todseinde gegenüber. Das Ge fühl davon war in allen so mächtig, daß wir einige Minuten schweigend blieben. Ein surchtsameg Lächeln zog das Gesicht des starken Mannes in heiß liche Falten. Jch sah ihn nach seinem Gewehr tasten· Endlich zog er sein No tngbudch hervor: Da haben wir also die an e. Jch hore noch heute das scharfe ost preußische »r« in dem Wir. Steel das Buch ein! brüllte der An ton und stellte sich drohend vor ihn. Wir haben den Waldbrand gelöscht und ver langen Belohnung! Was dann geschah, weåp ich nicht ge nau. Einer wollte den nton zurück halten, der fiel nach vorn und stieß hef tig gegen den Gendarm. Jm Nu hatte der ein Gewehr vor: Zurück! oder . . . Schieszen willst du? treischte der Anton und stürzte aus ihn zu. Der Gendarm svrang zurück, mit dem Rücken gegen eine breite Buche, das Gewehr angelegt Der erste, der noch einen Schritt thut, bat... Er lcsnnte vor Erregung nicht weiter sprechen. Nur der Lauf hob sich. Der Anton taumelte zurück. Eine lange Minute schien die Luft zwischen uns erstarrt. Da that der Christian, was ich nie begreife. Das Gesicht zum Lä cheln verzerrt, ging er langsam auf die drohende Mündung zu: Auf Menschen willst du schießen? Jch hab drei Kin der zu haus. Steht treischte der Gendarm wie in An st. «ch wollte zuspringen und konnte nicht. Jch glaube, daß ich mich fürch tete. Der Christian zögerte leinen Schritt. Ein Blitz und Knall Jch wollte nicht glauben, daß es ein Schuß gewesen war. So einfach tam es. Aber der Christian lag vor mir auf dem Ge sicht. Jch hörte einen wahnsinnigen Schrei. Der Heinrich stürzte wie ein Thier an mir vorbei auf den Schützen zu. Der stand wie aus der » agd. Noch ein Blitz. Jch sah den Heinrich mit den Armen zappeln und sich überschlagen. . Dann tam das Furchtbare auch in mich. Jch mußte schreien und auf ihn einspringen, ihn anlrallen und wür gen. Jch spürte seinen Athem, sah seine weitausgerisfenen Augen dicht vor mir, den Gewehrlolben hoch in der Luft. Jch griff danach. Der halbe Schlag traf meinen Art-n von der Seite und glitt herunter bis auf mein Nasen bein. Jch fiel rückwärts hin, sprang wieder auf, sah den Anton von einem andern Schlag taumeln und fühlteBlut in meinem Gesicht. Dann lies der Gendarm vor uns her, das Gewehr am Riemen nachschleifend. Wir jagten dicht hinter ihm her, schreiend, keuchend. durch Brombeerge strüpp, über Gräben, steile Abhänge hinunter. Jn der Nähe des Rheins er reichten wir ihn fast, da fiel vor uns die Böschung zur Bahn ab, er stürzte hinunter. Jch sah nur den Riemen noch in fei ner Hand. Das Gewehr hatte sich in einer Wurzel gefangen und tam mir zwischen die Füße. Jch stolperte und rutschte topfiiber die ganze steile Wand hinunter. Unten fiel etwas schwer auf mich, der Anton. Ehe wir auftonnten, war der Gendarm den Schienen ent lang bis zur Felöecke gelaufen. Als wir dahin lamen, war er verschwun den. Wo die andern nachher waren, weiß ich nicht. Jch schleppte mich in den Wald zurück. Der Christian lag auf dem Gesicht. Er war gleich todt gewesen. Der Heinrich lebte noch. Jch trug ihn einige hundert Schritte weit. Dann fand ich Menschen, die brachten beide in’s Thal. Auch mich, da ich gleich darauf ohnmächtig wurde. Als ich zu mir lam, war Heinrich todt und der Gendarm schon unter Bedeckung in’5 Kreisgefiingnifz gebracht, unt ihn vor der sinnlosen Wuth der Klingen bacher zu schützen, die durch die Berich te des Anton und seiner Genossen mask los aufgeregt waren. Am andernMors gen wurden wir festgesetzt. Dann hat ten die Richter endlose Wochen zu thun. Jch war der einzige, der freigesprochen wurde. Den Gendarm versetzte die Behörde in seine Heimathx Niemand erfuhr den Ort. Jeh indchie ihn gern noch einmal sehen. Er ist mir wie ein Freund, trotz dem er mir den Christian und dem-Hein rich erschossen hat. —-0.0—--— Es seht nichts über die Reinlich keif. Jm Wirth-Maus eines ab elegenen Dörsletns befchwerte sich ein Hast usser die unreinlich-en Betten, worauf- die biedere Wirthin anz verwundert mit den Worten auf uhr: »Was! Jst-g Ihnen nicht rechtf! Gestern hat unser Perr Forstrnetster in Ihrem Bett Sk chlafen .. .. !!« Pflicht! Autotistrte Uebersetzung nach dein Französischcn des H. du Plessac von A. Friedhein1. Alle Drei waren in demselben Dorfe geboten, nat-ten im Alter nur wenige Tage auf-einander und wohnten Thür an Thiik.; als Kinder spielten ste zu sammen, dann gingen sie in dieselbe Schule, und an demselben Tage traten sie in ein nnd dieselbe Fabrik-wo ihre 5Mater beschäftigt waren, als Lehrlinge em. Somit hätte also zwischen Karl, Pe ter und Jalob fast brüderliche Freund schaft bestehen müssen, u. dem Anschein nach war es auch so, aber in Wirklich leit herrschte zwischen ihnen keine Ei nigkeit, und derZusall schien sie zusam niengehracht zu haben, einzig und al lein, um die verschiedenen Charaktere deutlich hervortreten zu lassen. Jatob war heftig und roh, Peter böse und hinterlistig, und Jeder von ihnen bil dete in seinem Naturell den schärfsten Gegensatz zu Karl. Dieser irar ihnen in jeder Weise überlegen; er war gut gewachsen und huhsch, dagegen trat Peters Magerkeit nur noch mehr hervor, und seine unver haltnißmäszig langen Gliedmaßen lie ßen ihn wie eine Vogelscheuche erschei znen, während Jalob mit seinen rothen l.s;)aaren,den groben Gesichtsziigen und sseinen ungehobelten Bewegungen auch ohne Karls Nähe von Jedem nur als abschreclend häßlich bezeichnet werden konnte. Begabt und fleißig, ehiirte Karl in der Schule stets zu den rsten, während Jakob immer der Letzte war, und wenn Peter zum Mittelschlag ge rechnet wurde, so geschah das nur, weil er mit unglaublicher Gewandtheit von seinenNachbarn abzuschreiben verstand. Karl brachte seinen Kameraden aus richtige Freundschaft entgegen, diesel ben aber benutzten seine Gutmüthigteit nur, um ihn auszunutzen und ihm, wenn irgend thunlich, zu schaden. Selbstverständlich geschah das in mög lichst heimlicher Weise, um sich keine Blösze zu geben. Karl war auch als Lehrling so flei ßig, daß er es mit 20 Jahren schon zum Aufseher in der Fabrik gebracht hatte, während die beiden Anderen ihre Lehrzeit noch nicht beendet hatten. Der unausgesprochene Haß zwischen den Dreien trat mit den Jahren immer mehr hervor und brach in osfene Fehde aus, als die jungen Leute an »Cour machen« und »Heirathen" dachten, und ihre Wahl aus ein und dasselbe Mäd chen, die Tochter des Schmiedes Ber ard in ihrem Dorfe fiel. Rose machte ihrem Namen alle Ehre· Mit ihren lu stigen blauen Augen und den schönen blonden Zövsen konnte sie allen Dorf burschen schon gefallen, wählen that sie aber von der Zahl ihrer Bewerber Karl, und da derselbe auch ein kleines Vermögen besaß, so gab Vater Berard den Segen zu dieser Wahl. Die Abge wiesenen, Peter und Jakob, warfen einen ohnmächtigen Zorn aus Karl, als sie erfuhren, daf; die Hochzeit im Ot tober stattfinden sollte, wenn derBräu tigam sein vierundzwanzigstes Jahr erreicht haben wurde. Als dieser Zeitpunkt herangekommen war, da waren weder Karl noch Peter noch Jakob im Dorf. Der Krieg war ausgebrochen, und die beiden Ersteren hatten sich zur Mobilgarde, welche in größter Hast gebildet war, gestellt, während Jakob sich zum Train gemel det hatte, als eines Tages eine Abthei lung das Dorf passirte; das war ihm denn noch am liebsten, denn dann hatte er doch wenigstens die Pferde, an de nen er sein Mittbchen kühlen konnte. Alle Drei gehörten der Ostarmee an. Beiammernswerthe Armee, welche sich hauptsächlich aus ungeschulten· bartlo sen, schlecht gekleideten und schlecht be lvafsneten Soldaten zusammensetzte, die nach endlosen Märschen durch Schnee und Eis erschöpft waren. und welche schließlich, von der ganzen an deren Armee abgeschnitten, den frucht losen Kampf ausgaben! Um wenigstens das Leben seiner Soldaten zu retten, besahl der kom mandirende General. die Schweizer Grenze zu überschreiten, um sich somit gegen den Feind, dem sie allein nicht trotzen konnten, zu schützen. Lan sam und traurig schob sich der endlos ange Zug auf dem engen und aus eweichten Wege vorwärts. Mehr a s 20,000 Mann zogen, vor Anstrengung kraft los, durch eine Art Engpaß, welcher zu beiden Seiten durch steinige Felsen wände abgeschlossen wurde. Am Mor gen hatte die Mannschast«Pontarlier verlassen, und seitdem marschirten sie ohne Unterbrechung und ohne Nah rungsmittel. nur mit dern einen Ge danken, so rasch wie möglich die Gren ze zu erreichen. Jn der tiesen Stille dieses traurigen Zuges vernahm man nur von Zeit zu Zeit die Stimme der Osfiziere, welche den erschöpften Soldaten Muth zu sprachen und tröstend meinten, die Grenze müsse nun bald erreicht sein; oder aber man vernahm fernen Kano nendonner, welcher aus der Richtung schallte. von der man kam. Plötzlich gerieth die ganze Kolonne in’s Stockem die Letzten schoben sich aus die Erstens es entstand ein entsetz licher Wirrwarr. Was ist? Warum geht’s nicht vorwärts? — Die Ossizie re wurden unruhig und horchten aus den näher tönenden Kanonendonner. Man hatte kaum zwei Stunden Bor sprung vor den Deutschen; die erin - ste Verzögerung konnte eine entfesli e Katastrophe herbeiführen. Was war an der Spite der Mlonne geschehen, um noch im letzten Moment den Plan, die Grenze zu gewinnen, zu vereiteln? Der General wünschte, daß ein Of-. fizier versuchen sollte, bis zur Tete der« Kolonne vorzudringen, um nach der"Ur suche zu forschen. Karl, der kurze Zeit nach seinem Eintritt in die Mobilgardc zum Offizier ernannt worden war, meldete sich sofort. —— «Schaffen Sie uns um jeden Preis das Hinderniß aus dem Wege!« Karl drängte sich mit Anstrengung aller seiner Kraft durch den Menschentnäuel; wo es nicht ging suchte er aus dem Gestein vorwärts zui kommen oder durch Gestrüpp seinen Weg zu finden, und schließlich gelangte« er zu einigen kleinen Häuserm höchstens ' vier oder fiinf an der Zahl. Da inmit ten des Weges, gerade vor diesen Häu sern, stand ein ganzerBagagetransport, welcher vorausgeschickt war, und nun hier gleichsam eine Barriiade bildete.l Von den Führern war kein Einziger zu sehen. Die abgetriebenen Gäule schliefen vor den Gespannen mit herab hängenden Köpfen, manche hatten auch die Stränge durchgeschlagen und sich niedergelegt. An einem der Häuser schaukelte ein halb losgerissenes Schild mit der Auf schrist »Zu: goldenen Sonne,« und aus der geöffneten Hausthür drang iviistes Geschrei und Gesang. Karl ging in das Haus. Inmitten einer fast undurchsichtigen Luft von Ci garrendampf und dem Qualm, der von dem offenen Herdfeuer zur Decke stieg, saßen an einzelnen Tischen ungefähr dreißig Soldaten. Alle waren schon halb angetrunlen, fangen aus vollen Kehlen und ließen die Flaschen fleißig die Runde machen. » »Was treibt Ihr hier?« rief Karl. · Nicht ohne Mühe erhob sich ein Wachtmeister, in dem Karl seinen frü heren Gefährten Jakob erkannte. »Sieh mal an,« rief dieser mit vom Iliåin schwerer Zunge, »welch’ ein Zu a .« . »Bist Du es wirklich, Karl? Komm’, Brüderchen, setz’ Dich zu uns! Hier ist noch ein guter Tropfen für Dicht« s »Nein! Dazu bin ich nicht hier, die sser Bagagetransport versperrt unserert ganzen Kolonne den Weitermarsch.——i Die Preußen rücken heran. Wenn die Straße nicht sofort pafsirbar wird, sind wir verloren. Rasch. Freunde, an die Pferde und vorwärts!« e »Oho, das wäret« entgegnete Jakob, indem er hin und her schwankte. »Hier ist cs gemiithlich, warm, der Wein ist gut; wir haben das Hundeleben über drüssig. wir wollen das nicht länger ertragen. Trinken wir noch eins! Heda! Herr Wirth, Wein her!« »Aber, Unglücksrnensch, ich sage Dir doch, daß die Wagen die Straße ver sperren, dahinter warten 20,000 Men schen, um weiter zu können! Vor einer Stunde noch müssen wir über die Grenze sein!« »Nun, was —- was geht das mich an, die 20,000 Manns Ich habe kei nen einzigen Bekannten dabei, bin mir selbst der Nächste! Wenn die Deutschen erst da sind, werde ich mich schon in Sicherheit zu bringen wissen. Eine Viertelstunde — und ich bin in der Schweiz: die Anderen sind mir ganz gleichgiltig. Wein her!« Ein Theil der Mannschaft war auf gestanden, denn trotz ihrer Angetrun kenheit war ihnen doch noch so viel Dis ziplin geblieben, daß sie sich zweifelnd» fragten, ob sie nicht dem fremden Of-» sizier Gehorsam schuldeten, statt aus Furcht ihrem alten Führer zu gehor- l chen. Jakob schlug mit der Faust aus den Tisch und brüllte: »Teufelsterl, setzt Euch, ich befehle es Euch! Laßt doch den Unglücksraben krächzen! Geh, zu Deiner Kompagnie zurück, mein lieber Karl, folge meinem Rath, aber laß uns hier ruhig trinken! Donnerwetter, habe ich Durst!« «Jatob, Freund, nimm doch Ver nunft an! Du kannst ja nachher noch trinken. deni’ an unsere Kindheit, an unsere Freundschaft, an Deine Eltern, an Gott!« »Ach! Na nun wird es immer besser, jetzt wirst Du gar tragisch! Du willst mich wohl zum Weinen bringen? Jch trinke den Wein nicht aern mitWasser!« »Nun wohl! Dann bitte ich nicht mehr. sondern ich besehlel Leute, an die Gespanne! Sie haben meinen Befehl gehört, Wachtmeister! Marsch, vor wärtsl« »Was? —- was? Du erlaubst Dir, hier zu besehlen! Du, Du Stroh mann! Laß uns in Frieden — mach, daß Du fort kommst —- aber etwas schnellt Und Jhr, Leute, setzt Euch so fort — und an Eure Plätze! — Wer stößt mit mir an?« Jn demselben Moment hörte Karl den Kanonendonner ganz deutlich und viel näher als bisher. Er sah in Ge danken die zusammengedrängten Men schenmassen der Kolonne, und zugleich begriff er, vor welche Aufgabe er gestellt war. Jakob unterbrach ihn und schrie, in dem er das Glas erhob: »Auf dagWohl Weiter kam er nicht. Von einer Re volverkuael aetrofsen, sank er mit zer schmettertein Kopf auf den Boden. »An die Gespanne. Soldaten!« rief Karl und sprana auf das erste beste Pferd, welches er erreichen konnte. Die entsetzten Mannschaften gehorch ten: fünf Minuten später war der Weg stei, und Zwei Stunden daraus batte das Armeetorvs den Schweizer Boden erreicht. Karl stattete seinen Voraeseyten Ravvort ab. — »Sie haben Ihre Pflicht aethan,« entgegnete derGeneral, »ich danke Ihnen!« Durch eine Bertettunq von Umstän den kehrte Karl erst vierzehn Tage spä ter als Peter in fein Heimathsdorf zu rück. Er war erstaunt über den wenig « freundlichen Empfang, der ihm entge gengebracht wurde. Niemand forderte ihn aus, näher zu treten, Keiner reiste ihm die Hand zum Gruß. Er ging in die Fabrik: der Besitzer war nicht W sprechen und ließ ihm sagen, er ha keine Arbeit für ihn. Ganz erregt ging er zum Schmied: dieser sagte ihm, daß seine Tochter verreist sei und auch wohl lanae fortbleiben werde. ,,Uebrigens,« fügte er hinzu, »nach dem, was passirt ist, könnt Ihr Euch doch denken. dasr alles aus ist!« »Was? —-- Was? — Was meint Ihr damit?« rief Karl. " .,Genug davon,« sagte Vater Berard, »wir wissen genug!« Und er drehte ihm den Rücken. Wie betäubt trat Karl wieder auf die Straße hinaus, da wurde Plötzlich ganz in seiner Nähe ein Fenster aufge rissen, eine Frau mit zerzausten Haaren und verzerrten Gesichtszügen beugte sich weit hervor, drohte ihm mit zusam mengevreßter Faust und schrie: »Da ist er, der Elende. der meinen Sohn ge tödtet hat! — Mörder! ——- Mörder!« Zuerst versuchte Karl, einem ruhig und verständia denkenden Bauern die Sachlage auseinander-zusetzen; man guckte ungläubig die Achseln, verstand ihn nicht oder wollte ihn nicht verstehen. Einer. der es gut mit ihm meinte, sagte schließlich: »Ich gewiß, Jht seid in einer verteufelten Lage gewesen« das gebe ich zu — was man auch sagen mag-—, aber seht, das Beste, was Jht thun könnten wäre, wenn Jhr das Dorf verließet und Euch wo anders heimisch machet.« Und eines Morgens verließ Karl das Heimathsdors. Kein Freund gab ihm das Geleit. Die Kna ben liefen ihm nach, vorsichtig aller dings, in gewisser Entfernung, Im sich zu sichern. Sie schleuderten Steine hin ter ihm her und riefen dabei laut: »Mörder! Mörder!« Und zwei Monate später hatte Peter seinen Willen durchgesetzt und Rose Berard aeheirathet. Thiere, die niemals trinken. Es giebt aus Erden mehrere Arten Thiere, die während ihres ganzen Le bens nii einen Tropfen Wasser getrun ken halten; dazu gehören die Lamas von Patagonien und gewisse Gazellen im äußersten Orient. Ein Papagei hat 52 Jahre im Zoologischen Garten in Lindon gelebt, ohne einen Tropfen Wasser zu trinken, und einige Natur forscher sind der Ansicht, daß die wil den Kaninchen nichts anderes trinken als den Tau von den Gräsern und Kräutern. Eine ganze Anzahl von Reptilien, Schlangen, Eidechsen und etliche Froscharten leben und gedeihen an vollständig wasserlosen Orten. Man kennt auch eine Mänseart. die in den dürren Ebenen Westameritas lebt, ob wohl tsort fast immer Wassermangel herrscht. Jn Frankreich giebt es Rin der- nnd Schasherden, die fast niemals trinken und die eine vorzügliche Milch liefern, aus der man den berühmten Roquesortläse macht. — Daß es Men schen giebt, die nie einen Tropfen Was ser über ihre Lippen bringen, ist be kannt; diese können hier aber nicht in Betracht kommu, da sie andere Flüs sigkeiten zu sich nehmen. . Der Gerichtstnanteh « Auf einem gewissen Walde herrschte noch vor ca. 20 Jahren große Einfach heit und Sparsamkeit in der Kleidung unter Land und Leuten. So besaß mancher Landmann bloß ein Sonn tagswamms; keinen Sonntagsrock oder dergleichen. Wenn nun so ein Bäuer lein vor Gericht und gar einen Eid thun mußte, so kam er mit seiner Gar derobe etwas in Verlegenheit, aus wel cher ihm aber dann in dem, dem Ober amtsgericht nahe gelegenen, fast eine Art Parteienstube bildenden Gasthaus zum «Schwanen« geholfen wurde. Der Wirth hatte hier nämlich für einenAuss weg aus solcher Noth und Verlegenheit gesorgt durch die Anschassung eines großen Mantels, der alle Blößen und Schäden, als »Häser« und »Wämfer« zudeckte und nun von jedem Gerichts besucher umgelegt wurde. Der alte G. B. meinte einmal, dieser»Gerichtsman tel« habe schon manchen Meineid auf sich. Die sum-hatte BrüceO Es war um die Mitte der zwanziger Jahre. Der damals regierende König Wilhelm der Erste von Württemberg unternahm mit Extrapostwagen von Stuttgart aus eine Reise, die ihn in die Schwarzwaldgegend führte. Hier bei passierte sein Gefährt eine beide Ufer eines größeren Baches verbinden de alte Brücke. Dieselbe war so schad haft, dafz der Wagen auf ihr beinahe zu Fall gekommen wäre. Bei der An tnnst im nächsten Pfarrdorf P» wo feierliche Begrijszung dec— Königs statt sand, nahm dieser Veranlassung, den Schultheif1« einen Bancrgnnnn vom alten Schlag, auf den gefährlichen Ru stand der zum Bezirk feiner Gemeinde gehörigen Brücke aufmerksam zu nea chen . »Woiß wohl, Majeschteh woisz wohl, ach die verfluecht Briiet««, erwiderte der Angeredete, ,·beim selige Herr Papa wär freilich onser oim ob so’tne wäscht hafte Bau feho’ lang e siadiehs Kreuz donnerwetter aus’m Krpf rom Wahr-« —« Eine neue Sprache. Chef: »qu seh’ ich, Enima, Du hast einen neuer Hut, was hat er gelo tet?« Junge Frau: »Nichts, einige sxiisse!«