Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, January 13, 1899, Sonntags-Blatt., Image 12

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    EHCyremo de Berge-rac
Umer Hxi chminx
(7. Fortsetzung-)
Pköjzlich jedoch schloß sich die Thür,
nnd die bewaffnece Schaut brach nai)
der Richtung zur Staft auf
.m:melte Jssåivek,
« «el rede-s,die Man-Ecken
des Mannes gefallen mir nicht Eben
schien et auf uns Zu fpioniren, nnd jetzt
ist ex im Schlosse: Nein, nein. ich lasse
es mit nicht aus-reden .
Doch plötzlich wurde Jolioex in sei
neu Betrachtungen unterbrouzen, denn
hinter einer Man-t, weiche sein Pferd
fest passirte, war ein starker Lärm Los
« ge .
Um die Ursache dieses Liska Zu er
fahren, müssen wir uns wieder Cyrano
zum-adm.
— - . s
—!--.·-. Op
Der Inn-ge Acon-I Ist-Il-, Penqu »s.
knien voranfprenaeksd, im Gaiopp vor
einem riesigen Gitter angelangt. das In
den Ehrenhof des Schloser fübrte.
Ein Hellebardier stand dort als
Schildwache, doch der Gaswgner tum
merte sich nicht darum, cr ließ sein
serd im Schritt gehen und wollte in
den Hof eindringen
»Halt dal« rief der Soldat und ver
sperrte ihm, seine Hellebarde fentend,
den Eingang.
»Zurück!« rief ihn-. Cyranv Zu. .
»Der Eintritt ist verboten.« versetzte «
der andere. »
»Ach warum nicht gar!" entgeg- 1
nete der junge Mann, packte die Helle- »
barde beim Griff nnd schleuderte sie
sammt dem Manne, Der sie trug, zu
Boden. Er hatte nur ein-n Gedanthn (
so schnell wie möglich das hohe und
breite Thor zu erreichen, das er tin-Hin
tergrunde des Hauses erblickte, denn
das war zweifellos der Haupteingang
des Schlosses-. Der Sturz dek- Hellebar
diers ließ ihm den Weg frei. er stürzte
weiter; doch der Mann hatte frei-erbo
den. und schrie wäthend: »Z-! denWaf
few-« während aus dem Wachtgebiiude
andere Soldaten bervoritiirzten. Ohne
sich um etwas zu tiimmern, hatte der
Gascogner das andere Ende des Hofes
erreicht, doch die große Thiir war ver
schlossen An einem der Pilcsster stand
ein Schweizer von maieftätzsstr Hal
tung, und Cnranr sagte tu ihm:
»Melde mich im Augenblick bestän
lein Dione de Luce!« »
»Unmöglich, Euer Gnaden,« erwi
derte der Schweizer mit Der größten
Ruhe.
»Unmöglich, weshalb hast«
Eises-hale Fräulein von Luce be
wohnt die Gemächer der Königin.«
»Nun, und?«
»Ja dieser Stunde darf Niemand
dieselben betreten.«
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»Und den Grund, mein Freund Z« I
»Es ist so Vorschrift!« «
»Nicht für mich!« l
»Es wird bei Niemanden eine Aus- l
nabme gemacht!« I
Run, so benachrichtige man wenig- -
stens Fräulein von Luce; sie wird mich Z
schon empfangen-. davon bin ich über- !
zeugt.« i
.Jch bedaure, Ihnen wiederholen zu !
Wissean ist unmöglich« i
»Wie, du weigerst dich, sie zu benaciu I
kichtiqene« !
»Selbst, wenn Fräulein von LuceSie Z
empfangen wollte, so hätte sie nicht das- i
Recht dazu!« .
»Ah, das ist zu start!« s
»Es ist so, absolute Regel fiir alle i
Damen, die im Dienste oer Königins
siebent« ’ Z
Der junge Mann begriff, daß sr mit "
Ueberedung nichts erreichen würde-, und ;
es blieb ihm nichts weiter übrig, als zn f
warten.
»Und um wie viel Uhr werde ich sie
sprwn Könnens-P I
»Von Mittag ais-« .
»Und wie spät ist es jetzt?« »
»Du hören Sie nur!«
«Gerade in demselben Augenblick be
gann die Schkoszuhr zu schlagen.
Erst neun Uhr!« rief Erwarte-.
«,,Ctsti« versetzte der Schweizer mit
laelsendemATone » «
« « »--—-.-- t-..4
»Dre: Stuisoenz sum -.-..r»-««
,,drei Stunden der lanqenErxuarist ta.
Diese neue Berzögerunq brachte ihn
zur Verzweiflung doch plötzlich kam
ihm ein Gedanke, denn bei CyprianGa- «
r-ois hatte ihn Frau von Andigny mit
einer Mission beitaui ; doch nur mit !
e-.
)
l
Diane beschäftigt, hatte er sie vollstän- :
diq vergessen.
Das aber war das Mittel, sicher ins
iönialiche Schloß zu gelangen. ..
Grammonii ist die zu sprechen ?« fragte
er zugle·ch, doch in demselben ruhigen
Tone erwiderte der Schweizer:
»Die FMU Hetzogin empfängt Nie
mandent«
»Geh-erst sich auch vielleicht dasVers
boi aus eine Dante ihres Ranges2«
»O nein, gewiß nicht!«
»Nun also!« « -
»Die Frau herzogm hat die Nacht
über M zum Schlusse dem Feste beige
wohnt«
Revi«
kund in dieser Stunde schläft fiel«
" »Und ich werde auch sie erfi zu Mit
tag M Manni«
« z recht Euer Gnaden«
M alledem fügte sich Cyrano nicht
sp« « , sondern suchte nach irgend ei-—
M Mitei, in das Schloß zu dein
iam der Trupp unsinni
Und wie steht es denn miiFrau von l
schritt näher und während der Gascog
ner die Schritte vernahm, drehte et sich
Im.
. Er begriff alles; man wollte sich für
tzechker Schildwache angethane Gewalt
ta n.
»Oho!« murmelte er, »ich glaube, ich
habe Unrecht gethan; das könnte alle
» weine Pläne durchirruzen." « ·
i Doch mit seiner gewöhnlichen Gei
! skesgegenwart hatte er schnell einenEnt
» schluß gefaßt und sagte sich wieder:
i »Verschwinden wir, zum Zurückw
nien wird es noch immer Zeit sein." «
’ Indessen stürzten die Soldaten nn;
; getreuzten Hellebatden auf ihn zu, doch
! Chrano wandte sich auf seinem Pferd-:
L um, zog sein Rappier und machte
; Miene, sich auf die Angreifer zu star
s zen.
T »Vorwärts,« commandirte der An
’ führer des Postens, und schon wurde
das Manöver ausgeführt. Das war al
les, was der junge Mann verlangte,
denn diese Massenwirkung der Solda
Len gab ihm mehr Freiheit« zu entflie
en.
»Vorwärts, meine Tapferen.« fuhr
der Anführer fort, und thatsiichlich
schloß sich der Kreis der Hellebardiere
um den Gascogner. Chrano war um
zingelt, doch noch gab er die Hoffnung
nicht auf. ließ seinPferd zwei biis drei
Sätze zurück machen, bohrte ihm die
Sporen in die Seite, und stürzte nach
dem Gitter im Hintergrunde. Mit der
selben Bewegung drehten sich sämmt
liche Soldaten um, doch sie hatten die
Hellebarden hochnehmen müssen, um
sich nicht gegenseitig zu oerwunden,
und diese turze Zeit hatte genügt; alH
sie ihr Auge aus das Gitter richteten,
war Chrano verschwunden.
Jm Augenblick, da der junge Mann
aus den Platz vor dem Schlosse ge
langte, bemerkte et seinen Latai, der
langsam heran geritten kam. »Berile
dich!« rief ihm der Gascogner zu, und
versente gleichzeitig dem Pferde einer-.
flachen Hieb mit feinem Rappier.
Das Thier war wie umgewandelt
denn es raste setzt im wiithendenGalovp
dahin, und einigeMinuten lang spreng
ten die Flüchtlinge weiter. daß dieFun-.
ten stoben.
Jeden Augenblick wandte sichChrano
auf seinem Sattel um, doch endlich
hatte er die Gewißheit, nicht mehr ver
folgt zu werden und ries: «Halt!« Er
brachte sein Pferd zum stehen, und auch
Jolivets Roß folgte diesem Beispiel
Man befand sickt aus einem Platze, aus
dem gewöhnlich der Markt abgehalten
wurde, doch an diesem Tage war er
leer. Der junge Mann blickte sich um
end stieß einen Ruf freudiger
Ueberraschung aus; denn aus
einer Seite des Platzes- befand
sich ein Gasthof, der das Schild auf
wies: »Zum eisernen Kreuz.«
»Ah, bei Gott«, sagte der Gascog
ner, »das nenne ich Glückl«
Und zu seinem Gefährten gewendet,
rief er: »Komm, Jolivetl«
Vor dem Gastbaus angelangt,
svrang er Vorn Pferde, und der Latai
folgte seinem Beispiel. Seltsamer
weise aber zeigte sich niemand, um ilm
willkommen zu heißen. und Jolioet
mußte die Pferde an Ringen anbinden,
welche in die Mauer eingeschlagen wa
ren. Während dieser Zeit stieg Chroni
die wenigenStufen zur Freitreppe hin
aus und legte bereits die Hand auf die
Klinke, als sich die Thür von seibst öff
neta
Der junge Mann hatte taum die
Schwelle übrrtreten, als sie sich von
selbst wieder schloß, doch plötzlich enz
stand im Innern des Hauses ein gro
szer Tumult. Jolivet war erschreckt
zusammen gefahren, denn er hörte die
Stimme seines Herrn, welche sieh in
Flüchen und Drohungen erging. Der
brave Bursche zögerte keinen Aussen
bliel, er stürzte ebenfalls zur Thür und
rüttelte daran aus Leibeäträstein Sie
widerstand, denn man hatte sie von in
nen verschlossen, während der Lärm
auf der anderen Seite stärker wurde.
Man vernahm Eisengetlirr, sahest-ten
sowie das dumpfe Geräusch umgewa
fener Möbel. ·
Chranos Gefahrte fragte sich: »Was
niqu - · . .
Außer ncy vor Wurn rann-: er ncy
die Haare, um doch immer wieder Zu
dem Schlusse zu gelangen:
»Bei einem solchen Kerne-se Lin ich
zu nichts nutze!«
Plötzlich aber bemerkte er eine Thür,
welche auf den Hof des Gasthuufes
hinaus-führte
»Hier entlang«, murmelie cr, wenn
ich nicht handeln kann, so werde ich
doch wenigstens erfahren . .
Er huschte an der Mauer entlang
Und kam bald, ohne gesehen zu werdet-»
nach dem hinteren Theile des Haufe-J
Eine Thür stand halb offen. Jud vor
sichtig warf er einen Blick in das Jn
nere. Niemand war zu sehen, ge
täuscht-II trat er ein. und von hier
konnte er sehen, was in dem zrkoßen
Saale des Gasthofesz vor sich ginq. list
konnte einen lauten Schrei des Ent
fesenj nicht zurückhalten doch dieser
Schrei verlor sich im allgemeinen TU
nwlt und der Un lückliche blieb ver
; steinert ver dem uspiele stehen,
k das sieh emen Augen bot.
Sein rr war in einen infamen
Miete-alt fallerwenn ais er vor der
Gerge a stieg, hatten ein Dutend
- Männer auf ver Latier gelegen, die
im Augenblick, da Cytano den Saal
betrat, wie auf Sommeran auf ihn
losgestiitzt waren. Zuet hatte sich
der Gascoxknet von den mfchiingun
gen der wüthenden Meutc wie ge
lähmt gefühlt, doch schnell hatte er sei
ne unbezsihmbare Energie und seine
imerfchiitterliche Geistesgegenivatt wie
derqefstkibm Wie ein von Hunden ge
hctzte. sxi s: hie:::7 · .seine Angrier al
gefchiittelt und sie einige Secnnden
lang zum Zurückweichen gebtachi; diese
kurze Zeit hatte genügt, daß er sein
Schwert ziehen konnte, und zwei der
Anat-Her waren auf die Erde gerollt
Schließlich aber mußte sich Entom-,
der von allen Seiten untzingelt war.
fiir besiegt erklären, und man band
ihni Hände und Füße.
Schäumend, wiithend, zur Ohn
macht gezwungen, konnte er nichte- wei
ter thun, als feine Wuth in Flächen
aushauchen, während der arme Jotivet
von dem Winkel aus, in dem er faß«
vor Verzweiflung fast verging, weil er
feinem Herrn nicht zu Hilfe kommen
konnte. Jammernd murmelte er:
»Das find dieselben Soldaten, die
ich aus dem Schlosse habe kommen fe
hen; ich erkenne sie ganz genau; ach,
wenn mein Herr mir doch geglaubt
hätte; ich hatte wohl recht dem grauen
Manne zu mißtrauen.«
Indessen hatte sich die Thiir des
Gasthofes von neuem geöffnet, und die
Polizeileute zogen triumphirend mit
ihrem Gefangenen ab, während Cyru
nos Gefährte sich fragte: »Wo werden
sie ihn hinführen?«
Nun verließ er fein Versteck und
wandte sich dem Hofe zu, als ihm plötz
lich ein neuer Gedanke aufsiiegt »Auch
mich wird man gefangen nehmen,trenn
ich mich auf dem Plage zeige . . . .«
Und während er sich, wie stets, wenn
er in Verlegenheit war, hinter dem
Ohre lratzte fragte er sich nachdenk
lich: »Was toll ich ihr-use Sau ich mich
ausliefern, um meinem Herrn wenig
stens im Gefängnier dienen zu tön
nenØ .. . doch nein, man würde uns
nicht zusammen lassen, und ich werde
ihm besser dienen lönnen, wenn ich mir
die Freiheit erhalte . . . .««
»Ja,« fuhr er im entfchlossenenTone
fort nnd blickte sich verstohlen um, ob
sich nicht irgend ein Ausweg bot, zu
Cyrano gelangen zu können. Der Hof
des Gasthauses hatte zwei Atteglinge,
und er eilte nach der Thür, welche der
jenigen, durch die er eingetreten war,
entgegengesetzt lag.
»Ah, eine Gasse’« murmelte er und
lief weiter; plötzlich bemerkte er in der
Ferne eine Gruppe von Mannen-» die
einen anderen mit fih fchleppten.
. »Wie foll ich ihnen folgen, ohne ge
sehen zu werden?« fragte er fuh, doch
seine Verlegenheit war nicht von tun
qer Dauer-· Das Erscheinen der fettfa
wen Schan: erregte die Neugierde der
Bewohner von Saint-Germain, Wei
ber traten vor die Tieiircm GriIPPeU
tjildeten fich, und Müfiiagijnsger«nnd
ltsassenjnngett be annen hinter wan
tizisten herzu-lau en. Die fresmillige
Estorte vermehrte sich beständig und
Jolivet sagte fich:
»Jetzt iann ich unb:iorgt folgen. . ."
So verlor er sich denn in den le ten
Reihen der Neugierigcn, welche te es
Herrn begleiteten und fragte in dem
harmlofeften Tone von der Welt einen
der Gaffer:
»Was geht denn da eigentlich nor Z«
Dann legte er, ohne auf die Ant- ·
wort zu warten, die Frage einem an
deren vor, und in drei Minuten erfuhr
er, daß sein Herr ein Dieb, ein Mör- «
der, ein Ketzer, ein Falschmünzer war.
Bei jeder Antwort, die er erhielt, :«.ickte
l
)
;
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Joiivet gläubig mit dem Fig-spie, so daß i
Wes-rund auf den Gedanken law-, er
l
könne mit dem Verbrechen den mai-. l
« zwanzig Scheut von ihrs-. entfernt fort- ’
führte, in irgend welcher Bin-Ihm g .
. stehen.
Bald war man a:n(-s·i. 27 ".«. Z rTer
lassen ang: lanat ink di Menae muß-e
» Halt machen, denn rnan durfte n: erst so
s ohne weiteres die thiiren Die-, Eli-nigr
» betreten; jedoch bemerlte .·- 7n Vir- hier
la aus die nied ige Thüz aus der ( na
k nos Diener eben die Polizeiteurehatte
herauskommen sehen. Mit traurigem
Blicke folgte der arme Junge feinem
; Herrn und plötzlich sah er, wie dieser
k sich trotz der hande, die ihn hielten,
umtvandte. Der junge Mann sue-hiese
I mand aus der Menge-, doch Jalivet
i wagte nicht, sich zu rühren und mur
i
l
l
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l
melte trauris:
»Er glau t, ich lasse ihn irn Stich;
er hält mich fiir einen ieigen und un
dankbaren Menschen, und so unrecht
hat er ja auch nicht, denn ich habe oft
genug gezittert.«
Dann aber fuhr er plönlich im ener
gischen Tone fort:
.Sie täuschen sich, Herr, und bald
werde ich es Ihnen beweisen, daß ich
vielleicht nicht so unbedeutend bin, wie
ich schenke-« «
Jn diesem Augenblick schloß sich die
niedrige Thür hinter der Estorte und
dem Gefangenen.
12. E a p i t e l.
Die Menge zog sich langsam zurück
und unter lautem Gespräch gingen die
Gruppen auseinander Jolidet war ih
nen gefolgt und, langsam dahinschwi
tend war er in tiefes Nachdenken ver
funken. Was sollte er thun? Lange it
konnte er auf diese rage teine
sung findet-, dann il user sich diss
lich vor die Stirn undaf
.:’ech bin doch bei Both ein Dumm
kopf. wie mein herr immerfa ti«
Sein i hatte platt einen
Pskchen Warmen nnd,
gären Monat-da fortsetenn rief er
. O
»Fräulein von Lucel sie allein larm
uns aus dieser Noihiage befreien:
Weshalb habe ich nur ni t früher an
sie gedacht? Jch muß sie se n, sie spre
chen und sie bitten, bei der Königin die
sofortige Freilassung des Herrn Savi
nien nachzusuckzen.«
Doch in demselben Augenblick wurde
er wieder bestürzt, und sagte:
»Sie sehen! Das ist recht schön und
geti; aber wie? Man wird mich ja
nicht zu ihr lassen! Sei ein iönigliches
Schloß ist gut behütet, . . .. hätte ich
nur eine Livree; aber so sehe ich ja aus,
wie ein richtiger Vagabund. . .« s
Cyrcmos Diener hatte die Wahrheit
gesprochen, seine Kleidung war nichts
weniger als frisch, Und die Treppe des
Trödlers hatte ihr den Gnadenstoß
. versetzt. So konnte sich Jolivei ais der
I
Lalai eines Edelmanneg nicht vorstel
len, denn er mußte zum mindesten ers
warten·—davongejagt zu werden. Trau
riq und gleichzeitig ärgerlich, betrach
E iete er sein schädiges Gewand; dann -
. fuhr er fort: I
: «Gleichviel; ich muß ein Mittel fin- «
den, Fräulein Diane zu sprechen; aber 1
wie?« l
Der arme Teufel zerbrach sich noch (
immer den Kopf, als sich plöhlich eine I
schwere hand auf seine Schulter legte
Er fühlte, wie die Beine unter ihm zu
fammenhrachen, ein langes Schaut-ern
durchlief seinen Körper, nnd der Un
glückliche stammelte:
»Ich hin gefangen; man wird mich
in den Kerker schleppen.«
Doch in demselben Augenblicke ließ
sich eine Stimme vernehmen
».ßeda, Jolibetl«
Er wandte sich um und blickte den
Sprecher erstaunt an.
»Sie täuschen sich!«
»Ach, warum nicht gar?!"
»Ich versichere Sie» ..«
»Nun, ich hätte doch wetten mö
gen. . . .«
»Sie hätten verloren« .'«
»Eine solche Aehnlichkeit» ."
»Die sieht rnan alle Tage-"
«Nein.«
»Doch!«
Der andere schien noch immer nicht
überzeugt und fragte noch einmal.
»Hu bist also wirklich nicht fee-li
tet«-" «
»Wenn ich Ihnen doch sage . .
»Bist nicht in Samt-South in de:
Nähe von Bergerac geboren?«
Anstatt zu antworten, entschloß sich
Jotivet, sein Gegenüber prüfend zzx
betrachten. Er sah sich einem ziemlich
dicken Burschen mit sriihlicher Miene
gegenüber, der mit einem Palizeimanu
allerdings nicht die geringste Aelknlich
teit hatte, ganz abgesehen davon. daiz
er vom Kon bis zu den Füßen weiß
gelleidet war.
»Ein Küchenrneister,« murmelte Jo
livet und sah dem Mann nunmehr be»
ruhigt ins Auge. Seine Erinnerun
gen erwachten, und endlich erkannte er
einen Freund aus früherer Zeit. der
ebenso wie er aus der Gascogn:
flammte· s
Daher fuhr er in ganz ande:ern
Tone fort
«Sie wissen also ganz genau, daß
ich Jolivet heißes«
. »Gewiß, und jemehr ich dich betrach
e . . .«
»Nun denn, ich will es nicht länge:
verhehlen; ich bin eS!«
Bei diesen Worten streckte Joiivet
beide Hände aus und fügte hinzu
»Sei rnir gegrüßt, Cambournac!«
Der andere stieß einen Triumph
schrei aus« zog seinen Freund an seine
breite Brust und iiisite hinzu:
»Unmrrnen wir sank-, Jolivetk
»Um-armen wir ring, Lan-bourn.:s.«
»Ich freue mich Exerkiidy dich wic
t«eriuset«,en!«
»sich ebenfall5!«
Als die ersten Herzenggrific vorüber
waren, fragte der siech:
»Sage, Kamerad, warum wsitieft
du mir durchaus cinreden . . ."
»Fa.ß du dich täuschtest3«
»; a.«
Jvtivet neinn eine pfiffige Miene ai:
und versetzte:
»Das war so eine Idee von mir.«
»Ah, jedenfalls ein Witz?«
»Du tönnteit richtig gerathen has
ben!« «
»Das ist nicht nett von vir, Jolivet!"
»Wie-shall- denn nicht«-«
»Wenn man sich to ianae nicht gete
ben hat, muß man seine Zeit nicht mit «
irlckien Alberniieiten vertritt-ein«
»Da hatt du einentiich recht; dort
sprechen wir vvn dir. Ich habe Mi)
» vier Jahre lang nicht gesehen und fin
? de dich kund und stattlich wieder; auch
» brinat mich dein Anzua auf den Ge
danken, daß du mindestens bei einen
: vornehmen Herrn Küchenchei bist. Jst
. das wahrt«
; »O ia,"« versetzte Cambournae itatz,
, »ich stehe in Diensten eines qroßen, ja,
sogar eines sehr gtußen Herrn.«
»Deinequ ich» «
»Nun, dagegen du?«
,,Run, sieh mich doch ani«
Dabei zeigte . viivet auf seine arm
selige Kleidung, och der andere schien
ihn nicht zu verstehen
,,Was ist denn?« fragte er naiv
,Ja, ja, die Freunde verändern sich;
besonders im Wohls«-OF
»Ach das ist schlecht von dir gespro
chen, Ioiivet!«
Dabei Machte Cambournac ein io
beteiidtes Gesicht- daß Cyranoi Diener
bedanerte, die Probe ioioeit getrieben
zu its-den«
Indessen fuhr Cnmbouenac fort
«Woiiee tommii du denn ietW
Wunden-en- von setnerae.«
«Und wohin gehii du's«
.quendii«
»Was thust du denni"
»Nicht-; ich ins-he eine Statut«-ji«
»Oh, die wird man schon file dich
finden«
Der Koch xchwieq ein Weilchen, dann
xuhtr et mit e net gewissen Berlegenhett
or
»Noch eine Franz ;solivet!«
,,iSpr ch!
»Du wirst doch nicht böse werden ?"
»Nein!"
»Hast du Gelds«
Jolivet wandte seufzend die Taschen
; um unt sann:
’ gleicht einen Pfennin"
Der Koch steckte nun c enfallz seine
Hand in die Tasche, zoa eine ziennich
wohlgefüllte Börse heraus und be
schränkte sich ans die Bemerkung:
Theilen wies«
Das Anerbieten wurde io herzliin
einfach qemacht Daß Jolivei tief
netzt-at wurde und fast anänen ver
qo ..
»Ca:nbournac!" ries ek; »du bist
doch ein braver Freundi«
»Du nimmst ans-'
»Mit bestem Dante: und nie werde
ich vergessen«
IchLaß doch; das ist d eh ganz natür
Als Jolivet ein Dutzend Thaler. so
wie einian Kupferaeid empfangen hat
te, subr er fort:
»Nun aber, Kamerad, sage mir,
was hast du itir ein-: Stelluna?"
,.Dos stehst du ia, «erwioerte Ca: n
tout-nac, aus sein Costiirn zeigend.
»Ja, aber wer ist de: vornehme-Herr,
von dem du eben aesoroeben hasti«
Seinen Namen brauche ich dir wohl
nicht erst zu nennen: wenn vu weißt,
wo er wobnt wirst du schon Bescheid
w tsen.«
»Damit streckte er den Arm mag-i
ner hoben Facade aus an deren uß
dieses Zwiegespräch stattgefunden int
te und sagte stolz:
»Dort wohnt eri«
Jolivet hatte die Auaen erhoben
und versetzte:
»Aber das ist Ia das Schloßi "
»Ganz rechts« entaeanete der Koch.
»Und dieser vornehme Herri«
Carnbournac stellte sich stolz vor Jo
livet hin, streckte eine Hand in den
Brustlatz, nahm snir der anderen sei; :e
Rkt itzt ab und saate: «
«Seine Majestät, Könia Ludwig
der Dreizehnte.«
Der brave Bursche blieo einen Au
genblick starr, doch das dauerte nicht
tanae, denn ein ausgezeichneter syste
sante war ihm eben auiaeitiegem und
e: tagte sich:
»Da ich nicht durch ais Vorzi innre.
zu Fräulein von L: ice drinaen t.1nn,so
woiien wir es durch die Küche der-su
eben-« »Cambou:na:." fubr erfort
brauchst du nicht einen Kächenjnw
aen?«
,Leider Ia. « erwidern-: der stach Zeus
zkkic
»Was bedeutet denn dieser Zeus
Hee- »Y«
»Jolivet, du hast vie Hand auf eine
tief: cismerzeuoe Wunoe seiest
·Nicht möaiich!«
,:,Za dente dir, .,e:1t Nacht bat ein
proßes Gatafest itattaeiunoen.«
«Zur Feier der Geburt des Dau
phin. .icb weiß.'«
»Auch das Volk hatte seinen Linibeii
daran: die Fontainen des Gatten-J lie
ßen Wein statt Wasser fließen und auch
as Z allen Dachrinnen sioß Wein, so
daß diese Taugenichtse von Rück-ensuri
aen die ganze Nacht qeramt und ar
trunten haben und heute Morgen wie
die Murmeltbiere schiaien·«
»So bist du also in Verteaeiihcit?«
I »Nun, das kannst du dir dkch den
en.«
»Was würdest du dazu sagen, wenn
ich mich dir ais Ersatz anvötei«
Der brave stach riß die Augen auf
und riei mit wichttaer Miene:
»Wo dentit du bin. du trillst in die
Küche des Köniasi«
»Wesbatb nicht?«
Joiivet leate den Arm Qui vie Hand
des Freundes, und fragte, ibm fest ins
Auge blickend:
»Du tennst doch die »aoldene
Haus«-F
»J:en Gasthof deines Vater-Z«
»Nun, war die Kiiiie dort nicht ve
rühint?«
»Das ist allerdings wahr!«
»Nun denn, Kamerad, seit deinem
Fisrtaange liat ver aute Nur beg; Gatt
t,-oies noch zugenommen«
,,Wirtlich?«
»Und durch wen? durch nich; dar—
tann ich ohne Eitelkeit bebauptei:!«
Cambournac war bald erschüttert,
doch et machte noch einen letzten Ein
wurf: »Das ist alles ganz schön und
gur, aber zwischen den Feinichtnectern
von Saint-Coure sind dein König
Ludwia dem Dreizehnten iit ein gro
ßer Unterschied.«
»Du veraisseit eins!«
»Was?«
»Dort unten war ich Küche-meisten
was werde ich hier feint Ein einfacher
Relrut unter dern Befehl eines Gene
rals. wie du es bitt . . .«
»Du hast Recht!" versetzte Tand-our
nac arschrneicheltz tominc Kamerad,
wenn du eine Dummheit hegehiy to
werde ich sie schon aut machen!«
Entzückt folgte Jolivet feinem
Freunde in die·töni-rliche Küche nnd
saate lich veranüat:
»Jetzt, da ich am Platze bin, brau
che ich nur ge chickt zu Werte gebeut«
Die erste orae Cambournacs be
stand darin, feinem Freunde die Livree
feines neuen Standes zu verabreichen,
und der neue Kucheniunae murmelte,
während er sich in einem nlänzenden
Kupferlessel spiegelte
..Vottresslich; dahinter soll jemand
den Diener des Herrn Cyeano erken
nen; selbst der graue Mann wäre dazu
nicht im Standet«
»Ein träftiaer Ruf unterbrach ihn m
seinen Betrachtunan
,,Iolivet!« schrie Gunst-daraus Der
brave Bursche sah ihn bestürzt an; de:
Ton war hart qeworden. das Gesicht
hatte einen strenaen Ausdruck ange
nommen; der Freund verschwand und
nur der Kiichemneistcr blieb noch übrig.
Jolivet Lohne dem Rufe und sah sich
im Firei e seiner neuen ColleaenjCaxns
dournaC stellte ihnen denselben mit
iiberleqener Miene vor: dann sagte er
wie ein General, der seine Trupprn
zum Anqriff anfeuern will: «
»Meine Herren, wir miisicn für den
Könia das Mittagsmahl ruhenden
Die Minuten sind kostbar, machen wir
uns ans Wert, und retten wir die
Ehre der Kuchen Seiner Mniestät!'«
Jeder eilte an seinen Posten; der
Jolivets war ein sehr niedriaer, denn
er mußte das Crystall- und Porzellan
geschirr abwaschen Gewissenhaft
schlug er seine Aermel in die höhe und
begann sein Wert, was ihn jedoch nicht
hinderte, Beobachtunaen anzustellen
Gar bald merkte er, das; nicht nur die
Abwesenden die voriae Nacht netauzt
und gezecht hatten, denn er sah nichts
weiter als schläfrige Leute.
Cambournac mochte noch soviel
fchmspsen und donnern. es ging nicht
von« der Stelle. Jeden Augenblick
schrie der Unglückliche verzweifelt:
»Wir werden ja zu Mittag nicht zer
t1q,« und bei jeder seiner Klagen ti er
sich einen Büschel Haare aus.
Jolivets Pflicht wäre es gewesen« ihn
zu beklagen, doch er schien sich im Ge
gentheil über das, was er fah- zu
freuen; es war nicht etwa Undank, doch
er hatte seine Idee dabei.
—- . -—.-·----,- ,
Eben hatte er auf einen Anrichtetiich
die Crhitalle und das Porzellan hinge
stellt und wandte sich nun zu seinem
nächsten Nachbar. der mit dem Abwa
lchen des Silberaefchirts betraut war.
Derselbe saß auf einem Schemel und «
rieb nachliissig eine Schüssel ab.
Plötzlich hbrte jede Bewegung auf,
die Augen schlossen sich,und die zslbers
ne Schüssel fiel. Doch sie rollte nicht
bis ur Erde, denn Jolivnt hatte sie
im lu e aufgefangen und machte sich
nun mi pfiffigem Lachen an d:e»Ar:
beit seines Kameraden· Bald glanz
te das Silberzeug in vollkommener
Ordnung auf den Konsolem wankend
der Kücheniunge noch immer Flieh
Plötzlich aber richtete er sich an · eine
träftige Hand hatte ihn bei der Jacke
gepackt, und mit Erstaunen sah er, daß
seine Arbeit im Schlafe gethan war.
. Doch es blieb ihm nicht die Zeit, sich
’ das Wunder zu erklären, denn Cam
bournac hatte ihm plötzlich einen wit
tlxenden Fußtritt bericht.
»Hinaus, TölpeL Tannenichts'",
briillte Cambournac; »du entehrst uns;
ich jage dich aus den Küchen des Ko
nigs.'« Dann lehrte er zu feinem
Landsmann zuriiit und tagte in dank
darein Tone:
»Das hast du brav ge sacht, Jolis
verl«
Anstatt ihm zu antworten, dreht-:
der andere ihm den Rücken, denn nichts
entging dem Auge des neuen Küchen
;una,en. Jn diesem Augenblick aber
ging etwas Unglaubliches. Schreckli
ches vor sich; einige Schritte von Jo
livet flammte ein großer Kantin, und
über den Flammen befand sich ein
Bratipieß, an dem ein prächtigerTr it
hahn hing; doch wunderbar-er Weise
» blieb das Geflügel unbeweglich, denn
der Bratfpieß drehte sich nicht. Ter
Elende, dem man die Obhut ander
iraut, saß mit gesenktem Haupte und
’ herabhängenden Armen vor dem Herde
und schlief. Jolivet machte nur einen
i Saktg riß den Vratspieß heran-Z und
« rie :
»Es war die höchste Zeits« Cam
J hournac war diesem Drarna in höchster
, Erregung gefolgt, ein lalter Schweiß
I rerlte ihm auf der Stirn, er warf ei
» nen ängstlichen Blick auf den dem der
. Flamme veraoldeten Vogel und rief:
»Noch eine Selnnde, nnd alles war
i verloren! Oh, Jolivet, wie dantbar
, bin ich dir!«
»Cambournac, übertreibe nicht!'«
»Du wirst mich doch nicht hindern,
dir zu sagen, daß dn mich reitest, denn
ohne dich . . .«
Er unterbrach sich und fuhr dann
lächelnd fort:
»J- habe eine großartige Idee ge
habt!«
»Wann denn?«
»Als ich dir anbot, dich als Flächen
iunge anzustellen!"
Jolivet tonnte nicht unilyim zu lii
cheln, doch wollte er seinen Freund
nicht verletzen und sagte deshalb nur;
,,Verlieren wir unsere Zeit nicht mit
Complimenten!«
Als Cainbournac sich seinem schläf
rigen Bratenspikßdkkhkk gegenüber
sah, fühlte er, wie sein Zorn aus«
neue erwachte; das Urtheil wurde
schnell zur Ausführung gebracht, und
der Schuldiae verschwand-, sich den Mit
eten reibend. l
Jolivet fyatte sich inzwischen einem
Herde genahert, aus welchem Kasse
tollen brodelten, und einen Deckel in «
die Höhe hebend, ries er: «
»Wer ist denn dieser ungeschickte
Mensch; er weiß ja nicht einmal, daß
das Feuer viel zu schars isi?«
Bei diesen Worten regelte er das
Feuer, der Saueentiinstler wollte wi-,
versprechen, doch zu seinem Un lück««’"«
kam Cambournae hinzu, und der aus- J
cenbereiter solgte bald dein Braten-—- -
spieszdreber und dem Manne mit der
silbernen Schüssel
»Die Schatten, die Faulenzer,« rief
der Kuchen-missen »was wäre ohne
Jolivet aus mir geivorden?«
Dann blickte er sich um und inne
melte:
»Wenn ich so soetsabee, werde ich
bald Niemand mehr has-ein«
Mortseßung folgt)
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