Roman von J«ules Lermina. (4. Fortiehunq.) i» »Nein, nein! er soll nicht sterben!« schrie sie und setzte unter die Zeilen, die sie eben geschrieben, ihren Namen. Der Cardinal nahm den Hinrich tun sheksehl und schrieb in großen Bu sta en quer über das Papier das Wort: »Beqnadigt!« »Zrei!" seufzte Diane. » , nein! das nicht!« entgegnete Richelieu lächelnd; »ich habe ihm das Leben gerettet und halte mein Wort; er kommt in die Baftille.« Das "unge Mädchen hatte nicht dir Kraft, ich zu entriisten. Naoul lebte; das war alles, was sie für den Augen blick erwartendurstr. Doch die Auf regung war firr ihre Kräfte zu ftark Vwesem und ohnmächtig fiel die arme iane vom Sessel herab auf den Fuß boden. Ohne einen Blicl auf sein Opfer zu werfen, tlingelte Richelieu und be fahl srinern Kammerdiener: »Lassen Sie Frau von Grammont kommen!« Wenige Minuten später erschien die Herzogim die allmächtige Vertraute und Freundin der Königin. Dennoch trug ihr Gesicht in diesem Augenblick den Stempel der Furcht; man fühlte, daß der Cardinal sie in Folge eines Geheimnifses beherrschte. »Frau Herzrgin,« begann er ohne jede Schonung in gebieterischem Tone. »Sie werden sich auf der Stelle zu Le nrattois begeben.« »Dem Arzt der Königin?« »Ja! . . . Sie werden dort ein Kind finden, das Sie ihm in meinem Namen abverlangen werden . « Die Herzogin sah ihn überrascht an, und er fuhr in schroffem Tone fort: «Suchen Sie nicht in dieses Ge beimniß zu dringen, ich wünsche, daß man mir ohne Zögern und . . . ohne Neugier gehorcht!« Frau von Gramrnont verneigte sich und hauchte: »Ich stehe Ew. Erninenz ganz zu Diensten!'« »Gott« »Doch was soll ich mit diesem Kinde anfangen?« Ohne ihr zu antworten, fragte Ri chelieu: »Welche Dame ihrer Umgebung hal ten Sie siir die zuverlässigste?« Ohne Zögern versetzte die Herzogint »Frau von Andiany, Monseigneur!« »Sie sind ihrer Verschwiegenheit sich-M »Ich bürae siir die Marquise wie fiir mich selbsr.« »Gut!« ertlärteRichelieu. »Doch das ist noch nicht alles . . . wir brauchen eine Amme-« »Auch dasiir werde ich sorqen . . »Seht aut . . . jeszt handelt es sich nur noch darum, einenReisewagen auf zutreiben . . .'« »Einen Reisewagen?« »Ja . . . das Kind muß von Paris sortaebracht werden . . . doch den Wa gen iibernehme ich . . . um zehn Uhr Abends wird er . . .ehenso wie die Ettorte . . . vor einer der Thüren des Schlosses stehen . . .« »Ehe Estorte?« sragte Frau von Gramnrorm »Sie wundern sich zu viel, Frau Herzogin!« entgegnete Richelieu mit schneidender Stimme. »Sie vergessen, was. ich Jhnen gesagt habe: teine Neu gier.« »Verzeihung, Monseigneur!« »Also, urn ganz sicher zu gehen, re kapituliren wir . . . Sie holen das Kind von dem Arzte ab . . . lassen es ins Schloß bringen . · . schließen es niit der Amme in ein abgelegenes Zim mer ein . . . und heute Abend erwar tet»Sie wie Frau von Andigny ein Reisewagen, der von Chezauxleqers es tortirt werden wird . . « »Monseigneur, es wird alles nach Ihren Befehlen geschehen!« »Warten Sie, Herzogin. . .. das ist noch nicht alles. . . .« Damit wandte sich Richelieu seine-n Tische zu, nahm den Brief Dianes und faltete ihn zusammen. Dann ergriff er einen Wachsfioch doch als er ihn Eben zum Lichte siihren wollte, hielt er nne. »Ich brauche ein Petschast«« mur melte er. . Sein Blick fiel aus das junge Mäd- J chen, das regungslos auf der Erde la . Er neigte sich über sie, erhob ihre Han und zog ihr einen Ring vom Finger. Einen Augenblick später übergab er der Zerzogin einen mit dem Wappen der uces versehenen Brief. »Die Adresse fehlt,« bemerkte Frau von Grammont. »Das thut nichts; der Brief ist siir die Gräsin von Pontballais be stimmt. . . .« »Und kommt?« »Von Fräulein Diane de Lucr, ihrer Richte.« Die herzogin verneigte sich, und Richelieu verabschiedete sich mit einer handbewegung. So sehr sie der mächtige Vrälat auch in seiner Gewalt hatte, so gehorchte sie doch nicht sogleich, sondern oeutete mit mitleidiger Miene aut das am Boden liegende junge Mädchen und sagte in slehendem Tone: «Monseigneur, gestatten Sie mir nichts . . . . Das arme Kindt« »Das arme Kind!« ,,Kiinnnern Sie sich nicht darum!« entgegnete ihr der Cardinal. »Gehen Sie, Herioginl Und thun Sie buchsiäblich, was ich gesagt habe!« Frau von Grammont verschwand. Als die Thiir sich geschlossen hatte, verfiel die rothe Eniinenz in tiefes Sinnen und berechnete die Tragweite der Handlung, die er eben begangen· Der Pater Joseph war aus dem dunkeln Winkel herausaetretem in den er sich gewöhnlich zurückzog, und mur melte achselzuckend vor sich bin: ,,Jmmer Halbheitem immer halbe Entschliisse.... Doch nur gemach; ich bin da und wache!. . . . Das Kind wird das Schloß der Gräfin von Bonn-al lais nicht erreichen!. . . .« Das übrige ist betannt. Wir wissen, daß die araue Eminenz eine Schaar von Abenteurekn abge schickt hatte, um sich des Kindes zu be mächtigen und Frau von Andiqny den Weg abzuschneiden, wir wissen, wie der Heldenmuth und die Tapferkeit Chro noLs diesen finstern Plan durchlreuzt, und wie endlich Raminoise, den der Pater Joseph ausgeschickt, um zu er fahren, wie seine Befehle ausgeführt worden waren, seine Mission erfüllt hatte . . . . 8. Indessen galoppirte Chrano auf dem Pferde des Gardehauvtmanns in der Richtung nach Paris. Der Morgen war ’ lau und milde, und der junge Mann sog mit Behagen oie frische Luft ein. Er schien die Vorsälle oer Nacht völ lia vergessen zu haben. nur fein ac wöhnkich fo heiteres und sorglofeg Ge sicht war ein wenia blaß. Dennoch; konnte man glauben, er hatte keine Erinnerung mehr an die Kämpfe, die er bestanden, noch an die Botschaft, « mit der er betraut worden war. Doch Cyrano vergaß nichts» .. »Wahrhaftiq,« saate er sich, »ich werde einen besseren Wea narh St. Germain haben, wenn ich Paris be rühre. . . . Auf diese Weise läßt sich al les vereiniaen: die Pflicht . . . . nnd die Liebe Jch werde nach der Place Rohale mit heranreiten, um zu erfah ren, wie meine theure Diane meine Abwesenheit erträgt. . . .« Er unterbrach sich und fuhr traurig fort: »Ah bah! wie lann ich mich nur der Illusion hingeben. ciu so ent zückendes Geschöpf könne mich anders als freundschaftlich lieben! Doch gleichviel! verlieren wir keine Mi nute!« Gleichzeitiq aab rr sein-tm Pferde die Sporen, und unterdrückte dabei einen Fluch, denn er hatte eben wieder an der verwundeteu Schulter f einen heftian Schmerz empfunden. . Das Pferd sprenate im Galopp dahin. Hinter ihm kam fein Diener. Der arme Junge hatte sicherlich nie An spruch darauf erhoben, ein vorzüglicher Reiter zu sein, denn er iaumelte auf seinem Pferde wie ein Betrunkener hin und her. Jeden Auaenolick fürchtete er, herunter zu stürzen, und Chrano hörte ihn stöhnen: »Ich glaube, ich werde das Ziel nie erreichen!« Plötzlich erblickte der Gascogner ei nen Gasthof auf der Landstraße. Man befand sich am Kreuz von i Bourg, und Ghrano fühlte sich versucht, s hier eine erste Rast zu i.alten, kenn ; seine Wunden schmerztcn ihn mehr J und mehr, und seine brennende Zunge ? und sein troaener Gaumen verlang ten dringend nach frischem Wein Doch die Zeit war lostbar, und beiden mitthig gab der junge Mann feinem Rosse die Sporen. Jolioet, der sich an tein Pferd wie an eine Rettunggplante angeklammert hatte, fühlte sich wie im Wirbelwind davongetragen und erwartete jeden Augenblick, sich mit zerschlagenen Glie ; dern und zertrümmertem Schädel auf der Landstraße wieder,mfinderi. denn er· merkte, daß seine Kräfte zu Ende gingen und schloß, auf alles gefaßt, die Augen. Plötzlich aber hatte er die » » Empfindung, daß sein Pferd Zrcb einschlug, dann im Schritt ing und endlich ganz stehen blieb. .. « g man in Parie- ein?. . .. War das bjnde sei ner Leiden getommen? Nein Der arme Teufel blickte sich um. Man befand sich in einem großen Dorfe, das er als Bourg-la-Reine s:rtannte. Beim Anblick eines neuen Wirths hauses, das recht einladend am Rande des Weges dastand, hatte Chrano nicht länger zu widerstehen vermocht. Er stieg vom Pferde und rief: »heda, Wirthschaft! .. . . Wein!« Gleichzeitig rüttelte er heftig an der Thürtlinle, die aber zu seiner großen Ueberraschung widerstand. »Geschlossen? . . .. Das lsmmt doch bei einer Gasthossthiir sonst gerade nicht vor. . . .« Chrano besaß, wie man wohl schon bemerkt hat, gerade teine Engel-sae duld, und so schrie er, mit der Faust gegen die Thiir donnernd: »Zum Teufel, wirst du öffnen, ver dammter Beelzebubsivirth?« »Ja, ja! macht doch nicht so viel Lärm, Herr Edelmann!« versetzte eine brummige Stimme, die von oben kam. »Aha! du hiY es, Bank-it- rief dkk junge Mann, » er sich erlaubt, mich so lange warten zu lassen . . . Zum Ten Blt t werde dtch durch etne TrachtJ silae wuchs-u ich-eue« . Der andere ließ sich von diesen Dro hungen nicht erschüttern, und wüthend begann Cyrano von neuem zu schreien: »Wirst du öffnen, Hallunke? .. . . . tLJZlei den Hörnern des Teufels sage ich ir. . . .« Jn größter Gemüthsruhe versetzte der Wirth: ,,8ieht weiter, Herr Edelmann... Mein Haus ist voll. . . .« »Du lügst!« entgegnete Cyrano, der sich einem Parterrefenfter genähert hatte; ,,es sitzt keine Katze in deiner Küche und ich bemerke da einen Tisch, an dem du mir sehr bequem einen Be cher Wein auftragen kannst. . .« »Wenn ich es doch sage, Herr Edel mann. . . .« »Und ich sa e dir, du Satanskocl). wenn du die hiir nicht gutwillig öff nest, so werde ich sie erbrechen.« Der junge Mann glaubte ein Hohn gelächter zu hören, das seine Wuth noch erhöhte. »Holla, Jolivet,« rief er, »deine Schulter ist ja gesund, drücke doch die sen Flügel ein.... Du wirst lerne große Mühe haben; sie ist nicht beson ders fest . . . Der Diener ließ sich das nicht zwei mal sagen und sprang schnell vom Pferde. Die Aussicht, selbst nach har tem Kampfe einen bequemeren Sitz zu erobern, als den Sattel eines Pferdes, gefiel ihm sehr. Schon rannte er auf die Tbür zu, um den empfangenen Be fehl auszuführen, da öffnete sie sich von selbst, und ein Edelmann von stolzer Haltung erschien auf der Schwelle. Eine jugendliche schöne Erscheinung mit braunem Lockenhaar, trug er eit: grauseidenes Wamms unter einein Mantel von violettem Sammet, todt-, rend ein feiner Spitzenkragen seine Brust schmiickte. Dies gesuchte Costiim stand in grei lem Gegensatz zu dem Cyranos, denn das Wamms und der Tuchmantel des Gascogners waren grau von Stadt-, und mehr als ein Riß zeigte sich auf ihnen. Cyrano sah diesen Mann zum ersten Male und seine Wuth stieg, als er ihn höhnisch lächeln sah. »Mein Herr«, rief er zornig, ,,darf ich wissen, was Jhre Heiterkeit er regt?« Jn hochmüthigem Tone versetzte der andere: »Ich lache, wenn es mir beliebt . .. und habe Niemanden Rechenschaft zu geben . . . Geht Eures-Weges, Freundl« Außer sich vor Wuth legte Cvrano tsie Hand auf den Schwertgriff und brüllte: »Ist das ern Befehlt-" »Nein, ganz einfach, ein Rath . . . Und ich glaube, der beste-, den man Euch geben kann . . .« »Ich nehme nicht die Rathfchläge des ersten besten Gecken an, der es für gut befindet, sich auf meine Kosten zu be lustigen . . .« Der Hieb saß; der Edelmann legte ebenfalls die Hand auf den Schwert-i griff und sagte, auf den Gascogner zu- . tretend: . »Ihr sucht Händel? . . . Das ist sehr ixnklug . . . Bevor man Leute angreift, ist es gut zu wissen, wer sie sind... Doch ich bin heut in nachsichtiger Laune Und Ihr sollt Eure Unge schicklichteit nur mit einem guten De genftich bezahlen . . . da Euch aber so rsiel daran liegt, so will ich Euch der rathen, was mich zum Lachen brachte.« »Endlich!« »Ich wunderte mich über gewisse Uggerechtigkeitcn, die die Natur be o( : . · .« »Sprecht weiter!« rief der Gascog ner in heiserem Tone. »Ich finde es sehr seltsam«, fuhr der Unbekannte fort, »und auch sehr un gerecht, daß ein Herr den dreisachen Stoff einer gewöhnlichen Nase für sich genommen hat, während fein Lalai . .« Er deutete auf Jolivet, und seines Bemerkung war nicht ganz unberech- i tigt, denn, während das Profit Cyrai L nos sich durch einen außergeioöhnkichen Gesichtgvorsprung auszeichnen, besaß goes des Diener-s nur ein Stumpfnii5 n. »Das ist demüthigend fiir diesen ar men Kerl!« sagte der tsdelmann, des sen Scherz trotz seiner Richtigkeit recht geschmacklos war. Für Chrano nahm sie den Umfang einfer blutigen Beleidigung an, und er rie : ,,Teufel, ich will Sie lehren!« Gleichzeitig machte er mit erhobenem Rappier einen Ausfall; doch plötzlich hielt er inne, denn er hatte im Innern des Hauses eine elegante weibliche Ge stalt bemerkt, die mit gleichzeitig sin gender und etwas heiserer Stimme in fremdländischem Dialelte sagte: » »Nun, Henri. was thun Sie denn?« « ,,Eine Spanierint« dachte Cyrano. Der Edelmann hatte sich schnell um getoendet und versetzte: »Ich vertheidige den Gasthof gegen den Uebersall eines Eindringlings. . »Seht schön. .. doch unsere Freunde werden·ungeduldig, und Herr v. Fon trailles. . . »Ich will nur diesen jungen Narren züchtigen, und komme dann sofort» Die Dame war weisellos neugierig, diesen Ge ner zu sehen, denn re na herte sich er Thür und beugte sich hi naus, so daß der Gascogner sie be auem betrachten tonnte. Sie war sehr schön mit ihrem goldbraunen Teini, ihren rothen Lippen und ihren großen dunklen Augen unter den schweren schwarzen erchten. Doch in ihrer Schönheit lag me r impon»i»rende«strast, als Tauben und yrano suhlte sich ab gesto en, denn er bemerkte Harte in ih rem Blick und Grausamkeit in ihrem Lächeln, und bald sollte er erfahren, daß seine Beobachtung richtig gewesen Wclk. Die Dame hatte ihn gemustert und rief unter lautem Lachen: »Ah, Monseigneur! Sie wollen sich mit einem solchenNasenkönige messen-W Das war zu viel des Spottes, und Cyrano nahm sich vor, seinen Beleidi ger für beide bezahlen zu lassen; er stellte sich zum Kampfe auf und sagte: »Beginnen wir, mein Herri« Doch bei der ersten Parade erkannte Chrano, daß er mit einem starken Geg ner zu thun hatte. »Um so besser,« murmelte er. »Um so größer wird mein Verdienst fein.« Der andere verdoppelte seine An griffe und Finten, und Cyrano ver theidigte sich zuerst nur schwach. Der Unbekannte ließ sich dadurch täuschen, bis der Gascogner einen heftigen Aus fall machte und seinem Gegner das Rappier aus der Hand schlug. Cyrano bemächtigte sich der Wa se und sprach, sie Folivet zuwerfend: »Ich behalte das Schwert und wenn ich es Jhnenxsurückgebz so soll es zu einer ernsten evanche dienen. .. denn dann werden wir vor Männern tämpsenl« Während dieser Worte wandte sich der Gascogner der Thür des Gasthofe zu; er wollte sehen, ob die Spanierin noch immer über ihn lachte. Doch sie war verschwunden Wüthend, mit geballten Fäusten stürzte ihm der unbekannte Edelmann s nach. Mit einer neuen Beleidigung, mit einer Orfeige wollte er Chrano zwin gen, den Zweikampf auf der Stelle wieder auszunehmen, doch eine Gruppe von etwa zwölf Mann kam aus der Gaststube gestürzt, um sich zwischen die Kämpfer zu werfen. »Henri!« rief einer von ihnen, »keine neuen Thorheiten!« »Sie vergessen,« sagte ein anderer, »von wem wir erwartet werden!« »Wollen Sie denn alles aufs Ziel setzen?« fügte ein Dritter hinzu. Unter den verschiedensten Formen wiederholten seine Gefährten dieselben Bemerkungen. Die Männer redeten in einer frem den Sprache, die Chrano als reines Kastillanisch erkannte Jhr Freund wollte sich widersctzen und sie zogen ihn fast mit Gewalt fort, so daß sich Chrano mit seinem treuen Jolivet allein vor der Herberge sah. Fast in demselben Augenblick holte er Pferdestampfen und Räderrollen. Ein Thorweg öffnete sich, und Karrossen tamen im Galopp heraus. Jn dem letz ten erkannte der Gascogner feinenGcg ner, während die Spanierin an seiner Seite saß. Als Belohnung für seine Helden that und seine Großmuth hatte der junge Mann auf die Gunst eines sanf teren Blickes und eines weniger spötti schen Lächelns gehofft; doch nur ein noch höhnischeres Lachen drang an sein Ohr. dann verschwand ·:,r Wagen» Eine lange seit blieb der junge Mann auf der tandstraße stehen, dann drohte er dem davonfahrenden Wagen mit der Faust nach und ries: ,,Wehe dir!. .. Wir wollen sehen, ol) du nicht schließlich noch über mich los-i nen wirst! —« Um die Reisenden bei der Abfahrt zu begrüßen, hatte auch derWirih seine Luke verlassen. DieHeldenthat dcö jun gen Gascogners hatte großen Eindruck auf ihn gemacht, und er bereute sin grobes Benehmen jetzt bitter. Was sollte wohl aus ihm werden, xrenu ihm dieser streitbare Ritter zu Leibe ging? Verwirrt stand er mit der Mütze in der Hand vor der Thür seines Gasthoses Chrano bemerkte ihn, eilte aus ihn »u und ries: »Halt, du da, du wirst mir agen. Der Wirth vertannte den Sinn der Worte, und glaubte, er müßte sich ent schuldigen. err Edelmann « begann er fnit fur tsamer Lebhafiigleit, »jetzt, da die erreen fort sind, gehort die Herberge ,,Haha, du Schuft, ich frage dcheu sel nach deiner Baracle!« »Jhnen. vom Keller bis zum Gie bel!« wiederholte der andere »Genug! ich will nur wissen, mer diese Leute sind!« Der Gastwirth wurde ruhiger, er hatte den Groll des Fremden grsurch: tet, doch dieser schien alles vergessen zu haben. Aber seine Freude währt-: nicht lange, denn Chrano fuhr in ;rii..«·,ui dem Tone sort: »Willst du mir antworten, zum Teu fel?. .. Den Namen dieser Li.si«cinner!« »Ich weiß sie nicht,« stotterte der dicke Gastioirth. »Du tilgst!« »O, ich schwöre Ihnen. . »Nun, so sprich. . . oder ich drehe dir den Hals um!« Der Ungliickliche schwankte aus sei-— nen dicken Beinen hin und her Und »Jet sicherte leichenblaßt »Ich kenne sie nicht. . . oder ich kenne vielmehr nur einen,« beeilte er sich, aus fine drohende Geberde hin zu verbes ern. »Und dieser eine ist. . »Herr von Fontrailles. .. ein Mar quis.« »Das macht mich nicht klügerL lind der Mann, mit dem ich mich geschlagen habe?« »Ich schwöre Ihnen, ich habe ihn nie gesehen!« »Nun, ich werde es schon crsahren,« ries Chrano, doch plötzlich drehte er sihch um, denn eine Stimme sagte hinter i m: »Der Mann spricht die Wabrl)eit!« Der Gascogner sah sich einem Hei nen, schwächlichen, vollständig grau ge lleideten Manne gegenüber, der nach Chranos Ansicht niemand anders sein konnte als ein Latai. d. h. ein Lakai, dem sein Herr die Livree abgenommen, jedenfalls um ihn mit einer geheiiniiisz vollen und delikaten Mission zu be trauen. Das war übrigens damals so üblich, und wollte ein Edelmann sich nicht durch seine eigenen Farben verra then, so ließ er seinen Diener grau ein kleiden. Cyrano hatte den Fremden, der das Wort an ihn gerichtet hatte, also sofort erkannt, und dieser betrachtete den Gascogner mit pfiffigen Blicken, dann fuhr er fort: »Der Wirth käme in große Verle genheit, wenn er Jhnen mehr sagen sollte. . .« »Und Sie selbst?« »Ach, das ist etwas anderes!«« »Sie kennen diese Leute?« »Alle. . . .« »Nun, so sagenSie mir. . . Sprechen Sie schnell!« »Das ist für heute unmöglich Ew. Gnaden!« ,,NennenSie mir wenigstens einen!« »Der, mit dem Sie sich geschlagen haben?.':« Der Lakai schien einen Augenblick zu überlegen, dann erhob er mit ent schlossener Miene das Haupt und fragte: ,,Wiiren Sie wohl der Mann, ihm einen tüchtigen Degenstich zu ver setzen?« »Diesem Gecken im grauen WagimsM fragte Cyrano zurück. »s- a«« »Ich abe es ihm versprochen und werde ort halten!« »Gut!« Es lag in der Stimme des kleinen Mannes gleichzeitig etwas so Be ftimmtes und Einschmeichelndes, daß der Gascogner nicht einmal bemerkte, daß er eine Art von Verhör bestand. Inzwischen sagte der andere mit be friedigter Miene: ,,Dadurch wird vieles vereinfacht. .. Der Pater Joseph wird mit mir zu frieden sein!« Darauf beugte er sich zu dem jungen . Manne heriiber und fügte hinzu: »Um diesen Herrn wiederzusehen Piüszten Sie nach Saint-Germain ge )en.« »Ganz recht, dahin begebe ich mich eben!« »Vortrefflich!. . Treffen wir uns im ,,Eisernen Kreuz«. . . »Ist das ein Gasthof?« ,,Ja... nicht weit vom Schlosse.» Fragen Sie nach Perchepin.« »Das smd Sie?« »Ja, das bin ich.« . »Und Sie versprechen mir, daß ich meinen Gegner wieder auffinden wer de, der mir eben entwischt ift?« »Ich verspreche es Jhnen!« »Werden Sie mir auch den Namen der Spanierin nennen?« »Der schönen und unverschämt-en ; Pensions die ihn begleitete?« . «. a.« »Nichts leichter als das. . . doch wenfn ich Jhnen einen Rath geben dar . . .« »Burfche,« rief Cyrano ärgerlich; ich glaube, du vergissest dich!« ,,Verzeihen Ew. Gnaden,« bat Der andere, ohne allzugroßeDemuth zu zei gen, und fuhr dann in seinem klaren, knavpen Ton fort: »Verständigen wir uns also nach einmal. .. Heut Abend im ,,Eisernen Kreuz« Perchepin Der Baron von Bergerac wird nach ihm fragen. »Wie? Du kennst mich also?« ,,Jch habe diese große Ehre, Herr Chrano.« « · ,,Meiner Treu, ich wäre doch neugie rig. . .« »Oh, das ist mein Geheininiß!« Doch das Pferd des Gascogners ward unruhig, es sprang auf dem Platze umher, so daß Jolivet es kaum ländigen konnte. Der junge Mann be ruhigte eg, und als er zu dem Lakaien zurückkehren wollte, war dieser ver schwanden. Anders aber stand es um den Durst Chranos, der immer stärker wurde, und so rief der Gascogner dens dem dicken Wirthe zu: ,,.Bringe mir schnell etwas zu trin: ken.« MitBehagen schlürfte er den frischen Wein, und ohne sich bitten zu lassen, folgte Jolibet dem Beispiele seine-« Herrn Dann schwang sich Chrano in den Sattel und rief dem Wirthe zu: »Für deinen Labetrunk schulde ich dir einen Thaler. . «E-inen Thaler?" versetzte der an dere verdutzt. ,,Doch da ich jetzt tein Geld besitze, so kann ich dir meine Schuld erst in den nächsten Tagen bezahlen. . .« Das Entzücken des Wirthesp nich ei ner Enttäuschung Inzwischen hatt-: Cyrano seinem Pferde die Sporen ges geben, während Jolivet sich verzweifelt an die Mähne des seinigen klammerte. Der Galopp begann von neuem; in einer halben Stunde erreichte man Paris, und die beiden Reiter zogen durch die Faubourg SaintJacqueg in die große Stadt ein. I 9. C a p i t e l. s Die Glocken der NotredameKirche » läuteten eben den Mittagsangelus ein, und wie mitten im Sommer brannte die Sonne an einem klaren Himmel. Es herrschte eine wahre Bratofcnhitze in der alten engen Straße de te Ini verie-en-la:Cite. Nur auf einer Seite erhob sich, mie eine Oase in der Wüste, ein hübsches Haus, dessen wurmstichige Außenseite unter Ephcu und Lorbeer fast ver schwand. Warf man einen Blick durch » die Fenster-, so bemerkte man einen großen gegen die Sonne wohlgeschtitz ten Saal, in dem eine große Reihe von Tischen und Bänken stand. Jm Hinter grunde erhob sich ein Schanltisch aus Eichenholz, der mit Tellern und Plat - ten vollständig angefüllt war, während man durch eine qeössnete Thiir einen . ungeheuren Bratenspieß erblickte, der i sich über einem großen k euer drehte. - Ueber dem Eingang des auses besand s sich ein breites Schild, aus dem in Goldbuchstaben die Worte standen: I »Zum Kienapsel«. Es war in der That die berühmteSchenke zum »Kienapfel«, welche unter Ludwig dem Dreizehnten in vollster Blüthe stand. VornehmeHer ren vergaßen hier die Langeweile des Hofes, und eine große Anzahl von Dichtern, wie Theophile de Bian, Cha pelle, Saint Amant, suchten hier gern Anregung im Wein. An diesem Tage war zum Mittags mahle der große Saal vollständig be setzt; und Gläser und Gabeln verur sachten ein freudiges Klappern, wäh rend auf den Tischen die Schüsseln dampften und Becher und Flaschen eine lange Reihe bildeten. An einem der Tische saßen vier be deutende Persönlichkeiten, erstens der König des Hauses-, der Kaiser der Zi geuner, Marc-Antoine deGerard, Here von Saint-Amant. — Der fröhliche Dichter war soeben im Begriff, seinem Titel als erster Trinker der Welt Ehre zu machen. Neben ihm —— und ebenso veleibt und rothbäckig — saß der von ihm unzertrennliche Nicolas Faret. Ihnen gegenüber hatten zwei andere Gefährten Platz genommen; der eine war der jüngere Sohn des Hauer Lor 2-aine-Elbeuf, sein Nachbar der Mar auis von Narveze, ein geistreicher Tischgenosse und tüchtigcr Trinker. Am nächsten Tische saßen mehrere junge Leute. welche über die Reden der anderen herzlich lachten; doch plötz lich sagte Saint-Amant, sich an einen von ihnen wendend: ,,Le Bret, was ist denn aus Ihrem Freunde geworden?« »Aus Cyrano?« »Ja, ist er noch immer in feinerHei math?« »Ja, noch immer!« »Er fehlt mir," unterbrach Faret, »denn so jung er auch ist, er ist der fröhlichste Tischgenosse, den man sich denken kann.« »Der tapferste und entschlossenfte Fechten . .« »Der originellste und feinste Geist,« bestätigte Narveze. « »Und das beste Herz von der Welt,« ergänzte Le Bret. Diejenigen, die nichts sagten, bewie sen durch ihr Kopfnicken ihre vollste Zustimmung. »Gut gefprochen,« fuhr der Dichter fort, »und ich für meinen Theil hege nur eine Furcht. . .« »Welche?« Doch anstatt zu antworten fragte Saint-Amant: »Vor drei Monaten hat uns Cyru no jawohl verlassen, um sich nach der Gascogne zu begeben?« »Ganz recht, vor drei Monaten.« »Und ihr findet es nicht seltsam, daß er so lange von Paris sern dleibtf ich für meinen Theil wittere dahinter eine gefährliche Liebelei!« »O, wenn es weiter nichts ist,« un terbrach einer der jungen Leute. ,,Las3 mich aussprechen. d’Assoueh!« Und in fast ernstem Tone fuhr der Dichter fort: »Ich fürchte, irgend ein schönes jun ges Mädchen entführt uns unseren Freund mit Zustimmung des Notars und des Pfarres.« »Also eine Heirath?« Ein allgemeiner Protest erhob s7ch, doch lächelnd erklärte Le Bret: »Eine Liebschaft? Das ist unmög lich; doch, daß die Liebe so weit ge hen sollte, das glaube ich nicht!« »Aha, Cyranos Vertrauter weiß darüber mehr.« »Und wir müssen daraus schließen, daß nur eine Heirath in Paris für un seren Freund zu fürchten is .« »Doch wir werden da sein . . ." ,,Jawohl, und wir werden ihn vor so seinem solchen Unglück zu schützen wis en.« Ein allgemeines Gelächter brach los, und als sich der Lärm ein wenig be ruhiat hatte. fuhr Le Bret fort: »Auf Cyrano zurück zuk dmmen, so glaube ich Euch sagen zu tönnen, daß wir ihn zweifellos bald wiedersehen werden.« ,,Hat er dir etwa geschrieben«3« »Nein, er vernachlässigt mich seit einiger Zeit ein wenig.« »Woher weißt du also?« »Ein Freund aus der Gasco ne hat mir geschrieben, und er theilt mir aleichzeitig etwas mit, was ich ohne ihn nie erfahren hätte.« »Was denn?« ,,Ho«rt,'" begann Le Bret. »Ihr wißt alle, wie traurig Chrano war, als er Paris verlassen mußte. Erstens mußte e: von seinen Freunden aus dem Men apsel Abschied nehmen, aber auch von seinen Studien, der Wissenschaften und der Philosophie, und dann war vor allem die Ursache dieser Reise, die ihn sc traurig still-Inte. Ein alter -Oheini, der ihn sehr lieb hatte, rief ihn in aller Eile zu sieh, denn der Greis fühlte sich dem Tode nahe, doch vorher wollte et seinen Neffen noch einmal wiedersehen rnd ihn zum letzten Male umarmen Cyrano hegte eine große Zuneigung zu ihm: er ritt Tag undNacht, und es war il«-m ein trauriger Trost, dasz er nicht zu spät Hain, denn sein alter Oheim starb in seinen Armen. Am Tage nach dem Begräbnis wurde das Testament des Greises eröffnet, undSavinien war in demselben als Universalerbe einge setzt.« »Ist die Erbschaft bedeutend?« un terbrach d’AssoUcy. ,,Etwa 1()0,0()0 Franck« »Ha, das ist ein hübscher Bissen, um sich zu trösten.« Der Sprecher war häßlich, klein. rund, sehr nachliissig gekleidet, und ob wohl er allen antipathisch war, so et trug man ihn doch wegen seines schlag fertigen Witzes. »10(),000 Francs,« fuhr er fort, »ist ein Vermögen für unseren Gas cogner, und ein reicher Bissen für Ett net, den Wirth zum ,,Kienapseli« Fortsetzung folgt) L « ; Cyrano de Bergerac.