Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, October 21, 1898, Sonntags-Blatt., Image 12

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    Kajljlrru nun Jijllurnru
Csiue Geschichte aus Eiland
Von Johanna F lna
( FFFFFFFFFFFF
»O, still, still, Any-heilige Mut
tergottes. wie danke ich Dir, daß Du
mem Gebet erhört haft!«
Schluchzend birgt sie das erglähende
Antlitz an feiner treuen Brust.
2.Capiiel.
Eine Stunde ist verronnen, seitdem
Kathleen und Larry sich gefunden ha
ben. Glücklicher aiedt es keine zwei
Menschen in der ganzen weiten Welt
Und feiern wollen sie ihre Ver
eini ung, ist doch heute der wahre
Ho eitstag
Kathleen hat die Küche zu besorgen
und lachend und scherzend leistet Larrn
ihr Hülfe. Selbst holt er den rosigen
Schinken vorn Dorf und irische Eier
und ein großes Weisenbrod Es gilt
ja, ein Hochzeitsmahl zu rüsten.
,,Vergiß nicht den Tabak fiir den
Vater und eine neue Thonpieife!« ruft
ihm Kathleen nach.
Er wendet sich uni. Wie ihre Augen
ineinander strahlen!
Luftig knistert das Feuer in der klei
nen, verräncherten Küche. die zugleich
als Wohnstübchen dient. Hier deckt
Kathleen den Tisch mit dein roth und
blau gewürfelten Tuche uno setzt einen
Strauß Nefeda darauf, wälzt-end Lar
ry für den kleinen Tim ein Boot auz
dem Zeitungspapier faltet, in welches
das Brod gewickelt war. Larrh setzt
Kathleen sehr in Erstaunen-, denn er
kann jetzt ganz fließend lesen, der
Steuermann auf der »Manquecn« nat
es ihn gelehrt.
»Es sieht doch rechl traurig ans im
lieben Vaterland,« faai Darm indem
fein Blick auf eine Zeitunasnachricist
fällt. »Mord nnd Mdlschlag rhnc
Ende.«
»Das kommt ocni vielen Lesen, sagt
Vater Mulligan, mein Beichtiger;
Einer ahmt oan Anderen das Böse
nach, wenn man so viel Geschrei davon
in den Zeitungen macht. Die Bose
tvichter kommen sich trir Helden vor —
doch thu mir den Gefallen und sprich
Leute nicht davon mit dem Vater,
»arm«
Und Kathleen stößt mit dem Schür
eisen in die glühenden Kohlen, daß eine
praffelnde Flamme hell auflodekt.
Wie seine mächtige Gestalt mit dem
markigen Gesich: den lleinen Raum zu
füllen scheint, als er daiitzt, vom Feuer
umstrahlt. die glitzernde Scheere in der
einen, das Zeitunasblait in der ande
ren Hand.
»Stoß die Decke nicht ein. wenn Du
aufsehstf faqt Kathlcen lachend, in
dem sie in der Arbeit inne häu, Ver
loren in seinen Anblick.
Sogleich springt er auf und reckt die
Arme empor-, den Ballen der Decke
fasse-nd. »
»Ein Ana, Hain-kein uns Das aanze
Nest fällt ein; aber warte wenn ni)
erst als Steuermann fahre-, dann sollst
Du auch besser wohnen«
»Der Vater der-lässt die Zchmiere
nicht —- wir müssen es hier schon aus
halten, Larrn —-—« Dann zögernd:
»Welch’ ein Glück, das-. Du da List,
vielleicht übst Du mebr Einfluss aus
den Vater als ich —-— immer mehr er
iedt er sich dem Trunk. und er führt
solclf entsetzlich wilde Reden gegen die
Engländer. O, Latr-» wenn er sich
mit den Feniern einließel Mir graut
bei dem Gedanten —«
»Hier ist doch Alles rubiak« fragte
Larry gespannt.
Kathleen schaut sich änastlich um«
als könnten die Wände Ohren traben.
»Siehst Du dort das Haus mit der
bläulich aufwirbelnden Raucl)sanle?«
fragte sie, nach einem besvaldeteu Berge
jenseits des Dorfes deutend.
»Das ist ja der Goldene Anker;
weißt Du denn nicht mehr. wie oft wir
dort den Jia zusammen aetanzt"t«
»Man tanzt noch immer.« sagt sie
kaum vernehmdar, »aber man trinkt
noch mehr; und da kommt einer Von
Dublin und wieaelt die Leute auf und
erzählt ihnen, wie schlecht sie es aus
der Welt haben im Veraleich zu den
Reichen. Ja, wenn es damit besser
würde! Ach, Larry, wenn der Vater
nur nicht immer in halbtruntenem
Muthe die schlimmen Redensarten wie
derholen wollte!«
»Du hast es getroffen. Redensarten
sind es beim Vater,« sagt Larry
lachend; »ich kenne ihn ja! Und was
sagt er ietzt von uns?«
»Sein le tes Wort war· aus der
anzen rün n Jnsel aiibe es teine bei
ere T er als ich bin — und Du —
nun, Du ——-"
»Ich weiß, ich weiß, er ist meines
Lobes voll,« und lachend hält sich
Larrn die Ohren zu.
»Du solltest nur hören. welch« wun
dersame Abenteuer, die Du erlebt, von
Mund zu Mund nehmt Unstaunen
wird man Dich hier im Dorf, Larry,
P werden Dich als den Helden von
» Zwan Hund«
Meine Abenteuer zur See? Jch
Ho Ja kein Wort darüber geschrie
M «liqen, wie einfältig Du
! M Du fee denn v
stät-as M erste-den es i
M M
»die we Bee seh und lass
Miit- m «
»Vielleicht ist er in der Schmiede,"
denkt Larry und tritt hinein. Die
Schmiede ist leer; Alles ist gerade so
wie vor zwei Jahren, nur noch verfal
lener, schwärzer. Die Scheiben des
Fenstetchens schillern in allen Regen
bogenfarben, und davor steht derselbe
mit Nägeln und Hufeisen aesiillte Ka
sten, der schon in Larrtfs Knabenjah
ren dagestanden. Der Herd ist kalt.
Nur einige Funken alimrnen noch in
der Asche; auf einem hausen Koh!en
staub liegt ein anaebranntes Stück
Holz.
»Daraus schniJe ich ein Boot für
unseren lleinen Tim." Und Larry legt
es auf den Amboß. Wo mag nur der
Vater seine Geräthschaften haben?
Richtig — dort — in dem Eckschränt
chen. Larrh öffnet es und schaut hin
ein —- nichts —- nur ein großer Ka
sten voll blutroth angelaufener Dasei
sen und Nägel. Er hebt ihn heraus und
stiilpt ihn auf dem Amboß um; viel
leicht liegen die Geräthschaften darun
ter· Die Nägel rollen und kollern nach
allen Seiten.
Doch was ist das? Klirrend fallen
drei neue Pistolen mit blitzhlaniem
Lauf auf den Amboß. Wie Larry er
schrickt! Sollte sich Mike O’Donnell
wirklich mit den Verschwörern einge
lassen haben? Woher die Waffen und
warum sie verbergen, wenn sie nicht
zu heimlichen Zwecken dienen sollen?
Und wie so unvorsichtig trotz Allem! -
Gewiß hat er sie hier in halbtrunkenern
Muthe verwahrt.
Gerade ift er im Begriff, sie Kath
leen zu übergeben, da wird es auf dem
Wege von Killarney her laut. Ein
Schreien, Rufen, Lärmen; ein großer
schwarzer Menschenkniiuel, dicht am
Rande des Flusses. Die Waffe in der
Hand, stürzt Larry hinaus.
»Jesus und Maria!" schreit Kath
leen, die mit rothgliihenden Wangen
vom Herde an das Fenster gelaufen.
»Larrh, Larrh, wo mag derVater sein?
Sie sind aneinander gerathen, die Un
sern und die Organisten; o weh, o
weh!«
Sie ringt die Hände vor Angst, denn
sie ist sicher, der Vater ist mitten drun
ter.
»Bleibe heim Kinde,« fleht Lar:y,
als sie enteilen will.
»Nein, ne-n, der Vater — o, es gibt
; ein Unglück — wenn die Polizei ihn
I reden hörte — er weiß ja nicht, was
; er sagt, wenn er trunken —«
i Er preßt Kathleen an sich und küßt
; sie voll Leidenschaft
s »Geh hinein, Kathleen, ein Kampf
; ist nichts fiir Weiden«
, Schon will sie dein Davoneilenden
nechstiirzen, da ruft der kleine Tim
ängstlich: »Mcuna, Mama!"
Eine glühende Kohle ist vom Herde
gerollt, ihre Schürze liegt dicht dane
bc-n: schon brennt der Zipfel, und da
kriecht der kleine Tim aus dem Lehm
horen, das Papierboot in den Händ
chen — einen Schritt von der Gefahr.
Mit Blitzesschnelle ergreift fie die hell
slainmende Schürze und schleudert sie
auf den Herd. Dann steht sie wie er
starrt, überwältigt von dern Gedan
ten, was hätte geschehen können, wenn
Larrv sie nicht zurückgehalten
»Geh hinein, ein Kampf ist nichts
siir Weiber!« Jn den Ohren und im
Herzen hallt es wieder: »Ein Kampf
ist nichts fiir Weiber!«
Das waren Larrtfs letzte Worte.
Auf dem Wege von Killarnen hat :
sich eine große Menschenmenqe zusam- I
:nengerottet, man hat den ganzen Nach-—- «
Inittag gefeiert, getan3t, getrunken und i
sich das Blut erhitzt; in der Mitte ei
ner Gruppe schreiender Männer und«
Weiber steht Mite O’Donnell gestim
lircnd und den mit Shamrock, dem iri
schen Dreiblatt, desteckten Hut schwen
tend.
,,Nieder mit den englischen hunden,«
schreit er, ,,nieder mit den Protest-rn
ten, sie wollen uns unseren Glauben
nehmen, wie sie unser Land genommen
haben, nieder, niedert«
Das Geschrei wächst zum Geheul;
vergebens bemühen sich zwei Kunstw
ler mit ihren turzen Stöcken Ruhe zu
stisten. Wohl trisst auch hier und da
ein Schlag; aber was schadet ein
blaues Auge, eine blutende Stirn.
Rausen will sich der Jrländer, wenn
in ihm der Zorn entbrennt. !
Schon schwirren Steine hin und!
wider, schon umklammern sich die »
Streitenden und ringen mit einander
in wüthendem Kampf, da zertheilt
Larrh die Menge· hoch aufgerichtet er
scheint er unter ih n, sie Alle überra
gend. Mit gebieten cher Stimme ruft
er: Mhaltet ein« Ruhe, Ruhe!«
Er hätte ebensogut einer sich über
schlagenden Welle gebieten können, zu
rücksuweichen
Einen Augenblick wenden sich ihm
die Gesichter zu; wilde, vom Zorn ent
stellte Züge, blutgetriintte Augen, flet
ichkude Zähne- sitt-ppng Muh- Köpfe,
gesellte Fäuste — die entfesselte Lei
denfchaft zu einem wirren Knäuel zu
fammengedrängt. Sein donnerndes
Machtwort: »Ruhe, Rahel« wirkt nur
eine Secunde; mit erneuter Wuth fal
len sie einander an gleich wilden Thie
ren, wuthfchnaubend Und heulend.
s Mike O’Donnell hat Larry erkannt,
" obgleich er auf einem kleinen Sandhiiz
rzl ziemlich entfernt von ihm steht. Bei
feinem Anvlick reißt er sich das bunte
Tuch vorn hals und läßt es flattern.
»Er kommt, er kommt,« schreit er
mit heiserer Stimme, »er kommt, der
Befreier von Jrlandl Seht meinen
Sohn Larry O’Brien! Hoch, hoch, er
ift heimgetehrt! Hört, er wird sprechen,
er wird Euch von den Ländern der
Freiheit erzählen —- hoch, hoch, Larry
O’Brien!«
Ungeachtet der Gefahr bricht sich
Larry Bahn durch die tobenden, sich
schlagenden Gruppen. Er muß hin zum
trunkenen Schwiegervater, er muß ver
suchen, ihn heimzuführen, wenn nicht
ein Unglück geschehen foll. H
,,Zuriict,« donnert er, »zuriid! Jm ;
Namen der Königin haltet ein mit dem ’
Werfen der Steine!«
----.
Plan ankkalkl tylll mll poqruuuyru
und Grinsen. Wer ist es, der wagt,
ihnen mit der Pistole in der HandRuhe
zu gebieten?
Aber auch Angst und Furcht malt
sich in vielen Gesichtern. Erschrocken
weicht der Eine und der Andere zurück
und tommt zur Besinnung.
Mike O’Donnell aber ist noch immer
nicht erniichtert. Endlich, endlich er
wacht man auch in Killarney zum Be
wußtsein der Schmach, welche die Eng
länder den Jrliindern seit Jahrhunder
ten anthun. Ha, welche Augenweide
für Mike O’D:snnell. Wie man die
aelben Bänder zerreißt und die qelben
Nosetten der Orangisten in den Staub
tritt!
Der Alte ist jetzt ganz ansier sich:
seine Stimme übertiint den Lärm.
Die Oranaisten versuchen, ihn zu um
zinaeln, aber sie sind machtlos gegen
die erbittert tömpsenden Jrliinder nnd
ihre überwiegende Zahl.
»Vater, Vater. balt einl«
Man versteht nicht, was Larrh ruft:
das Geheul derWuthentbrannten übe-:
tönt jeden artitulirten Laut. Hoch hebt
er die Pistole
»Er schießt, er schießt!« trcischt
man.
Da slieaen und schwirren von allen
Seiten Steine durch die Lust, die alle
sich auf Lnrry richten.
»Hört aus — im Namen aller bei
ligen!« schreien einige Stimmen. Zu
spat! Ein schwerer, wohlgeztelter
Stein saust heran — der letzte —- er
trifst Larrn an der Stirn -— einen
Augenblick schwankt die hohe, möchtkae
Gestalt wie ein Mast, den der Sturm
geknickt, dann sinlt sie lautlos zur
Erde.
Als wäre eine Kirche vor ihren Bli
cken niedergeitiirzt, so stoßen Alle einen
gellenden Schrei des Entsetzens aus.
Dann verstummen die Stimmen. Die
eben wie wuthschnaubende Thiere ein
ander hatten zerfleischen mögen. sie ste
hen starr, die hervorquellenden Augen
aus den Sterbenden gerichtet. —— Der
Finger der Barmherzigkeit fährt über
die noch eben ver errtrn Züge —-— sie
glätten sich, und XI itleid spiegelt sich in
den leichenblassen Mienen. Wer hat
den todtbringenden Wurf gethan? Der
Obergärtner Sir Harolds? Scheuen
Blickes steht er abseits vom Wege, as ch
sc ht, am anzen Leibe zitternd.
Doch I jemand denlt diesen Augen
blick daran, wer der Thäter war. Wo
ist der Haß, der Groll, der die beiden
Parteien noch eben entzweit hats Ver
schwunden, verflogen vor dem grauen
vollen Ereianiß.
Mike O«Donneli lniet deren-cis
lunggonll neben dem bemußtlssenLarry
und versucht mit seinem Tudxe da: der
Schläfe entströmende Blut zu stillen,
dann wieder streckt er die Hände gen
Himmel und betet laut: «
»Heiliger Sankt Patria, erlauoe
tii.i)t, daß er stirbt. Larrn, Larrt),
mach-e aus!"
Man hebt den regungslosen Körper
Lug dem Sande des Wege-·- und legt
ibn aus das Graf-, während einige nach
Rillarney enteiiten, um amtliche Hütte
zu holen Wer ist Freund, wer iit
Feind, man weiß eg- nicht man weis;
selbst nicht« warum sich der lslntig
endende Streit erhoben und wer die
Gemüther gegen einander gereizt liat.
Da liegt jetzt, von Allen beweint,
das unschuldige Opfer der Parteirviitd.
Ueber das todtenbleiche Antlitz rieselt
Blut und fließt langsam aus das grüne
Gras des Rad-ex
Weiber und Kinder umringen den
Sterbenden, wehklagen und lassen, Ge
bete murmelnd, den Rosentranz durch
die Hände gleiten.
Die Seele entflieht· s
»Er ist todt, er ist todt," schluclizt i
man ringsum. I
Dunkelroth steht die Sonne am
rrizont, gleich einem Feuerhaupt mit
«· trahlenglanz. Und dunkelroth stirbt
sich der ganze Himmel und der See und
der Fluß und die Felsen und dieBe:
gesspitzen — Alles ist von rather Son
nengluth umflossen.
se- i- «
Sieh das Auge mit der Hand
schützend, steht Kathleen vor der Thitr
und schaut den Weg hinab, welchen
der Vater und Lorry kommen müssen.
. Wie der Abend stille zu stehen scheint,
wie die Minuten schleichen!
Der Lärm aus der Landstraße ist
verstummt; nur noch eine kleine Men
schengruppe steht, dicht zu einem
Knäuel zusammengedrängt, am Flu ;
da wo der Weg nach Killarne a -
weist, bewegen sich viele segtoarze
Eintrete, die bald dem Auge entschwin
en.
Keine Spur von den Beiden.
Doch was bedeutet das? Warum
kommt Norah O’Reilly mit solch’ dü
sterem Antlitz näher? So verkündet sich
tsur das Unheil. Ban e Ahnung er
greift Kathleen und chniirt ihr den
Athem an, wie die Alte, aus den Stab
gestii t, in ihrem rothen Mantel durch
das ärtchen schreitet.
»Alle heiligen, Norah, was gibt es?«
Die Alte hebt die braune, tunzelige
Hand und wiegt das Haupt.
»Die gebenedeite Muttergottes er
l barme sich Dein, Kathleen O’Brien;
’ ein schweres Gewitter hat sich über
Dir entladen; der zängelnde litz
trisst den Gerechten wie den Ungerech
ten.« Aber die weitere Rede erstirbt
selbst der Wortgewandten aus der
Zunge. Wie abgehärtet sie, die Klage
frau des Dorfes, auch gegen die-Schreck
nisse des Todes sein mag, in diesem
Ackgenblick erweicht ihr Herz vor Mit
lei .
»Maria und Josef, sprecht, sprecht,
der Vater —"
»Nicht der Vater -——«
Da hört Kathleen lein Wort weiter
Alles zerfließt und zerrinnt vor
ihren Blicken
Der rothe Mantel O’Reillh’s wird
zu Blut, ja, die Sonne selbst strömt
Blut —— es strömt herab vom ganzen
Himmel und siillt den See und den
Fluß, und es überschwemmt die Wie
sen und die Felder und its kommt heran
in brausenden, Vnschenden Wogen,
UVCkcIU, Voll Auen Ocllclh
Wie eine Wahnsinniae starrt Kath
leen mit weit ausgerissenen Augen um
sich, die Arme ausgestreckt dann, das
sxch angstlich an sie schmiea-:nde Kind
bei Seite schied-end, entstiirzt sie mit
chgeschrei.
»Ha, Kathleen O’Brien!«
Wie eine Schaar ausgeschreckter Bö
ael, so stiebm die betenden, weinenden
Zitånschen auseinander bei ihrem An
i .
Jst das Kathleen, die Sanste, die
RuhiaeI
Verzerrten Antlitzes wirst sie sich
neben dem Todten nieder.
»Es ist nicht möglich. es ist nicht
nioglich, Du bist nicht todt, Larrh, sie
lugen, sie liigenl Larrn, Larry, so
wache doch aus« ich bin ja bei Dir, Dein
Weib, Deine Katbleen!«
Sie rüttelt den regunaslosem er
starrten Körper, sie haucht ihm ihren
Odem ein, sie bedeckt sein Gesicht, seine
Hände mit Küssen« als müsse ihre
Gluth den erloschenen Lebensfunten
wieder ansachen. Dann springt sie aus,
rauit sich das Haar und zerreißt ihre
Kleider.
»Was steht Ihr da und betet und
heult! Fort, Jhr seiaen Memmen, die
Jhr es habt geschehen lassen!«' Dro
hend hebt sie die Hand. »Dein Blut
tomme iiber Euch,« schreit sie, »Ihr
Alle, Alle bat-i Theil an seinem To?!'«
«Kathleen, besinne Dich doch,« bittet
der Priester.
»Ich mich besinnen? Woraus soll
ich mich besinnen? Da lieat Larry todt,
nnd nun ist es Nacht, Nacht —-— birq
Dich, Sonne —« scheine nicht aui ähnl«
treischt sie, sich die Hände vor die LET
gen pressend. »O Vater i:n Himmel,
wie tonntest Du esp- qeschehen l.r;.::·.,
wenn Du allmächtin bist!«
»Beie, Kathleem bete!« fleht der
Priester. besanstiaend seine Hand aus
ihre Schulter leaend.
»Ich beten? Zu wem?« lacht sie
wild. »Die Heiliqen, sie haben ja lein
Herz, sie wissen ja nicht, wies eg- hier
drinnen qliiht und brennt —— seht, wie
ich zu den Heiligen bete!«
»Kathleen!«
Doch bevor der entsefte Priester es
rerhindern tann, hat ie den Rosen
tranz vom Gürtel gerissen. Mit wil
dem Fluche schleudert sie ihn den Ab
hang hinunter. -
Dann wirst sie sich iiber den Leich
nam und umtlammert ihn.
»Der Tod soll uns nicht trennen —
nein. nein —- Larry —- ich bleibe bei
Dir!« Mit übermenschlicher Kraft
cnstrengnn« hebt sie ihn empor und
hält ihn au recht in den Armen. »Hm
nb, hinab!« Ein Augenblick und die
schwantenden Gestalten rollen hinab in
den gurgelnden Strom. dem sich unter
ihrem Fuße lösenden Gerölle nach.
Da rei t sie ein mächtiger Arm zu
riick.
«Kathleen!«
»Vater, Vaterl«
Und weithin dringt der gellende
Schmerzensschrei —- tveit, weit —-· bis
er erstirbt in der unendlichen Ferne der
stummen, theilnahrnslosen Natur.
·- - s
Voll Mitleid nimmt Norals QMeilln
kan weinenden Knaben auf den Arm
und wischt ihm mit den harten, bran
nen Fingern die glänzenden Thriinen
ron der Wange. Aber plötzlich malt
sich das größte Erstaunen in dem von
tausend lleinen Runzeln durchsnrchten
Gesicht. Was ist das? Zauber? Blend
werl? Sind die letzten dreißig Jahre
ihres Lebens nur ein Traum? Das ist
ja Hatold Norton, derselbe Knabe,
dessen Wärterin sie gewesen. Mit welch’
schwarzem Undant doch seine Eltern
. ihr die schlaslosen Nächte und all’ die
lMiihe gebt-nd welche ihr jahrelanger
Dienst au Castle Glena mit sich ge
bracht.
s Und während der lleine Tirn jauch
zend nach der nickenden Spitzenkrause
ihrer haube greift, weben sich schnell
in diesem einen turzen Augenblick die
Fäden der Gegenwart und Ver angen
heit zusammen zu der verhängn ßvollen
Grund-nasche seines Geschickeg.
Argwohn und Verdacht werden le
bendi in Not s grauem Haupte. Ja,
Rath een Ost n hat es schon ali
Lathleen O’Donnell besser gehabt als
die Anderen im Dorfe. Neidisch
schweift ihr roth umrandetes Auge
durch den kleinen Küchenraurm Ein
mit Blumen gedeckter Tisch, und auf
der blanlen Zinnschiissel Schinten und
Eier, und daneben ein großes Weizen
brodl Welche Verschwendung. Und
sieh! Aus dein Lehinboden ein glänzen
des Silberstiick. Ha, wer in dieser Zeit
des allgemeinen Elends und der Noth
über solche Schätze verfüqt, der muß
besondere Hülssquellen besitzen
Aber nicht viele Minuten bleiben
Norah, um ihre Schlüsse zu iehen.
Bleich und scheu, als schäme ie sich
ihrer boshasien Betrachtungen, zieht sie
sich in die Ecke zurück.
Sie tragen ihn herein, den Erschla
genen, still und stumm, init ernsten,
diisteren Gesichtern, wie betäubt von
dem schrecklichen Ereiniszx nur Kath
lken giebt sich ganz i rem wilden, an
Wahnsinn grenzenden Schmerz hin.
Sie llaqt den Himmel, die Heiligen
en, daß sie es haben geschehen lassen,
das Entsetzliche, das Grauenvolle.
Wirt hängt ihr das schwarze Haar
um das marmorbleiche Gesicht, und die
Hand drohend erhoben, schreit sie:
«Rache, Rache!« Sie muß ihn finden,
ibn vor Gericht fordern, ihn, der das
Blut ihres Larry veraossen, der sie
zur Wittwe gemacht hat· Er ist ein
Gualanden ein Protestant; Alle, Alle
müssen sie weggesegt werden vom iri
schen Boden.
,.Rache, Rache!« widerhallt es in den
Herzen der Umsiehenden.
3.C.apitel.
Groß und golden schwebt der Mond
cm tiefblauen Abendhimmel.
Auf der Veranda von Castle Glena
steht Sir Harold Norton neben seiner
schönen Gemahlin, an die Brüstung der
ringsum laufendenGallerie gelehnt.
Wie glücklich sich Miriam fühlt, nach
den rauschenden Vetgnügungen der
großen Welt sich hier des Stilllebens
erfreuen zu lönnenl Jetzt erst scheinen
die wahren Flitterwochen zu beginnen,
kenn während der Hochzeitsreise in
Frankreich und Jtalien und während
der Saifon in London hatte der Gotte
lnum Zeit gefunden, sich ihr so zu wid
men, wie sie es gewünscht. Es war ge
trsisz nicht seine Schuld, ganz gewiß
nicht, aber traurig hatte es sie doch
recht oft gestimmt. Nun sollte es schon
anders werden!
Mit Wonne schweift ihr Blick über
die mondurnglänzte Landschaft, den
See mit seinen Jnselchen, den Fluß
der sich wie eine silbergeschuppte
Schlange wischen den beiden Gütern
windet. Ganz deutlich ertennt sie die
lieine Holzbrücte. welche Sir Harold
lürzlich hat bauen lassen gerade da,
wo der Fluß sich einengt. Jetzt innn
se :n wenigen Minuten hinüber nach
lchtle Date, ohne dasz sie durch das
Dorf zu gehen braucht.
Wie gütig und aufmerksam von ih
rem Gemahl!
Alles stillt Kein Lüftchen regt lich
—- die Vögel selbst sind zur Ruhe ge
gangen —- nur über dem Gipfel des
Lidlerberges, der sein nacktes-, sviies
Haupt in den woltenlosenAbendhiinmel
streckt, leeisen zwei Adler.
»Sie suchen gewiß ihre Jungen,«
i::,t Fliiriam »ich finde es so grausam,
dcs; man sie ihnen raubt.«
»Es ist die Gefahr, welche reizt, '
en. «gegnet Sir Harold mit dem ihm
igenthümlichen gleichgiltigen Ton in
der Stimme; »ich habe als Knabe ja
selbst der Versuchun, nicht widerstehen
lonnen und den Fel en mehr als ein
mal erllettert.«
»Ja, ich erinnere mich dessen;
e neå der Dorfmädchen hat es mir er
Zählt: aber ich weiß, Du bist immer
muthig und trotzest Schwierigkeitenf
Mit Bewunderung und Stolz bangt
ihr Blick an ihm
Wie sehr hatten die Freunde und
Bekannten Sir Harolds versucht, ihn
durch Vorstellung der überall drohen
den Gefahr von einer Rückkehr in die
Heiinath abzuhalten Nein, nichts ver
mochte ihn in dein einmal gefaßten
Entschlusse wankend zu machen.
Miriam war durch den vor einiaen
Jahren erfolgten Tod ihres Vaters
alleinige Erbin von Caftle Dale und
ten umliegenden Ländereien geworden.
th, so weit das Auge reicht, gehört ihr
der Boden: aber es bedarf der persön
lichen Anwesenheit des Besitzer-, um
die Neigung der Pächter zu gewinnen.
Oalsstarrig weigern sie den Pachtzino
z: zahlen, was hilft da der große Besitz
an Land?
Miriani glaubt fich von ihrem Gab
ten geliebt, denn wie lonnte das un
schuldsvolle, der Welt unlundige Mäd
chen ahnen, daf; nur ihr Reichthurn den
tsiasirten Welttnann gelockt· ——-- Sir
harold versteht eg ja meisterhaft, feine
innere Kälte durch viele die junge Ge
mahlin blendenden Aufmerlsainleitert
zu verbergen. Für Mir-am ist Sir
Oarold der Inbegriff alles Guten und
Schönen, ein Mann ohne Flecken und
Tadel, wie er sich nur in dein Gehirn
einer unerfahrenen Frau spiegeln kann.
»Harvld,« sagt sie, sich an ihn
sitt-nirgend und ihre weier Hand auf
die feine legend, »wir müssen recht gut
fein und unser Glück auf unsere Um
gebung ausftrahlen lassen. Morgen
machen wir den Anfang und besuchen
unsere Pächter und ihre Arbeiter. Und
wo es Noth thut, da lassen wir frisch
aufbauen. O, wie mich der Anblick des
Elendes und der Armuth schmerzte, als
ich diesen Morgen durch das Dorf ritt!
Viele der Leute hausen ja, als wären sie
Thiere. Die armen, bedauernswürdi
gen Menschenl«
»Schwärmerin,« lachte Sir harolr,
Jerne sie kennen, diese Leute! Faulem
Her sind es und Truntenbolde. die sich
von den Prietern und den Wühlern
aufwiegeln la en.«
»Nein, nein, ich liebe die Jrliindee,«
entgegnet sie warm, »meine ganze
Sympathie gehört dem armen Polt
Sieh doch nur, welche Wohnungen’
Jtt es da ein Wunder, daß sie die
Schiinien aussuchent Müde von der
Tagesarbeit tomnien dieMiinnet heim:
was erwartet sie? Ein vereäuchertet
Raum voll schreiendet Kinder-, taum
ein Bläschen, wo sie der Ruhe genießen
lönnen.«
»Du wirst an diesem poetisch schönen s
Abend doch wohl nicht politisitcn wol- -
len, Miriam.«
»Nein, gewiß nicht,« versetzte sie N
lachend, »aber —-« »
»Nein Aber — tot-nn, singe mir zur (
Harie.« -
Sir Harold kennt seine Gemahlin
Und weiß, daß er sie mit dem Aus
spruch seines Wunsches beglückt. Wie :
leicht ist eH ihm, diesen Abend den lie
benswürdigen Gatten zu spielen. Es
ist ja noch iein Gast auf Casile Glena,
mit dem er sich beim Billard oder Kak
tenspiel vergnüan kann.
»Geliebter«, entgegnet sie, im über
strömenden Gefühl der Dankbarkeit di
beiden Arme um«ihn schlinqend, »soll
ich Dir Kathleen vcn Killarnen singen?
Du weißt doch, das hübsche Lied von
Thomas Moore:
- « wu from satt-leer« eser do its-.
Iw- 0t most unlmly dine."
»Gewiß, gewiß,« erwidert er zer
streut, die Augen aus den See gerichtet.
Jhm ist, als tauche aus dem silber
sprrihenden Gewiissek eine Gestalt
empor mit bleichem Antlitz und korn
blumenblauen, schwarz bewimperten
Augen.
Ein Schauer- iiberrieselt ihn.
»Die-, ist der schönste Abend meines
Lebens,« sagt Miriaxm indem ihre
Finger Tiber die goldenen Saiten sah
ren.
Bei den vibrirenden Klängen schaut
er sieh plötzlich uni.
» Sir Hatold hat Mitiam von ihrer
Kindheit an qetauntx die Eltern hat-en
Beide fiir einander bestimmt nnd ohne
gindernisse iit dic- reist-e Erbin seine
emahlin geworxcm Jst Miriam
schön, liebenswürdig-Z Er weis; es nicht
--—- sie ist ihm gleichgstltig.
Jn diesem Augenblick aber bleibt
sein Blick überrascht un ihr t,?«ingen.
Hell fällt das Mond-licht aus vie
ccninuthige schlanke Gest-.il!, wie sie sich
an die weiße, mit Elemaris um
tcnlte Marmorsijnle lehnt. Die Strah
len haschen ijver ihr blonoeg Zaatx sie
flimmern aus dein lichtblauen ewande
und brechen sich in den goldenen
Schrauben und Saiten ver Harfe.
Es liegt ein Zauber über sie gebreiiet,
gegen welchen selbst Si: Hat-old nicht
unempfindlich bleibt
Und jetzt singt sie uiit ihrer vollen,
schönen Altstinnne das Lied Rathleen
von KilloknetH
Weithin dringt der Ton; von Fels
zu Fels trägt ihn das Echo ber- Adler
verges bis es rings-Un widerhallt.
»Kathleen,51ati,leen,« singt Miiiaim
»Kathleen, Ratt)leen,« klingt es zu
riick. Es schwebt herubsr und hinüber;
es- lommt übe-: den See tote Geistes-ie
sliistetz eH entfernt sich, um aufs Neue
an uschwellen: es wird schwächer und
leiser, bis eH in weiter, weiter sierne
verklingt gleich einen eriterbendn
Seufzer.
Sie Harold sp:in«)t lein Wort.
Warum muß Eritis-un gerade dieses
Lied wählen und vie Geister der Ver
gangenheit heraufbeschworenZ Was ist
aus der blauäugigen Kathleen gewor
den, als sie so pläzlich aus But-tin
verschwunden tot-if Sollte sie tssirtlich
ihre Drohung ausgeführt haben? Sir
Hat-old fährt sich znit der Hand Eber die
Stirn, als wollte er einen beliistigenden
Gedanken verschenchenz dann springt er
von seinem Sessel aus.
as
»So have Ich mr unsere Iloende in
Rillceney gettZiri.ni,« sank :Utieiatci,
die Harfe an die sanft lelxnexiox »wir
« Beide ganz alle-n cnnc t«j:t«tc, ohne
Angehörige.«
,,Lllbetntzeit!« schwebt Sie Hntold
auf der Zunge; ilnn ist jede Statian
talttöt verhaßt, doch unterdrückt er das
Wort und sagt schnell:
»Nun, lange wird unser einsames
Gliiet nicht währen. Morgen schon
tontmen die Gäste; ich kann nicht
sagen, daß es mir leid thut; auch Tit
mußte doch bald unser bestiintsiges Zit
sommensein la!!.!·weili31 werden«
»Es wird titl)l, H1r0!d, laß ums
hineinqetxn,« sont fie, »wenn Du es
wünschest, spiete ist init Dir Bizique.«
Mikiam spielt nieldt gern Karten,
aber sie will Immer Allei- tl)un· was-i
dem Gemahl Freude macht und ihn
zerstreut.
»Ich tauche noch meine Cigarke liice
darußen."
Und Mittam begibt lich durch die
otfenstehende Glastttiir in das on die
Vgl-»und-: stußende Gemach. Wie trau
li »
Auf oem Tische brennt die rosa ver
hän te Lampe. Ueber-all stehen -trische,
duf ende Blumen in löstlichen Gefäßen·
Neben den eitungen liegt ein Haufen
unaufgefchn ttenek Monats-hefte, die fo
eben eingetroffen sind.
Mirtam sucht die »Quaktetly Re
nten-« heraus, um tie aufzuschneiden,
tenn drese liest ihr Gemahl stets zuerst
und es ist Ihm lieb, sie ausgeschnitten
zu finden.
»Nimm Sie den Idee, Jamesi«
tagt sie zum eintretenden Diener.
»Z« Befehl, Mylad t« ent e net er.
Aber an tatt sich zu egtfeenetsng bleibt
er, die nd auf der Tbüxtltnle- Its
hen. « « eh, Mqudy, der here veschittze
ten-.
Gott«-ums Mut-)