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About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (Sept. 2, 1898)
auf Fels gebaut Wo die Felswand, die rauhe, Makestatisch sich erhebet, Eine dunkle Riesentanne Hoch empor zum Himmel streben Kaum noch sieht man« daß die Wur zeln n das Erdreich eingedrungen; och wie mit Polypenarmen Halten sie den Stein umschlungen. Was kannst Du, o hattet Felsen, Jenem stolxen Baum gewähren? Und wie kann Dein kalter Busen Solch ein blühend Leben nähren? Doch an Dir herniederrieseln Seh’ ich wundertlare Säfte, Kündend, daß im Jnnern wohnen Tief geheimnißvolle Kräfte. Selber hart und fiihllos scheinend, Weihst Dein Leben Du dem Baume, Daß er seine Krone wiege Hoch im blauen Himmels-rannte Also giebt’5 auch Menschenkinder, Die für hart und lieblos gelten, Und doch tief im Herzensgrunde Schätze bergen, reich und selten. » Die, verkannt oft von der Menge, Selbstlos, still, die Welt data-wan dernz Weil ihr ganzes Leben aufgeht Jn dem Leben eines andern. Sorglos strebt zur lichten Höhe, Wer mit ihnen fest im Bunde; Denn er baute, gleich der Tanne, Auf dem sichern Felsengrunbr. Stina Andresen. Wieder allein. Von Ernst Clausen. Nun hat auch der letzte Hochzeitsgast Abschied genommen; im Fortgehen wendet ersich noch einmal um und schwingt grüßend den hohen, glänzen den Cylinder. Er ist ein alter Jung geselle und längst hinaus uber semi mentale Anwandlungen, aber das Bild der beiden einsamen Alten, wie sie in der Hausthiir stehen und ihm nachkom kett,—stimm«t4 ihn m—elancholisch. »Jetzt ronnen sie wteoer von vorn anfangen!« murmelt er vor sich hin und macht große Schritte, um zum Stammstot nicht zu spät zu kommen. Die Straße ift ganz menschenleer, der Abendsonnenschein fällt auf die ver-» oldeten Spitzen der eisernen Garten-; tatete, die grünen, tugelrund gestutzten; Akt-Ren taften mit den Blättern leise; im bendwind auf und ab, und auf«l den Treppenstufen ror dem Hochzeits-i hause lie en noch einige RosenlnospenJ Papa Tünau stieg langsam die we-» nigrn Stufen hinab und suchte aus den : galbverweltten noch ein leidlich frisches erau5. s »Da, Muiting,« sagte er und reichte ihr die Knospe hinauf. »Dante, Fritz,« antworte sie kurz» und drehte die Blume am Stiel ins der Hand. Noch glitzerten einige Thrä nenfpuren auf den runzeligen Wangen der Zieht-gen alten Dame. sss « ,, inm, Christine! es wird zugig hier in der Thur.« · l Damit ging ihr Mann an ihr vorbei ins aus, um den Fract auszuziehen und en weißen Schlips init einer schwor en Krawatte u vertauschen. Das chlingen des notens machte ihm Mühe. denn bis jetzt hatte Anni dies oft immer besorgt mit den flin ken, ehenden Finger-Ihm . »Jeg: sind te nun schon in Parn btikg r Zug kommt fünf Uhr unf unddreißig Minuten anl« Plötzlich fiel ihm etwgs ein, und ex· rief durch die Thür: »Du, Mutting, ob Angi wohl daran« denttzdasz du«dt»e neue Etwa In die Meiielaime gelegri ichs Dasan wikk sich sicher essen-s n« . »Ich habe es ibr noch einmal gesagti Ist der Abreise.« s ofrau Ebristine stand noch immer! wider Schwelle und blickte die Straße ’ entlang bis zur nächsten Ecke, von wo; aus Anni zum letztenmal mit dems Taschentuch gewinlt und der junge« Ehemann den bellarauen Reisebut ge-J schwentt batte. Wie konnte dieserMensch nur so ver niigt aussehen! ? »Ja, di e Männer!« seufzte Frau Bünau und machte die Tbür zu. »Er wird natürlich nicht daran denken, wie leicht sich Anni einen Schnupsen holt!« Das Treppensteigen wurde der alten Dame beute recht sauer. Es schien ihr, als sei sie noch nie so mühsam bis zum ersten Stock in ihr Schlaszimmer bin sus gelangt. So, nun war sie wieder anz allein! Vor zwei Jahren heira hete die Aelteste, Fridal Das ging noch, obgleich es schwer genug zu ver winden war; Anni blieb ja zurück im Elternbause —- jent war die auch fort. Was sür einen Sinn hatte denn nun noch das ganze weite-re Leben? Erst plagt man sisl durch Jmpspocken, Keuchhustem asern und Scharlach mit den Kindern durch, bis sie roß Eiern und nachher kommt ein belie iger ensch und geht- rnit ihnen aus und davon, als ob das ar nichts wäre, noch dazu gleich na Wien, so daß - rann eine anze große Reise brau t zu - einein- B uche. s ist eine undan bare Beli, das ist gen-ißt -. Lan e stand sie ir- der Kammer, in der bis r Anni eKlasrn hatte. Nach Wlich schaute sta- s Bett an mit den Wschen rothen Rosen auf der Decke, Iris dem der Morgengrzrß der Tochter . - dnrch die ossene Tbur so oft in der M entgegengellungen war. Das « est- moraen ort —- es war xa " Mise- nd feste sich die Her-Mann weinte se « Es » p— I vor sich hin. »Anm! kleine, liebe, treue Anni!« Unten wanderte Herr Büneua durch die Zimmer; er setzte die halb ausge trnnlenen Flaschen auf dem Büsfett zusammen und half dem Lohndiener und dem Dienstmädchen die Einlege bretter aus der Eßtafel nehmen. Bis jetzt hatten sie mit Rücksicht aus Annis Freundinnen für den täglichen Gebrauch immer eines darin liegen fassen. Das war nun nicht mehr nö thig, denn für 2 Personen schien ihm der Tisch ohne Einlage groß genug. Der alte Herr seufzte leise und schob aus Leibes-trösten, bis die Tischhölf ten, die seit zwanzig Jahren sich nicht Fgesunden hatten, endlich wieder mit Fugen und Zapfen sich zusammen schlossen. : Nachher stand der Alte allein im Zimmer, sah den Tisch an und nickte mit dem grauen Kopf. Es schlug gerade sechs Uhr. Er war nahe daran, laut ,,Anni« zu rufen, denn um diese Zeit pflegte er mit ihr im Stadtpart spa zieren zu gehen. Was sollte er nur anfangen? Rath ios schlich er in sein Zimmer; dort sahes häßlich und unordentlich aus. Nach dein Diner hatten hier die Her ren getaucht; auf dem Teppich sah man Spuren von Asche, und übelriechende Cigarrenreste lagen auf den Rändern der Untertassen; hier und da stand ein Liqueurglas, die Stühle ware durch einander geschoben, und doch —- hier war sie zu ihm gekommen, war ihm weinend um den Hals gefallen, als er sie gefragt, ob sie Herrn Doktor Hell wig lieb hätte; hier hatte sie vor zwei Stunden an seiner Brust geschluchzt und gesagt: »Ach Väterchen, wenn ihr doch mitkommen lönntet·« Und er hatte, während ihm die Thränen über die runden, rothen Backen liefen, la chend erwidert: »Na, AnniLDas würde wohl deinem Manne nicht passen! Er hat schon schlechte Witze gemacht üher das viele Gepäck, das du mitnähmest. Also vergiß nicht, die Boa ist in der Reisetasche —- in Hamburg ist immer Wind, und wenn ihr nach dem «oteli fahrt, nimmt er sicher eine o sene» Droschte! Jch kenne ihn! Er schläft jas bei offenem Fenster, und gestern wurde es schon um fünf Uhr recht lalt.« ( Ob sie wohl an die Boa denken: würde-? . l Was hatte er nun davon, daß er sich deißig Jahre im Geschäft abgerackert und sich vor süns Jahren als Rentier hatte zurückziehen können? Was sollteI er mit den langen Tagen anfangen? Und nun nat erst Abends? uweilen sanq Anni am Klavier einige hübsche Lieder, doch meistens-« las sie den Eltern vor mit ihrer wei-l chen reinen Altstimme, und er saß ge mächlich mit der Ciaarre im Lehnstuhl und nickte so gegen zehn Uhr etwas ein. Wie lana und einsam würden die Abende seht werden? Vielleicht war ex besser, wenn er eine tleine Reise machte, möglchft bald, ehe das Wetter schlecht! wurde! · Ruhelos wanderte er weiter, steckte in jedes Zimmer den Kopf, nur in Annis kleinen Wohnraum nicht, ob-· gleich k: schon die Klinke in Der aus-I hatte. Nein« sx Wollte doch lieber pa zieren gehn — man mußte sich Zsleichl daran gewöhnen, allein zu sein!; ald schritt er die Stra e hinab, bis er den Stadtparl erreich e. Nur vereinzeltei Spaziergänger begegneten ihm. Er setzte sich aus eine Bank und blickte über i den grünen Rasen zum sernen Waldes hinüber, der in rothgoldenem Herbst-. schmucl vor den dunklen Tannen im Hintergrunde stand. Ueber ihm zippte ein Zeisig im Geiist der Bitte, von der hellgelbe gerbstblätter müde herab slatterten. ie fielen dem alten Herrn aus die uttrampe und aus die Kniee; er ozerrte einige zwischen Dauan und Zetgefinger und weinte dabei leise vors ---«--I---- - . slch MU- « Langsam lam die Dämmerung her angezogen. Ein junges Menschenpaar schritt an ihm vorüber und flüsterte zärtliche Worte miteinander, ohne den einsamen Alten zu bemerken; hinter ihnen raschelte das gefallene Laub. Er schaute ihnen nach und fah, wie sie sich an der nächsten Wegbiegung küßten. Da stand er rasch auf und ging nach Hause. Mutter Christine mußte seit Jahren zum erstenmal den Thee wieder selbst bereiten und fragte ganz geistesabwe send: »Nim1nst du Zucker oder nicht?« Er schüttelte nur den Kopf, und sie gab ihm teinen ucker. Anni hatte nie danach gefragt, re wußte es ganz ge nau —- anderthalb Stück in jede Tasse! Und als er die erste Tasse geleert hatte, die sehr bitter schmeckte, stand er stumm auf und goß sich eine zweite voll, und seine Frau bemerkte es gar nicht, sondern schnitt das kalte Fleisch auf ihrem Teller immer seiner und fei ner, ohne davon zu essen. f ) »O nMWWeetmhtatedee Nach der Abendmahlzeit setzte sie sich nicht mit dem gewohnten Strickftrumpf in den ewohnten Stuhl, sondern tauerte ich im Soraenstuhl neben dem Ofen zusammen und fror, fror ganz unbewußt in sich hinein, ohne zu wiss en, weshalb, und er zündete sich eine Ci garre an und schritt im Zimmer aus und ab, auch völlig geistesabwesend. Sie folgte ihm mit den Blicken. Ob er wohl daran denken würde, ihr die warmen Pantoffeln zu holen? Anni that es immer des Abend-S, weil Mut terchen an kalten Füßen litt. Früher — ja, als die Kinder noch klein waren, wenn endlich Ruhe im Hause eintrat und die rosi en Dinger nach dem Abendgebet sti in ihren Bettchen schlie fen, dann brachte er ihr selbst die Pan tofslen nnd ma te Witze dabei: es set nur gut, dass die Pantoffeln erst W, wenn es Abend würde — nnd » und og ihr die hübschen blaugefiitteri ten antoffeln an und blickte lachend zu ihr auf Sie schaute ihn nn. War das der selbe Mann, der so ruhelos auf und ab ging, als sei er allein in der Stube? War das derselbe Mann dort mit den Igrarien Haaren und dem tief gelentten Kopfes I Dann stand sie rasch aus, arn die sPantosfeln selbst zu holen. Man muß sich eben daran gen-ihnen wenn nie mad mehr an eine alte grau denttl s Er ging weiter rastlos aus und ab. Weshalb war sie nur so ungemüthlichZ Sie that auch gar nichts-, um es ihn Lbehaglich zu machen Waru. n stockte sie »denn nicht wen sonst jeden Abend oder « bat ihn, ihr vorzulesenIZ Was drückte sie sich denn in der tuntien Ecke am Ofen herum? Es wäre ic- zum Verzweifeln, »wenn das so fortgehen sollte! Natürlich! um ihn liimmerte sich lein- Menschenseele. Jmmer wieder mußte er zu ihu hinüber sehen. Er wollte ihr gern etwas Freundlicheä sa son, sie troftenl Aber er fand tenie orte. »Hast du Kopfschinerzem Christel « fragte er schließlich »Nein, nein, mir fehlt nichts-! Mich friert nur", sagte sie, ohne den Blick zu heben. Er sah sie an. Vor seiner Erinne rung stieg ein Bild aus, ein Bild, ganz deutlich und doch so fern. Blonde-s funges Haar schmiegte sich an dass duntle Lederolster des Sessels; zwei seine schlante Hände auf einem hellen freundlichen Kleide! Ein junger Mann lam, zog eine Jußbanl herbei, ganz dicht an ihre Füße und —- — war es denn möglich? war das dieselbe dort? Es überlief ihn, und er versucht-. auszurechnem wie lange das her sei. Sie saß da so stumm und wortlos, als sei sie fremd hier im Hause, fremd in dieser Umgebung, als saße sie in einem Wartesaale und harrte, bis der Zug abginge. Das durfte so nicht bleiben. Er mußte sie aus dieser Stimmung herausreißew »Komm, Christel, Altel Wir beide haben uns ja noch!« wollt-! er sagen, aber er brachte es nicht iider die Lippen. Es hätte ihm zu pathe tisch aeilungen. Die Köchin kam herein und fragte, was am nächsten Tage gegessen werden s»lle, und die Hausfrau mußte sich lange besinnen. »Was sollen wir essen, et’5ritz?" sragte sie während es ihr zu ihrem eig.n-.n Erstaunen einstel, daß sie seit Jahren keinen Küchenzettel emacht hatte »Maccaroni mit chinlen«, antwor tete er ganz ernsthaft, ohne seine Zim merwanderung zu unterbrechen. Sie sah ihn so merkwürdig an, mit einein Blick, wie araue Leute ihn haben, wenn ein Vusall ihnen eine alte spi genderinnerung wieder vorzauberi. Er pflegte früher oft unerwartet ein oder zwei Freunde ploslich zum Essen mit ins Haus zu bringen, und ioenn seine junge Frau bönderingend ihm zuflü sterte: »Um Gottes willen, was soll ich ihnen nur vorsetzen?« antwortete er: »Ganz einfach, Christcl, Maccaroni mit Schinlen.'« So hatte er es jetzt gesagt mecha nisch, ohne seiiie eigenen Gedanken zu» usiterbre en. Nun vergaß sie ganz, daß die Kö chin in der Thiir stand, bis der Haus herr etwas unwirrsch äußerte: »Wir; essen die Reste von heute! Dao ist doch ganz einsachk« l Damit schritt er hinaus in sein Zim- - mer. Es dauerte nicht lange, dann kam« sie, ihm» Gute Nacht« zu sae n. Er sahj ihr noch immer feines, hübsch gesormJ tes Antlitz im Lichttreis seiner Schreib tischlampe auftauchen. »Gute Nacht, Christine! Halte nur den Kopf hoch! Wir — na —- wir wer den uns schon daran gewöhnen. Dabei versuchte er den Arm iim sie zu legen, aber sie schüttelte refignirt den Kopf. «-. »·.....« »Ja, fa, Fri ! Wenn es nur nicht so einsam wäre! «ch dachte schon, ob es nicht besier sei, ich ginge zu meiner Schwester nach Riel auf einige Wochen, und du könntest nach Berlin fahren zu deinem alten Jugendfreund.« »Mal sehen!" antwortete er leise und ließ den Arm sinken. : An der Thür wandte sie sich noch? enimal um. »Du vergiß nicht! wenn? moran der Dienstmann kommt, du weißt, wegen Annis rachtsachen, dann kann er gleich ihre ettftelle auf den Boden fchaffen; es ist zu traurig im Lner das leere Bett vor Augen zu ha en.« »Ja, ja, ich will daran denken! Gute Nachtt« Er ließ sich wieder im Lehn stuhl nieder und nahm die Zeitung zur Hand. Mutter Chriftine kleidete sich lang sam aus, und als sie den Frisierman tel anzog und sich vor den Toilettem tiseh setzte, blickte sie zaghaft in das ;Gias, aus dem ihr sc oft Annis zar tes, gutes Gesicht rntgegengelachi hatte, wenn sie der Mutter half, die silber greiuen Haare für die Nacht zu ord inen. Sie schluckte die Thriinen jedoch stapfer hinunter und le te sich mit einem »leisen Seufzer zur uhe. Jmmerfort Imußte sie in die Dunkelheit maus Ihorchem ob nicht eine sri che tinime ihe zurief: »Gute Nacht, utterchen!« und ob nicht das Geräusch zu hören wäre, wie ich ein schlafendes, junåes Menschentind in Kissen und De en einhuschelt, um dann sogleich sanft ein zuschlunimern. Die Alten liegen meist ruht und warten, bis es deni sitt-mi aen las beliebt, sich bei ihnen einzu stellen. Aber nichts rührte sich; nur ge en die Fensterscheiben schlug leise au n ein Epheuztoeiz der fich im rb twind wiegte. Sie horchte und chatr. ob ihr Mann nicht in ein Seh fztrninee gehe; aber ei blieb ill, anz still, lautlos still, und ebenso still chien draußen der Vollmond aus Dächer, hier so gut wie in Hamburg Und wieder dachte sie des Kindes, das heute fortgezogen war mit dem gelieb tcsn Mann aus dem Vaterhaug, wie sie Des einst gethan an ihrem eigenen Hech zeitstagr. Auch der alteMann, der unten allein geblieben ist, spiirt den Zauber des Mondes, der längst Bergangenes wach ruft Ueber die Zeitung hinweg schaut er durch das Fenster zum Bollmond hinaus. Gerade solch ein Abend war es, als sie bier zum erstenmal ins Haus traten, der junge Fritz Blinau mit set ner noch jüngeren Frau Christei. Da malsbezoqen sie es nur zur Mietbe: setst später tonnte er das Haus taufen als die Kornpreise so mächtig in die Höhe gingen. Ja, in dieses Zimmer hatte er sie geführt und leise gesagt: »Cbristel, wir sind ietzt allein und mri - sen einander genug haben siirs ganz: Leben!« Da hatte sie die weichen Arme um seinen Hals geschlungen und gebeten: »Hab’ mich nur lieh,’5risz, mehr ioill ich nicht in der Welt! Du bist mir genug siirs Leben.« Nach einem ocahr tam ein kleiner Junge an, doch starb er bald, und die Eltern trösteten sich mit ihrer jungen Liebe, bis die Mädels sich einstellten die sie mit Jubel begrüßten. Pan-J Bünau legte die band über die Augen. Wie tam’s denn nur, daß alles so anders wurde. Nun, die Kinder nah-« men die Mutter in Anspruch: um die beiden Mädchen begann sich ihr Leben zu drehen. An ihn stellte dafür das Geschäft immer größere Anforderun gen, und die Erziehung der beiden lie ben Gören mußte er der Mutter Liber lassen; er verstand sich ja auch wenig daraus. Und als vor sechs Jahren Ehristine trank wurde. mußte ,)rida, die Aelteste. sie pflegen, und er richtete sich das kleine ehemalige Kinderzimmer ein und schlies dart. Co trat ec- geblie ben. als onnn Anni die Genesene in’s Bad begleitet hatte und die große ischtvester ihm inzwischen den Hing-s Ehalt führte. So war es geblieben, als Frida dem Gatten in die Fremde ge folgt war und Anni das gemuthliae iStubchen neben dem Schmied noter der Mutter allein sür sich behi-:st, das sie in der Zwischenzeit mit der älteren LSchwester bewohnt hatte. Der alte Mann wurde unruhig und trat ans Fenster. ; Wie wenig hatte cr von seiner Uran all die lenten Jahre aehath Gewiß sie hatten neben im »der »ich greirer ijn Eintracht gelebt, aber die alte Vstsj traulichteit war ihnen verloren gegan- l gen. Wie war das nur so getammemx mußte denn das so sein im Lebens Er ging zur Thür, ässnete sie und horchte 1 gespannt aus den Korridor hinaus;l dann schritt er ihn hinab, stieg zum; oberen Stack empor und blieb vor dem Schlaszimmer seiner Frau stehen. Jhmx war es, als müsse er zu ihr gehen, ihr etwas sagen; aber als er teinen Laut vernahm hinter der Thür, nicht ein mal ein tiefes Athemleolem schiich er langsam in sein Schlaszimmen Nein, er wollte sie nicht stören, sie bednrste1 r Ruhe. Sie aber schlief noch nicht, sondern lag nur raalos da und horchte aus das Rascheln des Epheus am Fenster. Jn diesem Zimmer tamen die bei l l l i den Mädchen zur Welt; diese jetzt so stillen Wände hatten den ersten Schrei gehört, mit dem sie das Leben be rusz ten. hier neben ihr hatte er, der ater, aus den Knieen gelegen und ihr den Dank siir die zappelnden Schreihälse in’s Ohr gesliistert. Was siir ein gemiitbvoller Mann er doch früher war! Die Nächte waren ost unruhig, denn die Mutter wollte stets das Jüngste neben sich haben, so daß sie ihrem Mann den Vorschlag machte, schlafend Da hatte er sie so sonderbar angese hen und ganz leise gefragt: »Willst du mich los sein. Christine?« Hatte sie denn später den Mann ver loren? Nein, er war da gewesen, aber die Kinder waren auch da und wur den immer größer, nahmen immer mehr Raum ein im Hause und viel leicht auch im Mutterherzent Sie sehr-it ordentlich zusammen und es wurde ihr plötzlich sonnentlar, gar-C sonnentlar, daß sie aus der Liebe zu ihrem Mann eine Gewohnheit hatte werden lassen, taß sie damit gemalte-h batte wie mit etwas Selbstverständli-! chem. das teiner besonderen Hut undJ Pflege bedarf. Der Kinder wegen, ums sie zu erziehen, hatte sie die tleinenj Autmertsumteiten und hilfsleistunaen,’ mit denen sie früher ihrem Mann ihres iLiebe im Alltaagleben betundet, vonl diesen verrichten lassen· Frido, dazu-r Anni. hatten sie im Hauswesen ersetzt —- nun waren die Kinder fort« und sie, die Alten, saßen da mit ihrer dar benden Elternliebe im Herzen, sich selbst entsremdet. · Sie weinte still vor sich hin, weinte, weinte, bis sie einschlies. herr Bünau wachte am nächsten Morgen früher aus als gewöhnlich und als er hinuntergina, sagte er dersiöchirn er wolle mit dem Frühstück warten, bis seine Frau käme. Herbst-Sonnenschein lag über dem kleinen Gärtchen: hier und da gab es noch verspätete Rosen und die Astetn standen in voller Blüthe. Der alte here ging langsam aus und ab; er freute sich über das schöne Wetter und dachte an Anni. Der Schtviegersohn würde ihr seine Vaterstadt zeigen; viel leicht srühstiickten sie eben im Alster on und machten dann eine Fah!t nach Uhlenhorst. · M betrachtete er nachdenklich doch in einem anderen Zimmer Nil l ( l I eine Rosenknosve, während ein stolzes Lächeln seine Züge derjiingte. Reich lies et»in’s Haus« urn eine Blumen scheere Zu holen. Christine hatte ihn, durch die Jst-iu .sien blickend, beobachtet und beeilte sich mit der Motaentoilette. ! Fiik wen nur schnitt ihr Mann all die Blumen obs Es latn eine Unruhe iiker sie, die sie sctbst nicht verstand sie mußte sich sogar einige Mal aus einen Stuhl setzen nei. sie perztlopsen ibetann Gewiss wollte er ein Bouquei .an Anni schicken als Gruß aus dein «.T.Vaterbause Fast so behende, als sei «sie wieder eine junge Frau, eilte sie die Treppen linunter in das Eßziininer ,tvo der Friilisnictzttf ch, der Tisch onne ·Einlcme, gedeckt war. Zie überstog ihn -1nit den Augen i Richtiak Anni pflegte dem Vater die -3eitunq neben die Tasse zu lean und Feuerzeug nebst Aschenb cher aus den Tisch zu stellen damit er sich seine Piorum-Manne mit Verraan anzun »den konnte. , Rasch ordnete Frau Bünau aller sa, wie er es aewobnt war, und irr-J ilzr «einsiel, wie gern er früher Honig zum Frühstück gegessen, eine Liebbibcrei, die er später aus Sparsamkeit ausge geben hatte, schickte sie oie Köchin son. um Scheibenhonig zu laufen. Schon klangen seine Schritte aus dem Flur, und dann lam er herein, einen thausrischen Strauß Blumen in der Hand tragend. Lisensar nute er nicht erwartet, seine Frau schon hier zu finden, denn er blieb aanz verwirrt an der Tbür steben mit einem etwas enttäuschten Gesicht. und seine Verle genbeit wurde noch großes-, alr- ske rasiz mit einem »Guten Morgen, Fritz« an. ibn zutarn und ihm einen herzt-often Kuß gab; während er, in der einen Hand die Blumen, in der anderen die Rosenscheere, ganz steif d.1stan:). Papa Bünau suchte nach Worten, die jungen Ebemännern so leicht über die Linden kommen und die alten Lip pen so schwer werden können ,.Wesbalb bist du denn so sonder bar. Alter?« ..O nichts! Gar nichts! Sei-f dich nut· Mutter!'« Dabei iiel sein Blick aus die Zei tuna und aus die Glasschale mit gold geibem Honig. »Wie es Anni wohl gebt?« sagte er ganz mechanisch. »Sie wird sich über das schöne Wet-v ter freuen, Risi« »Ja, ja, gewiß, das glaube ich auch.« Mutter Ebristine tunite ein Hörn chen in den Kaiser und beobachtete ihn heimlich. Er röusperte sich einigemal, gab sich dann einen Ruck, marschirte gerade aus sie zu und streckte den Arm rnit den Blumen aus, gerade über ihre Kaiseetassr. »Da Cbristell ’s ist besser, man schneidet sie ab, ehe Nochtsröste korn wen-« d«»’75ritz, lieber Fritz! wie lieb von ir.« »Ja, ja, schon aut!" Und ganz verschamt machte er den Wea uin den Tisch herum nach seinem Platz. Sie nahmen stumm das Frühstück ein: er vertieste sich in die Zeitung und sie bolte eine Handarbeit und setzte sich damit an’s Fenster, wo sie den Son nenschein sehen konnte, bis der Dienst mann takn. der Anni’s Bettscelle aus den Boden brinaen sollte. Jin ersten Stockwert dröhnten dann schwere MinnerstieseL hier und da wurden einige Worte Wechselt und Möbel gerückt. Mutter Christine bekam wiederherz tlopsen. sie nahm die Brille dreimal von der Nase und setzte sie zweimal wieder auf, um dann hinaus und in den oberen Stock zu gehen. Dort war ernste Beratbuna, wie inan die große Bettstelle durch die tleine Bodenthur brinaen sollte. »Man es nicht einfacher, Fritz, man stellte Anni’s Bett in deine Kammer und das deinine in mein Schlasziim mer? Dann machten wir aus deiner Stube ein Fremden-Zimmer, nnd Anni oder Frida könnten in ihren alten Betten schlafen, wenn sie uns einmal besuchen.« Der Dienstmann itand daneben, und Vater Bünau mußte sich deswegen zu sammennehmen. »Gut, wie du willst«. sagte er daher nur: aber als die Bettstelle und der Dienstnmnn verschwanden, drehte sich der alte serr lurz um und gab seiner Frau einen Kuß Arn Nachmittag nahmen sie einen Waaen nnd ließen sich im Walde spa zieren fahren. Es war derselbe Waaen, in welchem Anni aestern fortgefahren war, ein Waan mit roth und schwarzen Rädern und blauen Plüschvolstem Auch der selbe Kutscher saß aus dem Bock; aber es war sen-glich, ob die alten sen schasten, die heute sand in sand ans dem Rücksitz saßen, nicht ebenso ver aniiat waren in ihrem serbstgliick wie das iunae Paar gestern mit demMaicm aliiet im setzen. Ja, es war ein schöner Tag, und Abends lanate mit der lenken Posi eine Karte von Anni an mit tausend tau send aliickstrablenden Größen. Voll IZuversrcht schrieb die Kleine die Eltern Ewitrdem nun sie wieder allein wirren isich das Leben nicht weniger behagl: sis zu machen wissen als im Beisem der isaujtochten Die beidenAlten schmnn selten und sahen sich an Ein Stabe war beinahe verganaen und der serr Doktor sellwig hatt einen langen Brief geschrieben auc Wien. in welchem er die Mutter aus sprderte. dorthin n kommen, weiiAnn es so sehe tritt-s l »Serbsivkksiiindiich gehn du im, sagte der Vater und verließ das ins mer, um das Kursbuch Zu holen. . »Sieh dir keine Mühe, Frisch meinte seine Frau nanz rul,ig, als er damit «zuriicllam. »Die Reise ist mir«zu !weit, um sie allein zu machen. Viel leicht fahren wir beide nächsten Sons lmer« din, wenn du leisten Rheumairss lmus basl!«' · i »Ach, um meinetwillen«, wehrte er ab. « I »Willst du mich gern los sein, Iris-" » · I Jlocb an demselben Abend gm un lustiger Brief ab nach Wien, den ist und Mutter zusammen gesckmeben pat flen, und riber den der Schwiegeriohn herzlich lachte, wenngleich Anni etwas enttäuscht war. »Ich sehe gar nicht ein«, schmollle sie, »weshalb solch alte Leute sich nicht lauf ein paar Wochen trennen wol en." Da nahm ihr Mann sie beim Kopf Und fah ihr ernst in die Augen. »Anni ich wollte, wir beide. du und ,icli, fänden in dreißig Jahren es eben so schwer, uns zu trennen, wie die YEliernF ——-—-0-.-0--— Durch Mel-rissest vernimm-h Bei der sleiia zunehmenden Verbrei -iung der eleltrischen Anlagen mehre-r sich die Fälle, wo Personen mii den Leitungcn in Beriidruna kommen und durch den elellrischen Strom betäubt werden. Dabe: seien im Folgenden die Regeln mitaetbeilt. welche Tr. S. «Hedlen siir die Bebandluna durch den eleltrrschen Strom Verunaluaten gibt. Hat sich ein llniall durch Elektrizität ereignet und sitzt die verunaliickte Ver son an der Leituna fest, so ist sofort die Leitunq zu unterbrechen. wenneitr Unterbrecher erreichbar. und man mit der Handhabung desselben vertraut ist. Jst dieses nicht möalich so suche man den Verunalüelten in nachstehender Weise von der Leituna zu befreien. Man berübre die betreffende Person nicht dirett mit den blos-en händen, damit der eleltrische Strom nicht auch auf den Hilsebrinaenden übergeleitet wird, sondern fasse den Verungliicks ten, wenn Gurnmibandschube nicht zur Stelle sind. an den Kleidern, oder bil de aus trockenen Kleidunaostiicken eine Zwischenlaae, mit welcher man densel ben angreist, und ziehe ihn von der Leituna ab. Kann man den Betäub ten nicht von der Leituna weabetomi men, so bebe man. wie vorher ange eben, mit den aeschiitzten Händen den örver oder das betreffende Glied von der Erd-. ab. Gekrrihnlich wird dadurch ider Leitunaswea durch den Körper des Verungliickten unterbrochen und man bekommt denselben ietzt leicht von der Leituna ab. Wird aber mit diesen Maßnahmen tein Ertola erzielt, so bringe itian zwischen den Körper des Betäubten urfo die Erde eine nichtleis tende Zwischenlaae, wie trockene Klei der in aeniiaender Dicke und Breite, Matratzen, Kissen oder trockene Bret ter, und wiederhole nun den Versuch, ihn von der elettriscben Leitung abzu lösen. Sowie der Körper von des stromsiihrenden Leituna befreit ist, entblöße man ten Hals von den Klei dunaostücken und wende nun die künst liche Athmuna an. Man hat dabei fden Mund des Verunaliickten zu öff ,nen, den vorderen Theil der Zunge zu ferfafsem wobei man die Finger anr sbesten mit einem Tuch umwickelt, unt ’die Zunge herauszuziehen die matt dann wieder lanasom ruriickaleitm läßt. Es ist namentlich daraus zu achten, das; die Zunaenwurrel bewegt und nach vorn argoaen wird. Dieses Verfahren ist länaere Zeit und zwar ungefähr sechzebnmal in der Minute fortzusetzen Sind die Zähe zusam( mengrepreszt, so dass sie mit der Hand nicht voneinander aetrennt werden können, so bat man zwischen sie in schonender Weise ein Stück Holz ein zuschiebem und so den Mund zu öff nen. - E Jraendwelche Flüssialeiten sind denr lBewufztlosen nicht zu verabreichen, weil sie leicht in die Luströbre gelan gen könnten. Natürlich ist außerdem io schnell wie möalich ein Arzt herbei -Aubolen. - Wie wirlsam diese Art der liinstlie chen Atbmung ist« maa der folgende Borsall zeiaen. Ein Arbeiter, der aux der elektrischen Station von Sain Denis einen Telearavbendraht bese stiaen wollte, batte dabei mit der Hand eine ooriibersiibrende eleltrische Lei tung erarissen und war zu gleicher Zeit mit dem Telearavbendrabt aa an eine zweite elettrischeLeituna aelorn· imen. Der Strom war dadurch ge jschlossen werden und durch die Hand und den Körper in die Erde gegan iaen. Der Arbeiter batte einen Strom jvon 4500 Volt mit etwa 55 Wechskln 4in der Setunde wahrscheinlich einige Minuten lana erhalten. und als man ihn sand. war reichlich eine Viertel stunde seitdem verflossen. Er gab lein Lebenszeichen mehr von fiel-« und mußte erst mit vieler Mühe von der Leitung befreit werden. wobei wiederum we nigstens eine balb Stunde veraina. Es wurde nun Fund-bit die künstliche Ath rnung in der Weise anzureoen ge sucht, das; die Arme abwechselnd ans wiirts und abwärts beweat wurden. ·Doch blieb der Eriola aus. Man wen idete nun die oben aeschtlderte Form der künstlichen Atbrnuna an. Jeßt begannen die Lunaen soaletch wieder ·ihre Thiitigteit, und nach zwei Stun tden tonnte der Arbeiter wieder spre chen. An der rechten Hand und am iOberschenlel hatte er Brandwunden, ttä übrigen aber keinen Schaden erlttq