Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, December 16, 1898, Sonntags-Blatt., Image 10

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    Der Todte von Hnrrnr
Island.
MWW
yamxm von MIW MI.
(8. Fortsetzung)
«Jch muß Sie unterbrechen,« fuhr
die Gräfin auf. »Es waren erbarm
liche Coulissenintriguen, denen die
Künstlerin weichen mußte." »
«Nehnien wir es immerhin an,« la
chelte der Hofrath bloaft, »Und be
dauern wir heute noch- daß jenes Ta
lent der Kunst Terpsichores verloren
gegangen ist. Uebrigens besasi die
junge Polin werthvollen Talente als
ihre Fähigkeit, einen Fußspitzengang
um die Bühne zu unternehmen oder
die Tarantella iunstgerecht durchzu
fiihren —- sie war schön, den vorlie
genden Berichten zufolge sogar sehr
schön. Leider verpfuschte sie sich fur
einige Jahre ihre Carriere durch einen
dummen Streich ---«— eine Theaterhei
reib-«
Natalie seufzte und neigte bestäti
gend das Haupt.
»Ja Wien war es wohl -— wo sie
einen jungen Musiker kennen lernte.
Er war ein Kapellmeister ohne Kapelle,
ein Componist mehrerer unaufgefiihr
ter Obern und ein Klaviervirtuose, der
kaum ein eigenes Klavier besaß, dage
gen bedutende Virtuosität im Schul
denniachen an den Tag legte. Dieser
Künstler errang die Liebe der reisenden
Tänzerin, und sie beging die unge
heure Dummheit, in aller Form seine
Frau zu werden. —- Jn aller Form,
Frau Gräfin — ich bitte Sie, diesen
drei Worten giitigft die gebührende Be
achtng schenken zu wollen«
Rataliens dunkle Brauen zogen fich
zu einer düsteren Linie zusammen
»Das junge Paar führte drei Jahre
lang —- verzeihen Sie den harten
Ausdruck — ein Hundeleben Hunger,
Zank. Schläge, gegenseitige Vorwürfe
waren an der Tagesordnung Da,
gerade als dieses unerträgliche Ber
hiiltniß seinen Höhepunkt erreicht hatte
—- erschien der rettende Engel in Ge
stalt des alten Reichsgrafen v. Fels.
Der vornehme Herr efand sich auf
Reisen. Jn einein Balllokal Wiens er
blickte er Natalie v. Krakowsta —- sie
hatte trotz ihrer Ehe ihren Künstler
rsamen beibehalten und tanzte damals
wacker in der vierten Quadrille — ver
liebte sich in sie und zwar so gründlich,
daß er ihr sogar seine Hand antrug.
Mit dem ehrenwerthen Maestro wurde
man bald handelsein5, einige tausend
Gulden genügten, ihn höchst gefügig
und zu einer Trennung genit zu ma
chen. Wiederum muß ich åie jedoch
bitten, Frau Grösin, davon Notiz
nehmen zu wollen, daß eine gesetzliche
Scheidung nicht erfolgte, wenn auch in
London eine Eheschließung zwischen
dem Grafen und der Tänzerin statt
gefunden hatte.«
»Schon gut —- nur weiter-, wenn es
beliebt.«
»Ich bin eigentlich zu Ende, denn eg
eriibrigt nur noch, festzustellen, daß die
Neigung des alten Herrn zu der schö
nen Dame viele Jahre hindurch an
dauerte, ja sogar bis zu seinem plötz
lich erfolgten Tode, daß er sich in die
len Dingen von ihr beeinflussen und
leiten ließ, und daß sie wiederum klug
genug war, von gefchiiststundigen und
welterfahrenen Männern Rath anzu
nehmen«
»Sie umschreiben sehr fein, mein
lieber here Hofeath,« lachte die Grä
fin auf, »daß schon kurze Zeit nach
meiner Bekanntschaft mit dem Reichs
gtafen das »Syndikat« mit seinen
Borschliigen an mich herantrat und mit
mir einen, wenn auch ungeschriebenen
Contrakt zum Zwecke der Nutzbarma
chung meines Einflusses auf den
Eraer abschlosz. Gemäß dieses Ver
trages garantirte man mir, das-, ich
nach seinem Tode in den theilweisen
Besitz des ungeheuren Vermögens tre
ten solle.« —
»Seit man Ihnen nicht erfüllt, was
man versprach?«
»Doch nicht so ganz. Jch bin no
minell zwar Besitzes-in des Vermögens,
aberthatsächlich schalten und Walten
cndere darüber, und ich empfange von
meinen Einkünften nur das, wag man
jiiir gut hält, mir zukommen zu las
ein«
Fähre Revenuen sind fürstlich,«
man ie der bosrath ein. »Daß Sie
ungewöhnlich kostspielige Passionen
baben und daß Jhr Lieblingsaufent
halt Monte Carlo ist —- daslir vermö
gen wir nicht aufzukommen. Uebrigens
Tonnen Sie sich bezüglich der Verwal
tung Jbres Vermögens beruhigen, sie
geht in musiergiiliiger Weise von stat
ien, der nnveriiußerliche Grundbesitz,
aus welchem das vom Reichzgrasen
elassene Vermögen ja hauptsäch
lich steht, ist noch nicht angeiastet und
theilweise sogar ver rö t worden.
Man bat viel, sehr vel ür Sie ge
than, denken Sie aber stets daran, baß
die Macht, welche Sie zu dieser Höhe
emporgieebobem Sie in jedem Augen
blick to der hinabstürzen kann. Erin
nern Sie sich immer, Frau Gräsm«
—- der hofrath legte einen sonderbaren
Ton ans die Jiiulaiur —- ,,daß es
zwei Arten von Purpur iebt: den e -
ten. der sich um die Sehn tern des wa -
s l« t d i -
Z Bitt-HÄLFTE Exukztisäim
ur ne, m em
rächwa UUWIICIY M
er aber hübsch in der Theatergarderobe
abzulegen hat —- wenn der Mummen
schanz vorüber." »
Der Heirath hatte leise, aber mit ei
sernem Nachdruck gesprochen und hin
ter seinen Brillengläsern blitzten die
Augen dabei aus. —- Jetzt wurde er
wieder völlig ruhig und kalt, indem er
hinzusetztu »Das war es, was ich Ihn
nen einzuprägen hatte, und ferner sol
gende Vorschriften: Sie haben sich, wie
Sie bereits wissen, bis auf weiteres in
Berlin aufzuhalten, nichts zu unter
nehmen. was Sie nicht vorher mit mir
besprochen hätten und was nicht meine
Billigung erhält. Sie diirsen Gerfaut
nur das mittheilen, was in meinen
Intentionen liegt, und baben im übri
gen aus das Strengste alles zu vermei
den, was irgendwie Aufsehen erregen
j tönnte.« -
» Die Grösin hatte sich sür den Heim
« weg gerüstet. »Ich weiß also nun,
» was ich zu thun babe,« sagte sie weit
; weniger selbstbewußt als vorber; »ich
» denke. man wird mit mir zufrieden
ein.«
; Dann reichte sie dem osratb die
Hand, der sie galant an eine Lippen
; führte.
s »Gute Nacht, schöne Frau,'« scherzte
; er in leichtern Gesprächstom »ich hasse,
; Sie wissen den Mann von seinem Amt
l Zu unterscheiden und machen mich
nicht persönlich sitt diese Gewissens
; predigt verantwortlich. Lieber Gott,
. wenn es nach mir ginge, ich wüßte inir
, eine bessere Unterhaltung mit der im
F mer noch reisenden Natalie v. Kra
[ lowsla.«
»Schmeichler,« lachte die Grösin,
»was meine Schönheit anbelangt, da «
kann selbst Ihre Beredsamleit nicht »
die meines Spiegels auH dem Felde »
schlagen. Da? ungalante Glas sagt
mir täglich, daß es nur noch die
Erinnerungen sind, die mir geblie
but-«
- »Nun, auch Erinnerungen haben ost
hohen Reiz —- von den Ihrigen dür- -
sen Sie getrost noch lcnge zehren.
Tars ich Sie jetzt zum Wagen gelei
ten?« «
Und der Hosratb eriiillte auch diese i
Nitterpslicht in tadellos cheoaleregier«
Weise.
Sobald die Gräsin das Haus ver
lassen hatte, um in demselben Wagen, (
nsorin sie gekommen war, nach dem !
»Kaiserhos« zurückzukehren, zog sich ;
Schaller in sein Schlaszimmer zurück.
Hier kleidete er sich hastig um und ver
truschte seinen eleganten schwarzen
Anzug mit einem recht sadenscheinigen
unmodernen, dann wars er einen alten
grauen Radmantel darüber und stülpte
einen breitrandigen Hut aus den Kopf.
Ein dicker Stock mit einem großen neu
J silbernen Knopf vervollständigte diese
l Toilette, in welcher der Heirath beson
. ders bei Nacht, toobl kaum von einem
seiner vornehmen Bekannten ertannt
werden konnte.
Vorsichtig verließ er das Haus und
gelangte, sich vorsichtig im Dunkel der
Häuser haltend, zum nächsten Brosch
ienplatz. Hier bestieg er einen geschlos
senen Wagen. »Brunnenstraße 62,··
befahl er, als er den Kutschenschlag
schon hinter sich geschlossen hatte. Dann
lehnte er sich behaglich in eine Ecke zu
rück, und während das Gefährt davon
rollte. murmelte er:
, »Ein unangenehmer, wohl gar ge
fährlicher Weg, aber um unserem dro
bendsten Gegner« diesem geriebenen
Galluz. beizukommen, bedars es eines »
entgischen Schachzuges« sonst kann die
ganze Partie leicht in die Brilche geben. ’
Noch hält dieser scharfsinnige Bucklige
gute Figuren in der Hand, aber ichs
will ihm Schach ansagen und wieder j
Schach und —ihn mattsenen Was
gilts, mein herr Friedrich Gallus ———
ich gewinne das Spiell«
I 10.Capitcl. j
« Das Haus Brunnenstraße 62 er (
freute sich keineswegs des Wohlwol j
lens seiner Nachbarn. Er bildete in ’
der ganzen Gegend gewissermaßen den
Stein deH Anstoßes, wofür am besten
die zahlloer Klagen zeugten, die fei
tens der Besitzer der angrenzenden ·
Grundstücke bei dem Lieutenant Lsesz
Polizeirevierg gegen die Bewohner nnd
Gäste von «Dechter5 Hotel und Reftau- 1
rant« einliefen.
«Decherts hotel und Reftaurant« —
tie Worte pranaten in freundlich grü
nen Lettern über dem Hauseingann,
während die Seitenfelder rechts und
links von der Thür zwei verschiedene
Anliindigungen enthielten —— ersten-,
daß hier « immer für Wochen, Tage
und Sinn n vermietbet würden. Und
zweitens, daß jeden Abend von neun
llbr ab »sechs Votal- und nttrn
mentalconrert«« bei freiem Lintritt
tiatfindk Dieser lehte Hinweis war
es, der den Unmuth der Nachbarn Esel
sonders erregte, denn diese Volal- und
Jnstrumentalconcerte, die immer weit
über dieMitternachtssiunde hinaus an
dauerten und von dem Brüllen der
Gäste, sowie von gelegentlichen Prit
el- und Stechassairen be leitet wur
-en, raubten den friedlie den Be
wohnern der Nebenbäuser die Nacht
rube. Das m te sie« zu erbitterten
Feinden des fon so ovialen Wen
Brunno Dechett, des s
hauset
Aber die geplagten Anwohner hat
ten seit einger Zeit alle Hoffnung aus
gegeben, in dem Kampfe gegen Dechett
als Sieger hervor ugehen. Der Poli
Heilieutenant des eviers beantworten
clle ihre Beschwerden nur noch mit ei
nem geheimnißvollen Achselzuckem und
nun hatte sich Dechert noch obendrein
seinen eigenen Rechtsbeifmnd ins aus
genommen, gewiß nur, um der pli
zei und dem Gesetz mit desto größerer
Sicherheit ein Schnippchen sch agen zu
können.
eSit eingen Monaten hatte sich
nämlich zu den anderen Antündigun
gen an dem Haufe noch ein kleines,
einfaches Schild eingefunden, das fol
gendeWorte enthielt: «Gottfried Höhn
chen, Rechtsconfulent und Privatdetec
tier. Klagen, Austünfte, Beobachtun
gen. DiscretI Jntassodureau. Zim
mer 14.«
Es hatte nur kurze Zeit gedauert, da
ircr Herr Häkknchen berits eine in je-v
ner Stadtgegen recht ketannte Per
sönlichteit Schon seit auffallendes
Bleußerh seine unendlich langen und
diirren Beine sein nach oben spitz z :
laufender Kopf mit dem listigen Rat
tengesicht und den kleinen, ewig beweg
lichen Augen trugen dazu hei, den
Mann im Gedächtnisz zu behalten,
wenn man ihn einmal gesehen. Dann
aber versicherten auch diejenigen, wel
c-,e mit ihm geschäftlich u thun oder
auch nur eine längere nierlzaltung
mit ihm gepflogen hatten, daß er ein
äußerst geriebener, gefetzestundiner
Lkursche sei, einer von denen, welche
aus Schwarz Weiß und aus Unrecht
Recht machen können, selbst wenn man
Zinsen noch so scharf auf die Finger
is . .
Dieser Wundermann war nicht nur
ein Miether des Hausbesitzers Dechert,
sondern die beiden Männer standen seit
langen Jahren auch auf freundschaftli
etkem Fuß. Dechert sah mit einer ge
wissen Bewunderung zu seinemFreund
Hähnchen auf, und versicherte denen,
die es hören wollten, dasz dem Gott
fiied Hähnchen nichts unmöglich sei,
denn der stecke zehn Rechtsanwälte in
die Tasche. Kein Wunder, er sei ja
auch bis vor kurzem die rechte hand
des bekannten Geheimen Justizraths
Friedrich Gallus gewesen.
An jenem Abend, da Hosrath Schal
ler nach der Brunnenftrasze fuhr, war
Gottfried Hähnchen gegen elf Uhr nach
hause gekommen und von dem Haus
knecht im Flur mit der Nachricht em
pfangen worden« daß zwei seine Herren
schon über eine halbe Stunde in seinem
Eimer ihn erwarteten.
»Haben sie nicht gesangt, in welcher
Angelegenheit?" forschte der Rechtsstan
sulent.
»Nein, ich habe ihnen eingeredet, daß
Sie ganz in der Nähe seien und jeden
Augenblick zurückkommen müßten,sonst
wären sie wieder abgeschwommen. -——
Und sie sehen aus« als ob was von
innen zu holen fei.«
Hälmchen nickte demHaqunecht dan
kend zu und schritt die erleuchtete
Treppe empor. Aus dem Hinterbeinfe,
we sich der Concertsaal befand, drang
Klavierspiel und vielltirnmiges Mur
meln zu ihm und das Geräusch klirren
der und klapernder Biergläfer, das
Mufpen der Kellner.
»Verwünschter Tingeltangel,« schrie
Hälmchen »was sollen meine Clienten
denken? Wenn ich dem Dechert nicht so
nahe sein wollte — ich hielt eH keinen
Tag in der Bude aus.«
Als er die Thür seines Zimmers
geöffnet hatte und seinen Gästen sie
genüberstand, wurde fein Bedauern
iiber die Unzulänglichkeit seines Bu
reaus noch gesteigert, denn er sah auf
den ersten Blick, daß er es mit zwei
Felsen der besten Gesellschaft zu thun
a .
»Bitte tausendmal um Entschuldi
gung, dafz ich warten ließ,« besann er.
»dringende Geschäfte -—— wichtige Gan
ferenz — mit wem babe ich die
(71«re.«
»Baron v. Rheden.«
»Oberliinder! Jch habe diefen Herrn
nur bealeitet.«
»Aufzerordentlich erfreut. meine Her
:en· — Haben Sie die Giite, Plat,1 zu
nehmen. Wer ich bin, wissen Sie lqer
nsuthlich Gottfried-Zähnchen Rechts
consulent und Privatdetectide, frijher
Vureauvorfteher beim Geheimen Ju
sxizratb Gallus —- der Herr ist Ihnen
vermutblich betannt?«
»Sei-en Sie, ich wußte doch sogleich.
slg Sie bereintraten, daß ich Sie schon
irgendwo einmal gesehen haben müß
te,« rief Oberländer. »Ja — ja, da
war es, beim Rechtsanwalt Gallus Es
sind zwar schon zwölf oder dreizehn
Jahre seitdem derstrichen, aber Sie ba.
ben sich wenig verändert«
»Und ich erinnere mich ziemlich ne
nau, was Sie damals öfter zu ung
führte,« erwiderte Hälmchen »Sie in
teressirten sich für den gräflichffelsschen
Erbschaftsproceß oder wenigstens fiir
den Berbleib des verschollenen Eldor v
Fels. —- Jst es dieselbe Angelegenheit,
welche rnir heute das Vergnügen ver
schasiii«
«Keine6wegö«" unterbrach Baron
band den Sprechenden. »ich komme,
weil ich in der Zeitung bin und wieder
Jbr Jnseeat gelesen habe. worin Sie
sich als Privatdeteetive anpreisen und
sch speziell- ur die Beobachtun von
Ver onen eni fehlen. — Jch rnii te ie
doch durcha»us Ihrer Diseretion ver
sichert fein.«
»Das können Sie. Dieser here wird
Ihnen bestätigen, daß ich nicht so lange
die Bertrauenösiellung bei Galluö ein
genommen hätte. wenn ich nii jemals
eines Vertrauensbruchez fchul ig ge
macht hätte
Baron piheden schaute seinen Ver
trauten fragend an, und detalte here
winkte ihm mit den sugenhäih als
kenne et diese html-Ums
halbwegs MS tin-w
»Wohlan, hören Sie, um was es Z
dandelt,« nahm band das Wort. » g
habe ves- einrgen Wochen eine «unge
Dame kennen getrent, ein Zufall iihrte
uns im Thiergartenckusammem ch
hatte eine besiimmte rsache, mich r
sie zu interessiren. und bestieg, als sie
sich damals von mir trennte, ohne mir
ihren Namen nennen zu wollen« eine
gerade des Weges daherlommende
Droschle, in der ich ihr nachsuhr. Beim
Bahnhos Thiergarten stieg ich aus, da
. mir eine Ahnung sagte. daß sie die
; Stadtbahn benutzen werde. Jch hatte
s mich nicht getäuscht Sie tam, löste ein
; Billet dritter Klasse und suhr mit mir
s in demselben Zuge bis zum Bahnhvse
Alexanderplatz. Als sie den Zug ver
) ließ, that ich, immer unbemerkt, das
: Gleiche, und es gelang mir, festzustel
L len, daß die junge Dame in dem Hause
, Firenzlauer Allee sechs toobne.« »
s »Prenzlauer Allee sechs?« rief Hahn
cfzen überrascht
»Finden Sie darin etwas- Aussäili
arg,« fragte ihn Hans, von dem Aus-—
rus des Detectives eigenthiimlich tsc
riihrt. »Das Haus ist, soviel ich weii3,
durchaus anstödngi. und auch die Fa
milie, von der die Dame ein Zimmer
gemiethet —«
«Schneidermeister Grün,« wars
Oahnchen leicht hin.
Der Baron und Oberländer wech
selten Blicke höchster Ueberraschung,
und hanö spran« von seinem Stuhl
sus, um einige Schritte zurückzutres
en.
»Wie iste se möglich, herr,« stieß er
hervor, »daß Sie den Namen nennen,
den ich soeben aussprechen wollte. Ken
nen Sie den Herrn Grüni«
hähnchen lächelte überlegen. ,,Lieber
Gott, meine Herren, Sie brauchen gar
nicht so erstaunt zu sein. Unsereirer
i::uß, um Erfolge zu erzielen, eine Art
von wandelndem Adreszbuch sein.-Jst
die junge Dame, um welche es sich han«
delt, schlank und besitzt sehr reiche-,
rotbblondes Haar?«
Das Erstaunen des Barons wuchs,
zugleich aber auch sein Vertrauen zu
dem Mann, der in dem großen Berlin
sofort eine Person zu bezeichnen wußte,
welche man suchte.
»Sie sind in der That der rechte
Mann. dessen ich beniithige,« rief er,
,.oielleicht sind Sie in der Lage, .nir
den Namen dieser Dame zu nennen —
dann wäre ich am Ziele und bedürfte
nicht mehr Ihrer ferneren Dienste."
Das aber war es gerade, was der
Telective nicht wollte. Schon schwebte
ihm der gewünschte Name ans den Lip
pen, aber er drängte ihn zurück und
sagte, die spitzen Schultern sast bis zu
denOliren empor iehend: »Damit kann
ich dein Herrn aron leider nicht die
nen, wenigstens nicht im Augenblick.
Haben denn der Herr Baron, nachdem
Sie die Wohnung der Dame ausfin
dig gemacht, ihren Namen nicht ermit
teln tönnen?«
»Nein, man hat mir, wie es scheint
absichtlich, einen falschen Namen ge
nannt.«
»An wen wandten Sie sich dieser
halb?«
»Ich liebe teine Wintel iige und
wandte mich direkt an den c-chneid·.·r:
meister, den Wirth des Fräuleins. Lei
der muss ich annehmen, daß dieser mir
—- wahrscheinlich im Austrage der
Dame selbst —- salsche Angaben ge
macht hat. Er nannte die Dame Hed
wig Schuld und versicherte mir, sie sei
in einer Blumensabrit aus der Frie
drichstrasie beschäftigt. Jch habe in
dessen sestgestellt, das; die letztere
Angabe unbedingt eine Mystisitatioii
ist.
Hähnchen hatte smit geschlossenen
Augen zugehöri, vor seinem Geist ent
rollte sich, während der Baron sprach,
das Bild eines höchst einträglichen Ge
schäftes. »Und was soll ich nun thun?«
fragte er.
«Bor alled den Namen der Dame
ermitteln, ihren Beruf und ihren GI
lsiirtsort, den Stand ihrer Eltern, wel
Ce ja nicht mehr zu leben scheinen, und
ob die letztcren jemals in Amerika soc
usn. Haben Sie verftanben?«
»Gewiß, Herr Baron. Ich überneh
me den Auftrag.«
»Welche Anzahlung stoiinschen Sie,
ehe Sie zu arbeiten beginnen ?«
»Der Herr Baron werden mich be
zahlen, wenn ich etwas geleistet habe.«
So aeldgieriq Hälmchen sonst auch
sein mochte —s- er verzichtete siir den
Augenblick aus eine Einnahme, um
das Vertrauen Rhedens zu befestigen
«Wiinschen Sie meine Adresse?«
»Die ist mir betannt, wer kennt den
Chef der Firma Rheden cis Compognie
nicht?«
»Und wann werde ich Von Ihnen
hören?'«
Ehe der Rechtsconsulent antworten
konnte, wurde an dieThiir aepocht, und
Qiihnchen bat siir einige Minuten um
Entschuldigung
Die beiden Herren blieben allein.
Der alte Oberliinder legte seinem
jungen Chef die Hand auf die Schulter
und schaute ihn zärtlich besorgt an.
»O, mein lieber hans,« saate er, .ich
wünschte, Sie hätten diesen Besuch und
diesen Auftrag unterlassen-«
»So mißtrauen Sie dem Deter
tioei« fragte Nheden hast« . »Sa
sent Sir mir rückhaltlos »Wede
r .« ,
»Sie wissen, Hans, dass ich dies im
mer thue, und deshalb gestehe ich
sinnen, daß meine Seele tief betltmmeri
it, Sie immer und« immer wieder ei
nem Phantom nachjagen zu sehen. —
Welch ein Unglück fiir Sie, die«es
Abenteuer aufgener entlegenen Jn el,
der verhanam volle Fund jener a
viere und des Bildei, dessen Oe gi
nal aufzufinden Sie ich nun einmal
in den iton geseht ha n! Willen Sie
auch, da an derartigen Ideen schon
mancher t ttge Mann zu Grunde ge
omet- tit
» abe ich jemals meine Pflichken
dar« der versäumt?« fragte der Baron
ruhig.
: »Gewiß nicht; es gibt keinen zielbe
7 wußtern Mann als Sie, aber das ist
es ja eben, was mich tränkt, und was
mir in Jhre Seele hinein wehe thut,
daß Sie die schlinglen Stunden Jhres
Leiens, Jhre Mu e, Ihre Erholung
dieser planlosen Geschichte widmen.
Wie sehr Jhre Gedanken davon be
herrscht werden, das sehen Sie gerade
an der Angelegenheit, die uns hierher
geführt. Sie beäzgnen im Thier·ar
ten einer jungen — ame, deren Ge icht
zufällig einige Aehnlichkeit mit demje
nigen des auf Horror Island gesunde
nen und Ihnen einige Wochen später
in New York wieder geraubten Bildes
aufweist. Was thun? Sie verfolgen
dieses Mädchen so hartnäckig. wie Sie
zweifellos in Ihrem ganzen Leben
noch keinem Menschenkinde folgten,
nnd zwar bloß, weil Sie sich in den
Acpf gesetzt haben, der Zufall habe
Ihnen in der Unbekannten die Tochter
keg Originals jener Photographie, mit
einem Wort das Kind Eldots v. Fels,
zugeführt. Jch als Ihr väterlicher
eFreund halte es für meine Pflicht,
Ihnen ein Halt zuzurufen Sie dür
fen nicht Jhr ganzes Dasein an ein
zusälliges Erlebnis der Vergangenheit
hängen, das hieße in unter Gespenstern
leben. Suchen Sie ein Glück in der
Geaenwart."
Rheden ergriff in tiefer Bewegung
: die Hand des Freundes, seine breite,
männliche Brust, auf welche der ge
pflegte, dunkelblonde Vollbart herab
wallte, hob und fenlte sich unter tiefen
Athemziigen.
»Und wenn es nun gerade dieer
Glück wäre, dessen Spur ich versolqe?'«
flüsterte et. »Wenn nun dieses Mäd
chen schon nach einer flüchtigen Begegi
nung meinem Herzen theuer geworden
wäre und meine Bemühungen, ihre
Herkunst, ihren wahren Namen zu er
gründen, einem anderen, doch nicht we
niger reinen Motiv entsprängen, als
cllein der Erfüllung des Eides, den ich
in die kalte band des Todten Von
Honor-Island geschworen wird
nein väterlicher Freund auch dann
nrch den Eifer meiner Nachforschungen
unbegreiflich finden?«
Der alte herr zog plötzlich bang an
seine Brust. »Besten« Ches, Freund
—- herzensjunae,« stieß er mit einer
rsor Glückseligkeit behenden Stimme
hezdon »aus diese Mittheilunq warte
» ich sa schon Jahre hindurch wie das
« Kind aus den Weihnachtsabendl Du
f liebsi ——— Du liebst wirklich? Denn eine
) tiefe, ehrliche Neigung muß es sein,
» und ist es gewiß, sonst wär’ tein Wort
davon über Deine Lippen gelommen.
J Ja, dann werden die Kerzen wieder
strahlen im Hause Rheden und das
alte Glück wieder einziehen«
»Sie sind zu schnell,« unterbrach ihn
Hang lachend. »Noch vieles muß llar
; csestellt werden, bis es soweit kommen
kann, wie Sie annehmen, und dann - —
neiß ich denn, ob die Dame meine Ge
iiihle erwiderte Fast scheint es nicht der
Fall zu sein »s— sie wiirde sich nicht so
zurückhalten, würde Inir meine Bemü
hungen. sie wiederzusehen, nicht so ents
schieden vereiteln.«
»Das beweist am Ende nur, daß sie
ein braves- Miidchen ist, das nicht dein
ersten, besten erlaubt, in ihre Nähe zu
tommen.'«
»Und dann der Altersunterschiedz
vergessen Sie nicht« ich bin sechsund
dreißig Jahre und sie -- nun sie mag
achtzghnz zählen.«
as ist besser, als wenn es umge
lehrt wäre « lachte Oberliinder. »Daß
Sie lein junger Fant mehr sind, mag
ihr die beste Garantie siir ihr Lebens
gliiet sein.«
»Und wird sie Jhnen, mein
F. eund, auch stets geeignet erscheinen
Beronin Rheden zu werden? Beden
ken Sie, die Dame ist arm ganz
arm."
»Das tann sich die iunitiqe Baronin
siebet-en erlauben. Hans, machen Isre
mich nicht wild! Jcb weiß, daß Sie
das Geld in dieser Frage nicht metir
achten, als das Spinnenaewebe dort
oben an der Decke des Ziiiimers. Ja,
bilden Sie sich vielleicht ein« das; ich
teine Ideale mehr habe, dasz der Mit
lionenschaiber. mit dein ich mich mein
Leben lana fiir das haus Rinden ber
urnaeschlaaen, inir schon ganz und gar
die Sinne umnebelt dat? Obo, mein
Freuan Wenn inir heute ein hüb
sches braves Kind gefiele, und es be
siisze teinen Heller Geld — — ich - ich
--s Gott bewahre mich in Gnaden vor
der Dummheit, die ich noch begehen
konnte-. . . .«
,,Entschuldigen die Herren mein
langes Augbleiben," platzte Hälmchen
in das Zimmer hinein, »man meldete
mir bie Antunit einer wichtigen Pers
sönlichteit --- —---«
»Wir wollen Sie aber auch nicht
länger anshalten,« unterbrach ihn
Hans, «bieten Sie alles auf. das Fräu
lein u ermitteln und sehen Sie, was
Sie in bisereter Weise iiber sie ersah
ren können. Mein Name bleibt natür
lich aus dem Spiel·«
«Natiirlich,« vericherte "«hnchen.
»nattirlizii. Ich f eibe J nen ein
paar Zeilen· sobald ich Resultate habe
Wiinschen Sie meinen Besuch in Ihrer
Wesbnung't«
»Verzeiben Sie, aber ich denke, es ist
be er, wir treffen uns hier. — Mit
F rein Honorar sollen Sie zufrieden
hin — nur geschickt und diskut, auch
s Fräulein darf nichts davon nier
ten, will sie um alles in der Welt
nicht verlegenf
- »Versiche; verlassen Sie sich ganz
auf Gottfried häbnchen Sie erreichen
Ihren « weck, here Baron —- ich neb
me die ache in die Saat-A
han« sowohl wie sein alter Freund
tvaren schon halb zur Thiir hinaus und
beobachten nicht den, ennifchen Ge
sichtsausdruck, mit dem Hälmchen diese
letzte Aeusseruna dealeitete. Es hätte
ihnen tvvhl soan um die disrrete Aus
siihrung ihres delilaten Auftraqu at
banan Mit einem tut-ten Gru ver-s
abfchiedeten sie sich don dem Re Wun
diaen, der es sich nicht nehmen ließ,
ilknen das Geleit bis zur hausthiir zu
neben.
Hälmchen lehrte nicht in sein Zim
mer zurück. sondern deaab sich durch
den spärlich erleuchteten Hof nach dem
Concertsaal Hier wurde das-; Fahl-«
reich erschienene Publikum aerade durch —
den Gesangsrortraa eines robusten
Frauenzinuuers unterhalten. Sie und
die fünf Colleainnen, die sich mit ihr
auf dem fasmatetn rohaezimmerten
Podium hehr-den« wurden Von ihren
Verehrern und Freunden fortwährend
mit einem aeniiaeuden Vorrath trint
haren »Stoifes« versorat, den iie ihnen
unt die Bretter iandten. Auch der
Pianiss, dem die Aufaabe nistel, den
Gesain tu begleiten und in den Bau
sen die schwaseviem lärmenden ; lis
rel durch den Vortraa von lustigen
Tänzen und Quodlibets tu unterhal.
ten, erhielt feinen Theil von den Lie
besaaben Mit huldvoller Hecablass
Luna, als erweise er den Spendern
ruht- Entaeaennahme ihrer »fliifsige-r
Aufmerlfamleiten« eine Ehre, naynr
er die diverfen Gläser Bier. Wunsch
’ oder Wein entgegen oder schob die ihm
cfferirten Ciaarren mit leichtem Nova
nielen in seine Tasche unter dem faden
scheiniaen schwarzen Salonroet. den er
truq. Jm übrigen schien er sich un
das wiifte Treiben um ihn her wenig
zn tümmern, der herr .Professor«,
wie man ihn hier allaemein nannte-,
hielt sich offenbar fiir etwas Besseres
als seine llmgebuna, und wenn er mit
der abgezehrten Hand durch fein er
araules Lockenbaar strich, oder hinter
feinem Pincenez hervor beifalläduiftiqe
Bticle auf die Menge warf, so verrieits
jede seiner Mienen die Ueber.ieugurq:
»Ich hin ein Riinftler und aehiire nicht
in eure Mitte-, ihr Plebeier!«
Als Hälmchen durch die hohe Glas
thiir in den ecucherfiillten Saal trat,
sam ihm sein Freund Bruno Zecher-L
ein kleiner, dicker Mann mit lautem
Schädel und schielendem Blick, entge
cch
»Er ift da, Gottfried." raunte er
dem Rechtgtundiaen zu.
»Meis; schon. ——- Wo sitzt er?«
»Dort bei-» Professor am Klavier-.
Werdet khcc deute abmachen?«
»Da5 hoff-— ist-. von mir aus lann
es losaelicn.« .
»Bist du mi: heu: Lithoaraphen ei
nie geworden-«
»Jawotil, » wills für ein Butter-:
drob machet-, or nnd seine Frau sind
iren sort um Schnaps m laufen
Ich habe sie iibriaeng für heute Nacht
noch her-bestellt, weil ichibnen erst.
nachdem ich mit «en1 Hosrath gespto
eben, den sestcn Austrag aeben wallt-:
Wenn sie tommen, setze sie möglichst
r
(
entfernt von uns-, damit sie nicht hören, «
können, wag ich mit dem Herrn der
handle. Und aieb ihnen zu trinten."
,,Verstee,t sichs Ich werde ihnen den
Nordhäuser durch alle stnopslisscher
einaießen- Du weißt Dechrt laßt
sich nicht lumpen, wenn es sich um ein
Geschäft han deli. «
»Und das kann ein aazu nettes Ge
fchäftchen werden," bemerkte Hälmchen,
die tleinen Augen zutneisenv und die
wirtlich an eine Ratte erinnernden Oh
ren spitzend.
»Natürlich! Aber wir miissen nicht
nur den alten Attenararn iin Auge ba
den, mn den es dein hasrath zu thun
ist« sondern auch etwas anderes holen
— na, Du weißt doch ——— etwas, was
wr besser brauchen Iönnen.«
»Das Gelt-! Der Justirrarh Gal
lus hat beständia größere Summen
iin Hause, er ordnet viele Erbschasten
und zahlt manchen Nachlaß aus. Das
tomnit bei ihm täglich var.«
»Werden wir es fassen lönnen?"
»Wenn wie erit «innial in seinem
Privatzimrner sind —-— ohne Zweiei.
Aber das ist nicht so leicht, wie u
denten magst. Die hauptsache ist, daß
wir ——- still der Hpsratli bat Michg e
sehen ich muß zu ihm. Rufe site eine
tnappe Viertelstunde den Pianiftm
vom Instrument fort. damit er uns
etwa nicht belauscht.« «
»Der verriiette Aabellineilter?" lachte
Bechern »du tnnnst Du ruhig sein, der
denlt nur an seine Oper. an welcher ei
nun schon Drei Jahre lana schreibt und
comer t, der ist so unaesäbrlich wie
ein n«naet«orenes«.« Kinbx deshalb behalte
ich ihn nnch trotz seiner Tollheiten ini
Hciise.?lbet ich kann ihn ia beiseite riski
men« toenn Du es wünschest-« -·
»Nein, lasi nur. Ich überiege eben-,v s«
es ist vielleicht besser. wenn cr einen
tüchtigen Marsch pautt -— da kann
leiner der Natxsiyenpen aufsangerh
weis ber Hosrath und ich verbandeln."
Höhnchen verlies; seinen Freund
Dechert nnd schritt auf ben H
zu, der in seiner Vettleiduna sich lei
nestvegs von ben anderen Besuchern
des Conzectsaaleö unterschied, sein
Bier bebautichschlurstc seine Cigarte
tauchte und mit arosker Andacht dein
Butter-reines Gassenhauer-s zu lau
schen schien, dessen Restain, so ost er
wiederkehrte, von beni Publikum viel
stimmies mitgesungen wurde.
»Sie haben mich lang: warten las
sen,'« empsing Schaller n Rechtsinsti
bigen ein weni übellaunig. »Der
Ausenthalt in die er höhle ist sitt mich
nicht nur unangenehm, sondern auch
gesöbrlich.«
»Ich war in unserer Angele enhett
thötiti,« entschuldigte sich böslich-m
indem et sich neben dem hofeath nie
betlte , »und das hat länger gedauert,
als dachte-«
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