Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, December 02, 1898, Sonntags-Blatt., Image 14

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    Cyrano de Bergerac
—
Ronmu von Jules Lermina.
(1. Fortsetzung)
Jn diesem Augenblicke glaubte er in
oern Zimmer, das re eben verlassen, e:.-.
nen chrei des Entsetzen-B zu hören,
doch er achtete nicht darauf, ließ die
Dachtinne los und fiel, um sich heil
nnd unversehrt aus dem Pslaster des
ofeö zu sehen, wo er eifrig das Ohr
pitzte . . . Geschrei erhob sich- Schüjse
ertdnten in der Nacht, und als hätte er
sich von allen tapferm Leuten seiner
Provinz begleitet geglaubt, so rief er,
den Degen in der Faust, der Gefahr
rntgågenlausenw
;, orwätts, Gascogner, vorwärts!’
—-.-.
2.Kapitel.
Der Gascogner befand sich mitåcn
an Kampf, denn der Angriff hatte am
der Schwelle der Herberge stattgefun
den. Der Mond war aus den Wol
ken, die ihn den ganzen Abend verbot-«
gen hatten, hervorgetreten, und der
junge Mann konnte alle Phasen des
Kamper verfolgen. Er sah aus Der
Mitte des Weges einen Reisen-agen,
dessen Pferde aus der Erde lagen, und
um diesen Wa en Yrum sechs Che
oanxlegers, die en nsturm von fünf
zehn mit Musketen und Hellebarden
bewaffnetenMännern abzulenten such
ten, welche von einem Reiter von mäa :
tiger Gestalt angetrieben wurden. Die
Eer Mann war der Hauptmann Cam
our.
Doch der Kampf beschränkte san
nicht auf diesen einzigen Punkt. Etwa
hundert Schritt zurück vertheidigten
sich andere Chevauxleaers gegen eine
andere Gruppe von Männern, die Ie:
lange und ha·ere Chantepleure ton
mandirte, während sich dieselbe Ge
schichte hundert Schritte entfernt noch
einmal wiederholte. Hier wurden die
Angreifer von Quincamvoix geführt,
der wenig sprach, aber tüchtig zuschlug.
Der Gascogner hatte mit eine-n
Blick die Situation erfaßt und mu:v
melte:
«Oho, an der Arbeit fehlt es nich:;
wo aber ansangen?«
Sein Entschluß war schnell gefaßt,
und er ries: »
»Bei der Frau, bei dem Kinde!« s
Mit diesen Worten eilte er auf den l
Wagen zu, und in demselben Augen
blick stürzten zwei Soldaten des Kis- ’
nigj zu ode etrosfen zu Boden. Ein
wildes Gebrii be leitete ihren alt.
und der Anführer er Banditen s rie: «
«Feuer!«
Eine neue Sclde ertönte, und al
der Rauch sich verzogen hatte, besaß die
Karosse nur noch zwei Vertheidiger,
und nun konnte man im Rahmen be:
Thür eine Frau erblicken, welche aus
recht dastand. Ein Strahl des Mon
des. beleuchtete ihr Gesicht; sie wu:
bloaz zitterte am ganzen Leite, doch
n eine mächtigere Sorge als die
Furcht schien sie zu beherrschen, uno
aus ihrerbaltung hätte man entneh
men können, sie wolle sich zum Schutz
wall fiir einen ihrer Obhut anvertrau:
ten Schad machen.
«Machen wir ein Ende!« rief Cam
sour. »Mit das Dämchen!«
Plö lich wandte er sich um, denn
zwei chritt von ihm entfernt brüllte
der Gascogner:
«Schurle, ich werde Dir Lebensart
beibringen!«
Trotz seiner Unverschämtheit zeigte -
der Retter eine gewisse Unruhe und
tagte sich
«Dieser lecle Mensch muß eine tüch- :
tige Estorte hinter sich haben!«
Er sah sich mit besorgtem Blicke um
doch Niemand war zu sehen; der
Mann, der da vor ihm stand, war ganz
aLeirn Der Pandur zuckte mit den
Schultern und rief verächtlich
«Was will dieser Grünschnabel?« «
»Dein Leben, Schurie," versetzte der .
junge Mann und stürzte mit erhobe— «
nein Schwerte auf ihn zu. ;
»Ur-mer Kleiner,« lachte der Andere s
im Tone tiefen Mitleids, faßte aber :
trosdern den harten Griff seines Rav- (
via-»sein- Doch in demselben Aus- s
genblnt stie er einen ungeheuren Fluch
aus, sein ferd brach unter ihm zu
sammen, und derGaseogner ries, wäh- s
rend er sein blutiaes Schwert cus der ;
Brust des Thieres zog: .
»Jest steht das Spiel gleich; nun Fu
uns beiden, Bandit!«
Die Gefährten des Kapitäng Carre
four hatten wohl einen Theil dieses
Zwiegesprächs gehört, doch ohne secy
dnrum zu kümmern. Was vermochte
dieser einzelne Gegner gegen bete
fruchtbaren Fechten der ihnen als An
sichrer diente?
Carresour war rasch auf die Erde
gesprungen und knirschte, wahnsinniq
vor Zorn, auf den jungen Mann zu
stürzend:
«Frecher Bursche, mit Dir werde ich
schnell u Rande tommen!"
«Bersuche ei, dreifacher thrme
schrie der Gascogner, parirte den ieu
und machte einen geschickten Aus all.
Entrefour fuhr mit der hand nach der
Brust, und zwis n seinen Fingern
floh ein schmalerB utstreisen hindurch.
Ruh aber erklärte er sich nicht für bei
M nnd wieder einmal treuzte sich
breite Ringe mit dem seinen De
dei Gascogner-L Der Söldners
innern erkannte, daß er mit einem
Mrtthaner zu thun hatte nnd
. . me voren, zu spottet-.
TM g chickt wehrte der junge
Mann die wüthenden Schläge seines-;
Gegners ab, der immer bisiger wurde-, ;
da plötzlich senkte der Gascogner sein-: ;
Klinge, die vollständig in der Brust ;
des Hauptmann-Z Carresour ver- !
schwand. ;
Während dieser Zeit schlugen sichs
die beiden letzten Vertheidiger des T
Reisewagens gegen die SoldtnechteH
die Unglücklichen waren von ihren s
Wunden erschöpft, doch der Gascogner, l
der die Lage überschaute, rief:
»Hierher, Banditen!«' j
Carrefours Leute begrissen, wem s
dieser Ruf galt, und drehten sich uni. T
doch bestürzt sahen sie ihren Anführer ’
an der Erde lie en. Ihre Ueberrasch- I
ung wich s ne der Wuth, denn der .
Gascogner tiesz einen von ihnen mit
schnellem Stoße nieder, und nun s
wandten sich Säbel. Musteten und ;
Hellebarden wider ihn. Er schien e-: »
nicht zu bemerken, sondern rief, ali
stände er auf dein Fechtboden, währean
er einen zweiten niederstieg:
»Das wäre der weite!'«
Alle stürzten aus ihn zu. ;
«Der dritte!« rief er triurnphirend. I
Die Kugeln pfiffen um ihn herum
doch er blieb stehen und wich gewandt
wie ein Aal allen Stößen aus.
»Vicr!«
»Fünf!«
Die Banditen erschraken nnd riefen: ’
»Hu Hilfe«; doch Niemandem fiel es«
ein, ihren Worten zu folgen. ’
»Sechs!« jauchzte der Gascogn»
Nun wurden die Schurken von abn- ;
gläubischer Furcht ergriffen iind rie- .
fen, unter den Degenstößen des assi
thenden Gascogners zurückweichend: i
»Die Kugeln treffen ihn nicht; da- l
hinter steckt der Teufel. . . sein i
Schwert ist in der Hölle geichmiedet!«
Plötzlich sah sich der tapfere Jiiiiq
ling allein; die Feiglinge flohen, uns
der Gascogner lehrte nun zu dein Wis
gen zurück, wo die beiden Gliedern-;
legers noch immer tämpsten
»Muth," rief er ihnen zu; »Mutii,
Freunde! Noch ist nicht Alles verlo
ren.«
Jn diesem Augenblick deniertte er
zum zweiten Male die Frau iin Wa
aen, die ihm, leichenblaß und dein Um
sinten nahe, ein Zeichen gab. näher zu
treten. Er wollte gehorchen, doch ein
heftiges Pferdestampsen hinderte ihn
daran; Chantepleure tam wiithend auf
ihn zugesprengt Schnell hob der
junge Mann ein Pistol aus« das in den
Staub gefallen war, und spannte den
Hahn. Der Reiter hatte inzwischen
sein Pferd zurückgerisseii, blickte sich H
um und rief wüthends -
»Zum Teufel, was ist aus Diesen
Taugenichsen geworden Z« i
Der Gascogner trat vor, zeigte auf I
die Landstraße, auf der ein halbes z
Dutzend Leichnaine lagen, und sagte.
»Da find schon einige von ihnen!«' l
»Aber die Anderen?« rief Chanle- ·
pleure, ohne sich in seiner Ueberrasdi (
ung den Mann näher anzusehen. n:it l
dem er sprach. s
»Die Andern?. . . sind gefloheiik' s
»Geslohen? unmöglich!« ·
»Geflohen, wie die Kaninchen!«
»Aber oor wein?« ·
»Vo: mir!'« ·
Der Söldnerfiihrer richtete sich aui l
seinem Sattel aus; doch ohne ihiii Zeit
zu lassen, fuhr der junge Edelmaiin
fort:
,,Wa5 Dich anbetrisft, so lasse ich
Dir die Wahl; folge ihrem Beispiel,
oder es geht Dir wie dem dal«
Dabei deutete er mit der Degenspitze
auf den Leichnam des Hauptmaniig
Carrefour und schoß gleichzeitig sen
Pistol auf die Stirn von Chr-inte
pleures Pferd ab, das wie vom Blitz
getroffen niederstürzte. Der Reiter
sprang auf die Füße und wandte sitt-.
wilde Drohungen ausstoßend den-.
Gascogner zu. Dieser treuzte mir
größter Seelenruhe seine Klin e niii
der des furchtbaren Söldner ührers,
doch das Rappier fiel niit der Brutali- j
tät eine-i Hammers aus die feineStahL s
klinge, und dein jungen Manne blieb
nur das ft in der Hand. Er er
kannte, da er verloren war, obwohl
die beiden Chevauxlegers, so perman
det sie auch waren, zu seiner Hilfe her
beieilten. Zu spat! —·Schon hatten sich
M
die schreckliche Waffe uyamepleureö er !
hoben. . . Und nichts, um den-Streich i
abzmvendenf . . is-, war nas, ed blkei l
ihm nichts weiter til-tin als der Tot-!
· . . Doch nein! "vie Durch ein uner
klärlicheg Wunder fühlte der Mag
eogner, wie ihm ein Schwert in aie
Hand gesteckt wurde, und zwar der
Flamberq des Hauptmanng Corre
four. Er suchte nicht, sich das Wunder
zu erklären. . . Der Stahl glänzte
vor feinen Augen, und er parirle.
»Taufend Millionen.« begann
Chantepleuee, der ihn wehrlos ne
alaubt, doch der Fluch blieb ihm i«
Hal e stecken. Jn feinem Eifer war
der Zldnerhauptmann in das-Schwert
des Gascogners gerannt; . . · er fiel
auf die Knie, ein heiseres Rötbeln ent
MUK sich feiner Kehle; dann ftreelie ec
sich der Länge nach aus; et war todt.
»Das war eine schwere Arbeit,«
sagte dee Gascogner, tief ausathmend;
doch es blieb ihm keine Zeit, lange aus
zuteil-ein denn andere Banditen kamen
herbeigelaufen, und von der Eslorte
des Reifewagens war nichts mehr zu
sehen. Allei, was noch m den An
reifem am Leben war, umz· elte den
tlTiere Gascogner, und Mr sagte
s
s
)
-f»-- - , ,
»Diesrnal bin in wirklich verloren;
doch jedenfalls will ich meine Pflicht
bis zu Ende thun!«
Sein Nappier wirbelte wie eine
Wink-mühte umher, und Wuih- und
Schmerzgeheul wurden vernehmbar.
Da plötzlich ließ sich ein neuer Galopp
hören; der Major Quincampoir kam
herangefprengi. ist ji«-ef; einen heisc
ren Schrei der Ueberraschung aus. . .
Was! das war Alleg, was von feinen
kühnen Söldnetn noch übrig geblieben
war; kaum zehn Mann? Und was
war aus Chaniepleure, was war ans
Carrefour geworden? ·
Doch Quincampoix, der ein Mann
der That war, verschob diese Erklä
rung bis später, zuerst mußte er sich
seiner Gegner entledigen. Es waren
nur noch drei am Leben, und rnii die
sen würde man schnell fertig werden«
Wüthend denieie er aus die Chevaurs
legers, die schwerfällig dem jungen
Mann zn Hilfe eilten, und brüllte wü.
thend:
»Schictt doch die Kerls zur Höllei"
Dann zeigte er auf den Gascogner
und ries:
»Den Andern übernehme ich.«
Die Vanditen ließen sich das nicht
zweimal sagen und stürzten aus die
beiden Soldaten zu.
Der junge Edelmann fühlte, wie ihn
eine gewisse Müdigkeit iiberfiel, und
sein Arm begann schwach zu werdet-.
An der Schulter empfand er einen boh
renden Schmerz, und ein breiter Blut
streifen zeichnete sich an seinem
Wammse ah. Im Feuer des Kampfe-:
hatte er weder die Kugel, die ihn ge
troffen, noch den Degenstich. den er cr
halten, gefühlt; doch jetzt litt er unter
beiden Wunden
Indessen tarn Quincampoir mit »r
hobenem Degen auf ihn zttgesprenat,
der Gascogner versuchte einen letzten
Ausfall, doch mit heftigem Schlag:
warf ihm der Söldnerfiihrer den De
gen aug der Hand. Sein Rappier war
nur noch wenige Zoll von der Brust org
Edelmannes entfernt, da ereignete sich
ein neues Wunder. Unter das Pferd
des Söldnersiihrers war ein Mann ge
krochen, und der Gascogner sah, wie
sich das Thier auf seinen Hinterfüssen
aufrichtete und dabei ein langes
Schrnerzgeheul ausstieß. Aus seinem
Bauche floß ein Blutftrotn. . . in der ;
Wunde glänzte das Heft eines Do? "
ches; dann stürzte das Thier wie ein:
schwerfällige Masse zu Boden. Wie
der einmal war der tapfere junge
Mcfrnn gerettet. Er stürzte vor und
rre :
»Du hast mich nicht getroffen, ich
aber werde Dich sicher treffen!«
tlnd Quineampoir stürzte neben
dem Pferde mit durchbohrter Kehle
nieder.
Der Gascogner triatnphsrte, usw
Wunden und Ermüdung vergessend,"
fühlte er sich in der Stimmung, einer »
ganzen Armee Stand zu halten. Da
bei aber hatte er nur noch einigeSol:
tnechte vor sich, die sich eben anschick
ten. zwei Leichen auszurauben.
»Feige Schutten,« rief er ihnen zu,
und das Rappier des Hauptmann
Carresour nahm feine Thatigteit wie
der auf. Bald lagen wieder vier
Mann zu den Füßen des tapferen
Jünglings, und die Uebrigen hielten
es siir gerathen, die Flucht zu ergrei
en.
Der Gascogner war Herr des
Schlachtfeldes geblieben; erftaunt dlict
te er sich unr, doch soweit sein Auge
reichte, rührte sich nichts. Die Land
straße war leer. und der Mond beschien
nur Leichname.
»Ich glaube wahrhaftig,« fuhr de:
Gascogner mit halblauter Stimme
fort. Jetzt tann ich ruhig feint«
Doch feine eigene Sicherheit geniigte
ihm nicht.
»Und die « ran und dae Kind-P
fragte er sich, dem Reise-vagen zuschre«
tend. Eine tiefe Angst erfaßte ihre,
eben hatte er hier noch deutlich eine
weiße Gestalt wahrgenommen, . . . .
sie war verschwunden; der Rahmen der
Thüre war leer.
»Teusel, sollte ich soviel gearbeitet
haben, stm nur meine eigene Haut ge
reitet zu haben?«
Und der tadfere itsnae Mann schau
derte bei dem Gedanken. Leute aus ter
Bande hätten die, die er retten wollte,
entfiihren können. Er stürzte nach der
Ihiir der Karosse, öffnete sie init lies
tiger Bewegung und blickte hinein.
Piiktzlich wich er zurück: ein ontsetz
liebe-S Schauspiel bot sich seinen Augen
Der Leichnams einer Frau. die das Co
stüm einer Frau aus der Tour-wire
trug, lag aus den Kissen. Der Geiz
coqner begriff: Die Aermne war die
Amme des Kinder-, dem der Raub-Just
galt Von Neuem beuale er iisb is-. den
Weine-L und isun sab er eine nnd-»
Frau aus den Kissen lieqexk lsir
Strahl des Mondes beleuchten ihrs-je
iichi, und er erkannte sie. is-. irr-r
dieselbe, die in dem Waan gestanden
und mit önastlichern Blick zie einzelnen
Phasen des Kampfes beobachtet bauen
Mit ilxsren ausnesireckien Llrinen schien
sie selbst noch im Tode einen Zänqling
sei-Wen zu wollen, der neben ibr aus
Dem Kissen 1aa.
Der Gascogner beuate das-z Knie ror
der Unbeiannlen. trat in die Karosse,
leqle das Ohr an die Stelle des Hee
ren-Z der Unbeiannien und rief:
»Sie lebi!«
Dann neigte er sich iiber das Kind.
»Es schläft«
Wieder trat der jun-re Mann auf die
Landstraße zurück Und blieb einen Au
genblick In tiefes Sinnen verloren-.
Was sollte er mit der Frau und dem
Kinde anfangen-;
Plöhlich ertönte eine frische Stirn-ne
neben ihm, und derFremde wandte sich
um, um sich der hübschen Wirihin ge
geniäbee zu sehen. »
sMhthqstiqP rief sie- »Sie sind
ein tapferer junger Manni« -
Dann deutete sie mit dem Finger
cui ein Fenster ihres Hauses und fiigte
inan
» on dort oben habe ich Alles gese
hen . . . !.ein, dieser Muth . . . Sie
sind ein wahrer Sohn der Gascogne!«
Der jnnae Mann betrachtete sie läs
ckelnd und sagte·
»Landsmännin, Sie sind also mit
mit ;usrieden?«
,,Zuscieden? oh, das ist nicht genagt
sagen Sie . . . entzückt, begeistert!«..
»Dann verdiene ich also eine Beloh
nnna?«
»Gewiß, tausend siir eine.«
»Ich nehme Sie beim Wort!«
»Was wollen Sie damit sagen?"
»Landsmännin, ich beanspruche tau
send Küsse.«
»Oh, das ist zu viel aus einmal«.
versetzte Colette heiter. dann fügte sie
lachend hinzu: »Ist-cis ich biete Ihnen ei
iiin Vorschuß.««
Die Lippen des iiinaen Mannes he
riihrten die hübsche, weiche Wanae der
junaen Gaitivirthin, als plötzlich Fiii
leiser Schrei Beide veranlaßte, lich
umzudrehen.
»Haben Sie iiehijrt3« iraate italette
»Ja!«
»Was ist d.-:?«
»Das Kind!«
»Was sür ein Kind?
Doch schon hatte sie ibr Gefälirte
verlassen, uni aleich darauf mit de m
Kinde im Arme zurückiulehren
»,Ach der arme Kleine« sagte Co
leite aeriihtt, bemächtigte sich des klei
nen Wesens und sina an, ihn iii ihren
Armen hin und her,iuivieaen.
»Meine schöne WirthinC versetzte
der Gascogner, »Sie find eine verfiiin
diae Frau "
»Das will ich ineinen!'«
»Und Sie haben ein auuz Herz .
»Ob« M«
»Nun denn, ich bedarf Ihre-I Elia
thesi«
»Si!rechen Sie, und ivenii ich e ver
maa
»Als-) das Kind war. wie Zie ich
wohl derilen können, nicht allein in
diesem Waaeiix es waren zwei Frauen
bei ihm«
’ »Was ist aus ihnen aeivorderi5«
»Die eine ist todt!«
»Die Schurlen haben sie retödtetk«
»Ja·«
»Und die andere?"
»Der andern . . . jedenfalls derMuL
ter .aeht es nicht viel besser-P
celrme Frau! Wir müssen uns
sc-. nell mit ihr beschäftiaen!«
»Geioiß, aber gerade ih etroeaen be
darf ich Jbres Ratbes.«
.Svrechen Sie!«
Der Edelnianii sah sich cis:i.1 i::.1,
Alles blieb ruhig. Trotzdem beugte er
sich zu Colette, uni ihr mit halblaiiier
Stimme zuzurauneiu
»Ein solches Auiaeboi von Abenteu
rrn ist nicht nur eine Feiaheitx es iterlt
ixiiiix ein Geheimnis-, dahinter .. "
»:-iioeilelios . . aber was vermuthen
Sie?'«
»Nichts, ich versuche nicht einmal,
die Sache zu ergründen. Dich saais mir
i nur« daß es nicht genug ist, die Leute
i niit seinem Ravpiei zu retten; man
mus: sie auch qegeii loirimende Weis-h
reii Mühen-«
, T ies gerührt reichte ihm die junge
I Frau die band und rief:
. Das ist recht; tadier und rojiinii
thia bis zum Ende!«
»Es handelt sich alio darum, dieses
Kind und seine Mutter einen-. neuen
Uebersalle zu entziehen«
»Jet- verstehe; ihre Feind-: sollen
nfieåit wissen. was aus ihnen geworden«
i i-«
»Ganz rechtl«
»Dann übernehme ich Alle-sk«
»Ich danke Ihnen; ich soufni, ich
würde in Ihnen eine aute und niitzisehe
Virbündete iinden."
Die hübsche Wirthin lann rineii Au
genblick nach, dann erhob sie xiiit erst
seblotsener Miene Das Haupt und er
klärte
,.Wir dürfen ieineii Dritte-i is-. dir-.
Eelzeimnisz ziehen!«
»Das ist auch meine Ansichtk
»Dann nehmen Sie diele Unglück
liil7e. aus den Arm, und folgen Sie
iiiir «
Der junge Mann arboritte eisriaz
lsoax im Augenblick. da er den leblosen
Körper der Unbeiarinten aufhob,
konnte er einen leichten Schmerzens
lehiei nicht unterdrücken
»Was ist JhnenV sraaie Madame
cadois ängstlich
»Nichts, nicht-sk«
Doch sie bestand aus ihrer Trunk
.,Cine oder noei Schwimmen Lic
:.iick in Folge der Aristren.1·.1n.«7, die
ich nemocht· ein wenig sch:rur·;eu.«
»Sie sind vertvundet?«
»Nein, es ist nichts. saqe ich Juno-I«
Dann unterdrückte er szixicn
Schmerz und belud sich rnit seiner Last.
,.Hierher·', tief Colette. »Mensch
wird uns sehen.«
»Aber Dir-r Gatte s«
»O den fürchte ich nicht . . . bis deute
lsetlaaie ich ihn als einen DusnmlodL
doch ient verachte nnd nasse ich itIn; er
iis ein Feiqlina.«
Nach diesen Worten wandte sie sich
dein hause zu, doch im Augenblick, da
er eintreten wollte, drehte sich tln Gr
säbrte um, denn er hatte aanzi deutlich
ein Stöhnen vernommen
«Ein Verwundeterk · . . ein Soldat
der Eslorte oder Bandit . . . gieichoiel
. . . ich werde sogleich wieder zuriickteh
ren.'«
Die Wirthin hatte ihn durch eine
kleine Thiir eintreten lassen und führte
ihn in ein bescheiden ausgestattetes
nimmer, das sein Licht von außen nur
durch ein kleines Gassenster erhielt.
»Hier wird man eine Dame von
vernehmem Range nicht suchen«, so te
Geleite, n .ste in aller Eile efne
Kerze engen ndet.
Mit einem Seufzer wirklicher Er
leichterung legte i r Gesälnte die Un
bekannte aus das ett neben dos Mut-,
Jud die Wirtbin begann sie zu entklei
en.
»Ich ziehe mich zurück«. satte der
junge Mann. »ich will nur leben, ob
iebckrecht gehört, und lonnne dann zu
ru ·«
Während er die Treppe hinunters
stieg, betastete er sich die linte Seite
und die rechte Schulter und umr
Inelte:
»Diese verdammten Schatten haben
mich aetrosfen; das reißt und zerrt;
man verliert ein bischen Blut, doch die
Sache ist nicht ernsthaft . . . . von sol
chen Wunden wird man schnell geheilt«
Als er sich wieder auf der Land
straße befand, nörte er neues Stöhnen,
dasselbe lam von der Stelle. Do er den
letzten Anqriss nusaelmltm
»Sollte er ez sein:m fragte er lich,
an den Söldncrfiilirer beeilen-T
Doch es war nicht Qniiicai:moir,
denn diese-r lag wenige Schritte weiter
mit blutender liebte ani dem Rücken.
Plötzlich blieb der jnnqe Mann stehen«
sein Fuß kalte an den Leichnam dek
Pferdeö gestoßen, nnd der Itlagen ließ
sic; von Neuem hören Er bückt: sich;
bald oon dem Gewicht des Vieroes ers
drückt, lag ein Mann dort.
»Jvlitset!« »
»Ja, Herr Savinien'«. riichelns der
ringliirilichr.
»Wie, Du tist hier.P ich hatte Dich
doch dort oben aelassen. do In wie ein
Murmelthier schlieiest.«
»Ach, Herr-, ich werde Ihnen Lille
sagen . . . aber befreien Sie mich ron
hier . . . . ich ersticke.«
»Er nat wahrhaftig Recht; es ist
- ietzt leine Reit, sich in unterhalten«
Mit diesenWorten sammelte er seine
ganze Kraft, hob den Vordertheil des
Pferdeg in die Höhe. nnd es aelang
itnn nach nnd nach, den armen Jotioet
zu befreien.
»So, dar- wire gern-mitk« rirs er
endlich.
»Ach, endlich tonnne irrt wir-Tier «·,n
Attiem'«, rief der Andere, richtete iirli
ans und betastete sich am kranken Aör
ver. »Gebrochen ist nichts5!" rief er
dann mit fröhlicher Stimme.
»Dann ist ia Aler gut, nxrc Tit
wirst mir sagen..·«
»Wie Sie mich iintkr einem Pferde
wiedersinden, nachdem LZie mich auf
einem Bett vexiasscrr tat-ens«
.,·«s’sa. ertlärs mir. aber beeilt Dich.«
»Juki . . als Sie nn- dein Fenster
gesprungen sind, isetcrn ich so große
» Furcht, daß ich anch :ef«-.rrnnk«,rn t«-in.«
« »Nicht inöalich!«
»Dort- wie groit soc-r neein Schritt
als ich sat-« wie Sie tirti mit einem Rie
sen berurnschlnqen."
»Der Spitzt-Oe erinnerte in der
That ar. Antäus, Den Sonn der ist«-X
»Ich weiß nicht, wessen Sohn er
war. aber ich weis-, daß er Jiir
Schwert zerbrochen hatte. nnd glaubte
vor Schreck obnrniichtia werden »in
rniissen . . .«
»Und dann?'«
»Ja. ich weiß nicht recht, wie es gr
lchch ich lag auf allen Vieren . . . und
da ich gerade ein Schwert unter mei
nen Fingern sand . . .··
»So bist Tn e-.— mir in dir dar-d ae
steckt!«
»Ich hätte zn arosze Furcht ges-abt
rnich seiner selbst zu bedienen . . . Das
ungeheure Pferd mußte Sie erdrückt-»
»du schwamm es mir förmlich vor
den Augen« nnd uns einem lo entsen
ltchen Schauspiel nicht beizsewolynem
iroch ich ans allen Vieren unter das
Pferd . . ."
»Und schlitztest iixm den Bauch auf."
—». ——-..-—--- «- ... -—.-- ..
til-« .. . aber war- tirun Sie denn, Herr
Savinien?«
Was das Erstaunen Jolivets her
vorrief, war eine Hund« die sich ihm
entgegenstreckte
»Na, vorwärts, solltest Du Dich
etwa weigern . . .?«
»Was! mir Feiglina reichen Sie die
Haut-?n
»Gieb sie mir nur immerhin, ich
werde Dich schon bilden . . . übrigens
seufzt Du wohl hunaer und Durst ha
n-«
»Ach ja, ich schäme mich aber . . .«
»Folge mir· ich habe noch viel zu
thun und schon allzuviel Zeit verlo
ren.«
Damit versetzt: er Jolioet einen
freundlchastlichen Schlag auf die
Schulter nnd ließ ibn in die Herd-nat
tre en.
i
ls
i
i
(
»Ja, wenn man teine andere Wahl ’
i »Frau Wirt-eins iaate ee zu oer
i Zkiibsctken Cotcttc, die eben ausz dem
I treten Stockwerk tat-i, »in-isten Sie
, diesem Burschen etwas m essen ge
;« ven.'«
»Soqteich: Sie wissen, das Haus
iteth Ihnen mit Allein, was es crethL1.t,
« w Diensten«
»Seht verdun?-en«. versetzt-e der
Gascogner galant. »doch sagenSie rnir
jcgt, wie ftedit eo mit der Frau unk
dern Linde?«
»Ich wollte Sie eben boten . . . . die
junge Frau . .
»Ist sie schwer verwundet?«
»Ich weiß nicht, doch sie ist wieder
Fu sich entom-mit und will mit ihrem
Retter irre-Dein Kommen Sie, tonis
insn Sie sitz-um«
Damit zog itsn die Witihin fort,
während sie »Wir-e« die Worte zuriest
»Da. in verr. Schranke rechts, be
dienen Sie sind telbit2"
Stint Minuten später hatte der wür
oioe Diener die hälfte einer Pute ver
zehrt, die er mit zwei Fittichen alten
Weines beans. Dann leate er die
Arme qui den Tisch und besann
furchtbar zu schnarchen.
s. Kapitel
Der»tapfere Gase-einer und die lie
benswürdige Wirtbin waren von
,
Neuem in das Zimmer dek Unbelann
ten getreten, das wch im Oalbduntel
dalag. Draußen benann de: Tag zu
grauen, doch hier war noch wenig von
ihm zu spüren, und eine kleine aus ei
net Konfole stehende Lampe verbeut-Je
nur ein fchwaches Licht. Trotzdem
I konnte man auf dem Bett Sen ansge
streckten Körper ders Vetwundeten un
ters.:«eiden; sie hielt das Gesicht der
Wand zugewendet und machte txine
Bewegung; selbst das Getäusch- das
das Oeffnen der Tbüt hervorbrachte,
) entriß sie nicht ibtet Betäubung. Ne
) tsen ihr lag das Kind in tiefen-.
s Echlumtner.
« »Sie euht", inukmelte der Gass«
i Uck
»Was sie nicht wieder ohiiiniichti,i
ist«, bemerkte Madame Gadois.
»Wir werden sehen!«
Damit beugte sich der junge Mann
iiber das Bett und tidpte leise aus den
Arm der Kranken. Sie erzitterte.
»Madanie", sragte er nun. »Die jur
len Sie sich?«
Jn diesem Augenblick brach ein het
ler Lichtschein in das Zimmer. Colettc
hatte nämlich die Kerze angezündet.
Iznr die Unbekannte machte diesmal
eine Bewegung der Ueberraschung Auf
der Wand zeichnete sich nämlich eine
seltsame Silhouette ah. das Prasil tre
tijagcoanerg, du«-«- sich durch einen Nas
senrorsprung von so ungeheucm Breite
auszeichnete, dasr man eher an ein
-Vorgebirge als eine einsache Naie
glauben tonnte. So lebhaft es ihre
i Schwäche gestattete, wandte sich die
Kranke dem Manne zu. der mit ihr
ir"»rach, und rief:
»Wie. Sie sind es, Herr Chrano«·"'
»Herr Encano de Beraerae?'· fragte
nun auch die Entbin
Der junge Mann war im Augenblick
l VerdutHL dann versetzte er,»sich vor der
- cinen oerbengendx »Ja, asiadigeFrau!'«
und siigte daraus lächelnd hinzu: »Ja,
schöne Wirthin!« .
Tie Kranke reichte ihm die Dass-I
und sagte mit erregter Stimme:
»Ich schulde Ihnen esviae Dankbar
teitx ohne Sie, ohne Ihren beiden
muu waren wir verloren. das Kinn
und ich .
»Ich lkabe nur meine Pslicht getijazh
und jeder Edelmann. der sich an mei
net Stelle befunden hätte . . .«
»Sein Sie nicht bescheiden. sich
Habe Alles gesehen. und Alles bew:u:
dert . . . . bis zu dem Augenblicke, di
ich von einer Musteteniuael getroffen
nsurde . . . doch reden wir nicht von
inir.«
Dann suhr fie. nachdem sie einen
Bliet aui das Kind geworfen, fort:
»Beschiistigen wir uns nur mit die
sem armen Kleinen . . . . er verdankt
Ihnen bereits das Leben, doch ich wage
es, Sie zu bitten, auch noch fernerhin
fein Retter zu sein."
«Sorechen Sie«, ries der Gascogner,
,Jhnen und Ihrem Sohne weihe ich
mich mit Leib und Seele.«
»Es ist nicht mein Sohn«. erwiderte
die junge Frau.
, tiine Pause trat ein. dann suhr die
stierwundete mit stärkerer Stimme
ort:
»Mein Herr, die Umstände fordern.
daß ich Ihnen ein Geheimnis ander
traue, doch zuwr sollen Sie wissen,
wie ich Sie erkannt habe.«
»Oh, das ist leicht zu errathen«,
sagte Chrano und subr mit der band
nach dem hervorragenden Theile seines
Gesicht-: «daran!«
Die junge Frau zeigte ern seine-.
Lächeln und versetzte:
»Diese Ertliirung ist nicht geni
grndx um Sie zu ertennen. musjten
Sie mir wenigstens bekannt sein."
»Das ist wahrt«
»Nun denn. so erfahren Sie, das:
ich zu meinen besten Freunden einen
Edelmann der Gascoane zähle, dem
auch Sie mit großer Freundschaft er
geben sind, dem Baron Jean de Mani
oan.«
Chrano durchsuhr es wie ein Blitz,
und er rief ;
»Frau von Andianu!"
Eine leichte Röthe überflog dieWani
gen der jungen Frau. und sie erwi
derte: »Ja. mein herr. ich bin die
Gräsin von Aiidignn.«
» Der junge Mann hatte seinen
i Freund Ist von der Griiiin sprechen
) hören, und stets hatte Jean de Mani—
ban·mit strömender Begeisterung ihre
Schönheit geseiertx doch so jung und
so hubsch hatte sich Cvrano die Frau
des alten Generals, der augenblicklich
in Flandern tämpste. nicht dargestellt
»Wenn Jean von Maniban Ihr
Freund ist, so habe ich eine Bu en
k freundim die Sie nicht koeniger gut
l lennen, die reizende Diane de Luce."
; Jegt war Cyrano an der Reihe, eine
: gewisse Verlegenheil zu bekunden.
’ »Gnädiae Frau«, sieiierke er, »ich
bin überglücklich, etwas fünf-Sie thun
» zu können, doch die Zeit drängt, was
lann. was muß ich iiir Sie shun P«
Während der ganzen Dauer dieses
stieqesprächs halte Madame Gewis
sich bescheiden zurückgehalten doch rein
ein-ji es Wort war ihr rniaunqen
«l ein Verr«. saale nun die Gräfin,
»ich dars kein Geheimnis vor Ihnen
haben. doch . . .«
Ihr Blick richtete sich aus Eulen-,
und er druckte klar genua aus, daß ie«
rnand zuviel in dem Zimmer war. En
rano verstand.
«Gniidiqe Frau«, erklärte er, «dieie
Person iit siir uns eine sichere und -.r:
gebene Verbiindeir. Sie können essen
Luftühter Gegenwart sprechen, ich vükqe
a r."
»«Wenn es sc- stel,i, so hören Sie mich
Mit hiije dek anwikthiu sich-et
såch die Greisin aus den Kissen aus und
nann:
MI
Gprisehung sokgi.)