Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, August 12, 1898, Sonntags-Blatt., Image 12

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    EDie Istucht
Roman von Ida Don-Ed.
I
: tdsttctlmsJ
I
. . . «-.-.--..-----------.fl---4
Und dann Felandeeie sie seht heiter
niit Meinu· , sprach viel lautet als ;
sonst und lachte viel mehr als sonst, i
nnd die kleinen Erzählungen von den l
Beschwerden der schnellen Reise hier-— s
her boten eicntlich at keinen so ver
gnüglichen ätch ,, antadine hat sich z
verändert,« dachte Phöbe, »oder ich
hat-? früher nicht gemerkt, daß sie so
was Unruhiges an sich hat«
Contadine saß auf dem mittelsten
der Stühle, die je einer in den drei
Fensternischen standen, mit der Lehne
der Scheibe, mit dem Sitz dem Raume
zugewandt. Gerade ihr gegenüber in
der Län Swand des Salt-ne befand
sich die hör, durch welche Felix ein-—
tteten mußte. Rechts und lian von
dieser Thiir standen gelåieidene So
sas. davor je ein weißlackitter Tisch
und um jeden noch vier Stühle. An
der einen Schmalwand sah man zn
Seiten der in Conradinens Zimmer
siihrenden weißen Tbiir kleine
Schrankchem weiß und gold, und an
der anderen Schinalwand über einer
ebensolchen Riesenldmmode einen gro
ßen Spiegel. Zwischen den Fenstern,
aus den aneinander stoßenden Falten
der gelben Gardinen, streckten Leuchter
ihre mit Glas behangenen Arme her-.
aus; ein Kronleuchiet im selben Stil
hing vom Plasond herab. Die gelte
Seide war verblaßt, der weiße Lai!
der Möbel kiiiia
»Man friert, wenn man sich hier
nmsiebi«, sagie Contadinr. »D» Sa
lon und ich, wir passen nicht zusam
men.« .
Es klopfte.
»Das wird Felix sein«, rief Ist «
Ader-am
»Aus-UT sagte Conriicsmr. l
Die Tbür öffnete sich. Couiadink
stand mühsam auf und blieb vor ils
rein Stuhl sieben. Sie fah mi! gro
ßen Augen den an. der bereinkam
Es war ein völlig fremder Mann.
Ein Mensch, der vornean und schisn
aussah, dessen Wangen warme, bräun
liche Farben bekommen hatten, dessen
dunlies Auge einem ausfallen mußt-,
aber doch ein fremder Mann.
Contadine kam eö vor, als habe sie
diesem da unmöglich Briefe voll halb
eingestandener Sehnsucht geschrieben,
als sei alles gar nicht wirklich, als
babe sie das alles nur in de: Phanta
sie mit erlebt, wie man die ErlebniFe
eines Roman-'s genießt.
Die Erregung wich eon ihr. Unbe
fangen, wohlwollend, heiter, unbewußt
auch ein wenig den gewohnten Ton der
großen Dame und Gebieterin cxntlins
gen lassend, ging sie auf Felix zu uno
gab ihm die Hund«
»Mein lieber Herr Dablland," sagte
sie herzlich, »für wie viel habe ich Ists
nen zu danken! Adrian und Bhdbe
haben mir ergänzt, was Jhr letzter
Brief noch nicht mittheilen konntc.«
Felix küßte ihre Hand-. Er blieb
noch stumm. Sein Herz klopfte schwer, ;
seine Kniee bebten. Dies Wiederse
k,en, so irn Zwang vor den Zeugen,
barie et sich nicht ausgemalt gehabt
Auch er riss ihn ein banges Staunen,
ähnlich em ibrem nur daß es- »sich
nicht in befreiendeen Wohlwollen fis-«
Das war Les So sah sie aug? Jhr «
GGME III-M sich in seiner Erinnerung
doch nmgesiallei gehabt. Er Hatte IS
'uleyt immer mit dem Ausdruck lei
enschafilicher Hingebung vor sich ge
sehen. Nun sah er es- vor sich, schön,
blaß, kühl, mit einer ganz obersliiisli
chen Freundlichkeit darauf. Die-.- wa:
nicht das Weib, dem e: sich in sein-u l
Gedanken schon mit den heißeiten
Wünschen genähert —- dieleö nicht. I
Und er konnte sprechen. Seine l
Ohren hörten es: das war seine Stim- !
me, Und sie tru mit ungetrijbtern »
Klang lange Ges «chten vor — sachli
che Berichte, Zahlen, Din e, die ihrn
« so fern lagen, so gleichgii tig waren·
« Er tte das brennende Verlangen,
dieser rau in die Augen zu sehen
emd sie fragen zu dürfen: Bist ris. eg,
du W, die mir o süße Werte ge
wiss-, du, von ich träumte iiir
ich txt-er «
Und- Conradme antworten eiiemo
sachlich und fragte mit Interesse- nach,
wo ihr seine Erzählung nicht krsclxd
pfend genug schien.
»Sind wir Comödianten, oder wa
ren wir es, als wir uns diese Briefe
schrieben?« dachte Felix, Denn er
fählte voll Staunen in sich Ruhe und
Kälte wachsen. «
»Es ist selbstverständlich«, sagte
Coneadine im Lan der geschäftlichen
Gexpröchh »daß ich Sie bei der Zie
gei abtii als Theilhaber annehmc.«
- »Da ich ni bei der Anlage kapita
listgg betheiltgt sein kann, verbietet
ei Init, diese Theiihabetfchait an
zunehmen«, sprach Felix.
»Wir werden einen Modus finden,
Sie aber dennoch dazu zu bestim
umh«
Er des-beugte sich.
»Die ten rieihen zur Anlage ei
nes kl neu Schienensiranges nach
Sondern Die Berechnung der Kosten
ergiebt Gewiss-, daß die Beförde
eunq per Achse viel iheurer werden
Weh-c sagte er. » . ·
»Sie ne das nat-mich m Fro
sent stil, i aste- nwdetnen Hi fis-·
mitteln oder gar nie-Ist', rief fie. »Mein
Mann war ein Tot-feind aller zaghaf
ten Unternehmungen-. Diese iste
fchichte interessirt mich merkwürdig-.
Alles Neue macht an und fiir sich schon
Spaß.
»Gewiß, wir waren Comödianien".
» dachte Felix.
»Herrschaften«, mahnte Adrian
,,vergeßt nicht über dem Lehm und
dem Ringofen den edeln Ringmin
Conradine, voll Unternehmungs
geifi und in einer merkwürdig erstei
gerten Lebhaftigkeit, sagte, daß man
dieses sofort abmachen solle. Sie
schickte Phöbe weg.
»Nimm die braune Schachtel mit.
es ist ein bischen was fiir Grisßmann
und Großvater darin. Und komm
zum Essen wieder. Nicht wahr, die
Herren machen mir heute das Bergmä
gen? Adrian, ich nehme an, daiz ou
dir heute freie Zeit verschafft haft ——
Und sag’ den Großeltern, Nachmittags
käme ich herüber.«
Felix hatte sich verbeugt, als fte ihn
zum Essen einlud. Darin lag, daß er
für gewöhnlich nicht ihren Tisch theilen
werde, wie es in dieser ländlichen Ein
samkeit und nach allem sich wohl von
selbst verstanden hätte.
Während man auf Längtoitz war
tete, verstummte das Gespräch keinen
Augenblick. Contadine ging nach ih
rer Art hin und het, die hände aus
dem Rücken gefaltet.
»Adrian, dn kommst mir zu Hülfe,
wenn ich etwas Unrichtiges sage. Und
Sie, Herr Dahlland, Sie müssen na
türlich Jhre Beweise so klipp und iiar
vorbringen, daß er vernichtet ist« Ich
denke, wir lassen ihn laufen. Der al
ten Mutter wegen. Und auch meinet
szaen Sonst sagt Jens Aardorp wie
dek; »Es Frunsliid hebt ieen Ge
schäftsverftano « - » « J « L « -
Adrian lachte, denn « »Es-W
konnte gar nicht plattdeutfch sp echsu
und es klang immer sehr tomiia.,
wenn fie es verfuchtr.
»Du, lache nicht. Jch befinde mich
in lauter Senfationen. Mir ist wie
im Theater, wenn ich vor Spannung I
anfange zu zitternf sagte f e »Jetz
perfon foll jedenfalls draußen vor der
Tbiir bleiben. Das ift ein guter Ein
fall. Bitte, herr Dablland, tlingeln
Sie doch nach Jaåperfon Dreimal M
bitte.«
Als wenige Minuten danach Jas
perfon eintrat, befahl fie: »Warte
draußen vor der Thür, während Herr
von Längwitz hier im Salon ist. Wir
könnten dich brauchen.'«
Jasperfon pflegte nie »Hu Befehl«
oder »fehr wohl" oder »ja, sofort« zu
fagenx er gehorchte immer stumm·
Adrian lachte wieder.
»Du inscenirft das ja förmick,« Z
rief er, »die Geschichte wird aber sehr i
einfach verlaufen. Aber weißt du z
noch, wie wir Kinder waren! Da «
dachtest du bei jeder Gelegenheit aller- .
lei romantischen Krimslram aus.« !
«
l
»Romanrischen Krimstrarrn « dachte
Fels, » war es das.
O
».. »Ist-en erzählten fich mit dem
Eifer der jeden bei feinen Jugender
innerungen befällt, eine Geschichte, bei
welcher Adrian fiir Conradine am
Rande einer Wasserbale im Moor
»Waifenmädchenhaar« gepflückt hatte.
beinahe dir-eingefallen wäre und von
Conradine am Rocktragen noch festge
halten worden war, aber nachher hatte
dann Conudine sich unerfchöpflich ge
zeigt im Ausmalen des qualvollen To
des, den Udrian im Moor hätte finden
können, und in der lebenslänglichen
Trauer-, die sie getragen haben würde,
nnd der Schauerftunde, wo man nach
Jahren ein get-leichtes Stelett in dem
Moor fände: ach, das muß das Ste
lett des Junkers Adrian von Collas
fein, der fich vor fünfzig Jahren in
das Moor stürzte« weil die Erbin von
Trebbin ihn nicht ethiieir.
Und sie lachten.
Wie sie so nebeneinander standen,
hatte Felix plötzlich das Gefühl: Sie
sind von einer Rasse!
Sie bildeten ein schönes Paar zu- .
stimmen: wenn auch Adriang Män
nerschönheit durch seine Arbeit einen
kleinen Stich ins Derbe bekommen ·
hatte, sah man ihm doch den stolzen (
Edelmann an. z
Und sie ——- wie traulich lachte und ;
sprach sie mit Adrianl Da war keine
Note von Wohlwollen und Anerken
nung in der Musik ihrer Sprache.
Da war die harmonie der Zusammen-—
gehörigkeii, der Gleichbliriigteit.
»Die äußeren Lebensumstände eines
Menschen —- das ist doch etwas, auch
in ver Liebe, auch fiir die freiesien
Geister. Wer bin ich, was war ich:
Was ich ward und noch werbe, lbin ich
durch ihrVerirauen Er aber ist es
von hause aus,« dachte Felix qualvoll
nnd erbliteri.« «
» Alle erschraken. Längwih trat ein.
Daiiähe Verstummen war ein merk
würdiger Empfang.
Er wollte auf Contadine Wehen
nnd Oliv-Band stiller-. Asein Tie
stand in ihrer «Feldhetenltellung«,
wie Adkian das nannte, den einen Fuß
etwas vorgestreckt, die hände auf dem
Rücken gefallen
So begnügte Längwih sich mit einer
Verbeugung. Dann sah er scharf über
Felix und Aprian hin.
.Gnädigste haben eine gute Reise
gehabt! Jch gab mich der Oeffnung
hin, gnädige Frau allein sprechen zu
dürfen. Jedenfalls bitte ich um eine
Unterteduna unter vier Augen,«
sagte et.
»Ehe solche Unteeredung hätte lei
neklei Zweck,«« entgegnete Conradinr.
Jhte «Senlation« war wieder einmal
vor der Wittlichleit verslogen; sie
fühlte nichtk als grenzenlosen Hoch- .
muth und unfägliche Verachtung. Sie
sah den Mann lalt und fest an, so daß
et anfing, sich beunkuhigt zu fühlen.
Sie imponirte ihm --—- gegenseinen
Wiuen. , i
»Ich habe Ihnen Auf Jhtt Depescht «
gar nicht zu antworten und bemerte
nur« daß die Abfendung derselben ja
höchst überflüssig war, da das gnädige l
Fräulein Ihnen bereits ablehnend ge- !
antwortet hatte,« sagte sie ganz eifrig. X
i
l
»Aber hier ist Herr Dahlland, der
Ihnen einige Mittheilungen zu ma
chen hat!«
»Ich habe aber meinerseits nichts
mit Herrn Dahlland zu sprechen,« er- ;
widerte Löngwih, »und :muß im Na- E
men der Gerechtigkeit bitten, mir den- s
noch die Unterrednng zu gewähren. Z
Fräulein Phoebes Ablehnung tonnte
ich nach der früheren Haltung der jun- i
)
gen Dame nicht erwarten und muß sie f
daher aus das Conto von Einflüste- «
rungen eisersiichtiger Art seßen.« ;
Adrian steckte beide Hände in seine »
Hosentasche. Er wollte sich zwingen, i
ruhig zu bleiben: aber den »tappern !
Landsoldaten« summte er doch vor
sich bin. i
»Ich ersuch- Sie,« begann Felix mit »
etwas bebender Stimme, »die gnädige E
Frau nicht mit Ihren Wünschen be- s
züglich des gnädigen Fräuleins zu !
langer-eilen sondern mir lieber die ;
Frage zu beantworten: Wie tam es, ?
daß Sie fiir Jenko Aardorp in Ber- J
lin bei-Schutz in der Kommandan- l
tenstraße Rechnungen drucken ließen. T
während Aardorp mich versichert, daß ;
er sie nach ioie vor beim Buchbinder Z
Kurz in Sondern herstellen läßt?" ;
Langwitz ward fahl. Seine Zähne «
bissen sich fest ineinander. während ;
seine Lippen sich offnetm Der Athem !
ging ihm hörbar aus den Rüsterne
Sein Auge, starr nnd blant, richtete Z
sich mit dein Ausdruck unsagtiaher Z
Muth auf Felix. i
»auch haoe ich in den Büchern ent- «
deckt, daß es Ihnen beliebte, falsche J
Transporte zu buchen. die eineni
Unterschleif von insgesamnit sechstau- i
sendsiebenhundertunddiertia Mi. dar
stellen.« ,
»Jet;«, stammelte Länaioit3, »ich «
leiigne jede Absicht hierbei — ich —-—«
»Wir, das beißt unsere grindige
Frau läßt Ihnen die Wahl: Sie lie
fern uns den Tepotschein aus iibet das
unterschlagene Geld -—-— Sie hat-en bei
einem Hamburger Bat-thing an
nähernd fünfundzwanziatausend Mart
hinrerlegt, die das Eigenthum von der
Frau de la Freinoire sind uno «
Sie sollen frei til-reisen Oder ioir
lassen Sie durch den Gendarnieii nach
Tondern abfuhren »s-- alle Fernrohrs
ten find vorgesehen « nnd Sie nie-.
deis sich vor Gericht darüber zu ver
antworten haben, daß Sie Jkng Aar-·
Lords Handschrift aus unerluiihtr
Weise nach gedruckten Foriitulriren
fälschten, daß Sie Unterschleiie iin «
araßen Stil begangen haben. Die s
änädige Frau läßt Ihnen dsese Wohl«
« Wicht auf Ihre arme Mutter.«
aus Nur-.
Felix Tuns-te aus. Gut-lobt es war
gesagt Schw» ;·-ngen»ihm die pein
lichen Sachsen von den SDUEWCZL VEMUV
schämte sich in des anderer-« OMØ IM
kin.
eDr andere aber sah zu Boden usd
besann sich ein wenia. Dem ersten
Schreck folgte die gewohnte schnöde
Kälte.
Alsoer hatte doch die rechte Meis
nung von dieser Frau gehabt. Sie
war und blieb eine Großmuthsthörin
Wahrscheinli verstand sie nicht ein
mal ordentl« zu hassen und zu lie
ben. eDnn wenn sie in den Dahi
land da verliebt war — wie er an
nahm ——« waruin fühlte sie denn teine
Eifersucht, warum sollte sie sich dann
nicht wenigstens an ibin rächen, der
ihr den Geliebten verwundet? Aber
das konnte ihm ja schileßlich egai sein«
Die hauptsache war: sein schönes
Geld ing ihm weg. Für ihn war
ei ,,s n« Geld« mühsam zusammenbe
tragen.
Endlich erhob er das haup; Er
lächelte etwas verzerrt und müh
sam. Aber Adrian hatte recht gehabi,
die »Geschichte« del-lief unendlich ein
sach— .. . .
here von Lang-Dis machte lein
Scene und wandte kein Pathos auf,
weder der Reue noch des Zornei Er «
versuchte auch keinerlei Entschuldi
gun en, vielleicht verachtete er dazu
die nwefenden zu lehr. denn er baile
» den irth des kühnen Verbrechen. »
E Er agte mit einer völlig sicheren
’ Stimme:
»Wenn die Gnädigfte acitatieiy so
reife ich nachher also ab. Herr Dahi
-land lann mit hinüberlommen, den
Schein und die Bücher in Empfang zu
nehmen« ,
«Nein««, stieß Couradine hervor. Es
klang st wie ein Schrei —- dieser
Men « würde Felix ans Rache isten!
» n! das heißt —- Adrian, nicht
wahr, du gehst mit. -. .'« Komm sie.
f
Felix wechseln dte Farbe. eDiiii es
lTaten ein bergen-ten den er gelidri
.Sie diirsen riiliisn sein, ans-di e
Frau. ich bin teiii örder«, sag e
Län wi mit einem spöttischenLiiche n.
« at·rlich«geli’ ich mit«. rief nan
Adrian, der nach dem neulich Borgefab
lenen es gari selbstverständlich gesun
den, daß ein. rauengemiitli var Lang
s wiägittertr.
ie in en. aDc veiiiliciie Geschäft
war fest sg ell beendet. Längivih lie
ferte die Ka e, die Bücher und den De
iner-Schein ab, als handelte es sich iii.·i
ein selbstverständliches Geschäft.
»Bring ihr das. Ich-man nicht. Jsli
bade ii thun. Ich möchte allein ein«,
sagte i elix. »Biicher and die Kai e ge-·
hören nun doch wobl in nie-In Zimmer
—— aber da ——- da ist der Scheins-«
Er ließ Adrian stehen. ver ihm lupf
siliüttelnd nachsah.
,,Nerven but der Mensch wie’n kniste
risches Frauenzimmer«, dachte er mit
leidig. »Dein liat seine Hungerleide:-s
und Selbstmordtandidateniseit ’-i
bösen Pqu gegeben. Dass braucht noch
lange, ebe et sc recht fest wird.« -
Felix stürzte in sein Zimmer und
schlefi hinter sich ab. Er wars sich aus
dass Sosa und legte die Stirn auf die ;
geialteten händr.
Er befand sich in einem sa.s.iii-ertsol- ?
len Seelenzustand. Schmerz, Ent- ;
iiiiischung beleidigter Mannes-stolz ;
diückten ihn nieder. !
Ja, wäre sie seindfelia arm-sen sind
l;cs:l;fal)rend wie damals in Berlin, je- 1
den Morgen von neuen-« Dafür hatte »
r: längst eine Erklärung gesunden.
und daraus war er gefaßt gewesen.
Jst-s stolze, freie Seele inöitbte sich ges i
gen di-: neue Liebe nnd aciien den
Mann, der Rechte cui sie gewinnen
frllt aber immer wieder erlag sie
kein zwingenden Gefühl.
Aber sie war nicht ieindselig und
nicht hochfalirend aeweien wie ein
Weib. das um seine innere Freiheit
kämpft. Sie war unbefangen, leutsei
lia, wohlwollend, anerieiinei«.·.i geme
sen, sie, die große Dame. gegen ibii,
dei- bezahlten Diener ihres Linse-·
Bitterleit verzehrte ihr-.
Er sprang wieder auf und risz ihr-:
Eli-tiefe aus seinem Schreibtiiii-· Da
szaikd es zu lesen schwarz aai irriti,
daß sie sich geselpnt baiie nach feiner
Gegenwart, daß ihr Ohr sehnsiisjiiig
zsiriickborchte nach dein Klang seiner
Stimme, der ihr verloren gegangen
star, da stand das irause Wori: Lie
ber Felix. Lieber! »Ja. i:i.-in Liebei«,
Sie haben sich vorzüglich beinaan
nnd man wird Sie bezahlen, sehr no
bki natürlich denn ich bin die stolze,
reiche Conradine de la remoire, die sich
nichts schenken lassen ann."
« E: säijzslmit der flachen Hand auf
die Briesblätter.· « « I
»Bist du zweimaii Bist du diese
oder bist du jenes« dachte er erbittert
Dann ging er lange aus und ab. Er
suchte sich zu fassen, er dachte nach:
über sein ei enes Staunen, über die ei
aene kühle uhe, darüber, daß er jetzt
mehr Zorn als Liebes-sehnen empfand.
War das ein Echo ihres Wesens?
Oder hatte sich auch in ihm das oon
selbst so geboren? War am Ende alles
zwischen ihnen nur Stimmung gewes
sen? Wer vermag den seinen, rast-sel
r-ollen Wandlungen solcher Stimmung
mit Erklärungen nachzugehen! Der
heiße Traum schien zerronnen, das
wonniae Glückgverlangen war in nüch
terner Freundlichteit untergeganaen.
Vor den Räthseln dieses seelischen
tsreianisses staunend, tam Felir in ei
nen Zustand arenzenlosen Elends.
«Darum lebt’ ich, darum sloh ich vor
dem Tod, um das zu erfahren! Jst das
vielleicht mein Los-sit Flieht mich die
Vollendung? Oder bin ich auf der
Flucht vor ihr? Sterben konnte ich
nicht — ich war zu seig, die eherne
Ganzheii aus mich u nehmen, die im I
Sterben liegt. So ich auch das Le- i
den nicht baden in seiner Ganzheit?«
Er merkte nicht« daß Stunden ver-«
rennen.
Worum klopfte an uno war erstaunt, s
VIII ihm erst eine Thitr aufgeschlossen
treiben mußte.
»Mensch. wagv hast du? Wie frei-It c:
aus«- Wic tm dich vie Asfaike Lang-. I
wiy nur so packen! So was erlebt sich i
eben bei großen Betrieben, wo man mit
vielen Angestellten zu arbeiten hat.Und
waru versteckst du dich? Conradine war
erstaunt, daß du ihr nicht selbst den
Schein brachtest. Jch glaube, sie war in ·
der Laune, dir die Hälfte des zurück- (
1
eroberten Geldes zu schenken.«
»Ich wollte eben einern —- einem
Trinlgeld aus dem Wege geben« rief
er bitter. .
»Aber Felix!« sagte Adrian ärger
lich. indem er anfing, sich den Rock ab
zubürstem »wie kannst du so thöricht
sein! Kannst du über Conradinens
Ton llagen? Mir scheint, sie war sehr
herzlich und wohlwollend zu dir. Du
hast ihr wirklich Dienste geleistet, sie
will dich gern belohnen was ist simpler?
Ich glaub’, all dein früheres Pech hat
dich empfindlich gemacht.«
»Es kann sein.«
»Na, also Conradine schickt den
Schein an Wär-nie, der die Sache er
ledigen soll. Kann ich mir hier die
Hemde waschen-—- es ist gleich Eß
zeit ——« Vorn Schlafzimmer her, vor
dem Waschtisch stehend, wo er heftig
rnit den Händen in Seifenschaurn ar
beitete, rief er dann noch
»Sie bat mir was mitgebracht Ei
nen alten, ge chn« ten Stuhl, der
kommt murrsch , un eine Cratoattem
nadel. Die paßt nun zu mir wie die
Faust aufs Unge. Jch le e so Mira-n
gar nicht. Ei ist eine Mliche erle.
Die verfchroände unter meinem art
Jch bat auch gleich dann-, sie aufbe
wahren zu dürfen. Da sann man mal
’r!. Ring von machen lassen —- späten-J
s Fing-i trägst du doch auch nicht,
W · Z« .
«. nicht. So, ich bin fertig. Du
auch, na, dann dorwiirts.«
Das Eßzimmer war ein riesengroßer
Saal, er lag im Etdgeschoß und ging
mit vier großen Glasthiiren auf eine
parkwiirti gelegene Terrasfr. Der Saal
war ebenso fro ig insblirt wie der
glebe Salon. an merkte-allen.Rän
men an, daß sie seit fünfzehn ahren
unmer nur ganz vorübergehend enutzt
wurden. Ei fehlte nichts Nöthiges,
aber alles Ueber liissi e.
Zwei ungeheure ei ne Kredenzen
mit Aufsägen standen an der Liin s
wand den Glasthiiren gegenüber. sie
Wände waren mit Stuck geziert und
grau gemalt. Verschofsene grünseidene
Gardinen hingen dünn und etwas
» schlaff an denGlasthüren nieder. Ueber
tem Tisch, der sich mit feinen fiinf lkle,
decken in dem großen Raum winzig
klein ausnahm, hing ein Riesenlrow
leuchtet von Prismenletten, die unte:
dem Plasond von einer Glaslugel aus
gingen und sich strahlenförmig nieder
senlten zu einem Reif von Silberblech,
der die Leuchter trug.
Auf dem Tisch stand ein leuchtender
Strauß von großen Gartenmohnblu
men. Es war der einzige warme, leben
dige Farbenflech
Die Damen ließen auf sich warten.
Jasperson stand vor der einen Kredenz
und legte sich Silberzeug zurecht.
»Jhrem Alten gehth gut,Jasderson.
Er freut sich, daß sein Sohn wieder da
ist. Der Alte war früher Dumms
mann auf Collasborgen", erzählte
Adriam zu Felix gewandt. »Hallo, da
ift ja Fräulein Phöbe! Und in tsem
neuen Kleide? Friert Sie denn nicht?«
Phöbe, die Regenmantel, Galoschen
und einen Schirm im Flur zurückge
lassen hatte, sagte vergnügt: »Wenn
man ein neues Kleid an bal, friert
than nie."
»Conradine tbut unrecht, Sie mit
solchem Luxus zu behöngen,« sagte er
ärgerlich·
Phöbe faßte sich mit ihren Händen
um den blaßblauen Gürtel:
,,Erstens befahl Conradine mir, das
Kleid gleich heute anzuziebem und
zweitens ist lein Unrecht dabei, wenn
Ich lieber ein schönes Kleid anhabe als
ein schlechtes. Man mag ja auch lieber,
wenn die Sonne scheint, als wenn es
egnet. Deshalb bin ich aber beim Re
gen auch vergnügt,« meinte sie und
lachte ibn an.
Er sc: sie an. Es war ein merkwür
iiger Blick, aus Sorge und Wohlgefal
len schien der Ausdruck gemischt.
Jasperson nahm eine straske Hal
tung an, die Thüre öffnete ech, und
gefolgt von «Madame niere« kam
Cdllksbinc heteilh Sie Wsk in etjcn
seht bUIMU Shakvl gewiekelt, unter
Um sie such Ihre ände verborg. Ein
tchteeees wes es onneid sah unter
dem Shatvl rvor.
»Ah —- nuch feiert. cis sind nur
zehn Grad. Und wir haoen den drit
ten oder vierten Jun. So direct von
Venedig in dies qreulickte Klima —
al:", sie schauerke zusammen.
Sie trat an eine der Glaothiiren
Von draußen aoß der Rean an den
Fenstern in senkrechter Linien herun
ter. Die Terrasse war vellgeschlaaen
ron Blättern und ooriqjiihrigen Er
lensriichten und Eschenvliithem das
alles tlebte aus den nassen Steinen
und schwamm in kleinen Pfützen. Zwi
schen dem Parke und dem Schlosse
schien ein Schleier zu hängen oder
eine läserne Wand zu steten. Durch
den gestiqen Regen sch man nur un
klar die Gegend
»Es muß mor en besser werden«
Mein Schäfer Nie S hat es prophe
zeit«, behauptete Adrian.
Unterdeß hatte Felix .,Madame
niere« begrüßt und sim nach ihrem Be
sinden erkundigt Sie nahen das sehr
dankbar aus und kam zu ihrer eigenen
Ueberraschung nich: dazu, herablas
send zu werden. Es war so etwas in
lix Persönlichkeit, was das verbot.
irktich, doch ein gentiker junger
Mann, dachte sie kobend.
Man seyte sich.
Phöde war sehr vergnii t. Sie sasz
neben Adriun und legte i m ganz un
befangen alle besten Stücke aus d:n
Teller. »Das thue ich bei Großvater
auch immer«. sa te tie. Sie fragte
Conradine nach «ano und Leuten
und meinte, daß sie avsnlist teine Lust
Zum Reisen hätte; nur einmal nach
Kosenhagen möchte sie, aus stonnens
Nn orv spazieren gehen und vor rllntcs
cienborg stehen, wo die Orchzeit ge
seiert ward, der Kantmerlzetr Ant
trup beigewoksnt, und außerdem böcly
stens noch einen Abend Tivoli besu
chen. Ali-r schöner tönne es auch in
Kopenhagen nicht ietu, als auf dein
Moor von Collasdoraem wenn die
Sonne glühte, die via-ten Libellen in
der Luft standen, der Kuckuck risi und
: man faul unter einem Kiefernbäuw
chen lag und zählte. Da war die Welt
sc still und weit, und wenn man mit
den Augen blinzelte, satt nun j-. par
seine Grenzen. Und man lenkte trau
men, o, von so vielen schsnen Dingen.
Nein, nein, in der lauten. vunteu
Fremde möchte sie nicht sein.
Dann erzählte sie Avrlan, daß sie
na? Tisch natürlich sofort ihr schönes
til d wieder ausziehen werde. um es
zu schonen. Sie freute sich osfentuns ;
dig au den Schototadenererne und J
den C amvagneD den es inne Nach
tiseh geben wurde, wie ihr die Vetter
son verrathen hobe.
Und ei war. als gelte vor-. der voll
lornrnenen Natürlichteit inreiWesenz
und von ihrer reinen Heiterkeit ein
Segen aus über alle.
Auch Felix wurde leichter um das
her-. Lanssorn wich die Bitterkeit
aus seinem nnern, et sing an. sich
wohler zu sti Len, freilich noskz mit der
Zaghastigteit einesv Verwundetem der
jeden Augenblick eine harte Berührung
siirchtet. «Er sprach mit Conradine.
aber ihr in’S Auge zu sehen wagte er
ni .
Ver freundlickyhösliche Blick, den er
fürchtete, hätte ihn zu s wer getroffen.
Und auch sie wa te n cht, ihn anzu
1·ehen. Bei dieser orsicht wurden sie
ich erst bewußt« daß sie auch heute
Morgen einander nicht in die Au en
gesehen. Oder sie bildeten sich doch e n,
sie hätten es vermieden. Und um
diese Vorsicht zu vertuschen, sprachen
sie desto lebhafter mit einander. Dabei
besand sich Conradine in einer voll
ständigen Doppetthiitigteit ihrer Ge
danken. Jndein sie sich mit Eifer in
das Thema zu vertiefen schien, das
gerade zwischen ihnen angeschlagen
war, daachte sie fortwährend dar-in,
tas; sie aiich ihni ein Geschenk mitge
bracht hatte, eines, wie man «- nur
einem Manne giebt, an dei: man sich
zur immer bindet: einen iöittichcn
- ing.
Sie konnte ihm diesen Ring nicht
geben« nicht so, nicht jetzt. Aber in
dem sie ihn verheimlichte. mußte es
ihm doch- zugleich offenbar werden,
daß sie eine besondere Gabe für ihn
act-abt.
Schon Adrian hatte unbefangen ge
sagt: ossentlich hast du an irgend
eine Au merksamteit sür Felix Dahi
land gedacht, der gehört zu den Leuten,
die man durch eine liebevoll ausge
dachte Kleinigkeit mebr erfreut als
turch alle Gehaltserhöhunaen und der
leichen.« Sie zermarterte ihre Er
pindungsgabc »Wie soll ich es ma
chen, ihm ein kleines Geschent zu geben,
ohne ihn zu beleidigen. Wie soll ich es
machen, solches Geschent zu unter
lassen, ohne ihn zu verrathen, daß ich
das allerernsteste siir ihn bereit hatte,
das ein Weib nur geben kanns«
Und dabei sprach sie lebhaft davon,
daß ihr merkwürdi er Hang nachEin
samkeit verbunden ei mit -:in.ent noch
tnertwürdigeren Interesse an Men
schen, und daß sie aus Reisen am besten
diesen beiden widerstreben-en Neigun
en genügen könne, indem sie unter
Fremden innerlich allein bleibe und
doch die Menschen rinasum obersliichi
likh tennen lerne und nach der bloszen
Oberfläche beurtlxeilt seien die meisten
an enehm.
s Mahl verging. und als man
Sich erhob, fiel von Conradine die Led
hastigleit ab wie eine Maske. Er
müdet, stierend, traurig stand sie an
einer der Glasthiiren und sah wieder
hinan-,
Tit seit-M Männer hatten sich ver
abschiedet. Das erste Wiedersehen,
das erste Beiiastirnmeniein war über
standen, wie Crxrradine es sich noch
diesen Morgen gewünscht: im Schein
einer vollkommenen freundlichen tin
besangenheit. lind er und sie hatten
sich nicht einmal gerade und kiihn ins
Auge geblickt. Nun schien Eonrcdine,
was ihr— während des Beisamnienseins
so bequem gewesen. unerträglih. Das
zitich einer nngelösten Frage« einen-. un
geliisteten Geheimnisi. ,
»Ich hätte den Muth dazu haben
sollen,« dachte sie. »Das allein hatte
ihm meine Unbefangenheit wahrhaft
bewiesen.«
Aber vielleicht entfloh dieie Unbe
ian «:nheit vor deni ersten Blick.
onradine bildete sich ein, dieses
Unglückggesiihh diese elenden Zweifel
wiirden vergehen. wenn nur die Sonne
schiene. wenn man nur im Part um
herlausen und die Vögel singen hören
könne.
Es regnete sori und fort. Aber ci
nerlei, die Beweguna draußen
mußte noch besser sein, als im kahlen
hause von Zimmer zu Zimmer zu
gehen, um irgendwo Behagen zu su
en. .
Sie zog sich einen Reaenmantel cin
und seste Schuhe, und den Reisesilz
au dem blonden harr, den Regen
schirm über sich, ging sie in den Parl.
Manier-km iotat.)
Jede jun e Dame in Stam, die ein
bestimmtes « lter erreicht hat, ohne eis
nen Mann gesunden zu haben, wird
aus Wunsch Jntticy ,,reaistrirt" und
gelkört von der Stunde an u der
ehrenwerthenC orporation der » staats
j«tngsrauen«, d. h· sie steht zur Ver-:
füguna des herrschet-T der nun selbst
daran denlt, jeder einen Gatten zu ver
schaffen und sür die armen Gatten ist
diese Mttsztxirath eine qerichtlich fest
esesetzte Strase. Die Unterthanen des
Königs Chalalcngtcrn, die das Pech
hat-en, sich ge en die Gesetze des Lan
kec zu oetsun igen, werden nicht« wie
in Europa, zu einer Geldstrafe verur
theilt, so1«tern werden geztvun en, eine
oder mehrere von jenen ,,I sieiellen
Frauen« zu heirathen. Handelt es sich
um leichte Ver eben, so hat der Ver-ur
theilte das Re t der Wohl« in ernsteren.
ällen dage en wird er gezwungen, die
Zrcuensper on »Hu nehmen, die ihm
»cmtlich" zu suhrt wird. Jn Fol e
dieses der er rischenden Systems siegt
ez im Lan e Cdulalongtorn’s tein kun
ui Mädchen, mag es nun chön oder
ößlich sein« das nicht hos n dürste,
s:tiher oder später bei der Ehelese auch
eine retse Frucht etnzutzeimsen
Ein jüngst in London gestorbener
alter Junggeselle hat sein ganzes Ber
rnogen den achtDanren vermocht, welche
» hintereinander flnn Ksrbe verabreth
» haben Er begründete diese sonderbare
Bestimmung folgendermaßen: »Im-sem
dtese Damen meine Wert-uns adwiesem
erlaubten sie mir ein ruhiges, vg- Fa
miliensoraen tretei Leben zu sühren
und verdienen die Dantbarteit die TO
rhnen dterdurch beweise-K
(