Der Todte von Hnrrnr Island. sit-man von W MI. -»--—-—-------------.d-A (10. FortseßungJ »Daß dieser Mr. Davis aus New York einer der erfolgreichften und ge wiegtesten Detcctives Ameritas ist.« sagte et langsam, als spräche er mehr zu sich als zu einem anderen, »das ist mir gestern Abend von dem amerikani schen Gesandten selbst bestätig: wor den. Dieser säcllte Davis gewisserma ßen mit dem berühmten Piukerton auf eine Linie. Natürlich, diese amerika Jischen Detectires sind oft qewissenloz und haben sich kreist auE einer dunkken Vergangenheit, die sie oft selbst seht nahe mit den Verdrechekn in Berüh rung brachte, zu tüchtigen-Gehein»1poli« zisten emporgearbeitet. Das You auch bei Daviiz der Fall sein, doch ist, ·wie mir Der Gesandte versicherte. an seiner jetzigen Respectabilitöt nicht zu zwei feln. Also dieser Mr. Davis schreibt an mich aus London, wo er sich gegen wärtig befindet. Er vertraut mit mit der dringenden Bitte um strengste Ge heimlkaltung an, daß er seit zwei»Jah ren die Spuren einer höchst gesahrli chen Erpresser- und Schwindler-Bande verfolge, welche ihre verbrecherische Thätiaieit über Europa und Amerika ja vielleicht noch über andere Erdtheile zu erstrecken scheine, und daß er tin der letzten Zeit wesentliche Fortschritte in seinen Entdeckungen gemacht habe. Ein Zufall habe ihm enthüllt. daß diese Bande auch dem verstorbenen Grasen von Fels einen schlimmen Streich ge spielt haben müsse, der in iraend einem Zusammenhrng mit der in London ge schlossenen Ehe dieses Herrn stehe. Die ganze Natur und Größe des Schwin delz habe er jedoch noch nicht ermitteln können, dazu fehlten ibm in erster eRihe die genauen Kenntnisse der Le bensverhältnisse des Grafen selbst. Nun sei er durch ein merkwürdiges Zusammentreffen welches volle drei zehn Jahre zurückliege. darüber unter richtet. daß durch mich Austiinfte be " ziiglich des verstorbenen Grasen zu er langen seien; neuerdinag über mich eingezogene Erkundiaunaen hätten ibm dies bestätigt, und es sei sern lebhafter · Wunsch. mit mir in dieser Angelegen bett Hand in Hand zu arbeiten. Jch möchte ihm meine Ansicht hierüber bal digst mittheilen. Davis hält sich gegen wärtia in London unter dem Pseudo nym Thomas Thornton aui.« »Und was sind Sie zu thun geson nen?« Gallus erhob sich von seinem Sessel und stützte seine kleine verwachsene Ge stalt mit beiden Händen auf den Tisch. «Jch werde ihm nicht brieilich antwor ten,« entschied er, »sondern selbst nach London reisen, um mit Mr. Davis . persönlich den Fall Zu erörtern. Denn ich ahne es nicht nur« nein. ich weiß es, ich rechne es aus dem Eremvel, welches über ein Jahrzehnt mich schon beschäf tigt und doch nicht ausaehen wollte, beraus, daß wir ietzt auf dem Wege sind, den langgeiuchten Schlüssel des . Mithsels in die Hand zu belommen. Auch Sie, mein Freund. baben in i selbstloser eWise diesem Problem der i Fels’schen Familienwirren seit langer x Zeit Geld, Mühe Und Interesse ge opfert —- deshalb will ich keinen wick tiaen Schritt obne Ihrer Billigung thun. Nun. so sprechen Sie! Wollen wir Mr. Davis die Hand reichen und i mit ihm aemeinsam unsere Forschun- , gen fortsetien?« l I »Wir wollen es,« rief Nhedem »vie! leicht gelingt uns aus diese Weise, was wtr so lange gemeinsam vergeblich an gestrebt; vielleicht führen uns die Ent deckungen des Mr. Davis aus die Spur der Frau und des Kindes Elders v. Fels. Sie, wenn es noch in menschlicher Macht liegt, aufzufinden und in den Besitz des ihnen zukomemnden Nachlas sei zu setzen, ist unser einentliches Ziel, das wir nicht aus den Auaen verlieren wollen« »Und nicht verlieren werden," setzte Gallus lebl1aft hinzu. »F halte die Enthüllungen des amerikanischen De tectives über des Treiben der interna « tionnlenGaunerbande für äußerst wich tig gerade für unser Ziel. Davis glaubt Beweise zu haben, daß die Gauner bei derEbeschließung des Grafen ihreHand im Spiele gehabt. Ich bin nunmehr überzeugt, daß die Tänzerin Amtva ta, jeyige Gräfin Fels. das Werkzeug jener Burschen gewesen ifi und wahr scheinlich noch heute von ihnen geleitet wird. Ich gehe aber in meinen Vermu tbunaen noch weiter und behaupte, daß dieselben Schurken es waren, welche den ungliicklichen Eldor. meinen armen, unvergeßlichen Schüler, planmäßig in Amerika verfolgt und ibn durch ihre Machinnationen der Möalichleii be taubten, auf dem Wege ehrlicherArbeii fein Leben zu stiften. So trieben sie ihn - zur Verzweiflung und er be ing die Tbvrheit, sich von Weib und Idind zu trennen und fern von ihnen dem Glück nachMgem Unser»armer Freund war aus . Wege getaumt. doch die Sei nigen waren noch vorhanden und sie konnten seine Rechte wsabrnebmen.Des halb mu ten auch sie verschwindet-. Mit Mlckps ttelsi das die Eienben fertig gebracht haben, weih-si- mckrt, aber be wirkt haben sie sicherlich den Untergang »der Frau nnd des Kindes. denn nur so finde ihr Wen trei, dsfi die Beute ib M Mii« zufallen neunte-« - »Wuch- ein Abgrund von Abscheu lichteit!'« stieß Rheden erschüttert her ror. »Doch Glied an Glied ist zur « Kette gereiht —- ich den-andere Ihren ; Scharfsinn, Doktor-. —- Jndessen he anworten Sie mir eine Frage. Sie waren Eldois Lehrer und Freund, auf Sie konnte er sich doch unbedingt verlassen. Warum schrieb er Jhnen niemals von Amicita in seiner Noth, warum erbat er nicht Ihren Rath und l Jhre Hilfe?« ! I »Das habe ich mich natürlich oft ge nug gefragt,« antwortete der Justiz rath, »aber niemals ist mir eine Zeile von ihm zu Gesicht aetommen —- ich muß annehmen, daß man mich bei ihm verleumdet hatte, um ihn meiner Un terstützung zu berauben.« »Ist es nicht möglich, Doktor, daß Briefe bei Ihnen unterfchlaaen worden sind?« »ilnmöglich, das würde Niemand wa en.«« usanne schrieb hastig ein Wort aus das Papier nieder und schob es Gallus hin. Der Justizrath las das Wort: »Hähvchtn!« »Es könnte doch möalich sein," meinte er dann nachdenklich »daß El dors Briese an mich unterschlagen wor den sind. Jch habe lange Jahre einen Mann um mich gehabt. der meinesVer trauens völlig unwiirdig war-« Gallus zerriß das Papier mit dein f Namen und wars die kleinen Stücke . in den Papierkorb. Rbeden ahnte f nicht, wie nahe er daran aewesen, in ? teressante Auskliirunaen iiber den Cha ; rakter des herrn Häbnchen zu erhal - ten. »Wenn wollen Sie nach London J reisen?" fragte er den Justizrath Die ser bliitterie in seinem Terminkalender. . »Ich möchte die Weihnachtsseiertage benuken,« entschied er, »und denke. es ist das Beste, am Dreiundzwanzigsten mit dem Nachtzuge iiber Vlissingen zu reisen.« »Bis dahin sehen wir uns wohl noch. Sollte es jedoch nicht möglich sein, so bitte ich Sie, folgende Erklärungen oon mir anzunehmen. Sämmtliche Kosten der erneuten Nachsorschunaen trage ich, und besonders bin ich bereit. dem Mr. Dadis, wenn er in unserem Sinne wei terarbeiten will, jedeSumme zu zahlen, welche Sie, bester Doktor. ibrn bei mir anweisen werden.' Gallus schlug in die dar-gebotene hand. »Ich danke Ihnen siir dieses Anerbieten und nehme es. soweit es sich besonders aus Davis bezieht· an. Sie sind ien wackerer Mann und Ihr Herz ist nur edler, menschenfreundltcher Re gunaen sähig.'· Susanne set lte die Augen aus das var ihr liegende Papier. In diesem Auaenblick wurde an die Thiir gepocht und der Bureaudor »teber bat den Justizratb, auf eine Minute herauszukonrtnen. Gallus aing. Kaum sah sich Rbeden mit dem jun gen Mädchen allein, als er. iiber den Schreibtisch gebeugt, ihr zuflüsterte: »Fräulein, ich bitte, ich beschwöre Sie —- geben Sie rnir Gelegenheit, otkinen eine Mittheilung zu machen — ich muß Sie ungestört sprechen — bestimmen Sie, wann und wo.« Jnsurchtbarster Erreaung streckte Suschen beide Hände abwehrend aus. »Warum verfolgen Sie mich? —- Dok tor Gallus nannte Sie soeben noch ei nen guten Menschen — o. so seien Sie barmherzig auch gegen mich und ter nichten Sie nicht den Frieden meines sreudearmen Daseins.« »Ein Ehrenmann spricht zu Ihnen, Fraulein —- sein Wunsch ist« Sie un endlich glücklich zu set-ein« »Ein Ehrenmann schenkt nicht einem Schurken sein Vertrauen —- kann es nicht iiber sich gewinnen. ein schquses Mädchen durch einen Elenden beleidi aen zu lassen-« Rheden schaute, keines Wortes mäch tig, aus. Sein Gesicht drückte gänzliches Nichtverstehen ans. »Was sagten Sies« « stieß er endlich erregt hervor; »ich habe Sie nicht verstanden.« »Lassen Sie nur,« entaeanete Su sanne: ich will Ihrem Gedächtniß nicht zu Hilfe lomrren — es ist besser, wenn wir beide einander nichts mehr saaers." »Hier ist ein Räthfel —- ein Mißver ständniß —- eine Iäufchuna,« rief Rhe den schmerzvoll aus. »Aber Fräulein, ich werde mir Klarheit schaffen, ich lchwisre es Ihnen« J Gallus trat ein, und Rbeder verab » lchiedete sich baitia von ihm: es litt ihn nicht länger in dem Zimmer. Dann sagte er auch Sufanne flüchtig, doch durchaus erherbietig,Lebcwobl und ver ; ließ das Gemach. I Zum Glück fiir Sulannes Ge Tirniitliszustand nahm Gallus jetzt so J gleich ihre ganze Aufmerliamleit und k Thatlraft in Anspruch. indem er ihr lEinen langen Brief nach London an I Mr. Daois dictirte, worin er dem De tective schrieb, daß er am 23. December Berlin verlassen und vierundzwanzig Stunden später auf dem Viktoria Valnibof zu London eintreffen werde, I roå Davis ihn bestimmt erwarten m ge 12. C a o i t e l. Frau Geheimrath Busch war in die sen Tagen an rordentlichbeschiistiat Der «Berern r Krankenvsieae armer Frauen nnd Mädchen Berti-Mc dessen Präsidentin sie war, veranstaltete am 23. December einen großen Weih nachts-Mastenball, welcher alljährlich mit besonderem Glanze, nnd was den Veranstalierinnen die Hauptsache war, mit bedeutendem finanziellen Erfolg von statten zu gehen pflegte. Der große, herrlich ausgestattete Saal deeriihar monie war wiederum aernietbet worden und nun galt es, die ideuren Eintritts karten zu verkaufen, was sämmtliche Damen des Vereins mit wahremJeuer eifer besorgten. Die Damen des Bor standes aber hatten vollends alle Hände voll zu thun. Eine Sitzung folgte der andern, die Beratbunaen wollten gar kein Ende nehmen und die Vriisrdentin hatte natürlich in erster Reihe die F Pflicht, jeder Zusammentunft beizu P wohnen und ihr Urtbeil üoer die Ar ianaements abzugeben. Beate war diese Art der Verein-Stim tigleit höchst fatal, sie hätte sich am liebsten von der Theilnahme an dem öffentlichen Fest zurück-gezogen, aber das aing nicht an. Die Stellung iyres Gatten schon bedin te ibreMitwir tung, und dann teda te sie sehr wohl. daß der Ball ja eben nur ein Mittel zum Zweck sei, und daß ihre armen Kranken kaum so wirlfam unterstützt werden konnten, wenn den Reichen nicht auf dem Umwege eines ihnen ge botenen Arnusements die nöthigenMit tel dazu abgefordert würden. » Aber der Gebeimrath selbst war argerlich iiber die Geschichte. Seine Frau mutbete sich entschieden zu viel zu. Er sah sie ja taum noch außer » beim Frühstück, welches die Ehegatten stets gemeinsam einnabmen; die Früh stiickszeit bildete ibr liebftes Plauder stiirsdchem Sonst war sie fast immer auswärts oder doch von ihrem »Stabe« umgeben, fünf oder sechs Da men der Gesellschaft, die beständig ta nten oder gingen und das Zimmer der Geheimrätbin als das hauptquartier betrachteten. Sie hatten soeben wieder der Präsidentin ibre Berichte abgestat tet und sich. mit neuen Anordnungen versehen, geräuschboll verabschiedet, als Busch, zur Ausfabrt gerüstet, in Bea tes Zimmer trat· Nun, sind die tanzlustigen Sama riterinnen fori?" fragte er lächelnd, um dann das haupt seiner Frau sanft am Kinn emporzubeben und sie kopf schüttelnd zu betrachten. »Wie blaß Du aussiebft!« seztee er hinzu; »weiß: Du, ei ist hohe « it, da diese hef jagd entei, sonft kannst u die er te hilfe Deines Vereins selbst in An fpruch nehmen. — Doch ebne Scherz. » Beute, Du bist überangestrengt· undi eine Aus-fahrt in der herrlichen, reinen j Winterluft tbäte Dir wohl. Wie wäre j es, wenn Du mich wieder einmal auf meiner Rundreife begleitetest?« »Das -st unmöglich. und ich möchte es doch so gern. Aber ich erwarte noch eine Menge Leute. mit denen ich Abmachungen zu treffen habe, und dann fahre ich aus« um einien be tennten Familien Karten zu ringen. Ich habe noch erschreckend wenig ver kauft. während andere schon tteineVer möan abgeliefert haben.« »Du bist am Ende gar auch noch die hüterin der Schätze. um das Maß der Arbeit und Verantwortlichkeit voll zu machen?" forschte Busch. »Ich übernehme den Erlös für die Eintrittstarten und führe die ganze Summe, wenn alle ausfiebenden Gel der einaetvrnrnen find, an die Vereins tafsirerin ab. Das kann immerhin bis einiae Wochen nach dem Balle währen; es giebt Mitglieder, die gar zu säumig mit der Abrechnuna find.« »Rechnet ihr auf eine gute Ein nahmek - »Im Vorfahr orrzeichneten wir eine i Gesammteinnahrne von zwanzigtau- J send Mart, und weit über die hälfte T blieb uns siir unsere Armen. Jn diesem Jahre, denke ich, wird es noch besser —— sieh doch nur« Schatz, welche Masse Geld ich schon eingenommen hade.« Beate öffnete ihren zierlich geschnii3 ten Schreibtisch und drückte dann aus eine Feder. wodurch ein wundervoll ge schlissenes Spiegelglas sich verlchoh und ein Geheimsach sreigelegt wurde. Darin erblickte Busch einen Hausen Banknoten und Goldstücke.« »Es iebi doch wirklich noch gute und hil sbereite Menschen," sagte er, das Geld betrachtend. »Sie detdeili aen sich gern an einem Wert der Näch stenliebe —- wenn ihnen nur eine lustige Nacht dasiir arantirt wird. Drch wäre es nicht be er, Du trügest dieses Capital aus eine Bank, bis es zur Ablieferung it ist? DeinSchreik tisch ist wahrhas ig weder seuer- oder diebessicher.« »Es ahnt ja niemand seinen rost haren Inhalt. Der Verkehr mit Ban ken ist mir sremnd nnd macht Unr stände.« Der Geheimrath, der in Grüninge leaenheiten selbst nicht sehr praktisch oder erfahren war, gab ich mit dieser Erklärung zufrieden. s war auch hohe Zeit, daß er an seine Kranlen dachte. Nachdem er Beate noch einmal gebeten, sich zu schonen und ecn »biß eben von sich auchslir ihn aufzuheben,« läßt-e er fre zärtlich nn) verließ sie. . Brote schaute ihm hinter dem Vorhang « des Fensters nach. wie er in den har 3 renden Waan skiea und davonfuhr. Aus ihrem Gesicht dräute sich dabei die innige Liebe und Zärtlichleit aus, mit welcher sie an diesem Manne l:ing. Und doch -— kaum begriss e fest, day es möglich sei — hatte re einst an einem anderen Manne mit gleich großer gleich hingebender Liebe ne hanaenl Beute strich rnit ter Hand til-er rie Stirn, als wolle Iie rie bäten Gedan ten bannen, die sich plötikten in rlrr regten, — Schlangen erleich, dle ans « W dunklem Mngan langsam emporlries Gen. Sie Dank in einen Sessel am Fisch und fiiitzte das Daupi in die Hand. »Ich gehstk Hin-« ipth sie halb laut zu sich sei-»O »und is hohe ein Recht, ihm zu gehören. Eldor ist indi, und das Kind —- a.t,s, das Kind, es ist dein Vater gefolgt. Ich werde sie beide auf dieser Erde ais-l mehr wie dersehen. Ein Lebelschleiee deckt iene Zeit fiir mich. Jch muß lranl, sehr trank gewesen sein, als mir Mann und Kind plötzlich entrissen wurden. Wie seht ich mein Gehirn auch anstrenge, um mir iiber die damaligen Vorgänge ilar zu werden, ich vermag es nicht habe ich Eli-or und has Kind, meine fiiße kleine Susanne, in ihrer letzten Krankheit gepflegt» —- ielt ich ihre Hände, als sie von mir chiedeni — Siand ich an ihrem Grabe, als man . sie hinahsenlie in die kalte Erbe? s OGoii, mein Gott« sende mir doch eine Erleuchtung —- dunlel, alles Dun lel — ich habe leine Erinnerung!«« Beate spran auf und durchnnsz ba: Zimmer in gis-get Erreguna. Seht-Heiß tropfen perlten auf ihrer Stirn, und die Hände, welche sie bebend on die Wangen preßte, waren eiglali. »Wie ein Traum, den rnan ani Mirgen nicht entwirren tann, liegi’s hinter mir —- ein Friedhof, über den die Nebel gespenstisch wallen. Todt sind sie — das ist gewiß, ewiß! Aber wo — wo schlummern ie? Nichts! Keine Gewißheit! Alles, wag ich Busch darüber sagte — es war — es war — erlogen. Allmächtiger im Himmel, Du wirst mich nicht strafen ur diese Lüge, die einzi e, mit der i jemals dem geliebten anne unter die Augen zu treten wagte. Und mußte ich sie nicht brauchen, jene Unwahrheit, mußte ich ihm nicht sagen: sie sind todt, und ich habe ihnen die Augen zugedriiclt?" Sie schlug beide Hände vor das Ge sicht und blieb regungslos stehen; nur die tiefen, rin enden Athemziige län deten die Qua en ihres Innern. Nach Minuten erst wurde sie ruhiger. »Wie oft habe ich mich schon so ac auiilt und bin mit niir selbst in’3 Ge richt gegangen! Nein, nein. ich habe nicht nöthig, zu zittern —— ich bin mit autein Recht glücklich und ruhig an der Seite des besten Mannes von der Welt.« Beute trat an ihren Schreibtisch, der noch unverschlossen war. und holte das Versäumte nach. Dann nahm sie ein Bitch und feste sich nieder, um zu lesen, aber sie schien nicht die nöthigeSaniin lung und Ruhe sur das Buch zu haben, E schon nach wenigen Minuten legte sies es bei Seite. I Doch sie wiinschte a?erstreuung. Ab- ; leitung ihrer Geh-in en —- gleichoiel " wodurch. Sie griff in die tiefe silberne Schale, welche zahlreiche Visitentarien enthielt, in der Absicht, die zierlichen Karten und Kärtchen Neoue dassiren · zi« lassen. Sie nahm am Kamin Platz, s warf noch einige Scheite Holz in das z· lidernde Feuer und begann dann, die H Schale in ihrem Schoß bergend, mit l ihier harmlosen Zerstreuung. I Doch taum hatte Beate einige Kar- t ten gernustert, als ihr ein tleinez ae- - schlossenes Couvert in die Hände fiel, i welches in kräftigen Schriftziigen ihren ; Namen und ihre Adresse trug. Esi hatte offenbar obenan gelegen. ! Nicht geöffnet? Wie war es mög- i lich aewesen. daß sie einen Brief hatte E iibersehen lönnen? s Sie riß die Umhiillung auf. ; Wenige Zeilen nur waren es, welche s ein einfacher weißer Briesbogen ent- i l i l hielt: aber diese wenigen Zeilen muß ten eine furchtbare. niederschmetternde Mittheilung fiir diejenige enthalten, an welche sie gerichtet waren. « Mit einein Ausschiei sprang Beate empor; die metallene Schale fiel tlir iend aus den Teppich nieder, und die Karten flogen wie Schneefloeten durch das Zimmer. Dann starrte die Frau des Geheim rathes noch einmal auf das verhäng niszvolle Billet nieder, und ihre blossen Lippen murmelten das, was ihr Geist rffenbar nicht fassen, nicht begreifen tonrite. Namenlose Angst, tödtliche Besiiir sung malte sich in ihren Zügen. »Es ift glogen,« stöhnte sie mit ge brochener timme, «eg ist Wahnsinn! Aber wer —- wer ist es, der es be hauptet. Wer? Ah —- in’z Feuer — fort — in die Flammen!«. Jn der nii ten Setunde hatte das Feuer des Kam ng den lleinenoåltapien ogen verzehrt. Beute verin e sich kaum von dein Anblick dieser Verm-ch tung loszureißem »Fort!" wiederholte sie wie gemes abwefend, »fort! Es war nichts — ich weis-: nichts!« Dann schleppte sie sich schwankenden Schrittes zur eleltrischen Klinnei. re ren Knopf sie drückte, bis die Tbiir ausgerissen wurde, und eines der Mäd chen erschreclt hineinstiirztr. »Gnödige Frau —— wag besehlenSiie -—-nm Gottes willen, wie sehen die gnä dige Frau aus -—- was ist geichehen?« f ,,Nichts! —-— Bitte —e in Glas Was er.« Das Mädchen eilte hinaus, um das Verlanqte Fu holen. Als sie streitet tehrte, sand sie ihre Herrin ausgestreckt aus dem Teppich. Jhr Bewußtsein war entstehen. — Als am Abend der Geheime-nd nach Beendigung seiner Sprechstunoen an das Bett seiner Frau trat, fand er sie schon ziemlich erholt, nur noch recht blaß und nieder eschlagen. Er nahm ihre "nde und agie: .Du sie st, daß Du r zu viel zupernuthet ha , mein Lieb —ei war n chi- ali die Ueber anstrengung. Jest seht Dein Puls W normal, und Du siilslst Dich wohl auch träitigerif »Ich danke Dir. Ei war, wie Du sagst, nur eine Schwäche, die nnch nicht mehr so leicht überwinden soll.« An demselben Abend wanderte Franz Sattel-I, der Diener des Ge beinrraths, nach der Briickenstraße hin aus und siattete dem frath Schaller einen kurzen Besuch a . Die Empfeh lung, welche die Gräfin ihm an diesen gegeben, hatte schon gute Früchte sür ihn getraaen. Zwar, was der osrath von ihm verlangte, schien i m einigermaßen sonderbar und seltsam· aber Bartels war nicht der Mann, sich Skrupel zu machen oder aus Gewissensriielsichten die schönen aoldenen sean und Zwan- ; I ziamarlstiicle des Ho raths zu ver i schmähen. s , Auch beute klang in seiner Tasche « unter anderen kleinen Münzen ein » Goldsuch5, den ils-m Schaller eingehau- « - diat hatte —--- nur für einen kleinen ? T Dienst. den Bartels ihm erwiesen, und » der darin bestanden alte, ein kleines jBrieschen in das rezinmier der Frau i Geieimrath einzuschmnggelm I Und es war dem guten Burschen von I dem freundlichen Herrn Hosraid ver- J sicher worden, daß das Goldstück noch j man n Nachfolaer erhalten solle, ; » wenn er nur liinstig dienstbereit, ge- s H schickt und —- veischwiegen sei. s 13.Kapitel. E Es war am 23. Dezember um sechs Uhr Abends; oie Schreiber und der Bureauvorfteher des Justizraths Gal T lugs hatten heute ein wenig früher als E« fonft « eierabcnd gemacht, da die weih ; nachtliche Stimmung ihnen schon allen » in den Gliedern lag und der eine oder i andere wohl noch tleine Eintiiufe fiir T den anderen Abend zu orfor en hatte. Auch Sufanne beeilte sich, i re Arbeit J an der Schreid:nafchine zu beenden, damit sie rechtzeitia nach Haufe läute, I we sie noch an einer fur Mutter ; Strohbach bestimmten Handarbeit ch ? tin fein wollte. Sie hatte sich vorge ’ nommen, Im heiligabend die Pflege mctter aufzufuchen und tie zu befasse ren; in ihrem Stäbchen daheim ftand schon ein Korb mit allerlei auten Din gen, welche sie fiit die alte Kaki einge tauft; nur die Morgenfchu fehlten noch, an denen hatte Susanne noch zu arbeiten. Draußen fiel der Schnee in leifen Flocken und blieb auf dem glattgefros renen Straßenpflafter lieaen. um einen prächtiaen weißen Weihnachtss teppieh fiir dass fefni bewegte Berlin zu bilden. «Hoffent ich,« dachte Su fanne, »fehlägt das Wetter nicht bis morgen um: wenn es fo bliebe, das gäbe herrliche Weihnachten!« Weihnachten! Wer das holde Zeit fo traulich im Kreise der Seinen der lebte, wer von der Liebe der Eltern, - der Geschwister, von anten Verwandten die Gaben empfing -— wein die Kerzen des Baumes im Vaterhauz strahlten —- ach. wie glücklich und iualeich wie dankbar dem gütigen Geschick mußte doch der Mensch lernt Elternliebe! Nur ein fchwacher Ab alcnz der immelsgabe, wel dieer Wort bezei ete, war in ihr eben ge frllen. Diejenigen, denen sie ihr Leben rerdanlte, waren ihr verloren neide fen, noch ehe ihr die Fähigkeit beschie den ewefen war, die lieben Züge in der rinnerung festzuhalten Waren ihre Eltern todt? O gewiß lein Zweifel daran. Es that ihrem Herzen fogar wohl, daran nicht fchwanlen zu müssen; denn wie hätte es wohl ein Mutterherz ertragen tön nen, den verlorenen Liebling nicht zu erforschen? Und niemals war bei der Familie Strahl-ach feit der Vater sie in New York auf der Straße gefunden und das unbefchiitzte, weinende Kind mit sich nach feiner Form in Marti land aenommen hatte, auch nur die leifefte Nachfrage eingelaufen. Das Strohbach’fche Ehepaar hatte sie wie das eigne Kind im Haufe gr halten, hatte den kleinen Findling mit - Liebe und wahrhaft elterlicher Güte » erzogen, und doch —- als Sufanne erft begriff, daß zwilchen William, dein Sohne der guten Leute, und ihr im merhin ein Unterschied des Rechtes auf die setzen der Alten bestünde, feitdem hatte sie oft heimlich in ihrer Kammer Gott auf den Knieen angefleht, ihr die wahren Eltern zuzuführen, wenn es noch möglich fei.« Der Lenker der Dinge hatte ihr Die- z fes Gebet nicht erfüllen tönnen. »Fräulein Sufanne,« ließ sich die Stimme des Justizraths hinter rers Träunienden vernehmen· ! Susantie erhob sich betroffen nnd1 wandte ihr Gesicht dem väterlichen j Freunde zu. Jn ihren langen dunklen « Wimpern hingen Thriinenperlen. »Dasist die Feststimmung der Ein scsmen,« sagte Galluz, der Menschens lenner, weich. »Auch mir ist sie früher nicht«fremd getreten, früher —— ehe mich das Leben hart gemacht, geltählt in der großen Werkstatt der Erfahrungen. Ich war so eine verlorene Auster,« « tiiate er halb scherzend hinzu —- »die der Sturm von ihrer Bank losgerissen hatte und in’5 Meer hinein etrieben. Aber sehen Sie, Fräulein us.inne, auch das war zum Guten. Meine Ge fährten von derAusternbanl find längst von Feinschmecern zertrümmert nnd verspeist, aber ich gelangte an einen Strand, too ich mein Muschelthierdas sein behaglich weiter fiihre und so ar schon manche Perle —- toomit ich e ne gänjtreude meine —- eingeschluckt »Mehr« ein drolliaeg Bill-, herr Dcsetort« lächelte Senaan j »Ein vpktkesscichee Bin-, veuu ei - bat Jhr Gesicht wieder freundlich bellt. La n Sie nur, Kind, la Sie! Sie en erst ein paar Schrei z in's Leben hinein gethan, und da lSchicksal hat Sie ftir den große Feldzug recht zufriedenstellend au rüstet. Sie werden ost siegen und Vor ’ theile erringen, wenn auch Lreili tleine Schlappen nicht aus leide können-" »Daß ih Jhr Wohlwollen und re Achtung errungen habe, Derr Poe or,« sagte das Mädchen schlicht und ern » »das ist in meinen Augen schon n guter Sieg.« I-; s »Die Achtung eines anständ ) Kerls ist immer etwas werth! Wi w Sie übrigens, Strichen, weshalb i » Sie gleich im ersten Augenblick lieh ge wann? Denn daß ich Sie lieb habe das wissen Sie dochi Nun, Sie brauchen nicht zu erschrecten und zu fürchten, dasz Friedrich Gallus the einen Antrag machen tönnte. Jchlie Sie, Suschen, wie ein Bruder seine Schwester —- nicht wa r, Sie oerirbeln es mir nicht, daß ichc nicht gesagt habe, wie ein Vater sein ind? —- Jch fühle nämlich trotz meines grauen Spitzt-ar tes doch gar nicht vöierlich.'· »Ich hin ja auch mit dem Bruder ganz inversianden und namenlos stolz aus ihn.« »Ja, ich bin nun einmal ein Mensch, der es mit dem ersten Eindruck hält,· suhr Gallus fort. »Und wie Sie dasH erste Mal oor mich hintraten, da hat eine ganz zufällige Aehnlichteit mich scfort siir Sie interessirt.« H .Eine Aehnlichkeit?« ries Susannex · überrascht, und sie mußte unwillkürlich « daran denken, das-, ja auch ihre Be kanntschaft mit Rheden durch eine Aehnlichkeit, die er mit gewissen Zügen einer anderen Person gesunden aben wollte, vermittelt wurde. - »Eine Aehnlichkeit und noch dazu I mit einem Manne, an dessen Jüng- s lingsgesicht mich das Jhre gemahnte. « l Diesen jungen Mann habe ich sehr gern gehabt, und ich betrauere ihn noch heute ausrichtia und schmerzlich« « »Gestorben —- verdorben! Es ist iener unglückliche Eldor o. Fels, dessen Angelegenheit Sie ja so ost von mir erwähnen hörten, die mich auch gegen wärtig wieder beschäftigt und zu mei ner heute noch bevor ehenden Abreise nach London veranla t." .Jch habe immer nur Anbeutungen bezüglich def- Fels'se!)en Erbschaftsptos zesses gehört,'· antwortete Susanne. .Es würde zu weit führen, Ihnen fest diesen seltsamen Prozes auseinan dersusetzen Jm Augenblick existirt » gar iein Prozeß, aber ich hoise, ihn bald wieder ausnehmen zu lbnnen, ba niir den Schurken ihre sette Beute, die sie schon in Sicherheit wähnen, ent rissen werden kann. — D um eine Frage, Fräulein Suschem allen Sie personiich auch ein wenig dazu beitra en, da dem armen Eldor o. Fels und feinen rben ihr Recht wird?« .Fch«i —— Wie wöre das nur mög lich? ih« »Jndem Sie mir eine Gesälliqieit erweisen, siir welche i Ihnen zu Dant verpjlichtet wäre. Brt e, Fräulein treten Sie einen Augenblick in mein Zimmer.« Susanne fol te dem voranschreiten den Juristen iln das Sprechzimmer, icel s wie der andere Arbeitsraum dur Gasilammen hell erleuchtet war. Gallue zeigte aus einen eleganten ( Wandlchrant, dessen Thüre durch Brandmalerei aeschrniickt war. »Ste wissen, daß ich in diesem Behältniß die wichtigsten Alten und Dolunrente aufbewahre« ich vertraute Jhneu den zweiten lüsei an, damit auch Sie im Falle e ner Feuersgesahr stets in der Lage seien, diese wichtigen Pepiere zu rettn.« -So ist er gestorben?« i »Ich traae denZchliissel stets bei mir und hüte ihn.« »Gut, ichioeiß. dasi ich mich aus Sie verlassen kaisri. Und doch reis: ich mit schwerem erzeu, denn Niemand wird in diesen öimien während der Nacht verweilen, wenn ich sern bin. Jch habe aber seit langem das Gesuhl, daß die braune Kiste mit den Fels chen « apieren, die sich in diesem land chrank besindet, gewissen Leuten sehr willkommen wäre, Leuten, die sich auch nicht scheuen würden, sie mit Ge iralt an sich zu bringen. Jch scheue mich, irgend eine fremde männliche Persönlichkeit mit der Obhut dieses Zimmers zu betrauen, selbst aus den Bureauvorsteher bezieht sich das. Be ruhiat würde ich einzig und allein ab reisen, wenn Sie, Fräulein, sich ent schließen lönnteii, iir die Zeit meiner Abwesenheit hier isi meiner Wohnung Jhr heim aufzuschlagen« « »Wenn Sie glauben, Fett Douai-, aus mich rechnen zu rnü en, bin ich stets bereit,« erklärte Susanne. »Sie werden überdies sich ganz heimisch hier sühlen. Jn dem an sto enden Zimmer besian lich ein Be i, welches siir den Fa , daß es eiiii irial Jemand iiber Nacht beherbergen will, stets bereit ist. Am Morgen kommt die Auswarterin und bringt schrien das Frühstück Sollte etwas während der Nacht passiren, was Ih ren Veidacht erregt, so können Sie im sAiFgeiiblick hilse herbeirusen. Sehe i Sie hier hinter diesem Abreiiitalendee s iiekderi dem Geldschraiike die kleine me t tallne«sturbel an der Wandi Sobald Sie diese umdrehen, lautet eine Glocke ! iin Hinterhaiise und rust den Partiee , herbei, Sich habe mir vor einigen iTit-ki ; ren die Leitung legen lassen, we ich ! der Milndel- und Nachla gelber wegen, die ieh ost beherberae, be er Ie sichert sein wollte.« Entsetzung seist-)