Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, October 28, 1898, Sonntags-Blatt., Image 15

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    »..——--«—
Ein weltgeschichtliches Drama
Von Johannes schen-.
Gotssetzungd
Dei-weil war der Reichstagssaal der
Schaut-la tumultarischet Trennt
Der Prii ident, der Tscheche Strobach,
fühlte den Prasidentenstuhl unter sich
glühen, daß es nicht zum aushalten
war. Er stand aus, wand sich wäh
rend des anarchi chen Hin- und Her
redens, welches ich an das Erscheinen
der bewaffneten Arbeiter knüpfte, noch
eine Weile Divischen dem Bureau und
der Thüre herum und verfloß dann
auf -—— Nimmerwiederlehr. An seiner
Stelle übernahm Smolta den Vorsitz.
Der Reichstag erklärte sich permanent.
Spät in der Nacht gelangte eine
Abordnung des Reichstags nach
Schönsbrunn und sie wurde fo huldvoll
empfangen, daß man glauben muß,
der ute Ferdinand sei zur Stunde, als
die - eputation ihm aufwartete, noch
nicht von der Ermordung Latours un
terrichtet gewesen.
Nachher wurde er wohl erst davon in
Kenntniß gese t, denn er«erlies3 ein ge
harnischtes chreiben hartnäiligen
Widerspruches an den Reichstag.
Nachdem dieses Aktenstück verfertigt
trat, machte sich der Hof reisefertig und
verließ zur siebenten Morgenftunde
unter dem Geleit einer Brigade von
Kerntruvpen Zchöndrunn. Auch diese
Ftveite Flucht schien wiederum nach
« irol aelien zu wollen: allein in
Wahrheit fand sie am H. ihr Ziel in
der miihrischen Stadt und Festung Ol
miitz. Man muszte den Staren ein
Pfand allerhöchsten Vertrauens gebett;
sie hatten sich schxn so sehr um das
Haus Lothringen - Habsburg verdient
gemacht! Inmitten einer slavischen Be
völlerung das kaiserliche Hoflager
aufschlagen, hieß den Hiiuntlingen der
Slaven sagen: Ihr sollt künftig in
Oesterreich die erste Geige spielen.
US gen Wien, doch bevor Windisch
Fürst Windsschgtiitz.
Der Bluthund beginnt feine Arbeit.
Der Färst von Windischarätz, war
vor der Abreise des Hofes noch mit dem z
Austrage betraut, die Wiencr Revolu- «
tion niederzmverfem Das war u. A.
auch dem Reichstag in dem laiserlichen
Schreiben mitaetheilt worden.
Am 8. Ostober erschienen die beiden
Tschechenhäuptlinge Rieger und Haw
lirzek, fliichkig aus Wien angelangt, -
auf dem Hmdschin bei Windifchgrätz i
und brachten demselben die erste ve
siimintere Kunde von dein zwei Tage
zuvor in der Donanstadt geschehenen.
Windischarätz machte die meisten in
Böhmen stehenden Truppen marschier
grätz seinen in Marsch gesetzten Trup
pen zur Donau folgte, begab er sich
nach Olmiitz, wo man ihn feiertichst
zum Feldmarschall ernannte.
steifelsolzne hat während der An
wesenheit des neugebaclenen Feldmcm
fchalls am taiserlichen Hoflager derGe
danie, den guten Ferdinand in den
Stand zu setzen, ungestört von Unter
schreibungs- und anderen Regierungs
miihen der Blumenzucht sich widmen zu
lönnen, bestimmtere Gestalt gewonnen.
Es gab Leute am Hofe, welche dem-kai
ser sein märzliches »Ich lass’ nit schie
ßen!« nie verziehen hatten.
Am 19. October nämlich erschien ei
ne Tags zuvor von Sr. Majestöt un
terschriebene Proelatnation, worin der
Kaiser »mit seinem fürstlichen Worte
den Völkern Oesterreichs alle denselben
aeivährten Rechte und Freiheitem ver
biirgte, sowie die vor der Oetobertevo
lution vom Reichstage gefaßten Be
schlüsse bestätigte und schließlich seinen
»sesten Willen« ertliirte, daß das an
gesangene Versassungswert vom con
stituirenden Reichstage fortgesetzt und
vollendet werde.
Tettveil man aber den quien »nur
and dermaßen in der constitulionellen
Fisiel zu den Völkern Oesterreichs spre
chen ließ, schickte sicii der neue Feldmars
scholl an, mit Zinnonemnäulern zu den
Wienern zu reden.
Freilich waren noch zwei andere Ve
biirden da, welche nzit und neben dein
Minister Krauß Und neben dem Blick-ass
tage reaierten, was das Zeua hielt: der
arn 7. October cingeseszte Gemeinderath
und der Studentenaugschuß.
Die Weltgeschichie hat wohl schwer
lich noch ein solches Beispiel heteroan
ster Verwaltung einer Stadt auszuwei
sen.
In Wien selbst befand sich ein kai
serlicher Minister — vor den Mauern
Wiens ein kaiserliche-.- FeldmarschalL
bereit, die Stadt zu bombardärem Aber
das Voll benahm sich bewundern-s
werih. Obgleich dasselbe Herr der gan
zen Stadt war, blieben oie Schätze der
Bank, welche ein einziaer Mann be
wachte, vollkommen sicher und an dem
out-nicht bewachten Palaste des Win
" diichfräawähkenv dieses Wien vom-.
bord rte, wurde nicht einezzensterscheibc
zerbrochen, nicht ein Mingslgriss abge
risseni Fürwahr, ein großer Führer
hätte mit dieser Bevölkerung Großes
rollsiihren können. Jammer-schade um
die vielen herrlichen Kräfte, die hier
nutzlcs zu Grunde gingen.
Gar nichts löbliches ist dagegen von
de: ländlichen Bevölkerung in der Um
gegend von Wien zu sagten. DieBaueru
ließen ihren rohen Egoismuiz in seiner
ganzen Rupkigleit sehen. Alle Vernu
bungen Kudlichs unr- anderer, die
Bauerschcst zu bewegen, sich zu einem
.,Landsturni« zusammenzuthuu und
dem bedrängten Wien Hilf-: zu leistet-,
scheiterten kläglich. CL- toar ganz eitel,
den Bauern auseinandesxzusetzen, wie
unberechenbar wichtig es sei, Messe-unt
szadt nicht der Säbelbrutalitäit verfal
len zu lassen. »Was geht das uns ein«-«
sagten sie; »wir haben teine Kliobot
mebr und das and-te ist uns gleich«'.
Jm deutschen Planperparlament
wurde am 12. October durch den Oe-. -
sterreicher Berger der Dringlichteitsam
tag eingebracht, »die Versammlung
möge anerkennen und erklären, daß der
consiiiuirende Reichstag und die hel
denmiithige BevölkerungWiens sich um
das Vaterland woblverdient gemacht«
fiel aber natürlich durch. Daraufhin
beschlossen die beiden Frartionen der
Linken, ihrerseits eineSympathiebezeu
aungsdeputation nach Wien zu entsen
den, und bestellten dieselbe aus den
Herren Blum, Fröbel und Hartmann·
Ob Robert Blum aus Hoffnung, ob
aus Verzweiflung nach Wien gegan
(.en? Man weis; es nicht. Wahrschein
lich ging er im Oktober nach Wien, um
den ungeheuren Fehler zu sühnen, wel
chen er imSeptember in Frankfurt be
cangen hatte, als er statt die revolu
tionären Kräfte zu cntfesseln, dieselben
vielmehr lahmlegen hals. Aber die
Reue larn zu spät. Die wiener Okto
berreoolution war schon allzusehr ver
fahren, um noch ins richtige Geleise gr
lenlt werden zu können. Und war
isberhaupt Blum der Mann dazu, so
eine Lenlung zu unternehmen und
durchzuführen? Nein. Er ging an der
Halblieit der ganzen Bewegung von
1848 zu Grunde.
Tag arme Wien.
Viele Köpfe an der Spitze und alle
hth
Die oberste Leitung der Wertheim
aung Wiens war beim Obertommando
der Bürgerwehr. Verschiedene Inha
ber dieser-Stellen -—— Stressleur. Scher
zer, Braun, Spitzhitl —-— waren seit
dem 6. October dampsgeschwind ausge
taucht und noch dampsgeschwinder wie
der untergetaucht. Angesichts nun der
herandrohenden Entscheidung schlugen
die demolratischen Vereine zum Ober
trmmandanten vor den gewesenen tai
serlichen Oberlieutnant und jetzigen Li
teraten Wenzel Messenhauser und am
12. October ernannte das kaiserliche
Ministerium des Innern im Einver
ständniß mit dem reichstäglichen Si
cherheitsausschuß den Vorgeschlagenen
wirklich zum provisorischen Besehtiger
der wiener Nationalgarde.
Die Wahl war so eine himmel
scbreiend versehlte, daß sich eigentlich
alle Pslastersteine von Wien hätten da
gegen empören sollen. Der arme Mes
senhauser ist die gutmiithigste, ehr
lichste, uneigennützigste, blondeste Oe
sterreicherseele von der Welt gewesen;
aber einen schlechterm Ober-komman
danten Wiens unter den obschwebenden
Umständen zu finden war schlechter
dmas unmöglich.
Windischgrätz tras am 19. October
von Olmiitz her in Lundenbutg ein,
wo er zunächst sein Hauptquartier aus
schlug, um von dort am folgenden Tag
eine Protlamation »An die Bewohner
Wiens« zu richten, worin er bekannt
gab, dasz er «mit allen Vollmachten
ausgerüstet sei, um dem dermalen
herrschenden gesehlosen Zustand ohne
Zeitverlust ein Ziel zu setzen«, und
schließlich die Hauptstadt sammt Vor
stiidten und Umgebung in Belage
rungszustand erklärte. Er forderte die
scfortige und unbedingte Uebergabe der
Stadt und vollständige Entwassnung
der Bevölkerung.
« -- -«- ne
"LUCOkoD ck UND Mc Knienle VE
« nerale in aller (««,'einächlichteit ilire
itjltasinahmen zur völligen Einschlus
s snmq Wiens trasen und zur Ausfüh
runa brachten, herrschte drunten an der
Leitba in der Stimmung und in den
Operationen der unaarischen Armee
das lläalichste Schwanken.
Rossuth —— - so erzählt ttiöraei --- er
öffnete die Berathuna iiber die Frage,
ol- und wann die tlnaarn nach Wien
eine militärische Unterstützung senden
sollten mit einer daraus berechneten
Rede, die Uebergabe der Landesgränze
zu Gunsten des belagerten Wiens als
eine sürUnaarn moralisckxNothwendig
teit, jeden Gedanken an deren Unter
lassung als einen unehren asten hin
zustellen »Noch steht ten —- so
Eile et« seine Rede — noch ist der
ut seiner Bewohner, unserer treue
der reaktionären Feldherrm ungeer
chen. Allein ohne unsere Hilsemussen
sie dennoch unterliegen, denn sie kam
pfen einen zu ungleichen Kampf. Da
rum lassen Sie uns eilen, meine Her
ren, eine Schuld abzutragen, welche
uns, eingedenk dessen, was wir unsern
Brüdern in Wien verdanken, geheiligt
erscheinen muß. Wir müssen den Wie
heischt dies von uns.« Kossuth schien,
. wie sich in späterer Rede zeigte, trotz
s dem erst noch ,,niihere Nachrichten von
Wien abwarten zu wollen; als aber
statt deren immer nur der Donner des
groben Geschützes von der Hauptstadt
k)crüberdrang, da hieß es endlich, es
sei keine Zeit mehr zu verlieren, und die
Vorriickung begann am 28. October.
Es trat zu spät und die rechte Zeit
schon verloren.
Der Velagerer Wiens hatte derweil
sein Hauptquartier nach Hetzendorf
rerlegt und erließ von hier am 23. Oc
tober abermals eine Proklamation, in
! welcher der Stadt nnd ihren Verthei
digern eine Unterwersunggsrist von 48
Stunden gegeben und im einzelnen
blutroth auseinandergesetzt war, was
der Herr Fürst unter Belagerungszu
stand und Standrecht verstand.
Am 23. October begannen vor Wien
die Kanonen mitzusprechem Die Ge
schiitze der Belagerer scheinen zuerst von
Otiatring her gegen die hernaiser Li
nie gespielt zu haben.
Ein heißer Kampftag war der 2t3.
October-, wo den ganzen Tag über aus
der ganzen Linie von Nußdorf bis St.
Marx aestritten wurde. Am Abend des
Tages hatten die laiserlichen Trupp-en
iie Brigittenau und den Prater in ih
rer Gewalt, hatten die Vertheidiger
Wiens in die inneren Vorstadte zurück
gedrängt.
stsii Ver-dünnem gegen die Angriffs-«
nern zu Hilfe! die Ehre der Nation er- «
Jn Wahrheit, nur die Verleumduna
bat die Tapferkeit der Vertheidiger
Wiens anzutasten gewagt. Der hier
vorhandene Kämpferstofs hat sich trotz
der höchst manaelhasten Organisation
nnd aroszentbeils unznliingliehen Füh
rung als ein guter bewährt· Aus die
sem October-Wien hätte ein großer
MannGreßes zu machen vermocht trotz
alledem. Aber, ach, wo war in jenem
October, wo war überhaupt im Jahre
1848 ein wahrhaft groszer Mann, ein
Ntmmer-Ein«3 - Mann? Niraendss
Niemand in Frankfurt, Niemand im
ganzen Deutschland hatte sieh bie- da
hin träumen lassen, daß einst so ein
Tag kommen würde. wo die arosze
Brummglocke des Stephansthurmes
das Signal geben würde zum allge
meinen Wiener Sturmgeläute »für die
deutsche Freiheit«
Das aber ist zwar nicht der klare
Gedanke, doch der richtige Instinkt ge
wesen, welcher die Wiener Octobcrrxk
volution gemacht hatte, und dass die
« Deutschen das bedrkingte Wien so
! schmacher im Stiche ließen, vermehrt
die Anzahl, die Unzahl der trauriaen
Beweise sjer die grassgriine llnreise der
Völker thino 1848.
Das Grsammtresnltat des I:8. Octo
bere war, daßWindischgräiz an: Abend
» sich alsJ Sieger fühlen konnte, wie er
auch that. Die kaiserlichen Trnopen
hatten die ihnen gestellte Ausgabe er
i füllt. Sie befanden sichim vollen Be
i sitze der Borstädte Landstraße-, Renn
t weg, Leopoldstadt und Jäger-reib stan
den also lxart vor den Wällen der inne
l ren Stadi.
In diesen Vorstädten nun begann,
, als die Nacht hereinaebrochen war-, je
« ne Gräucltvirthsckxift von Seiten dek
« Soldaten, welche zu leugnen selbst in
der Wolle schwarzgelh gefärbte Be
richterstatter nicht unternommen ha
ben. So ein Zeuge sagt z. V. iiber
das gräßli(he, was in der Nacht vom
28. auf den 29. October in der Johan
nagasse geschah: »Erst gegen 4 Uhr
früh hörte das Plündern und Wtiraen
mtf nnd fei- lcmkdntvn tmltht Zur-Hil
niengezogecn Am 31). October führte
n.an 57 Leichen aus dieser einzigen
Gasse fort, die Leichen solcfser nicht
mitgerechnet, welche das Militiir aus
den Häusern geholt, über dem Walle
auf den Feldern erschossen nnd atech
daselbst begraben hatte.
Der 28. October war ohne Frage
der entscheidende Tag. Allerdings hatte
ein großer Theil der Vertheidiger, tret
che die innere Stadt, sowie die Vor
ssiidte Wieden, Schottenseld, Nenban,
Jesevhgstadt noch hielten, den Muth
keineswegs verloren, obztvar Proviant
wie Munition schon vom 27. October
an sehr knapp waren, und Mobilaar
den, Arbeiter nnd übergetretene Sol
daten wollten nicht dulden, dasi man l
ortx·W«1fferistr-ectuiig und Uebergabcl
sprach-« ·
Jni Laufe des folgenden Vormit
tags suchte die anWindischgrätz entsen
dete Aoordnung den Fürsten in seinem
Hanptqnartien Er ertliirte tntzab,
er wollte eineWasfenruhe von 12Stun
den bewilliaen unter der Voraussetz
ung, daß lein Angriff ans seine Trup
pen stattfände. ,
Zwei Stunden vor Mitternacht
niechte sich dann noch eine Abordnnng
desj- Gemeinderaths, durch ein Mitglied .
des Studentenausschussecz verftärtt,
ncch dem Hauptquartier des Feldmar
schalls auf den Weg, um denselben die
bedingungslose Unterioerfung der
Stadt anznzeigem Sie langte spät in
He«tzendorf an. Jhr Sprecher entle
digte sich seines Auftrags, machte ans
i··:ertsam, daß es wohlgethan wäre, die
Truppen möglichst bald einriicken zu
le·ssen, und richtete dann noch einige
Bitten »ein die Herzensgüte des Fur
seen«. Diese Bitten wünschten Gnade
für die abgesallenen Soldaten, freien
Abzug für die academische Legion,Paf
se stir Alle, welche Wien oder Vetter
reich verlassen wollten. »Nein, nein,«
rief Windischgrätz aus« »das tann nicht
seini« Er stieß sich namentlich an der
streiten der vorgebrachten Bitten.
Dann bedenkend, daß er noch nicht in
der Stadt drinnen, fiigte er hinzu:
»Ich werde alles thun, was sich mit
Meiner Ehre und mit meinem Gewis
sen verträgt«. Wie nichts-sagend diese
Versicherung, konnten die Deputirten
drraus entnehmen, daß Windischgräg
ihnen dringend aufgab, dafür zu sor
gen. daß solche Personen, die er als in
erster Linie seiner Rache verfallen be
zeichnete, ja nicht entkämen.
Die Ungan kommen!
SPKX kvttiijii Jst-, »Es-Ich Ihr kommt ——s
zu spät!
Am 30. October, im Laufe des Vor
mittags verbreitete sich in der Stadt
abermals die Kunde: »Die Ungarn
lommen!« Boltshaufen wälzten sich
mit dem Rufe: »Die Ungarn sind da!
Eljen! Kossuth kommt!« durch die
Straßen, die schon verödete Aula wim
melte und wuselte wieder Plötzlich von
bewaffnete-m Leben, die Arbeiter nah
men ihre Wehr wieder auf, eine Bande
von mehr oder weniger häßlichen
Amazonen marschirte über den Burg
platz, das Gewehr aus der Schulter,
Studenten warfen sich auf Pferde, um
auch in den Vorstädten, soweit diesel
ben noch nicht von den taiferlichen
Treppen besetzt waren, die frohe Bot
schaft Fu verkünden und zu neuem
Wider,tand aufzufordern. und an den
Straßenecken erschien ein überschwäng
liches Plalat, zu ,,eineni letzten glor
reichen Kampf« auffordernd und den
Schlußtrumpf ausspielend: »Es wird
auf allen Punkten der Erde unser
schönster Titel sein, zu sagen: Jch war
ein Wieneri Jch war dabei!«
Der Bürgermeister Messelbauser
mußte nolens volens sein Amt nieder
legen, weil er in der That den Kopf
verloren hatte und Fenneberq, auch ein
Geist zweiten Ranges, wurde an feiner
Stelle gewählt.
Um Mittag waren die Trnpven, die
gebändigten Vorstädte hinter sich, auf
dem Glacis aufmarschirt. War ihnen
doch Tags zuvor der Ein-um nicht
allein gestattet, sondern, wie bereits er
wähnt, seitens der Bürger von Win
dischgrätz erbeten. Aber das Signal zu
ihrem Einriieken, das Aufhiffen der
schwarzgelben Fahne auf dem Sankt
Stephan blieb aug. Der Gemeinderath
hatte dic Fahne geschickt, aber sie wurde
auf dem Domplatz in tausend Stücke
zerrissen. Der Gemeinderath sandte
eine Deputation zum Burathor hin
aus, um dein Feldmarschall Wien
feierlich zu übergeben; allein hinter dei:
Deputirten wurde das Burgthor wie
der zugeschlagen und verrainmelt. So
fort wurden auf den Basteien die Ka
nonen gegen die Trupven los-gebrannt,
die Sturmglocke auf dein Stevhan5
thurme schlug an und die tolle Heraus
forderung wurde von den Trupp-en auf
der Stelle angenmnmen
Windischgrätz ließ seine schon zuvor
in Bereitschaft gehaltenen Batterien
spielen und das Boiiib«.1rdenient hob
an, Nachmittags It Uhr. Die Stadt,
insbesondere die Gegend um die Stall
bnrg nnd die Reitschule her, wurden
mit Bolltngeln, Bonn-ein litranaiem
aliihenden Bällen nnd Raketen über
schüttet. s, euer schan da und dort
anf, das etösc war so furchtbar, als
»Macht der jüngste Tag herein«. Die
Sieger zogen ein. Die Straßen waren
wie ausgestorben Nun ward es still.
Die Nacht sank herab. Der Vorhang
iiel nach einem großen Drama nnd die
Oraie der Rache begann.
Am 1. November blähte sich eine ko
lossale schwarzgelbe Fahne auf dein
Sankt Stephan. Der schwatzt-IM
gs:-ldene Märztiauin Wiens, welcher
zuletzt in dar- Octobersieber umgeschla:—
gen, war ausaeträumt.
Windifchgriitj friert Orgicrr
Standrecht, Mord und Todtschlaa.
Das Standrecht herrschte souverän
in Wien und die Denuneiation wurde
förmlich aufgeniuntert,ja prämirt, was
ganz überflüssig war. Die Thätiqteit
des Standrechts aina bis zum 9. Mai
ran 1849 fort. Sie forderte als Re
sultat eine Liste von 145 Verurtheiiun
gen zu Tage, in welcher Liste das »er
fchieszen« und »hänqen« mit ,,uasfcn.
l(.iifen«', »fchroerem Kerker« und
»C:l)anzarbeit« abwechselt. Vollstreelt
wurden 24 Todes-urtheile. Wie viele
Nesangene während der Kämpfe vom
LU. bis Sil. October von der Solda
teskta ohne weitere Förmlichleit massi
liirt worden sind, wird wohl niemals
acienmiifzia festzustellen sein. Ebenso
n enia die Zahl der Opfer, welche un
mittelbar nach der Einnahme derSiadt
»aus höheren Befehl« vor den Linien
fiisilirt worden find. Man schätzt, daf;
in der Vertheidiauna Wiens von den
Vertheidiqern 5--—-6()()(«) gefallen seien.
Der Gesammtvcrluft der Truppen ltt
amtlich auf 56 Offiziere, 1142 Solda
ten und 70 Pferde festgestellt.
Zugleich mit Robert Blum war auch
Fröbel verhaftet und ebenfalls zum
Tode durch den Strana verurtheilt
worden. Winidischqrätz beqnadiate ihn
aber, wie es hieß und wie Fröbel selber
alaubte, einer von ihm früher verfaß
ten Fluasrhrift wegen, tvelche öfter
reichfreundlich aussah. Daf-. Blum iu
der Moraensriihe des 9. November-Z
auf der Brigittenau die Todesluqeln
mannhaft und gefxiszt empfing, wein
Jedermann. Die deutsche Demokratie
Fird ihres- Märthrers eingedenk blei
en.
DasVlavperparlament in Frankfurt
war so starr vor Entsetzen dafe es aus
s Feigheit nicht einmal wagte, eine par
lamentarische Todtenfeier fiir Blum
wirklich zu begehen
Die Einsetzung des Ministerium-E
Schwarzenberg-Stadton vom 21. No
vember war die Einleitung zum eigent
lichen Finale der österreichischen Octo
berbewegung. Dieses Finale spielte
im erzbischösslichen Palast in Olmiitz,
wo derzeit die kaiserliche Residenz, zur
achten Morgenstunde am 2. December.
Tie kaiserliche Familie war versam
n elt, der Hof in Gala, und um der be
vorstehenden Haupt- und Staatsaktion
die richtige .zeitgemäße Weihe zu geben«
waren auseh die beiden »Siegeshelden«
Windischgrätz und Jellacic. welchen
ver etlichen Tagen Zar Mkolai eine
Belobigungsnntc zunefertigt hatte, aus
Wien her-beschieden worden. ·
Es Handelte sich darum, den imKrei
se der Eingewe hten längst vorbereite
ten Thronwechsel zu vollziehen. Kaiser
Ferdinand hatte endlich unwiderruflich
abgedanlt, sein Bruder, der Erzherzog
J Franz Karl auf sein Nachfolgerecht
’ verzichtet und dessen Sohn als Kaiser
Franz Joseph der Erste den österreichi
schen Thron bestiegen«.
Der neue Kaiser war am 1. Derein
ber ,,großfährig« erklärt worden. Er
zählte 18 Jahre!
Von einer selbstständigen Regierung
eines achtzehnjährigen Kaisers, konnte
im Ernste natürlich gar keine Rede
sein. Am 5. März von 1849 wurde
eine Art von Verfassung siir Gesammt
iisterteich oktrrhirt und am folgenden
Tage daraus, nachdem während der
Nccht Goldmart, Kudlich, Violand
rind Füster aus Kremsier entwichen
traten, dem Reichstagsschattenspiel
soldatisch - barsch ein Ende gemacht.
Später hat man dann, wie bekannt,
dieses Phantom von Verfassung in die
historische Rumpelkammer geworer
und ist zum ,,torrelten« Absolutism1153,
zur guten alten frommen Metternich
ttgleit ohne constitutionelle Mentalre
scrration zurückgekehrt
Dabei mochten die Deutschdsterrei
eher, falls ihnen das Lachen nicht über
haupt vergangen war, fchadensroh Dar
über lachen, daß jetzt auch den Herren
Czechcn und übrigen Slavenbriidsern
der »Dank vom Hause Oesterreich« ge
zollt wurde, in Gestalt eines Fußtrit
ter-, über dessen Wohlangebrachtheit
kein Zweifel aufkommen konnte.
« ckst das »was
Potsdam jubelt.
Narrheit überall in schönster Blüthe.
In den ersten Novembertagen von
1848 gab es fröhliche Gesichter im
Schloss zu Potsdam Nun der schwarz
gelbe Gegenrevolutionstrumps mit sol
chem Erfolg ausgespielt worden, wa
rum sollte der schwarzweisze nicht eben
fclls ausgespielt werden? Laßt den
Marschall Drusf seine Schuldigleit
thun! Was Se. Excellenz der Win
dischgrätz konnte, kann Se. Excellenz
der Wrangel auch.
Krone und Voll in Berlin und
Pxeusien hatte sich ja im März nur ein
lsisichen mißverstanden! Jetzt, im No
vember, fanden sie beide das richtige,
ganze und volle Verständnis-, wieder, d.
h. die Sirone befahl und das Volk ge
horchte.
Doch ehe eOJ so weit kam, gelangte
« Jahr zu einer Blüthe,
die heute nicht mehr verständlich ist.
Nur einige Züge daraus-.
Der Prinz von Preußen erschien als
z Abgeordneter von Wirsitzz, nein» als
« Prinz von Preußen am 8. Juni in der
Nationalversammlung, bestieg in Ge
neralsunisorm, mit dem Degen an der«
Seite, die Rednerbiihne und hieß »die
aus allen Provinzen und allen Stän
den hier versammelten Herren herzlich
nsillkommen«. Das hieß sagen: Wir,
die Hohenzollerm haben euch gerufen
und wir werden euch, sobald es uns
gefällt, auch wieder sortschicken; denn
m i r tominandiren und ihr gehorcht;
so war, ist und wird sein der Brauch
in Preußen —- »Mit Gott siir König
und Vaterland!« Mit diesem Losungs
worte des echten Preußenthums ging
der Prinz ab und es gehörte eine tüch
tige Dosis von Traumduselei dazu,
nach diesem Austritte noch zu wähnen,
in den Räumen der Singakademie oder
im königlichen Scheuspielhause, wohin
die »Nationalversammlung« später
iibersiedelte, gäbe es ein so märchenhas
tes Dingtoie eine preußische Volks
IDllekclllllllL
Die Linle der Nationalversammlung
konnte sich schon im Juni überzeugen,
daß sie nicht einmal im Hause, ge
schweige außerhalb derselben, ihre An
schauungen obenaus zu bringen Ver
nröchte. Als am 8. Juni Herr Be
rcndg den Antrag einbrachte, die »Ver
sammlung wolle in Anerkennung der
Redolution zu Protokoll erklären, daf;
die Kämpfer des 18. und 19. März sich
wohl um’s Vaterland Verdient ge
macht hätten« ——- da malte Minister
präsident Kamdhausen sofortdas rothe
Gespenst in erschrecklichen Dimensionen
ans die Salwand und in Folge dessen
wurde der im Grunde ganz harmlos
aemeinte und so zu sagen nur als
Fühlhorn herausgesteckte berends’sche
Antrag mit 196 gegen 177 Stimmen
verworfen. Nach Beendigung der
Sitzung gab es dann draußen wider
liche Auftritte, an denen sich allerdings
nicht allein die Vummler und Kraleh
ler von Profession thätlich betheiligten,
sondern auch zahlreiche berliner Bür
ger aus- den Mitteltlassen, welche zu
dieser Zeit noch sich einbildetem auf
ihre ,,glorreiche Revolution« stolz zu
sein, und in dem gemeldeten Abstim
iiuzngsresultat eine Beschimpfung der
selben erblickten. Mitglieder der Rech
ten wurden beim Hinausgehen mit
Schmähungen überhäuft, gestoßen uno
geschlittelt und die Minister selbst ent
gingen nur mittels studentischen
Schutzes der Bekanntschaft mit den
schlagenden Beweisgriinden der Menge.
Zu der-artigen Travestieen der Re
Volution vermochte es der berliner
,,Volksgeist« zu dieser Zeit allenfalls
noch zu bringen, weiter zu nichts mehr.
So eine Travestie ohne Tragweite und
Ziel war auch der Zeughaussturm, ver-« .
c.nlaßt durch die schon so lange schwa
rende Erbitterung der Arbeiter g«e· en »
das bürgerwehrliche Vorrecht der -
toaffnung. Hätte das berliner Prole
tcriat geschickte Organisatoren und
tüchtige militärische Führer gehabt, so
würde Berlin noch vor Paris eine
Junischlacht erlebt haben. So aber
war die Erstiirmung und Plünderung
des « eug’t)auses, welche eine Menge
svon Lundnadelgetvehren in die Hände
vonProletariern brachte, die, maßen die
Handhabung noch ein amtliche-Z Ge
l)eimnisz, nichts damit anzufangen
wußten —— nur ein pöbelhafter Pum
uicuuuzp
Jn Potsdam stand unbedingt schon
im Juli, August und September der
Entschluß fest, mit dem ganzen »revo
lutionären Unwesen« möglichst bald
abzufahren. Schade nur, daß die mili
törischen Vorbereitungen noch nicht
vollendet waren, und noch mehr schade,
daß die Wiener Octoberrevolution zu
erst störsam dazwischensuhr. Wenn das
Märzfeuer da drunten an der Donau
wieder so heftig aufloderte, konnte es
möglicher Weise auch an der Spree
wieder unter der Asche hervorschlagen.
Also noch ein Weilchen Geduld; denn
— sagte Friedrich Wilhelm der Vierte
—- ,,Geduld überwindet Sauertraut«.
Das Hinhaltungsministerium Pfuel
brachte die Sachen in erträgslichen Frie
den in den October hinüber. Jn der
Nationalversammlung begannen die
groß-en Redeturniere über den von der
hierzu bestellten Commission vorgeleg
ten Verfassungsentwurf. Hier that sich
aber nun sofort die ungeheure Kluft
wieder auf, welche zwischen dem wirk
lichen Preußen Und einem constitutio
nellen Preußen klaffte. Es wurde am
f1.2. October durch ein Mitglied der
Linken, Schneider, beantragt, in der
an die Spitze des neuen Staatsgrund
gesetzes zu stellenden Eingangsformel
den Titel »Von Gottes Gnaden« zu
streichen, weil derselbe wohl dem abso
luten König eignete, nicht aber dem
constitutionellen anstände. Der Antrag
wurde angenommen mit 217 gegen
184 Stimmen, ein Resultat, welches
draußen in Potsdam nicht wenigen
Leuten große Freude bereitete. Denn
d a r ii b e r, wußte man, würde der
König nicht hinwegkommen, d a s
müßte er als eine persönliche Beleidi
gung empfinden. Wie richtig dieseRech
nung, wurde drei Tage später deutlich
kund, als im Schlosse Bellevue verschie
dene Abordnungen dem Könige Glück
wiinsche zu seinem Geburtstage dar
brachten. Der Präsident der National
Versammlung, Herr Grabow, sprach in
seiner Anrede die Hoffnung aus, daß
tsie neuen Institutionen die altenBande
zwischen Dynastie und Volk noch fester
lniipsen würden, und der König be
niitzte seine Gegenrede, um auf den Be
schluß vorn12. October ein-e sehr deut
liche Antwort zu geben. ,,Vergessen Sie
nicht, meine Herren, daß wir etwas vor
anderen Völkern voraushabem eine
Macht, die man dort (in Frankreich)
nicht mehr zu kennen scheint, ein e
angestammte Obrigkeit von
Gottes Gnaden. Danken Sie
Gott, daß Sie noch eine Obrigkeit von
Gottes Gnaden haben!« Herr Grabaw
sah in peinlicher Verbliiffung zu Bo
den. Da rief ihm der König zu: »Hal
ten Sie den Kopf oben! J ch habe noch
einen starken Arm!« Zu einer Depu
tation der Berliner Bürgerwehr sagte
er: »Vergessen Sie nicht, daß Sie die
Waffen von mir haben!«
Entschiedener konnte doch wohl das
glücklich wieder gestratnmte Vollbe
wußtsein des Absolutismus nicht sich
offenbaren!
Doch die Nationalversammlung, die
jeden Rückhalt verloren, ließ sich nicht
beirren.
Jn der Morgensitzung vom 31. Oc
tober wurde mit 200 gegen 153 Stim
men beschlossen: »Der Adel ist abge
schafft«. Und weiter mit 208 gegen
115 Stimmen: »Die Führung adeliger
Titel Und Prädikate ist untersagt«.
Und ferner mit 196 gegen 140 Stim
men: »Die Orden und alle Titel, wel
ehe nicht ein Amt bezeichnen, sind auf-—
gehoben«. Jn der Abendsitzung karn,
während draußen aufgestellte Bürger
roehrbataillone die Firakehlokratie nur
mühselig im Zaunie hielten, ein Antrag
von Waldeck zur Berathung, welcher
verlangte, die preußische Regierung
sollte mit allen ihren Mitteln und
Kräften zum Schutze der in Wien ge
siihrdeten Vollssreiheit einschreiten.
Und dariiber berieth man alles Ern
stes in Berlin zur selbigen Stunde, wo
die Kroaten siegreich in dass eroberte
Wien einbrachen; zur selbigen Stunde,
wo man draußen in Potsdam derNach
richt von diesem Einbruche sehnsüchtig
entgegenharrtel Allah ist groß und die
Narrheit ist seine Prophetin.
lSchluß folgt«).
—sp...-...
Der Aufenthalt Kaiser Wilhelnis
Venedig aus der Fahrt nach Palästan
war nicht von langer Dauer. Nachdem
er eine lurze Strecke auf dem Kanale
Grunde gegondelt war, ließ er zum
Ausbruch blasen ——— eg war ihm mit
Schrecken eingefallen, daß er vergessen
hatte, sich eine »Kanal-Uniform« bauen
zu lassen. Er Verließ infolgedessen
Venedig, ohne das übliche Dutzend pho
kosraphischer Ausnahmen machen zu
c. en.