gememstltcrchem Skizze von Wilh. Schae t. Nicht von dem uralten Heidemiitter n, das sich um Julineige in eine ro ig erglühende Jungfrau verwandelt, oll hier die Rede sein. Gemeint ist die Seniorin eines edlen Geschlechts-, die liiclliche Großmutter eines vollen uhend helläugiger, slachshaariger Ensellinder. · Die Baronin von O. ist noch« im mer eine ansehnliche Frau-trotz ihres silberweißen Haares. Ja dem stinkt nigen Gesichte ler Greisin. das »von ehemaliger Jugendschiinheit «erzahlt, macht sich leine Runzel. kaum ein Falt chen hemerlbar. Mitden Glanz strah len die großen, fast kindlich blickenden tiefblauen Augen der seltsamen Frau, über deren Scheitel siebzia Sommer und siebzia Winter dahingezogen sind, unter deren Blicke Kriege geführt. Throne zertrümmert worden und auch ganze G schlechter in’s Nichts zurück gesunten ind. Nie hat sie den Bannlreis der Haide verlassen. Als Grasentind in der Nähe Litnebergs geboren, hat sie, kaum siebzehniahrig, dem benachbarten Ma jsratshetrn ihre Hand aereicht —- ihr Schicksal besiegelt. —- — — — Durch die Scheiben des hohen Bo enfensterk gleiten die Strahlen der zembersonne. Aus den Blumenbän len grünen Myrten. blühen Maiglöck chen, die liebevolle Hände aus den Flie sen des Osens frühzeitig zur Blüthe trieben. Nun eriiillen sie das Gemach mit süßem, märchenbastem Duste zur Weihnacht, wenn die Heide erstarrt, die Eichen des Paris unter der Schneelast lchzem » older, geheimnisvoller Zauber uni ie t auch die lesende Frau dort am Fenster Jn den Sessel zurückgelchnt, hält die greise Baronin das haupt til-er ein Buch geneigt, dessen Jnhalt sie ossenbar fesselt. Und dennoch glei ten ihre Blirle hin und wieder zu dem Fenster hinaus. Dort. wo zwischen den lichten Zweigen die rothen Dächer des Nachbargehöstes sichtbar sind, tvo die sinkende Sonne leuchtend in den Scheiben des Giebels blintt. ruhen sie aus. Dort hat die Baronin das Wel tenlicht erblickt. Dort sind ihr, so lange die Mutter lebte, Jugendjahre Tegel-Jeden gewesen in Freiheit und in u Es muß ein Zusammenhang zwi schen dem Inhalte des Buches und den Erinnerungen bestehen. die das herz der Greisin so ties bewegen, daß der siillen Träumerin Thränen in die Au gen drängen. Das Titelblatt des Buches zeigt den Namen eines zeitgenössischen Schrift stellers. Wie alljährlich vor dem Feste t sich die Gutssrau auch in diesem abre eine Anzahl Bücher senden las en, zwischen denen sie wählt, siir die Kinder und Enkel sichtet. Zwar soll Großmutterchens »Ge schmacksrichtung« nach dem Urtheil ih res ältesten Entels, des tlotten Berli ner Studenten, dem sie am vorjährii gen Feste anstatt der erhossten sola schen Nrmane die Klovstoclschen Oben bescheert hat, eine »leider« etwas »ein seitige« sein. Aber die Alte tröstet sich damit, daß am Ende ein jedes Ding seine zwei Seiten hat, und daß ein junger Mann vrn heute sich ebenso gut in seiner Ansicht überGroßmiitterchens »Geschmacksrichtuna« irren kann, wie ehemals dieWeisen Griechenlands iiber die Beschaffenheit der Erde. Armes Großiniitterleint Die Zeiten sind andere und die Enleltinder zukn Theil schon erwachsene Menschen ge worden. Sonst Psleate bei der Be scheerung jenes Buch das beste zu sein« das Deine lieberolle Hand erxvahlt hat. Heute sorschen tritische Blicke zwischen den Blättern. Du liebst das Alte, und sie wollen das Moderne. Die Oremn im Lehnstuhl iacyeih »Die klugen Kinder! Sie schelten aus mich: komm nach Berlin und lerne die Welt kennen! . . . Braucht man darum nach Berlin zu reisen? . . Großmiitterchen wendet das Buch. »Auch Du bist ein Berliner Kind. Du, reisen Name mit goldenen Lettern auf diesem Buche verzeichnet steht. Sie sagen· Du seiest Meister unserer Ge danken, du wüßtest wie tein Anderer die Kämpse der Seele zu schildern, du schildertest wahr . . . Mein Freund, Dir blichen die Jahre noch tein Haar Deines Hauptes. Und doch fürchte ich der Wea zu mir wird Dir zu weit sein. Es lohnt sich nicht der Weg zu der alten Frau: denn Du liebst die mo derne. Aber auch mein Name wird bald in goldener Schrift drangen, nicht aus dem stolzen Einbande eines modernen Buches — auf dem einsa men Grabsteine der Heide, unter dem schon so viele ruhen. Dann wird Gott sreundlich in weine Seele blicken wie in ein ausgeschlagenes Buch, dessen Meister er ist, ——, dessen Meister nicht Du bist! . . ." Jn der Erzählung deren Inhalt die Greign so lebhaft beschiistigt, sucht der ichter die seelischen Kämpfe einer Frau zu ergründen, die. um ihren Ba ter vor dein geschästlichen Untergange zu bewahren, in eine reiche Heirath gewilligt ist. Die Baronin starrt von neuem in die Ferne. Sie aedentt der Zeit, da auch sie mit der Liebe zu einem an dern im Denken dem Wunsche des Va ters gefolgt ist, indem sie ihren nun mehr verstorbenen Gatten geehelicht und damit ihrem Vater-. dem ties ver schuldeten Manne. Ehre und Leben er halten hat. Und wie die junge rau in dem Buche, so hat auch sie bal er fahren sollen, welch trauriaem Geschick sie in die Arme aeeilt Elt. Jbr Gatte hat sie getäuscht, ihr erst nach der Vei roth sein wahres-, sein rohes, ungezü glteg Weisen gezeigt. Gleich ihrer schicksals chwester Hat lie in- ftummcr Duldung ertragen, alle Liebe —- alle Zossnung und allen Trost bei ihren indern gesucht. s So treit decken sich die Schicksals lov e der beiden Frauen. ! - a naht in der Erzählung die Vers suchuna. Und die Verzcrrung ihre-s eigenen Bildes. das die Greifen in der Seele der anderen Fu erkennen meint» nimmt ihren Anfang. l Die heldin des »Modernen« wantt nnd ergiebt sieh dem Vertrauten. Und sehr-n winkt die Scheidungstlagr. Aber die Umstände fügen es anders· Die beiden Männer treffen sich. Die For lserung fällt und mit ihr der Urheber alles Elends-. — Nach Jahresfrist geht die junge Wittwe mit dem Mörder ih res Gatten die Ebe ein. Sie selbfts giebt sich lachenden Herzens der Stan dalsucht der Welt preis, sich-—nn-d ihre unschuldigen Kinder-. Schlußeffelt: es genügt — sie selbst ist glücklich. »Gliicklich? — Sie, die Frau —- die Mutter, die ihre Pflicht vergißt?! . . . Nein«, erklärt die Baronin. Und dann( schweifen ihre Gedanken abermals rück wärts. i Auch ihr ist die Versuchung nicht erspart worden« Jn das Haus ihres Gatten ist der Jugendfreund getre ten, jener, den sie heimlich geliebt hat. Und Worte sind von ihm zu ihr ge sprochen worden, vor denen sie hat er röthen müssen. Aber sie hat nur ein Lächeln fiir ihn gehabt. »Nein — nein, bester Freund, ich beanspruche Jlxre Hilfe nicht! Mich verlangt nach keiner Scheidung von meinem Gatten. Meine Kinder wür den niir nie veraehen. Den Weg, den Sie mir zeigen. tann ich nicht betreten· Er führt nicht zu demFrieden, von vem mir träumt. Jch harre aus, denn nur so —- gehizren niir alle meine Kinder.« Und die heldenniiithiae Frau ist ih rein Entschlusse treu geblieben. Nach fünfzehn Jahren bat Gott ein Einse lien mit ihr gezeigt, ihren Gatten in rieven zu sich aenommen——sie und ihre Kinder erlöst . . . » Jhr ältestes Kind hat der sanften Dulderin schon als balhiviichsiges Bürschchen durch festen Händedruck die Liebe gelehnt. wenn der Vater mit ro bser hand wider sie emvor gefahren ti. ’ Heute umfängt ihr Liebling sie nicht mehr. Jn Frankreichs blutgetriintter Erde ruht ihr stolzer heldcnlnabeAber der Sohn ihres Sohnes lebt. Der noch Ijunae Majoratsherr besucht in Berlin als Landwirtti die Universität. Er wohnt bei der Schwester. s « Nun aedintt tie Greisin ihrer Tisch-» ter. Sie sind sämmtlich rersorgt. Die beiden Aeltesten haben ihren Gatten, angesehenen Guts-herren. in fernePros vinzen folgen müssen. Beide haben Familie iind halten ihre eigene Christ bescheeritng. Aber die Jüniiste——iiber das Antlitx der Greisin fährt es wie Sonnenschein —- die Jünaste wird zu dem Feste in alter Punttlichleit bei ihr erscheinen. Der Waan ift bereits vom Hofe gefahren. Er holt den Ma jor und seine Familie von der Bahn. s Die klugen, freundlich blickenden Augen der Mutter und Großmutter. leuchten. « » i »Und wenn ich meinen Sareirinoern aus der Mode scheine. wenn sie auch iiber meine Lebensanschauungen kla gen, —- maa sie veraltet fein-—- mein Schwieaersohn, der Major, weiß, was er an feinem »Heidemütterchen« hat. Aus stillen Gräbern in Frankreichs Erde wachsen —- Valmen -—— Frie denspalmen zu Deutschlands Ruhm und nie gesehener Ehre. Die Tochter Lüneburgg gehört dem preußischen Os fiziere . . . Heidemütierchen ist un Jniodern geworan . . . . Heidemutccr eben hat nie an sich, Heidemiitterchen hat nur an das Glück ihrer Kinder ge dacht . . . »Ellh, meine Tochter«, thränen schimmernden Auges greift die Greisin nach teni Buche in ihrem Seht-one »du magst getrost in diesen Blättern lesen. Für dich hats keine Gefahr« Du und Dein Ernst, ihr liebt euch viel zu sehr. Aber für jene. die nach euch in ihm lesen werden. wird Heidemiit terchenis zitternde Hand ein Wort der Erklärung schreiben. Und was sie euch sagen wird, ist dem Buche des großen Meisters entnommen, der ur alt und doch ewig juna isi,der mit gött lichem Finger in meine Seele schrieb: »Heute aus! Thu Deine Pflicht, und der .Lohn ist Dir auf Erden schon ge w. « iß. d »Und Gottes Lohn ist mir gewor en . . .« Die Blicke der Baronin bleiben aus dem Bilde ihres Gatten haften. Fin ster sieht der Todte auf die Greisin her nieder. Aber sie schaut freundlich zu ihm auf. »J verließ dich nicht. Das mag hausbacken, das maa in den Augen der heutigen Welt nicht vitant sein. Doch das macht nichts! Die Kinder sinds zufrieden, und die Enkel verbrauchen mich so, wie ich bin Ob du, fremder Mann, Autor dieses Buches. mich bes ser versteht —als ich dich-UT Jch kann es nicht sagen. Jch bescheide mich. Jch bin usrieden, wenn iene mich verste hen, ie ich liebe, fiir die ich lebte, und die das Erbe meiner Seele weitertra aend werden von Kind aus Kindes kin . . . Jn den Giebelfenstern des Nachbar gehostes spielen die Sonnenstrahlen nicht mehr. Langsam geht der Tag zur NüEr. Dämmeriaes Li t durch fluthet as stille Zimmer-. it ge faltcten banden ruht die Greisin aus . . . Da rollt die alte Kutsche über den Hof. Kinderiirmchen strecken sich zum enfter hinauf. Müden werden ge chwenlt. Tücher flattern in dem Winde. l«»(.5jrcßmama! Liebes Großmütter ein.« Ueber Treppe und Flur stürmt-Z her Vertliirt —- glückfelia steht die Ba ronin da, umringt von ihren Enkel tindern . . . Elly isi geduldiq. Erst nach ihren äinßdern empfängt sie Müttercheniz u . »Und nun-als letzter komme ich dran!'« Mit kräftiaem Arme, feuchten Aiges. umfängt der Major die greife eFrau. heitemiilterchen lächelt-läßt alles über sich ergehen. Es meint: »Alle-s Ding währt feine Zeit! ’s wird einmal auch ohne mich gehen . .. Aber vorläufig bin ich noch da und ich freue micks Eurer Freude! . . . Kin der, es ist doch aut, wenn man weiß: die alte Frau ift Euch noch immer zu etwas nütze!« ,,Gros-,ino.ma wird nie alt! Groß mama ift ewigl« ,,. . . in Euch!« bauchen die Lippen der Baronin. Tbränen der Rührung und der Freude brechen ihr dabei aus den Augen. an Der Suitz des gerrn Sanitätsrath. VonWilthastor. Jni ganzen Städtchen war der Spit des herrn Sanitätsrath bekannt. Be tannt und beliebt. Der Kutscher des alten Herrn hatte ihn wunderbar dres sirt, und da er, der Spitz, eine gutniu thige Seele war, und außerdem auch ,,tinderlieb«, so hörte er auf das Kom mando des letzten Straßentindes, stellte sich todt, wenn man es verlangte, fing an zu hellen, wenn man ihn fragte »wi svricht der Hund«, und lief auf den Hinterfüßen Man eiitbehrte etwas ini Städtchen, seit der alte Herr zu tränkeln anfing, und der Sin sich so selten blicken ließ. Man sah ihn ast nur noch den Kut scher zur Apotheke begleiten. Doch auch aus diesen Gängen zeigte er sich merkwürdia zerstreut und unru hig. Er hörte wohl noch auf das Kom niando, aber er hörte ungern. Er blieb nicht mehr so lange aus den Hinterbei nen, als man es verlangte, und da Siehtodtltcllen wollte ihm schon gar nicht mehr gelingen Kam gar der Kutscher aus der Apo thete zurück, so war rein gar nichts mehr mit ihm anzufangen. Er sprang bellend am Kutscher heraus, lief einige Schritte vor und wartete ungeduldig, als ob er den Kutscher ermahuen wollte, sich doch ja zu beeilen. Mit dein Sanitätsrath ging es zu Ende. Er war verschlissen, wie er es nannte. Voriges Jahr hatten sie ihm die Frau begraben, einige Monate nach ihrer goldenen Hochzeit. Nun war er freilich zu sehr Arzt, um sich in Semi inentalitiitrn darüber zu verzehren. Aber er sah doch, dasz dieser Todesfall eine Lücke in sein Dasein gerissen hatte, die nicht mehr zu ergänzen war Schließlich, wozu auch? Seine Kin der und Enkel waren gut versorgt — er hatte ein Recht müde zu sein. Die Praxis hatte er schon seit einigen Jahren ausgegeben. Nun zog er sich noch mehr in sich zurück. Die beiden Pferde wurden verkauft, die beiden jun gen Dienstmädchen entlassen. Der Kut scher, der nun schon zehn Jahre iin Hause diente, und die alte Köchin ge niigten. i Waren doch die Ansprüche des Hau ses mehr alt- bescheiden geworden, seit »der Herr sich mit Zwei Zimmer-n be gnügte. Auch benutzten sie neuerdings die Küche, im Hause selbst und nicht tmehr die im Hefe. Wenn Frau Sanitätsrath das noch hätte seben müssen! Die Küche am Flur war ihr Ulllerheiligstes gewesen. Sie wurde zwar niemals gebraucht, doch alle acht Tage mußte sie peinlich blant geputzt und gescheitert werden. Die Prachtstiicke der alten vererbten Kupfer kessel waren bier aufgestellt. Wehe dem Hausinädchem das auch nur die gering ste blinde Stelle sich hätte hier einschlä chen lassen! Die Küchenwand glänzte vor Sauberteit, und in den Platten des 'Ftochherdes, unter denen doch nie ein Feuer brannte, hätte man sich spiegeln tönnen, so sorgfältig waren sie jederzeit geputzt. Wie gesagt, die-Küche wurde jetzt zum Rachen benutzt. Früher hatte nur der Anbau im Hof diesem profanen Zwecke gedient. Nun wechselte die Szenerie. fDie rrerbten Yrachtstücke kamen in den ;Hof, die fiir den täglichen Gebrauch be stimmte Einrichtung auf den Flur. I Auch in den übrigen Räumen des Hauses schwand allmählich die alte Pracht. Das ganze obere Stockwerk mit den Fremdenzimmern und dem tleinen Festsaah das Wohnzimmer und der Salon im Unterstock hatten ja keine Le bensaufgakoe mehr. So wurden die Fensterliiden geschlos sen, über den Möbeln lagen die Schutz decken wie Leichentücher, und an den Wänden und am Boden mochte sich ru hig der Staub ansammeln. . l Das ganze Haus glich so, wie das Leben in ihm aus einen kleinen Fleck zusammenschrumpfte, einem welken ;Herbstblatt. Auch da ziehen die Säfte sich ja vor der drohenden Winterkälte; zurück. Und während das Blatt schon aus seinem ganzen Umkreis zu dem cela-H Ilosen Braun des Herbstes erstarrt ist, tann sich im Innern noch eine Zeit lang ein grüner Rest von Leben halten, wie« das glühende Ende eines schon ausge blasenen Lichtes. Aber dieses glühende Ende gtomm auch noch lange, lange fort! Es war doch eine zähe Natur, der alte Sanitiitsrath Jetzt noch, nachdem ihn nichts mehr am Leben hielt, nach dem die Altersschwäche seinen Rücken gekrümmt und seine Hände zittrig ge macht hatte, war er frisch wie je in sei nen Gedanken. Die Erinnerungen wurden in ihm lebendig, je mehr die Außenwelt siir ihn abstarb. Und lzsie belebende Kraft dieser Erinnerungen veranlaßte ihn mehrmals am Tage, sich von seinem Lehnstuhl zu erheben und einen Gang durch den Garten zu wagen. ’ Das war der Augenblick, der Leben »in den Sin brachte. Er wußte, jetztz endlich konnte er seinen alten Herrn! wieder einmal in guter Laune sehen.s Tiese wunderbar gute Laune, der zu Liebe er sich vom Kutscher so qeduldigJ hatte abrichten lassen, und die ge-? schwanden war nach dem Tode scinerz lHerrin.4 » « « s I Wahrhaftig Ihscuye genug harte der; sarme Spitz sich gegeben, die gute Laune» Yniieder beraubt-beschwören Allein ver-J gebens. Die bestgelungene Produktioni seiner schwierigen Kuststücke konnte den Alten kaum zn einem matten Lächeln bringen. Jm Garten wurde er freund licher und bekam Sinn auch für den Spitz, den er da bisweilen streichelte, ja, in besonders guten Stunden über seinen Krückstoek springen ließ. Ja, der Garten! Der Sanitätsrath ging durch die engen, gewundenen We ge, als ginge er durch sein eigenes Le ben. so unmittelbar wurden die Erin nerungen in ihm wech. Als er ihn hat te anlegen lassen —- das war nun schon über ein halbes Jahrhundert —- lag er am äußersten Ende eines unscheinbaren Marktdorfs. Jetzt lag er mitten in ei ner aufblühenden Stadt, di durch ihre Jndustrie und ihren Handel weit hin aus in’s Land einen Namen hatte. Und in der blühenden Stadt kannte er alle Familien, und alle Familien kannten ihn. Denn selbst, als die bei den sungen Kollegen hergekommen wa ren, konnte man ihn, die alte Autorität, bei keinem schwierigen Fall entbehren. lind die Leute hatten recht, wenn sie ihn riefen. Teufel, mochten die Grün schniibel besser schneiden können und mehr gelesen haben: er hatte doch die Praxis nnd die Menschenkenntnißt Ja, der Garten —- der Garten Er war angelegt im Geschmack des »aneien regime.« Das war damals so die herrschende Mode. «Der Doktor batte sie mitgemacht, ohne eigentlich ein intienteresVerstiindnisi dafür zu haben. Aber nun hatte er sich langsam in sie liineingelebt, und sie schien ihm der schönste Traum, auf den die Menschen je aetommen waren. Da stand eine alte Trauerweide. Von einem prächtig grad gewachsenen Stamm breiteten die Aeste sich nach den Seiten ans, nnd von den Aesten rausch te das Laubwerk nieder, wie von einer ungeheuren grünen Kaskade. Jn ei nem weiten Kreise schlang sich um den Baum eine Buchenhecke herum, glatt wie eine Mauer kefchnitten eDas war der Lieblingsplatz des Al ten. Die Trauerweide war so eine Art Familienchronit Wie viele Inschrif ten hatten seine Kinder und deren Kin der hier eingeschnittenl Und wovon sprachen diese Jnschristen nicht Alles! Ta standen di einem Herzen die Buchstaben M und K, sein ältester-Sohn und feine älteste Schlrieqertochter. An einer anderen Stelle F und L, seine Tochter nnd sein Schwiegersohn. Dann dreimal ein N. Das war dieser aller liebste kleine Radcr, die Zofe seiner Frau mit dem Pastellgesichtchen. O, niie sie fo niedlich zwitfchern konnte, und so hell lachen! Er hätte fi-: gar zu gerne behalten, aber die Geschichte wur de zu ernst, und er mußte doch für die Eolidität seines lockeren Enkels auf kommen. Jetzt irenich war oie Gefahr und alles andere längst vorüber. Er konnte sieh auf dein Metallpolster des Garten stuhles seinen Erinnerungen hingeben und den Spitz streicheln, der ja auch die tleine Netta noch gekannt hatte. Wenn er so einige Zeit im Garten ge sessen hatte, pflegte er noch einmal in den Hof hinüberzugehen und die Küche dort, jetzt die Staatsiiiche, zu revidi ren. Daran hielt er, daß dem guten Geschirr auch jetzt noch alle ihm gebüh rende Pietät zukam. Blant geputzt und gescheuert mußte Alles sein, ganz wie es die holländische Sauberkeit seiner Frau —- eine richtige Frau Ehrbarkeit Tiirerschen Schnittes —- oerlangt hat te. — -—— Der Sin folgte ihm durch den Gar ten, der Spitz umnsedelte ihn an der Trauerbuehe und der Spin legte sich in der Hofliiche ihm zu Füßen. Seiner hiindischen Treue entging kein noch so leichtes Aufschiminern im Auge des Al ten. — Er liebte seinen Herrn, wie nur einl Hund zu lieben weiß, und als er sah, wie die Bäume, das Kiichengeräth, die kleine Freitreppe vor der Thür und hundert andere Kleinigleiten seinem Herrn die gute Laune wiedergaben, da fühlte seine Hundeseele nichts von Ei fersucht, sondern er begann diese Koch lessel und Bäume, die Treppe nnd das Geländerchen zu lieben, wie —- ja, wie eben nur ein Hund zu lieben weiß. —-—i Das letzte grüne Restchen im Herbst-; blatt fing an zu vergilben. Der Sa nitätsrath gin nicht mehr aus, dann verließ er an nicht mehr das Betei, und eines Abends war es endlichg sehehen. Man schloß die letten vier Fensterläden des großen Hauses, und« eim gelben Schimmer der Kerzen hielt der Kutscher die Todtenwache an der Leiche feines Herrn. Es war lange her, d ß die Straßen jugend den Spitz richt mehr zu Gesicht bekommen hatte. Jetzt, als er sich das erste Mal wieder zeigte, hatte man kei nen Sinn für ihn. Der prächtige Lei chenzug mit den vielen Zylindern unds Uniformen und der schönen Trauerma sik nahm alle Aufmerksamkeit in An spruch. Von keinem Menschen beachtet trottete der Spiß neben den schwarzen Pferden her. l Am Grabe wurde noch einmal ge-’ spielt, ein Pfarrer und Einer im Cy-« linder hielten Reden, von einem Baum herunter sang ein Vogel, dann löste der Zug sich auf· « Man erzählt von Hunden, die auf dein Grabe ihresHerrn verhungert sind. Wenn das der einzigeBeweis für wahre thierische Treue ist, so war der Spitz nicht treu. Noch ehe die ersten Schol len auf den Sarg fielen, und dieWagen vor das Thsor am Kirchhof auffuhreii, war er schon von dort verschwunden und wieder nach Hause geeilt. Jm Hause des Herrn Sanitätsrath wurden in den nächsten Tagen alle Lä den wieder geöffnet. Die Decken vonI den Möbeln verschwanden, und die Schranke und Truhen thaten sich auf.’ Das Schicksal des Hauses war be stimmt. Von den Kindern und Enkeln wohnte Niemand am Ort, undNiemand hatte Lust hierherzuziehen. So einigte man sich, das alt-, schon theilweise hakt-s föllige Haus auf Abbruch zu verkau-’ sen und den Garten zu parzelliren. Auf diesen Garten hatte die Gemein de schon lange gewartet. Er versperrte ihre wichtigsten Verbindungs - Linien, ja, die projektirte Eisenbahn hätte, wä re der Sanitätsrath am Leben geblie ben, hier einen Bogen..machen müssen«i Den alten Herrn zu exportiren hatte selbstverständlich Niemand gewagt. Das große Gartenthor, das seit dem Verkan der Pferde nur einmal, beim TVegriibnisY aufgewesen war, stand nun Tag und Nacht ,,sperrangelweit« offen.’ Tie Möbel waren durch seine Flügel herausgeschafft worden, und nun la-’ men die Maurer mit ihrenGeriisten und Brecheisen herein. ( Beim Verladen der Möbel war der Kutscher noch behilflich gewesen. Nun llwar sein Amt erledigt. Man hatte ihm fdie Portierstelle einer Fabrik besorgt; eine Art Sineture, deren Inhaber nicht viel zu arbeiten brauchte, aber zuver lässig sein mußte. s Mit einem Handkarren schaffte ers seine wenigen Pabseligleiten fort. Nur der Spitz beg eitete ihn. Der älteste Sohn des Sanitätsraths hatte das Thier mitnehmen wollen, aber der Kut-( scher bat es sich aus. Nie hätte er sich an die neue Stelle, die ihn seiner Ein-s samkeit entzog, hinausgetraut, hättens sie ihm den Spitz genommen. Mit dem Spitz hoffte er einen Theil der Vergan genheit hiiiüberzunehmen und sich so den Wechsel zu erleichtern. Aber schon am ersten Abend zeigte sich etwas Merkwürdiges. Der Spitz wollte nicht ruhig werden im nezienj Heim. Als es dunkelte und sein Herrk sich anschickte, zu schließen, fing er an zu heulen und schairte an der Thüre. t Da er sich auf keine Weise beruhigen ließ, öffnete der Kutscher endlich und ließ ihn frei. Es wurde finster, aber der Spitz kam nicht zurück. Da fing der Alte an sich zu sorgen und ging ihn suchen. I Er hatte sich nicht getäuscht; der fHand war in den alten Garten gelau cn. ! Dem deutscher wurde recht schwer zu Muth, als er den Spitz da unter der Trauerweide liegen sah. Ganz unver mittelt lam ihm die Sceue in’s Ge dächtniß, wie er vor dem Schließen des Sargdeckes das Tuch vom Gesicht fei nes Herrn genommen und ihm noch ein mal ir. die starren Züge gesehen hatte Der Spitz wollte nicht mit. Die Nacht war warm und die Ruhe im Freien konnte ihm nichts schaden. So entschloß sich derAlte, allein seine Woh inung aufzusuchen. s Abend für Abend ging das nun so. »Auch am Tage machte der Sin sich im smer seltener-. Und was das Traurigste swaiz er wollte nicht mehr munter wer den. Wie altcrsschwach. wie miide war sdas Thier mit seinen fiinf Jahren und gesunden Knochen! i ! Doch das änderte sich, als das Zerss störungswerl der Maurer am Wohn hause vorschritt. Wie rasend lief der Spitz durch die Gänge des Gartens. Er heulte und winselte, aber Niemands hatte fiir ihn Verständniß. Ja, man beachtete ihn kaum mehr. Er war langweilig geworden, seitdem er mit seinen Kunststücken nicht mehr heraus wklltr. Das Haus lag nun mit offenemDach und zertrümmerten Fensterscheiben da, und der weiße Kallstaub Puderte die alten Bäume. l Jn das Roudel an der Trauerweide hatten sie einen Marmorblocl der Hei-s neu Freitreppe geschafft. Dort sam inelte sich nun die rotznäsige Unschuld der Stadt. Sie trieben irgendwo einl Brett aus dem Schutt auf, legten es-. Tiger den Marmorblock und schaulelten I . Wieder einmal lief der Spitz, er schreckt durch ein Knattern und Krachen im Hause,»wie toll durch den Garten. Euer der lleinen Rangen rief ihn an. Er winselte, und als sie lachten, fing er an zu lnurren. l Der Schutt häufte sich auf den ver wahrlosten Wegen. Noch einmal be suchte der Kutscher die alten Pläne. — Der Spitz wurde lebendig wie in seinen besten Tagen, als er ihn hier sah. Er sprang an ihm hoch und leelte seine Hände. Dann lief er von Weg zu Weg. wo noch etwas von der alten Herrlich leit geblieben war, und bellte bei jedem Baum von Neuem. Der Kutscher nahm sich bor, nicht wieder herzutommen, so traurig hatte der Besuch ihn gemacht. « Noch wenige Tage, und lein Beet des Gartens war wieder zu erkennen; der Schutt lag zu hoch. Dann tamen die Geometer, die Rich tung der Straße abzustrecken, die den Garten durchaueren sollte. Ferner wurden die Bauplötze abgestreckt, was wieder eine Menge Leute herbeilocktr. Dem Spitz wurde unbehaglich bei all den Fremden. Er entschloß ich, auch den Garten nun preiszuge en. Jetzt blieb ihm nichts mehr, als die alte Küche im Hof. Zwar, alles Kit chengeräth, der Tisch Und sämmtliche Stühle waren sort. Aber die nackten vier Wände genügten ihm, und nie mag mag ein Hund ruhiger auf dem Grabe seines Herrn gelegen haben, als der Spitz in dem verlorenen Küchenwintcl, der seinem Herrn einst so lieb gewesen war. Wieder war ein Tag vorüber. Ohne Nahrung, doch auch ohne das Bedürf niß zur Nahrung war der Spitz an sei nem Platz geblieben. Plötzlich fuhr er auf. Ein Maurer mit einem Brecheisen stieß die Thiir auf und trat ein. Er lachte, als er den Spitz entdeckte. Dann sah er sich in dem Raume um und stieß wie zum Zeitvertreib eine Fensterscheibe entzwei. Der Spitz heulte, als babe man ihm in’s Hirn gestoßen und sinnlos lief er über die Schwelle hin und zurück. Draußen stand ein kleines Mädchen, die Tochter des Maurers. Sie rief den Spiß an. Der blieb wie in einer jähen Eingebung stehen, kroch dann zu dem Mädchen hin, und tastete winselnd mit der Pfote an ihrer Schürze-. Die Kleine warf einen Stein. »Avport!« » Wie ein Wirbelwind flog der Spitz hinterher und avportirte den Stein. Dann winselte er von Neuem, lief zur Küche zurück und versuchte die Klei ne an der Schürze mit sich zu zerren. Jn diesem Augenblick fiel eine zweite Scheibe tlirrend in den Hof hinein. »Todtstellen, Spiß!« Aber der Sin stellte sich nicht todt Er sprang wüthend auf das Mädchen ein und wollte es beißen. Schreiend lief die Kleine zu ihrem Vater. Der hatte im ersten Schrecken seine Brechstange fallen lassen. Aber noch rechtzeitig besann er sich, und als der Spitz zum zweiten Male auf sie einsprang, ließ er das Eisen mit voller Wucht aus den Schädel des Thieres niedersausen. Der arme Spitz brauchte sich nun nicht mehr todt zu stellen. . W werd abgeriss. Jawth ihr Leit, damit ibr’s wißt, Jetzt naht der ew’ge Friede, Der Zar verlanat’s, ’s werd abgerist; Wer wär net mit zufriede? For was dann aach de: ew’ge Streif Voll Mord und Blrtveraieße! Jetzt werd a anzig Aanialeit Die Völker all umschließe. Jetzt därft er wieder bam marschiern Jhr Militärsoldrte, Jn Zukunft isss Exerciern Zu Fuß und Pferd verbote. Die,,Knalle«wern nor noch gebraucht Um Spatze mit zu schieße; Ein Säwel höchstens nur noch bangt, Um Brate dra zu spieße. Auch die Kanone schmelzt mer ei, Zu Kessel und zu Kumve — Lieb Vaterland magst ruhig sci, Jetzt bot e End des Bumbe. ’s Kommisbrot aach werd abgeschafft Damit in kinsthe Daue, Net aar am End die Bärjerschast, Sich dra rerstaucht de Mage. Kaserne braucht mer aach dann ka, Die Landse drei’ zu biete, Do henke tinstig Zettel dra, Mit »Zimmer zu vermietl)e.« Die stolze Schaar vun Ossicirem Braucht aach noch net zu greine, Die krieje all all beim Pensinoniern »Civilvcrsorjungsscheinc.« Des- bunte Uniformenbecs Werd aanz bedenklich llaaner, Mer sieht dann blos-, noch Feijerwehr Post, Schutzleit, Eisebabncr. Doch maanter, daß mer dann nochher Mißt wen’ger Stcier zohle Mei, sreit eich nor net gleich so sehr, Die wern cich schun was mole. Fraa HanebambeL Geld und Verstand. ..Zu wenig Güter, zu wenig Geld!" So höre ich klagen die ganze Welt — Mehr wollen sie Alle. vrr Habsucht blind: Doch Keinen hab« icb bisher ersrngt, Der über zu wenia Verstand geklagt Man staunt. wie da PMB genügsam In . —— Bei-hast Dame sxnit blonbges siirbtem Goldhaar): »Aber Herr Dol tor, Herr Doktor, so schrecklich vergeß 1ich? Sie scheinen mich ja gar nicht mehr zu kennen! Auf dem letzten Ball vor drei Monaten -—-« —- Doltor (ein fallend): »Ich bitte tausendmal um Pardon, gnädiges Fräulein, aber ehe-T lich gestanden, Sie schweben mir noch so ganz dunkel vorl« ' «