Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, September 02, 1898, Sonntags-Blatt., Image 12

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    ssssssssss
fDie If lurlJ k. Ei
Roman von Ida Bots- Ed.
W
I
Maiwurm-) :
»Was ich, mit Erlaubniß zu sagen,
furchtbar dumm sinde«', antwortete sie
lebhaft. »Als ob die Arbeiter nicht
längst wüßten, daß ich bloß die arme
Phöbe Grabowski bin und gewiß tein
Portemonnaie voll Geld in der Tasche
lssabr. Und überhaupt, wer sagt denn,
daß Diebe darunter sind, die einen an
fallen: »la bourse ou la vie?!"
Sie lachte, zog ihr Portemonnaie
cus der Tasche, öfnsete es und hielt es
Adrian unter die Nase.
»Da, drei Nickel und zwei Pfen
ninqe«, sagte sie und lachte.
Er sah wohl ein« daß er sie bei ihrer
Aufforderung der ergangenen War
nung lassen müsse. Das Wetterleuch
ten eines Lächelns zog über sein Ge
sicht.
»Na, aus etwas höher als zweiund
dreißig Pfennig hätt’ sogar ich Sie
taxiert«, sprach er.
»Wenn Sie doch schon mal da sind,
beler Sie mir,'« bat Phöbe. «Wenig
stens dreißig Pflanzen muß ich haben
sitr mein Beet.'«
Er sing sogleich an, mit seinem
Stock in der Erde berumzupurren, nnd
gäselrnte sich dabei recht weit von
O c
»Adrian,« rief sie nach einer Weile
hinüber.
»Was ist denn schon wieder?« ries er
zurück.
»Ich will anen was sagen.«
Er kam heran. Sie kniete vor ihren
Körben, hielt die Stirn tief geneigt
und legte sorgsam Pflanze neben
Pflanze aus den Sand, der die Körbe
bis zur Hälfte füllte.
»Adrian, wenn man hier den Jam
mer mit dein Sandbaden sieht —— es
sind doch gewiß an dreißig oder vierzig
Morgen. . . .«
»Vierundsünszig,« schaltete er ein.
»Ja, dann stellt man sich vor: wenn
die tultiviert würden! Mit Luvinen, .
mit Kainit, mit Thomasschlacke, und
wie all der Kram heißt,« fuhr sie fort.
»Ja, vorstellen kann man sich das »
schon. Aber das kostet ein mordmäßi
ges Geld,« sagte er betrübt.
»Ich weiß, wie Ihnen und Callasg
koraen auszuhelfen ist,« sliisierte fre.
»Das weiß ich auch: mit Arbeit,
Arbeit und nochmals Arbeit und Ge
duld, die gehört auch dam.«
Er ließ sich im Sande nieder,
svreizte die langen Beine aus unv ver
schränkte die Arme über die Brust. lfr
nackte Phöbe nicht an und sprach voll
innerer Bewegung weiter:
Manchmal denk’ ich so: schön ist eö
ja nicht, so’n ganzes Männerleben
dran zu wenden, und die Karte wieder
aus dem Sumpf zu ziehen, wohinein
sie die Vorfahren geschoben haben.
Aber dann hab’ ich wieder Stunden.
wo ich mich lolossal glücklich dabei
siihle. Das ist doch erst so recht was,
wenn man alle Tage sieht, wozu einem
der Herrgott die Fäuste und das bis
chen Grüße im Kopf gegeben hat! Da
mit man sie braucht, Phöbe! Na, ich
denke, ich brauche die meinen gehörig.
Es ist ja auch ein Vorwärtskommen
Aber so wenig, so langsam. Und
manchmal denk’ ich ein bischen weniger
Sorge hätten Vater und Großvater
mir hinterlassen können —- bloß ein
bischen, damit ich mal auch ans Glück
hött’ denken tönnen.«
Er seufzte schwer.
,.Adtian,« sagte Phöbe ganz leise,
während Thräne um Thriine über ihre
Backen rann. »Sie sollten doch eine
· reiche Frau heirathen.«
»Was soll ich?« rief er empört und
sah sie starr an.
»Ich meine nicht ums Geld, gewiß
nicht allein um das. Aber wenn es sich
nun so trifft, daß eine, die Sie liebt,
gerade viel Geld hat, und daß diese
eine gerade die Beste, Schönste, Herr
lichste ist, die einzige, die Ihrer werth
ist,« sagte Phöbe weinend. Jhr war
zu Muth, als habe sie Schuld an allem,
an Adrians Armuth und daran, daß
er reich heirathen solle.
Unter ihren Worten herum-me
Adrian sich wenig. Er nahm Hände
tiolI Sand aus und streute ihn seit
wärts hinaus wie ein Säemann——:1a"
Etillsitzen vertrug er nie, wenn er auf
geregt war.
»Unsinn,« sagte er barsch. »So eine
giebt’å hier gar nicht. Dem Trebdiner
Paftot seine Tochter ist an die vierzig.
Drüben der Peplunder hat ja bloß
Söhne. Die Warenser mit ihren sechs
kleinen Bälgen kommen auch nicht in
Frage. Also wo sitzt die Wunderdame,
wenn ich mal fragen dars?"
»Aber doch Contadine,« slüsterte sie
und fing heftiger zu weinen an, indem
sie sich umdrehte und ihr Gesicht in den
Händen versteckte.
Adtian sah lan e still und stumm
auf den krummen ücken, der ihm zu
.ewandt war, und über dem der rauhe
f hing. Er hörte aufmerksam dem
let en Weinen zu.
Sein Gesicht war roth, er schloß die
Au en; die ihm naß geworden waren.
- dlich hatte er sich gefaßt. Er zog
ein wenig an dem Zops. als ob der ein
Klingelzu wäre und sagte: »Phöbe«.
»Ja?« Fragte sie entgegen und ver
suchte ihre Thränen zu trocknen. »Ach,
lassen Sie doch meinen Zopf.«
«Also, Phöbe, Sie sind viel, viel
dämmer, alt ich geglaubt habe.«
»So!« ries sie etwas beleidigt.
»Viel dürnmer! Conradine liebt
mich nicht Oab’ ich wohl dnntle
Schwärmeraugen? Ja? Und l)ab’
ich barunes Haar? Rein! Und wenn
sie mich liebieqeheirathet wird nicht,
und mit Geld schon gar nicht. "
Er sprang auf
»Aber nun, allons-, nach Hause. Das
liat nicht in meinem Nachmittassprw
gramm gestanden, daß ich hier ’ne
halbe Stunde mit Anemonensuchen
ocrbummlr. Sie müssen schon ein bis
chen rennen, Fräulein Phöbe, ich bin
nicht dazu da, mit Jhnen ’tumzuttö
deln.·«
Phöbe sammelte ihre Spielsachen
zusammen Jbr Gesicht strahlte vor
Glück und war doch noch beisz und roth
ron den eben veraossenen Tbtänen·
»Ich muß mir wieder die Schuhe
ausziehen,« sagte sie veraniiat. »Sie
brauchen mich aber wirklich nicht nach
Hause zu bringen. Sie wissen ja —
kloß zweiundtreisiig Pfennig.«
..Nee, nee, Vorsicht ist besser. sEie
seben viel woblhabender aus-; Conta
dine schenkt Ihnen immer so schöne
Kleider,« meinte er und schtitt so aus«-I,
daß sie wirklich »rennen·« mußte.
»Aber heut hat-N ich ja das alte hell
lslaue an, es ist schon zwölfmal gewa
schen, mindestens-X rief sie mit der an
zen Entriistung eines jungen s töd
chrn5, dem man in der Kleid-ersteige
unrecht thut.
»Zwölfmal gewaschen, alt, wirklich
alt?« fragte er erstaunt.
»Ich habe es schon den ganzen vori
gen Sommer gehabt,« hetheuerte sie,
,.es ist ja nur Kattun und hat bloß
sechsundzwanzig Mart getostet· Sie
sollen nicht immer aus Conrndine schel
ten.«
Adrian war ganz tleinlaut gewor
den. Ihm ging ungeheuer viel im Kopf
herum. Also ein holdes, schönes-, lie
hes Mädchen konnte wie eine Fee aus
sehen in einem schon zwölfmal gewa
fchcnen Kattuntleid, das nur sechs-nnd
ztoanzia Mart geiosket hatte? Sollte
die Betteidung einer Frau doch ein er:
schwinglicheö Ding sein?
Hierüber war e: so sehr in Zerstreeri
ung gekommen, daß er vergaß auf den
Weg zu achten und viel weiter mitging,
als nöthig gewesen wäre.
Zum Abschied schüttelte er dank-«
Phöhe die Hand und hat mit unge
wohnter Jnnigleit:
»Also erstens, zerbrechen Sie sich
das Köpfchen nicht wieder mit HI
rathsgedanten für mich. Und zwei
tens, laufen Sie nicht wieder so allein
l«eraus. Unter den Maurern sind
zwei, drei böse Lümmel, die betrinlen
sich manchmal, da kann man nie wis
sen . . .«
»Ja, wenn Sie es hefthlen. thu’
ich's gewiß nicht mehr,« versprach
Phöbe.
»Warum muß denn ich erst was be
fehlen, ehe gehorcht wird?« fragte er
mit strahlendern Gesicht.
»Nun, Sie wissen doch alles am he
sten,« erklärte Phöbe.
Er lachte und ging eilends davon.
Phöhe verzehrte sich nun vor Unge
duld bis zu Conradinens Heimteh:.
Nie hatte sie diese so lieb gehabt wie
heute. Jhr war, als müsse sie ihr um
den Hals fallen und sich viel-; viele
Male bei ihr hedanten.
Pünttlich um acht Uhr hielt dann
auch der Wagen vor der Thür.
Aber Phöbe fand teine Gelegenheit,
ihr-: stürmische Zärtlichkeit anzubrin
gen. Die Anlommenden waren zer
streut, hastig, fast verlegen.
Felix Dahlland begrüßte Phöhe
flüchtig und ging dann sogleich die
Treppe hinauf; Contadine lief ihm ein
paar Schritte nach und ries: »Also
nochmals-gute Nacht-gute Nacht,«
dann sagte sie, sie sei verregnet, abge
spannt, zerzaust, müde, Phöhe läme
wohl morgen zu Erfas.
Phöbe, die in hoher Stimmung ak
wesen, zog enttäuseht und erstaunt von
dannen. (
Es kostete Conradine eine schlaflose -
Nacht, um sich tlar darüber zu werden,
ob sie ihre Liebe feierlich verkünden
und eine Art Staatsaktion veranstal- »
ten solle, indem sie alles-, wag aus ’
Trebbin lebte, um sich versammelte
und Felix als ihren künftigen Gatten
vorstellte, oder ob sie die einzelnen ge
legentlich mit der Thatsache bekannt
mache. Aus ihrem Bündniß keinen Tag
lang ein Geheimniß zu machen, war »
ihr fester Vorsch. Sie war nicht der j
Mensch für Heimlichleitem Und wenn
ihr Mund zu schweigen vermocht hätte,
ihr Wesen war zu start und gradlinig, ;
um sich in irgend einer Form von J
Heuchelen verbergen zu können. Sie «
entschloß sich alle Stunde anders und .
malte sieh aus, was für ein Gesicht
Adrian machen, was »Madame mere« 1
sagen und was Phöbe denken werde. i
Bald erschien es ihr herzlicher, es je- H
dem allein mitzutheilen, bald fand sie s
es essettvoller und für Felix’ künftige (
Stellung besser, ihn dem »versarnmel- «
ten Ville« vorzustellen
———
Als sie aufstund, war sie noch zu
. nichts entschlossen. Jhre impulsive Na
I tur konnte sich aber nicht bündigem das
Glück brach zu jubelnd aus ihrem Her
zen. Und schon beim Anlleiden sagte
sie zu ihrer Jungfer: Was würdest du
« sagen, Laura, wenn ich mich wieder
verheirathete?«
.Es wäre das Beste, was die gniis
T dige Frau thun tönnten,« sagte Laura.
; »Nun, wer weiß. mit was fürNeuig
: teiten ihr noch überrascht werdet.«
- Laura mit ihrem Puppengesichte lä
chelte freudig. Mit geschickten Händen
- steckte sie das Haar ihreanädigen au-.
- Es war Conradine, wie sie so still da
saß, ein angenehmes Gefühl, wie sanf
ten Berijhrnngen der Finger im Genick
zu spüren und das steisgestärlte Kat
’ tunlleid des Mädchens leise tnistern zu
hören. Sie träumte eine Weile. Plötz:
; lich- ftagte sie:
»Herr Dahlland ist gewiß allgemein
beliebt bei den Leuten·'«
Laura verstand, was sie zu antwor—
ten habe. »Fabelhaft,« sagte sie, ,,er sei
so gut, sagen sie, und so gerecht. lan
was silr ’n schöner Mann!«
Conradine strahlte.
»Laß mich heut das lila Kleid anzie
ben, es steht mir am besten."
»Nicht erst den Morgenrock?«
»Nein, ich muß gleich nach Collasp
borgen sahten,« sagte sie und- entschloß
sich in diesem Augenblick dazu. ,,S«ck)icke
mir nachher Jaspersoti.«
Als Jasperson dann eintrat, um
» seiner Herrin den Thee zu bringen,
lvufzte er schon,.daß etwas Ungeheures
: in der Luft schwebe. Laura hatte es
ihm gesteckt, denn Laura wüßte so ge
nau wie Jasperson, daß lein andrer
Mann in Frage kommen lonnte als-Fe
lix Dahlland -— hatte Cvnradine doch
seit Monaten mit Niemand mehr ver-—
lehrt.
Als Conradine des- treuen Mannes
ansichtig wurde, ward sie gerührt. Ihr
bewegtes- Gemiith hatte schvn förmlich
ein Bedürfniß gehabt nach Rührung-,
nach Jnnigleit. »
Dieser da hatte ihr das Leben geret
tet und sie seitdem mit Thrannei, aber ;
mit aller Treue eines Hundes bewacht. «
Solche Art Naturen, wi-: dieser ein
fache Mann, haben zuverlässige Jn- .
stinite ——— ihr verstorbener Gatte hatte
einmal gefaaiz »ch Karv ans-eilt
und wen Jiigperson nicht mag, von
laan man wetten.« Wenn irgend ie
inand ein Recht hatte, die qrosze Neuig
teit zuerst zu hören, war es dieser
Mann.
»Ja5person,« begann si-:, »ich will
dir was mittheilen.«
Ader indem sie so begann, fühlte sie
zu ihrem eignenSchreck, daß sie zitterte,
das; ihre Stimme hebt-: »Das ist ja,
als wenn ich Anasi t-citte." dachte sie.
»Da Tört doch alles- aus«
Sie lramle an ihrem Schreidtisch
k-:runl. Es sah aus-, als- iuche sie da
etwas-, um es Jakperson Zu aeven, d-r
wartend neben dem Tbeetifch stand.
Sie warf mit erzwunaenem Entschluß
ihre Schreibfeder hin, die sie in der
Hand aehabt, und wandte sich Jason
son zu, ihn fest anschauend:
»Du zuerst sollst eå wissen, früher
als meine Nichte, früher als die gnä
diae Frau. Ich aebe dir damit den Be
weis von Vertrauen und einer Dant
besrkeit, die nie aufhören wird. Ich
werde mich wieder verheirathen· Mit
Herrn Dahlland. Ich bitte dich, ihm
dieselbe treue Anhänglichkeit zu wid
men wie mir.«
Jaspersons Gesicht entfärbte sich, er
sah ikr in die Anat-n
Diese lalte, unbeweate Miene reiste
Canradincs. Weil sie aeriihrt war, er
wartete sie auch von andern Ueberra
schung und vergaß ganz, daß derMann
immer von eisernstr Ruhe und Ver
schlosscnheit starrte, so lanae nicht et
was Unerbörtes ihn zu wildern Jah
zorn hinriß.
»Wenn IS dir aber unmöglich sein
s-·llte,»« fuhr sie fort, »dich in die neuen
Verhaltnilse zu schicken, steht es feder
zeit bei dir.· dir eine andere Beschäfti
gunq zu wählen und meinen persönli
chen Dienst zu rcrlassen.«
«Vor fiinf Minuten hatte sie noch
nickt daran gedacht, deraleichen zu sa- i
aen. -
« «Jck- arxatuliere der anädiaen Frau
vielmals,« sprach Jasperson mit unbe
weatkm Gesicht »Und es ist wohl bes
ser, ich bekomme was andres zu thun
jBedienen bei Tisch und so. dass tann
lebet gelernte Herrschaftsdiener ia doch
liessen Und das Aufpasser-. daß der
ausdran Frau nichts aeschiseht, das
thut wohl der neue herr.«
; Conradine empfand einen heißen
s
cmmixrx Este hatte gedacht, der Treue
müßte sich doch dräraen. auchffelix er
getzen zu werden. Tausend peinliche
Empfindunaen stürmtcn aus sie ein:
jene Worte ihret- Gatten Wdie Vorstel
lung, daß Jasperson eine Art Eifer
suchtstraaier sei sär denVerstorbenen —
die Furcht, daß auch die andern ihre
Verbinduna mit Felix so kühl begrüßen
könnten· Sie sollten jubeln. sie sollten
begreifen: er war ihr Glück.
»Wie du willst, Iasperson,« sprach
si-: mit heißen Wangen, «du hast ja
Zeit, dir zu überlegen, welche Anstel
luna du willst, und wenn sich nicht
sindet, schassen wir siir dich ein Amt.
Natürlich wird es siir dich nur eine
Verbesserung in Bezug aus dein Ein
kommen sein.« »
»So muß sich doch für ihn an meine !
Verlobung ein froher und dantbnrer .
. Gedanke knüpfen, dachte sie und war
» sich wohl bewußt, daß sie ihn ertausen
wollte. ’
Bei ..Madorne mere« undVböbe fand !
Contadine dann einian Trost. Die
, erstm, die ihre Siiesschtviegertochter
immer nur hinter der-en Rücken zu tri
tiftren waate, uns der alles daran lan,
die gewohnte Stellung imhause zu be
halten, lobte Felix mit den Eber
schwenalichsten Worten· Das war das
beste Surroaat siir den fehlenden Her
zenston Phöbe weinte Tbriinen, halb
in Mitsreudc, halb in Sehnsucht nach
eianem Glück.
Und Conradine verstand den zwie
fachen Grund dieserTlnänen aar wol-l.
Sie war eine GlückliÖe und wollte
glücklich machen.
Kaum daßFelix, nachdem er sich wie
ein fremder Besucher bei ihr batte an
melden lassen, in ihrem aelben Zimmer
bei ihr war, und nachdem Je ihr Wie
derschensaliick mit beißen Küssen gei
ieiert, saqte sie ihm, das; sie zusammen
nach Collasbosan fahren müßten.
Felix stand vor einer lleberlast von
Geschäften, aber heute durfte er sich ihr
noch nicht entziehen. Nur seine Lei
stungen, nur seineArbeiL die Zu ihrem
Nutzen qedieb, konnte scineArmutii aes
aen ihren Reichthum aiisaleirlnn Er
habe ja schon so oiel aeleistet, und alles
lasse sich nachholen, wag etwa noch in
den nächsten Zeiten versäumt werde.
Nein, er sei noch nicht aewandi und
meisterlich aenua in seinen Pflichten,
halb noch ein Lernenden da näbe es lei
: ne Minute, die verloren acnen dürfe.
J So stritten sie nin uni- lpe1, und daß
: Conradine siir heute ihren Willen
? durchsetzte, ier natürlich.
Sie hatten sich auch so endlos riel
i zu sagen. Jm Wagen saßen sie Hand in
Hand, Schulter an Schulter, und Fe
» lir forderte Ausliäruna über alle seeli
! schen Vorgänge, die es dazu gebracht
’ hatten, dasz Eonradine ihm nicht schon
! damals im Juli, als sie heimtam, so in
die Arme gesunken war, wi-: nunendlich
gestern.
Conradine war aus diefeFragen gar
nicht vorbereitet. Die aeqentviirtiaen
Gefühle erfüllten sie zu sehr, als daß
sie vermocht hätte, aenau zu zerglie
dern, was alles in ihr vorgegangen
Sie wußte nur, das; eine unbestimmte
Anast in ihr gewesen und oann völlige
Zufriedenheit, da sie ia in seiner Nähe
lebte, bis dann die zweiteTrcnnuna ge
lommn und mit ihr eine Sehnsucht
ohne alles Nacht-Inten, ohne alle Anast.
Dem Triumph ihres Gliiels wollte sie
auch lieber von der Geaenwart undszw
lunft sprechen als von Veraangenetn.
»Siehst du,« sagte sie, .,nun saltrft
du iiber deinen ssiaenen Grund und Bo
den. Fi-: nmt dir nicht alles can-; neu
ror?«
»Nein. Jcii sehe nnr dich und denke
an dich«
»Und die Tonne scheint. Dass aebiirt
zum Gib-cl, nickt wahr? EH ist so die
rechte Beleuchtuna.«
»Der Regen gestern Abend sti ge
priesen«
Sie lachte-. Ja, der Reaknk Er hatte
ihnen erlaubt« im aeichlossenen Waan
ihre erstenLiebeeakitändnisse unbewxiit
ausziutausehem
Aber der Recken hatte auch die erste
Ernte am Herbitlaub aehalten. Lichter
waren die Winsel. Ein leuchtend blauer
Himmel stand mit Atlasalanz iiher
dem sarberrbrächtiaen Gelände. Die
blanlen Birnbaumbliitter schimmer
ten rol,«t nnd gelb. Atti den bleichgel
ben Stoppelfeldern weidete das zorn
braune Rindoieh. Ltnls von der Land
straße« aus einer ron Unlraut griin
ärerroucherten Brachtoodel zog ein-:
Schafherrse dahin, die schwarzbraunen
nnd schmutzig-weißen Thier-: mit den
sressend geneigten Köper dicht anein
ander gedrängt; vorn veriiingte sieh der
Hausen zu einer Spitze, das breit aus
einander gezogene Hintertressen be
toachte ein Hund mit gespitzten Ohren
und aufmerksam gerinaeltetnScknvaitt.
Ter Schäfer saß am Rain nnd lösselte
aus einem Blechtcpi, ein halbwiichsiqes
Mädchen lag daenben mit emporgezo
aenen Knieen aus dem Rücken und
starrte in die Lust. wo eben drei Raben
mit schwerem Flügelschlaa Masche-Ieb
ten.
Als Contadine und Fetir vorbeifuh
ren, grüßte der Schäfer-. Der Wohl-»e
ruefh auf seinem Topf stiea bemerkbar
an .
»Wir wollen ihm einenTbaler schen
ten,« sagte Contadinr.
Sie lamen iiher die .Lehmluhl",
oder, wie es nun immer hieh, »die Fa
hril«, denn so hatten die Trebbiner die
Dampsziegelei getauft.
Der Baumeister war nicht anwesend,
die Arbeiter hatten gerade ihre Mit
tagspause anqetreten. Contadine toar
enttiiuscht, sie hätte dem Baumeister
ihr: Verlobung auseian und den Leu
ten Geld zu einemffeit verabiocgen las
sen können.
»Ich mötste alle Welt beschenlen,«
sagte sie
Jbr Glück rührte ihn tief.
»Was bin ich denn? Was qebe ich
dir benn?« fragte ssr zärtlich.
Conrabine lente ibren älopi zurück
an seine Schulter.
»Dich selbst giebtit du knir, sind ba
knit ein neues Leben. Ich liaoe dich ne
liebt von jenem Augenblick. iro Ich dich
im Juwelierlaben lot-. Weißt du es
noch, wie ich deinen Rina un meinem
Finger hoch hielt, und wie mich rann
dein Blick im Spiegelalase traf?« .
Sie vertieften sich in die aenaue Et
örteruna jener Minuten und lebten sie
wieder nach.
»Ach, da sind wir schen bei Adrian,«
sagte Conrabine. Adrian. der ganz l
ländliche Mittagözeit hielt. wenn seine
Leute aßen, und der in aunz seltenen
Fällen ein besseres Gericht iiir sich tok
chen ließ, als diese es bekamen, saß bei
weißen Bohnen und Speck. « «
Er machte große Augen, als die bei
den bereinlamest Das Aniahren des
Wagens hatte er überhött, benn erjtenj
i hatte er immer einen Appetit me Ie
—4——-——«
———
mand, der gedroschen bat und zweitens
las er neben dem Essen das Krergblatt,
wozu er sonst den ganzen Tag keine
Zeit fand. · ,
»Ein-ei Glückliche, Adrian! Wir
wollen uns deine auten Wünsche bdlrtlz
Felix und ich haben uns verlobt,
sprach Conradine, und Tbränen traten
in ihre Aussen »
Adrian trat einen Schritt zuruek,
rot-: jemand, der tief erschrickt. Er wur
de dnnleirotb und sab die beiden, Ue
Hand in Hand ror ihm standen, fass
sunaslos an.
Auch Felix erstarb das Lächeln.
»Dein Erstaunen ist —— iit --—-«
»Eonradine Feltr, mein Junaek«
Und er küßt- Conradine die Stirn und
nat-m Felix in seine Arme.
Er konnte nicht recht etwas sagen.
Er drückte sich in Geitiklakionen auc,
um sich und den beiden über sein Er
staunen hinwegzuhelfen
Das hatte er ja aemerkr. lanae, lan
Ae schon, daß Conraoine bis über . die
Ohr-en in den auten. braven, set-onst
Jungen verliebt war. Na ia --- tempe
ruamentvolle Frauen sind mal verliebt
-—- so eine kleine Schwärmerei. das tin
terhält, das überwindet sich, das geht
vorüber. Das war ja natürlich iiir
Conradinens warmes· unbeschäitiates
erz.
Aber heirathen!
Die beiden vaszten roch aar nicht en
sammeni Warum nicht? Das wußte
Adrian nicht. Er meinte, neben Con
radine müßte vIin imposanter, herris
; scher Mann stehen, der so ’n bißchen
» was Herkulisches hatte. sowohl als im
« Geiste. Na, am Ende, sie mußte es wis
sen. Und förmlich verklärt von Glück
sahen sie ja aus.
Die Frische Adrians, sein Verwun
deru, das nicht verletzen konnte, weil
inniafte Theilnahme an beiden herang
llana, vermischte dann schnell den er
sten Eindruck seines Schreckens, der
von beiden wohl bemerkt worden mak.
Aber so ein Ereigniß durfte nicht
unbeaossen bleiben,
Natürlich zu den Speckbobnen und
dem Dünnbier konnte man sich zwei
Leute nicht niedersetzen lassen, die in
höheren vaiiren schwebten. Aber
Adrian battz rotn Vater her ein paar
Flaschen aanz alten, töstlicheti Weines
int Keller. Eine davon mußte beraus.
Und der mit ein paar autszn Gläsern-»
im großen Eichenschrant aaks es noch
deren Don töstlichemKrystallx sie waren
veritattbtund mußten erst aewaschen
werden.
Aber endlich waren sie doch- iJ weit,
das-. sie anstoszen tcnntenZisr saßen unt
ten Tisc, csonradine und Felix auf
dein Jena« Adrian ihnen aeainiiber.
An der Wand, ük:r dem Soh, so tasz
Conradinens Hut ein Stück aez Nab
snens verdcate, dina das Bild des gro
ßen Esctxmerenötcer5, der in Konnt-a
aeti, am Hofe Friedrich-· des Sechsten,
mit schönen Wsibern Colla5r::raeii bei
nahe ausaeaessen hatte. Sein aeiitvcls
leck, lächelndeiz Gesicht war von einer
iurasam aebiirsteten Haarlocke über
ragt; seine Haltuna war die eines
Mannes-, der sich einer schönen Gestalt
sehr bewußt war. Aug dem dunkel
blauen Frack trauste sich vorn ein Ja
bot, die hellarauen Beintleider unt
schlosan eng seinen Untertöroer, unter
dem Rand seiner aebliimlen Weste
hina eine Kette heraus. di-: in zahltosen
Berlocken endete.
Cenradine und Felix hatten die Ge
schichte ihrer Liebe und Verlobung er
zählt.
»Na ja,« sagte Adrian, »das sollte
denn wohl alles so sein. In sc was,
scheint es, giebt es teine War-L Natur
stimme nennt man das. Wenn die mal
spricht, ist man blind und taub siir al
tes andere.«
»Und du« Adrian — hast du denn
teine Lust, dir einen eiaenen Herd zu
gründen?« sraate Conradinr.
Adrian stemrnte die Ellbogen aus
den Tisch und saltete die hände unter
seinem Bart, so daß er steif vom Kinn
abstand.
»Du meine Güte, eianen Herd hab'
ich mehr als zu viel. der ist iia agerade
mein Schicksal. Los möcht’ ich ihn sein.
Aber selbst wenn ich nicht als Majo
tatsberr da säsze -- wer tauste mir
diese Schalle ab!«
»Ach, du weißt recht aut. wie ich's
meine ——— heirathen sollst du," sagte tie.
Ohne leine Stellung zu verändern,
meinte er mit einem titnsttichen Phleg
ma:
»Gestern wollte Phöbe mich mit Dir I
verheirathen willst du mich heute
mit ihr zusammen reden?« (
»Ja, das will ich!'« ri-:s Conraoiue
lachend. ,,Also, Phöbe dachte dies,
sie gönnte dir mein Geld. Wie nett ron
ihr.«
»Ich bitte, mich bei all-In Heiratå)g- 4
olänen außer Spiel zu laiieu,« satte i
er. ;
»Was sär ’n oerstecktes Gesicht tu
machst!« .
»Conradin:,« beaann er. aus seiner
butschiiosen Nachlässigkeit plötzlich in
schweren Ernst fallend, »du weiß am
besten. was der Mann aui dem Bilde
aus Collaölsotaen und dem hause Col
las gemacht. Ich habe ihn mir express
da über das Sosa in meine Wohnstube
gehängt, damit ich nie mit meine-Thais
tmnaen in's Kraut schiebe, sondern im
mer sinl zutückschneide, wenn ich mal
in Gefahr bin, mir spanische Schlösser
zu bauen· Niemals silbre ich ein Weib
n dieses Haus, so lanae die Sorge noch
mit darin wohnt, und so lange die Ar
muth noch draußen aus den Moment
lauert, wo sie 'rem kann. Niet«
Ei llana wie ein Schwur. Abrian
war ganz bleich geworden. Mit etwas
liebender Stimme suhr er fort:
»Na, und die Kleine. die wir mein-m,
die ist sa selber arm wie 'ne Kirchen
maut.«
»Ich aöbe itr ...« bcaann Conn
hine
Adrian streckte die Hand gegen sik
aus« ·
»Schiveia still.« sprach er fast l;eitiq.
»Nicht durch ein Almosen. nicht durch
ein Gnadeiinescbent will ich dazu tanz
men. Arm, wie sie ist, ist sie nur die
einziae. Und sie ißt auch Bohnen und
Speck mit mir, das weiß ich. Aber das
wenigstens muß ich immer baden tön
nen, iiir sie, für mich. iiir mer-L Man
muß sich doch immer taaen. wenn man
ein Kerl mit etkrlicheniGewissen ist und
bleiben will, was ein Edeitand bedeu
tet und was er alle-z brinaen tan:i. Ein
Schutt wär’ ich, wenn ich bloß daran
dachte, daß ich sie haben will· Erst ein
paar Monate tollen Liebesaliictg und
dann vielleicht Jammer uno Noch
Nein.«
»Aber sie ist doch meines druders
Tochter und ...«
»Und du hast schon viel fiir sie ne
tban. Und du bast schon mich vom .
Unterganq arrett:t,'« sprach er weiter,
mit einer ernsten Leidenschaft, die fast
wie Zorn wirkte, »und was rsrntit du
denn, daß eH inir jetzt noch ein leichtes
Bewußtsein ist, von dir oaz große
Stück Geld zu tmme Jetzt. iro du hei
ratheft und deine Verhältnisse sich so -
verändern! Du hast, seit du nett-»eing
tkest warst, rnitGold tozutaasn um dich
werfen können. Bildelt du dir ein, baß
man sich das leicht wieder abaewötilit?«
»Als Fräulein von Graboweti bade
ich auch zu lrben aehabt!'« rief Conta
dine erreat und ariss unwilltiiriich nach
Felix’ Hund« »ich war, was man so
wobllfabeno nennt. Und Trebbin und
mein Privatbermöaen bleiben mir
tan«
»Wovon Hunderttausende ins-Mis
borqen stecken. Verriictter tann man
tein Geld nicht anlegen,« taate Lidrian
bitter. »Und es indaen noch immer
drei, vier Jahre veraeben, wenns- gute
Jahre sind, etc ich die Amortisation
beginnen tann.«
»UVleU, Im Dlllc MO, soc-IX Wil- »
radine fast weinend, »welche Reden!
Heute und in dieser Stunde tbiile ich’s
wieder. Nicht wahr, TelirCY slldriam
wir bitten dich beide, dir wegen dieses
Geldes ni: Gedanken zu machen. Gatt
lob, wir können es entbehren.«
Felix stand aus. Er litt unaus
sprechlich· Was hieß das alles.
»Du bildeft dir «:in, daß du’s entbeh
ren tannst,« saate Adrian trotzig.
» »Wenn du erst Dolbatsch abgetreten
hast und auch den Zinsaenukz Des Fre
nioir:’schen Vermdaens verlierst ...."
»Bin ichimmer nachseer ::.«;1!!li,a
bend," fiel iie schnell ein und erljod sich.
»Wie sind krir nur auf das nur«-Herst
sprädxs aelcsiwx .:ik»
»Weil du -..:-.-n Hunaerleikcr mit
’ner Fiirclsnnis verheirathen Woll
test,« saale er, xxrt der qute Humor, der
sein iijefrcht son-: ;;1rchleuchtete, ;litzle
wieder aus sein-n Bluan
»Sicmm Felix, wollen wir Iseilns
srante linnradine Zärtlich und trat zu
dm Geliebten heran, der. mit dem Ril
cken aeexen die Stube, c·:r dein alten
Schranl stand und mit der Spitze des
kleinen Finaerå an deranrariianxuster
t,-:rurntvischte·
»Hörft du nicht, Felix-P sraare sie
sanft.
Er fuhr plötzlich ins-unt
»Was war das alle-? Habe im den
rechten Schluß qezoaenZ D u verlierst
Doibatickz und senitiae Vermöqeusi
theile, wenn du wieder beiralheit?«
»Nein dich- desch nicht darüber ausl«
bat sie änastlich.( »Er hatte jenen schare«
sen, abgesponnten Zua im Gesicht be
tommen, der ihr das Her-i zerriß, weil
er ihr verrietb, daß der Geliebte litt
»Minerweqen wirst du Entbhrnngen
erdulden s« fragte er skrena. «
»Siebst du, Adrian,« riet Conradis
ne, »das bab’ich mir gedacht! Mein
Felix —-— das ist nicht so. wie du denkst
—----wir haben immer noch üb-:rreich zum
Leben.«
»Wir s-——s wir,« saate er ungeduldig.
»Ich brauche nichts. Ich habe schen
irr-hungert- Jch will nichts von deinem
Luxus. Jch will dich selbst. Aber du —
o Gott, du «- so verwahan
»Krnder,' sprachAdrian beinahe mit
väterlicher Gutt-miitbialeit, «itreitet
euch doch bloß nicht um den Mammon.
Wenn ich tappfiq gewesen bin und
dumme Sachen astsaal babe —- verz iß
dag, Felix. Jtn Grunde ist es ja irazit
wenn man sich liebt, aiebt es keinelsnt
Lehrlingen-«
A -. —
t
»Und nsie macht e5 mich glücklich,
deinetweaen auf etwas zu verzichten?
Du möchtest tde auch neroisr nicht, daß
ich ncch als kein Weib das Geld mei
nes ersten Gatten verbrauche,« tief sie
tseschmärenu L
»Das ist deine Phantasie, die Vi ,
tnomentan LagOpser rei.woll ersckriuen
läßt« betyarrte er finster. »Deine
Phantaer die mich nach ihren Stim
munan durch Himmel und Hölle sank
«O Felix-S« ri-:s sie schmerzlich und
fiel ihn( um den hals
Mortsetzung sotatJ
Gedankensplitter eines
E se l s. I.
· Heute ritt ein Mensch aus mir durch Es
eine Gegend, die er einen entzückend
’ sehonen Garten nannte· Unsinn! Nicht
eine Distel war darin zu finden!
i
DieMenschen gebrauchen uns alt
Lastthcer und als Schimpswort. und
tvcr Esel lassen uns das ruhig gefallen.
I
Als ich neulich unter der mir ausge
biitdeten Last zusammenbrach und
nicht weiter konnte, schlug mein here .
mich mit einem schweren Knüttei. Ein
Mann, der das fah, nannte es tm- s
menschlich. Wir nennen es Wird »