Die Cuhaner. Slizze von Clara Billet. Es war zur Zeit. als ich in Paris des Malers Chavlin Frauen-Meint besuchte. Ich wohnte da im dritten Stock eines hauses am Qnai des Grands Auaustins. dem ältesten von der Seine umsviilten Theile von Pa ris, nahe der City-Insel ! Die hohen Fenster meines Zimmer-« schlossen ebenso schlecht, wie die Thüre, und im Winter war’s da oft grusetig kalt. Zudem ließen die Sitzmöbel in der Region der dritten Treppe viel zu wünschen übrig; trotzdem liebte ich diese Wohnung. Früh ioeclten mich vie herrlichen Glocken von Notte-Dainc,« und vom Bett aus siel mein erster Blick aus den Friedensenael der Sainietsha pelle, dieses kleine Wunderwecl fran zösischer Gothil. Vor mir aber rauschte die von Schiffen aller Art belevte Sei ne, deren herrliche Brücken ich rechts und links, soweit das Auae reichte, ver solaen konnte. ! Meine Wirthin hatte eine gewisse Aehnlichkeit mit ihrem alten Hause-— cnch ihre Voriiiae überwoaen einig-e Mängel. Sie war mit ihrem ersten Gatten in der Havana reich gewor-; den und hatte leider als wohlhabende Wittwe einen iiinaeren Mann gehet-» rathet, den zu lieben ihr ,.Verhänaniß«, war, wie sie behauptete. Nachdem er ihrsVermiiaen bis aus einen tleinen Theil durchaehracht. war das Paar nach lDer Heimath zuriidaetehrt unr hatte den Rest in jenem Hause anges· legt, dem die Frau voritand. Sie war« immer noch eine vornehme Erscheinung mit ihrem schlanten Wuchs- dein unne hleichten, dunteln Haar, seingesorrnsI ten Händen und den schönsten. schwor . zen Augen. Trauriae Armen, die aberi dann nnd wann vein Zua von Schel merei erhellte, wenn plötzlich durch den4 schweren Kummer um ihren Junge-s nichts von Mann ein toller Einfall; schoß. Da machte sie iiber diesen oderj jenen ihrer Miether eine Bemerkung die von einer scharfen Lluisassuna der lomischen Seite eines Charakter-, zeugte. Es- war fast, als habe die Ra-. tur in der jeweilig nussprudelnden Laune dieser sonderbaren Frau einen Ausgleich gesucht, um schweres Leid erträglicher zu machen. l Da ich sitr meine Mahl-reiten selbsts sorgte, wäre ich kaum näher rnit ihr in Berührung aetommen. hätte die spa nische Sprache nicht das Bindernittel abgegeben. Mir war sie damals, nach längere-n Aufenthalte im Lande mei-» net Mutter, noch aeliiusia. Die Wir-" thin aber hatte sie die länaite Zeit ih-’ res Lebens. und immer mit Vorliebe gesprochen. Sie behauptete auszer mit ihrem Papaaei und einein kleinen, wei szen SpitzeL die sie beide von der Ha vorm mitaebrncht. nur mit mir spa nisch reden Zu können. Sie suchte mich auch manchmal aus. um ihre dila: qen in dem aeliebten Rdiosn auszu strönien. Mitunter aab der Pape-ach —ein unheimlicher. rather Voqei. Ie: ihr gewöhnlich aus der Schulter saß-J sein ,,Ccs.ramb:!« dazu. während derl Spitz unaeduldia knurrte. was, wenn( es eine Meinuna ausdrückte, ebenso - am Platze war. ( So wurde ich eines Taaes Vertraute ihres Rummerg, dasi zwei junqe tin-H baner, die nach Paris aetvrnmen wa ren, um Pasteure Methode zu studi-( ren, das Itiinmer neben mir das eben leer geworden war, verschmähten llnd Beide waren ihr warm von alten Freunden Jus der Havana empfohlen worden. l »Was die Möbel anlanat,«-——setzic( rte hinzu, »so habe ich das Ueber menschliche ve sprorhen: allein die r- — then Rieaelsliesen des BodensX sse sind heute noch in eininen alten Odiu-l srrn der City Insel üblich --,,l.1eliaz.1en ihnen nicht, und die tinn ich nicht in Pataurt verwandeln Was aber jun-re Leute sind, die isn Golde nur so wuls len tönnen. die missen Euren wanan Vortheil nicht zu schätzen im Hause vertrauter Freunde ihrer lsltern zu wohnen, die neben lieber zu den Beutelschneidern rcm Boulevard, de ren Worte so alatt und, svie ihre ac wichlten Dielen!« l »Ich wußte wollt. wie schwer der armen Frau in ihrer Laae war, Süd email-mer« »die mi Golde wühlten«, ziehen zu lassen. " »Ist die Sache denn schon obere-» s. WachtP fraate im. « »Na«. s— meinte lie. — »der eine hat seine Wertlirsxxziicrr bei tnir dedu niti. wiederkommen inufi er also. Hoffnung aber hats-e ich nicht« l Ich kannte doctr ihre llederrediiiiqs » anve. I »Auf-Jeden Sie’g norli ein:uc«1«,wari ich so liin, Hunden lint lltion ait stic lwlfen!« ; Sie wurde nachdentlirn - lächelte Neu-n auf einmal schlau und sukmn u. F« »Mit-en recht!« laute sie, »ich wills i netli 'nml versuchen!« ; Tanni verlJeß si-« mich. I Mein lliaid jin-en aeniiizt zu habet-» Als ich um Abend nach Haufe tam, be merkte ich. daß zwei iunae Männer, . chmijliktine weitenan aus dein bewuß i u Zinszuzrr traten und hinter sich ab chlossm Sie waren mit einer nennt-» -- auffälligen Eleaanr aetleidet, wies reiche Südamerilaner lie gern zur » u tragen: cietiäuseth start no m isirte Haare, nrofie Brillanten als xavattentnöpfe, nnd Schnurrbärte,i kzz fgtvarz und glänzend als wären sie· "- e flilssiges Pech gezogen. Mit ils-· ten runden Koblenauaen ltairten sie mich neugierig an und müßten. ; rast-Title der Wirtin-hL die bald « um das Ueber l mens liche«, was sse hinsichtlich der Möbe versprochen, anzuordnen, und im Vorbeigehen mir die aute Nachricht mitzutheilen. Weniaer als ihr, — das merkte ich bald. -—— war indeß mir zu der Nachbarschaft zu gratuliren. Nicht daß die iunaen Mediziner sich kärmend betragen hätten.-—im Gegen theiL —- aber es war etwas anderes, das mich in ihrem Benehmen störte. Sobald ich nämlich meine Flur öft nete, sprang auch die ihre auf, mit af fenartiger Geschivindialeit traten si herau3, starrten einen Moment nach mir herüber, wobei sie entschieden ei nen Blick in mein Zimmer zu erha schen suchten, grüßten dann fliichtigt und fuhren wieder zurück. « Was im Ansana Zufall sein konnte, wurde mir lästia, als ich eine Absicht vermuthen mußte, die mir allerdings ganz unerklärlich blieb. Ich sprach daraus mit der Wirtbin davon, in de ren dunklen Auaen ich ein eigenthiim liches Zacken wahrnabm ,,Snnst ganz charmante junge Leu te«, —- entschuldiate sie. -—-— »und durchaus solid! Sie wissen ja, wie streng ich in dem Punkte bin, — aber Sude-nen —- die müssen drei sirt werden,— ich will es noch heut« besoraen.« stfenbar batte sie mit ibrer ,,Dres sur« nicht gleich beaonnen Am näch sten Moraen dasselbe Manöver, als ich mich zu Chaplin begab. Wer aber beschreibt erst mein Erstaunen, als ich Zikriiettetirte und. —- vom benachbar ten Fenster augenscheinlich durch das meine ins Zimmer geworfen, —— eine Orange finde, die aus den sie umge benden wundervollen Rosen, welche noch aus dem Fensterbrett lagen, aui den Boden aerollt war. Aus einem, mittelst einer Nadel an der Frucht be sestigtem Zettel stand tin Vers: Toma. riinn. arm rinrnnjnsiss No lng portem mn miran Ics mi com-e on etc-niesen Aus Deutsch etwa: Nimm, Mädchen. diese Avfelsine, Zerschneide sie nicht mit dein Messer, Es ist mein Herz darin. Man weiß ja, daß junge Leute-s »die im Golde wühlen«, sich manches erlauben, was andere nicht wagens würden. —- iür diese ausländischen undressirten Vöael aab’g auch Ent schuldiaunaen. Allein roie sie eine sc schlichte Person ivie n-Zch. die teinerlei’ Anlaß zu so albernen Sväßen gab, damit belästiaen konnten. blieb mir» doch unbegreiflich Während ich nochs überlegte, ob ich mich abermals an dies Wirthin, oder nicht vielleicht besser an sie selber wenden solle. vernahm ich ein leises Klopfen an der Thüre und ein Stimmenaesliister. Nähertretend uns terschied ich auch die spanischen Worte: ,.-Oessnen Sie, —— theure Senorit-1. öffnen Sie doch nur dieses eine Mal!" s Rasch machte ich die Thüre auf, dies nur von innen. oder durch einen Schlüssel von cusien aeösfnet werden tonnte. Erstaunt fuhren beide Gubaner bei meinem Anblick zurück. »Ich erwarte«, -- saaie ich in Spa nisch, da ich wußte, daß ihnen das Französische noch nicht aeläusig unr. ——,,daß Sie mir ietzt eine Erklärung sür Jbr seltsames Betraaen qeben werden. Treten Sie. bitte. ein!« Sie warsen ihr runden Feuerräder neuaieria suchend in dem Zimmer umher. »Wir haben Sie aber wahrlich nicht beleidiaen wollen« -—« stotterte der Eine. »Da ich dieses Zimmer allein be wohne, so mußte ich Ihr seltsames Entaeqentommen doch auf mich bezie sicu ,,Sie haben dieses Zimmer wirklich immer nur allein bewohnt?« fragte· der Zweite. Beide schienen sehr be« stürzt i Hier mußte offenbar ein Mißver ständnisi walten. I »Wie kamen Sie auf die Vetmul ibung, daß ich nicht allein wohne?« m--’ quirirte ich. Jn diesem Auaenblick schien ihnen ein Licht auszugeben was lich bei ib rer südlichen Lebbaitiakeit in einerns Ausbruch wilden Zorns äußerte. »Die Wirst-in ----- diese Vorspieglci rinl —— diese bosbaite Betrügerin!—--— Wir sind ja, —- Sie sind ic. ——- aber können Sie denn ver-reiben? Es ist nämlich aanz unerhört!« riesen sie zu erst abtokrbselnb in unzufainmenban genden Worten. die sie mit lebhaften Gesten kealeiteten Bald liatte ich nun den Schlüssel zu ihren Huldigungen die mir nicht qui en. Die Wirtbin, um sie an dass Zim mer niit den kalten. rotben Zieinslie im zu fesseln, hatte auf die iyr wohl bekannte Empsänalichleit ver Roma nen fiir weibliche Reize aebaut nnd ib nen erzählt, baß eine iunae »Ideal scbinbeit« das Zimmer daneben Je toobne, die aber leider von einer stren gen Duena. das war ich natürlich! — bewacbt werde, welche sie vo: sehe-n männlichen Auge sorasiiltin !,iite. Ach, -—---ich konnte mir wobl denkin mit mel cher alten Drachennatur sie bei ent Lchiedenerem Talent iiir solche Gesin ungen mich augaestatcct holt-! Die junan Leute musitc ich nach diesem Geständnisi natürlich ireisvrcs chen. Welcher iunae Mann, —-- er brauchte nicht einmal ein ro-.·ant«-.sel)er Südländer zu sein, -—- wiirde nicht den Wunsch aehaot nahm« vi· smngs bewachte, wunderbare, iunae Schon heitzu sehen? Daß eine Haugwiktbin noch dazu mit so schivkemiiihigen Au en, ihnen einen to auße-osdentlcheri t les l · ev- lonnlni sie nicht vermuthen· Blumen und Wid-f mung waren ein natürlich-s Ausdruck ihm Gefühle dem»Jdec-1« quenuoees dem sie sich zu nahen hofften, nach dem der ,,"Drache« sich entfernt. f Mir kam- die ganze Geschichte so komisch vor, daß ich Mühe hatte, den beiden Wuthschnaubern gegenüber ernst zu bleiben. Allein sie fühlten sich wirklich tief in ihrer Ehre als »Caballeros« verletzt, -—— auch hatten sie durch Schuld der Wirthin ja leider eine edle ,.Senora« fweiland Drache!) schwer beleidigt! —- — Die Sennvra vergab, allein es blieb’ ihnen immer noch die unangenehme Ueberzeugung von einem .,alten, ge schwätzigen Weibe«. — wie sie die ,,einftige Freundin ihrer Freunde« jetzt titulirten, hinter’s Licht geführt worden zu sein. Der Verlust der »jungen Schönheit«, die sie bereits angedichtet hatten, mochte ihnen auch nahe gehn. —— lute. sie schienen ent schlossen, unverzüglich ihre Sachen Zu packen und ein Haus zu verlassen, an das nur eine Hinterlist sie gefesselt hatte Der Zorn gab ihnen so drastifche Bewegungen, oasi ich bedauerte, sie nicht gleich, wie sie da standen, auf die Leinwand werfen zu können. Da von ließ ich natürlich nichts merken, bat sie dagegen, die Geschichte so harmlos aufzufassen. wie ich selbst. Jm leichtlebigen Paris dürfe man sol che Späsze nicht gleich tragisch nehmen« Die Wirthin verdiene allerdings einen strengen Tadel, ein veriides Mittel ge braucht zu haben, sie zu gewinnen allein sie dürften nicht vergessen. wie theuer ihrem Herzen alle wären, die Spanisch redeten, und wie hier das Andenken an alte Freunde den Wunsch verdoppelt hätte, sie unter ihrem Dach zu sehen. Möglicherweife würde sie ihnen, nachdem der Zweck erreicht, die List selbst eingestanden haben. Uebri gens diirsten sie nach meiner Erfah rung überzeugt sein, das-. sie, so sehr der Schein im Augenblick auch gegen sie sei, gefchäftlich nie von ihr über vortheilt werden würden. Bei ihrer Untenntnisk der Pariser Verhältnisse sei das nicht zu unterschätzen Sie sahen sich an. ——- etwas- verwun dert augenscheinlich, daß ich die eigene Beleidigung so leicht nahm. Die Rede schien indeß ihre Wirkung nicht ganz zu verfehlen. Sie kamen schließlich überein, vor der Hand noch wohnen zu bleiben, während sie in ihrer hiloer reichen Sprache der ,,Hoffnung Raum gaben, daß der Tag einst dämmern möge«, an dem sie mir ihre Dankbar teit fiir den guten Rath beweisen tönns ten. Ich gab darauf nicht viel, worin ich wohl unrecht hatte. denn dieser Tag sollte wirklich, und zwar recht bald ,.dämcnern«. Ein schirsülcr Augusttaa war’s, an dem mich aber nicht die Sonne, son dern die Pflicht im hause hielt. Jch hatte einer Kameradin versprochen, mein Urtheil über ein blondes Modell abzugeben, raS ihr empfohlen war· alls sie mir ihrem Zweck entsprechend erschien· sollte ich sie gleich für meh rere Sitzungen verpflichten. Die hüb sche, hlonde Frau war mit ihrem drei iiihrigen Töchterchen aelommen, einem siisien kleinen Vutteh in der Hoff nuna, dasz man dieses mit ihr zugleich verwenden lönnr. Ich nahm nun die Adresse und freute mich dabei am Ge pappel des Kindes. dessen Bäckchen die Mittags-Hitze besonders start gefärbt hatte. Kurze Zeit nachdem Mutter und Kind mich verlassen, aellte ein furcht bares Geschrei durchs Haus-, das-. alle anwesenden Miether an ihre Thüren ries. Die Wirthin, welche einSchiVätZ chen liebte und mit einem sraniösischen dorlieb nahm· wenn’s kein spanische-S sein konnte, hatte beide beim Herrin tcrgehen anaesprochen, um der Kleinen, wie sie sagte, ihren Pavaaei zu sei-— gen. Bei der Unterhaltuna, in die sie mit der Mutter aerathen, hatte das kleine Mädchen, da der Vavaaei Zum Sprechen nicht aufaeleat, angefangen, den Spitz zu necken. Verstand das verwöhnte Thier keinen Spaß,— hatie sie zu derb znaeiasit, -—-— man wußze nut— daß der Hund sich plötzlich ge wandt und das Kind in die Hand ge. bissen hatte, man konnte auf der weissen Haut deutlich die sbitzen Zähn cten sehen, —-— nur ein einziges hatte die Haut durchbissen Und tin Tröpf chen Blut verursacht. —- ein winzi ges Tröpfchen nur! Was aber konnte an dem heißen Taae, wo keinem Hund zu trauen war, ein solcher Biß nicht nach sich ziehen! Noch lauter als der Schmerz des Kindes war die Ver zweisluna der blonden Mutter. die an diese Folgen dachte. Und als wolle der Sin den Verdacht rechtfertigen, den er sogleich aus sich aeioaem lehrte er einein Napf mit Wasser, den ein um sichtiaer Mitbewobner iknn alsbald vorgesetzt, trotzia den Rücken. Vergebens erklärte die Wirthin, daß ihr geliebter »amiao« nicht nur in den Hund-Staqu sondern selbst im kälte sten Winter dieselbe Wasserscheu schon gezeigt habe: man alaubte ihr nicht, besonders als das Thier. das seinen Vortljeil nicht begriff, auch eine Tasse mit fetter Milch verschmähte. Jetzt stand es fest, --- der Sin war toll; mehrere Mietber oersicherten nun auch, daß der Hund ihnen länast verdächtiq voraelommen wäre. Der tleine Mo All-Engel war sein Opfer geworden, ——und die unalijaliche Mutter bekam sast die Kräcnvfr. l »Wo sind die Cubaner. diese Illin aer Pasteur5?« war meine erste Frage aewesen. »Sie müssen soaleicb von Vesour im· Palais Nonal zurück kommen, wo sie täglich srühstiiclen«, sagte die Wirthnn ...u-..;..», — sk« «. ·». Selbst in diesem entsetzlichen Augen-s blick, der sie ihres unvergleichlichen ,,amigos« zu kerauben drohte, ließ sie die Gelegenheit nicht vorübergehen, mit Miethern zu renommiren. die eins der feinsten Pariser Restaurants besuch en. - Sie bat mich übrigens mit bewegter Stimme, die Verhandlung mit demzu-l banern einzuleitm Seit ienen phan stasievollen Versuchen, diese an ihr Haus zu leiten. hatte eine rechte Ver traulichleit zwischen ihnen noch nicht wieder Platz gegriffen. Gern unter zog ich mich diesem Verlangen und muß bekennen, daß die guten Men schen ihr Versprechen glänzend hielten.« Mit jener ritterlichen Emporkommen heit, welche die Romanen den Frauen gegeniiber so gern zur Schau tragen, suchte der Eine vor Allem die unglück-4 liche Mutter in seinem schlechten Französisch zu trösten. Der Andere aber hatte schnell ein aut Theil von den Süßigkeiten, — Turon, über zuckerte Orangenblüthen u. dergl.,— welche sie bevorzuatem aus seinem Zimmer geholt, um sie der kleinen Verwundeten in den Schoß zu wer fen, die sie strahlend in Empfang ge nommen. Beide erklärten hinsichtlich des Spitz ,,amigo«, daß sie allerdings den fürchterlichen Verdacht der übri gen Laugbewohner nicht theilten, ihre Meinung indeß Niemand ausdringen wollten. Darüber solle ihr »cher Mai tre Pasteur« entscheiden. . Sie hatten, um die Stunde nicht zu versäumen, zu welcher er jeden Nach ntittag in seiner Anstalt zu treffen war, sofort einen Lohnwagen holen« lassen, den sie selbst aewöhnlich benutz ten. Die Mutter, das Kind auf dein Schoß, wurde in den Fonds gesetzt,k während sie mit dem für weitere Bisse unschädlich aemachten Delinguenten auf dem Rücksitz Platz nahmen. Das ich neben der Mutter die Karawane begleiten mußte, war mir zuerst ent setzlich. Doch hatte diese so dringend gefleht, sin in der siirchterlichstenStun de ihres Lebens nicht zu verlassen, daf: ich es nicht abschlagen konnte. Diese Stunde aber, wenn ich ietzt zurückden te, faßt eine der schönsten Erinnerun« gen meines Lebens in sich. Sie hat mir nicht nur die persdnliche Bekannt schaft eineg großen Gelehrten, sondern auch eines echten Menschenfreundes verschafft, der Vasteur fiir alle war, die näher mit ihm in Berührung ta men. Der Spitz, den Kopf in einem klei nen Sack von Leinwand. da leider die Maullörbe in Paris nicht, wie da mals schon bei unH, obligatorisch wa ren, auf-J Höchste empört über die un wiirdige Behandlung, wurde dem arti ßen Manne iur Eonsultation vorge stellt. Obgleich von diesem fiir »vor augsichtlich harmlo5« erllärt. mußte er doch sein Verbrechen an dem unschul digen Kinde durch eine längere Qua rantaine im Institut Vasteur büßen. Er tehrte von dort mit seinem guten Namen, alg ,,arnigo,» — Freund des Menschen, — aber auch entsetzlich ab gemagert, zurück, welchem Uebel seine Herrin, nicht tu seinem Besten, bald wieder abgeholer hat. Ver Preis. l VonB.Wi1:io.1kr-. I Gerade in dekn Augenblick, alH iiei aus dem Hause traten, fan eg an zu! regnen. Der Vater blickte prüfend zum Himmel anf. »Das wird ein tüch tiaer Platzeeaen«, sagte er. »Wir wer-· den also wohl für l)ente sinf unferenj Waldspariergang verzichten m«üssen.«» Karl nnd Kurt« die Zioillinge, zu weilen auch nicht qanz ohne Grund Max und Moritz nenannt, machten ent täuschte Gesichter· »Es hört gewiß gleich xdiedrr anf«, meinten sie, indem sie ilehenrlnkxe Miete zu den schwarzen Wesen hinausfahr ten. Aber der Himmel blieb 1:ncidittliis."7·« Immer dichter fielen die Tropf-s . Bald waren es ichon keine Troser mehr; in dicken, karchiichtiaen Iazen itrörnte das himmlische Nerli Herniedeh Die beiden kleian Mädchen die teil den ersten fallenden Tropfen in ihre-it weißen Sonntaaglieidchen auf der Straße umhergesprunqen treuen und" gesungen hatten: »Mairegen, renne anf mich, Dann wachi’«icl,sl« flüchteten schnell in day Ham- gegen-— über. . Karl vergaß die Gegenwart seines Vaters nnd rief ihnen laut iiher die Straße nach: ,.-T-,,«in:ne Llfsen« Tets Vater nahm ihn naa)»):i. klijh ani- schr« uno male verwin i.:) «Hni, Jnn e Man aiebt netten lieu n Jtiiltchen doch keine Schimrfikunein sich de:1ie,; Lotte und Käiiie find Eur-: Freundin-· nen?« i »Nicht mehr«, antwortete sinkt. »wir haben Streit Wir rnijqe n Überhaupt nicht inebr niit Märchen spielen « tlndi da in diesem Augenblicke die bist-In niedlichen Schwesterchen noch eis. .nu"l binaujfchauiei., streckte ei inm: lang die Zunge heraus Tei- Vater verad F reichte ilnn den wohlverdienten til apS, « schob seine lbeiden lioffninqgvollen Sprößlinge ins Haus zuriick ian schloß die Thür. i Nun ging das Klagen an. »Was sollen wir den ganzen Morgen anfan gen? Gehen Wir, wenn der Regen; aufhört?« «Nein«, iaate der Vater, am heutc I aen Morgen nicht mehr, denn es ist jetzt im Walde zu naß. Vielleicht am Nach mittaae wenn ler artig seid. « Die Mutter kam aus der Küche, die sie heute besorgen mußte, da das Mäd eben Kirmeöurlaub hatte, und zog den Widerstrebenden die keinen weißenl Blousen aus und die blauen Sehen-I bloufen an. »Achte ein wenig aus die Jungen, daß sie keinen Unfug machen«, sagte sie zu ihrem Gatten, der an feinem Schreibtische Platz genommen hatte, nicht unzufrieden darüber, daß Ost plötzlich eingetretene Regen ihm eine unverhoffte Muße zur Erledigung ei niger dringender Briefe verschafft hat te. Karl und Kurt öffneten zunächst ihre Botanisirbiichsen und verzehrten mit wahrem Heißhunger die Butter brote, die die Mutter ihnen für den Spaziergang mitgegeben hatte. Dann schleppten sie ein paar Stuhle ans Fenster, knieten darauf hin und wisch ten mit ihren Blonsenärmeln, da Ihnen« die reinen Taschentiicher zu schade wa ren, die befchlasgenen Fensterscheiben ab. Draußen goß es noch in Strö men. Die etwas abfallende Straße» herunter rannen an den Bürgersteigenl entlang rauschend und glucksend gelb liche Bäche. Auf der anderen Seite der Straße am gegenü·berliegenden Fenster er-H schienen jetzt Käthe und Lotte und schauten gleichfalls dem Spiele der Wellen zu. Zum größten Aerger der Zwillinge hatten sie noch ihre weißen. Kleider an. Da ihnen augenblicklich lein anderes Mittel zur Verfügung stand, um den Mädchen ihre feiiidseli-i ae Gesinnung darzuthun, schnitt-en sie ihnen die fürchterlichsten Fratzen, bis sie bemerkten, daß ihre Kundaebung falsch aufgefaßt wurde nnd nur dazu diente, Lotte und Käthe zu amiistreirs Das fekslte auch noch! »Weißt Du was«, schlug Kurt dein Bruder und Gesinnungsgenossen sliifternd vor, »wir gehen auf die Straße und pat schen durch das Wasser Dann ärgern! sie sich«« Der Plan fand den verdienten Bei-i fall. Gerade als der Vater ,,init vor ziialicher Hochachtung« seinen ersten Brief beschließen wollte, lenkte das Schlag-en der Hausthiir feine Aufmerk samleit vom Schreiben ab. Er wurde sich einer beunruhigenden Stille im Zimmer bewußt, und im nächsten Augenblick hörte er schon die Stimmen seiner Söhne draußen auf der Straße: ,,.5)«cih, das dürft Ihr nicht! Hah, das dürft Ihr nicht!« Aufspringsen, durchs Fenster blicken, auf die Straße stürzen, und die beiden mitten im schönsten Wasservergniigen ftrsren und ihnen dazu noch ein paar Ohrfeigen versetzen — das war alles das Wert der nächsten Minuten. Die Fortsetzung Strumpf- und Schuh tvechsel,Strafprediat und Ermahnung, beforate vie auf das Jammergeschrei der Junan bestürzt herzueilende Mut ter. Nach ein paar Minuten erschienen sie in etwas abgetijhlter und herabge dructter Stiininuna wieder inr Zim mer, sehr in ihrer Würde gekränkt, weil die Mutter ihnen Pantoffeln an gezoqu hatte. Pantoffeln am Sonn tag Morgen an dem sie sonst immer die hohen Stulpstiesel trugen —- das war unerhört Was sollten sie nun beainnent Der Platz am Fenster war ihnen verleidet, i da sie bei dem rücksichtslofen Erschei nen ihres Vaters auf der Straße und bei seinem wenia höflichen Benehmen ein schadenfrohes Gelicher aus dentl feindlichen Quartier zu vernehmen ges-. alausbt hatten. I »Wenn Jhr jetzt nicht artig seid, so habt Ihr den ganzen Tag Hausaris rest«, saate der Vater streng, »und wir machen auch heute Nachmittag teincnl Spaziergang, und wenn das Wetteri noch so schön wird Stellt doch malt Eure «-oldaten auf!« »Die lonnen alle nicht mehr stehen und lieqen im Lazarethf »Dann nehmt ein Buch und lest eine» Weile. « Auf dem Tisch lag der Robinsvn i Kurt und Karl ariffen zu rleicher Zeits nach dem Buche. s » ich will den Robinfon haben.« i »Nein, ich!« i Kurt riß Karl das Buch aus der Hand, Karl versuchte es wieder in sei nen Besitz zu bringen. Der Bruder wehrte sich, indem er den Rohinson ais Waer benutzte. Pisf, pass, schlug er dem Walfenlosen das Buch uin die Ohren. » Karl, nicht faul, zog einen Pantof fel aus und ehe der Vater herzusprinss aen konnte, war die schönste brüderliche; Priiaelei im Gange. l Nicht olyne Mühe gelang es il)n!,s die Känivsenden zu trennen. s »Zum Kuckuck, wenn Ihr jetzt nichts ruhia seid«, donnerte er. Dann griff er nach dem letzten Rettrrngganler »Spielt doch eine Partie Halina. Dann seid Ihr beide beschäftigt.« Sein Vorschlag wurde genehmiat, Karl holte das Spiel und stellte die Figuren auf. »Um was sollen wir denn spielen?« fragte Kurt. »Müs;t Ihr denn dabei immer et wag gewinnen oder verlieren?« ent geanete der Vater. »Spielt doch uin die thre.« »Nein, dass thu’ ich nicht«, erklärte start, »als wir gestern um die Ehre spielten und sturt gewann, da lsat er mich gehauen, weil er nichts helarn M« »Und er hat mich gepriigelt, weil ich ilnn Von meinem Gewinne nichts a»baa«l)«. unterbrach ihn Kurt. Zu ihrer Ehre muß aesaat werden, daß sie stets alles-, wag sie besagen, redlich theilten. »Dann werde ich Euch wohl einen Preis aussetzen müssen«, sagte der Va ter lächelnd. »Wer gewinnt, der soll et was bekommen was mir in meiner Jugend als das Schönste und Beste er schtm, was ich mir nur wünschen konn leichtem »Ya- Mk nur «- --«-«-«s,st konnte. Jch hätte mein-Leben einge setzt, um es zu gewinnen Jch habe Tag und Nacht gearbeitet, um es zu erlangen, und habe schließlich filr mein ganzes Leben mehr als die Hälste mei nes Einkommens verpfändet, um es zu bekommen« Die Jungen hatten mit großen Augen und offenem Munde zugehbrt. Es war ja unglaulblich, was der Vater ihnen da versprach! »Was ist es, Ba ter?-« fragten sie neu-gierig. »Das werdet Jhr nachher schon er fahren. Ihr bekommt es aber nur, wenn Jhr mich kein einziges Mal mehr im Schreiben stört.« »Kann man es theilen?« »Theilen wohl nicht, aber verdop veln.« Der Vater kehrte an den Schreib tisch zurück, und die Zwillinge der tieften sich in ihr Spiel, von Zeit zu Zeit eifrig miteinander flüsternd. »Vater, dürfen wir mal etwas fra gen?« hieß es nach einer Weile. »Nun?« »Du sagtest: in Deiner Jugend! -—— Würdest Du jetzt auch noch Dein Le ben dafür einsetzen?« Der Vater lächelte. »Ich kann es jetzt jeden Tag haben, ohne daß etwas Derartige-s von mir verlangt wird.« Natürlich! Väter können ja alles haben, wag sie wollen! Sie haben ja Geld genug Karl stieß Kurt mit dem Ellenbogen. ,,Vielleicht ein Zweirad«, meinte er flüsternd Das war das höchste Ziel seiner Wünsche-. »Nee, das gab’g noch gar nicht, als der Vater jung war«, entgegnete der Bruder. »Das kostet auch zu viel Geld. Da kennst Du Vater schlecht Vielleicht eine Tafel Choiolade.« »Die kann man doch theilen.« »Aber verdoppeln ist besser.« Das Spiel nahm seinen langsamen Verlauf. Ihre Gedanken waren zu wenig bei der Sache. Der geheimnisz volle Preis gab ihnen zu viel zu rathen «n; »Für eine Tafel Cbotolade brauchte er doch nicht Tag und Nacht zu arbei ten«, begann Karl die Unterhaltung aufs neue. Kurt machte eine überlegene Miene. »Vater war ja ein ganz armer Junge. Das hat er unH doch erzählt. Ost hat te er nicht mal Mittagsessen Erst seit dem er sbei uns ist, hat er es gut ge ba«bt.« Dann vertieiten sie sich wieder in ihr Spiel. Es war ganz still im Zim mer. und der Vater konnte in unge störter Ruhe seine Vriese schreiben. Endlich ein großes Freudengeschrei: Kurt bat gewonnen! »Nun macht noch ein Spiel«, schlug der Vater vor, »damit Karl sich auch den Preis redlich verdienen tann.« Wieder eine Zeit lang hörte man nichts alizs das Gleiten der Feder auf dem Papier und das Geräusch des Halni«.isoieleå. Schließlich trug Karl den Sieg da vor-. Mit erwartungsvollen Gesichtern standen die Knaben Vor dem Vater. ,,Vekkmn:rn wir es nun?« »Ihr müßt zuerst die Mutter ru fen«, sagte der Vater schmunzelnd, in dem er befriedigt den letzten seiner Brieie mit der Adresse versah. Die Jungen stürzten in die Küche. »Mama, komm schnell herein«, schrien sie durcheinander, »wir bekommen et was —- daLs Schönste —- das Beste — Vater bat gesagt«, und sie zogen die Ueberraschte ungestiism mit sich fort. »Hier ist sie, Vater-! Was bekommen wir nun?« »Was ich Euch versprckchen habe. Das Schönste, was ich mir in meiner Jugend wünschen konnte, das höchste Ziel meines Hoser und Strebens, das-, wofür ich Tag unsd Nacht gearbeitet habe — einen Kuß von Mama!« Kurt und Karl sollen ein wenig ent täuscht gewesen sein· Erst nach vielen Jahren, als Lotte und Kätbe nicht mehr in den Mairegen laufen brauch ten, um zu wachsen, als Karl und Kurt aus der Straße den Hut tief vor den beiden hübschen Schwestern abzogem statt iltnen Frahen zu schneide-n, haben sie verstanden, warum die Mutter dem Vater ohne weiteres denselben Preis gab, um den sie zwei Stungen hatten Halma spielen und still sitzen müssen. --—-.(-.---.— Ante gewinnen -;,".· Nicht, wag wir erleben. sondern wie wir empfinden, wag wir erleben, macht unser Schidsat aus. « Ik II Es gäbe keine Geselliateit, alle Fa milienbande würden aelockert, wenn die Gedanken der Menschen ans ihrer Stirn zu lesen wären. di- sk It Wenn mein Herz nicht spricht, dann schweigt auch mein Verstand, sagt die Frau. H- Ilt Its Schweige, Herz, damit der Ver stand zu Worte komme-. sagt der Mann. II I An Rheumatignien und an wahre Liebe glaubt man erst. wenn man da von beiallen wird. » Marie v. Ebner Escssenbach « —- ,,Jn einem kühlen Grunde -— . Lehrer (in der Singstunde den Text des von der Klasse aesunaenen Liedes ertlijrend): »Nun, was war »das wohl für ein Ring, von dem der Dichter hier sagt: »Das Rinqlem sprang entzwei -—?« —- Dee kleine Beistelstem (dessen Vater uwelter it : XI wird stian