1 se essiikninim —.-. Erzählung von L udw. Ha dicht III »Die Scison in Nizza hatte ihren Hoycpnntt erreicht. Aug aller Herren s Ländern waren Diejenigen herbeige sr·rbziii, denen es veraönni ist, dem neirdiichen Winter zu entfliehen, und die nun in einem milden Klimcn unter einem srnnigen Himmel Erholung oder ;-’ers:reunng suchen. Nizza besonders ist« seitdem es in sranzdsischen Besitz gekommen, ein winterlich-r Vergniiz gun Hort ersten Range nxewordenz die Rei en und Vernehmen aller Welt scheinen sich hier ein Stelldichein geben zn wollen. Es gehört zum qnten Ton, drn Herbst in Paris und den Winter an rer Riviera zu verlcden. EineNachi sahn, nnd man ist in Nizza angelangt. Hier wird nun während der Saison ein Glanz nnd Luxus entsaiiei, der I- jeder Beschreibung spoitcsi nnd förmlich vermischend wirkt. Jn den Schiiusens iern liegen all die Herriichkeiien, die den Parisern dir Sinne verwirren, und für Vergnügungen aller Art ist in hinreichender Weise gesorgt· Die Lan eweile, dieses schrecklichste aller Uebel iir den verwöhnten Riechen« ist hier ein unbelanntes Ding. Welch sesselndes, anmuthiges Schauspiel gewährt nicht schrn in den Nachmittage-stunden die berühmte Prcrnenade des Anglaisl Die eine Seite dieser Straße ist von Palasten eingesaßt, während die Pro rnenadenwege ein ewiges Grün schmückt und das nahe Meer einen erstischenden Wind heriibersendet. hier tummelt sich in den Nachmittagsstunden Alleg, wag auf Rang und Reichthum Anspruch macht. Die vrachtvollsten Equipagen rollen aus nnd nieder, und ihre Jnsas sen Ioetteisern mit einander, die neue sten und, wenn es beliebt, auch die auf sallendsten Moden zur Schau zu stel lrn. Die Damm besondere- sind eifrig bernüht, durch die glänzendsten Toi letten und die kostbarsten Brillanten Aussehen zu erregen und, ihre Mit schwestern, wenn irgend möglich, zu verdunkeln Es gehört schon ern unge wöhnlicher Reichthum oder viel Ge schmack dazu, aus diesem glänzenden Gewühl emporzuragen und die Ande ren zu überstrahlen. Alle lechzen da nach; aber nur wenigen Auserwählten gelingt es. Zu diesen Gliicklichen ge hörte diesmal eine reiche Russin. Wenn Fürstin Rosninoti mit ihrem von vier prächtigen Orlowtrabern gezogenen Kabriolet aus dem Korso erschien, dann lenkten sich die Blicke Aller aus die schöne Frau, die mit großem Ge schick und sicherer Hand die Rosse selbst zügelte. Schon durch ihr Gefährt würde die Dame allgemeines Aussehen erregt haben; aber auch ihre Erschei nung war wohl geeignet, die Bewun deruna der Männer aus sich zu ziehen iirstin Rosninsli mochte wohl die ür viele Frauen verhängnißvollen Dreißig überschritten haben, und din noch zä lte ie no seht zu den Mr en ersten Hänges, usd IM· und t ag huldigend zu ihren Fii en. Seltsam enug, die Fürstin war zu einer Zeit chön geworden, wo andere Frauen schon verblüht: erst mit dreißig « ahren hatten ihre scharfen Züge einen weiche ren Ausdruck erhalten; aller Trotz, alle jugendliche Härte war daraus ver schwunden, jetzt erst larn das Sehnen und Träumen.... ein Hauch von rnädchenhaster Schwärmerei, den sie früher nie gekannt hatte. Es war die Schönheit des Herbste2, die so viel Farbe und Poesie im Gefolge hat. Fürstin Nosninsli wußte nicht allein durch ihren Reichthum und ihre vis lante Schönheit, sondern auch durch ihren Geist zu blenden« lein Wunde-r, daß die Schaar ihrer Verehrer mit je dem Taae größer wurde, und all ihre Mitschwestern sie um die Erfolge be neideten, die sie davontrag. Man nannte die russische Fürstin nur die ,.Gliickliche«, denn ihr war "a alles zu gesallen, was ein eitles krauenherz nur zu begehren vermag - Rang. Reichthüm, Schönheit . . . . llnter den zahllosen Bewerdern um die Gunst der schönen, reichen Frau hatte endlich Einer den Sieg-I davon: getragen, ein französischer iarauis, der Träger eines alten Namens. Henri de Grenaud zählte taum 25 Jahre, und dennoch war er in heißer Gluth sür die beinahe zehn Jahre ältere Frau entbrannt, und zu seinem unnennbaren Glück theilte bald die Fürstin seine Gesiihlr. Der Marauis war stolz daraus, daß die oiel bewunderte und viel umwan bene Frau ihm vor allen Anderen den Vorng gegeben hatte; und er stand aus dem Gipfel der Seligleit, als sie ein willigte, ihm die Hand zum ewigen Bunde zu reichen. Man war iiber die Herzengwahl der viel geseierten und Viel umworbenen Frau allgemein ver wundert, denn der Marauid ragte wes der durch seine persönliche Erscheinung noch durch seinen Reichthum über die Anderen empor. kenn de Grenaud lrsnnte laum ein «iivscher Mann ge nannt werden; er war wohl schlanl ge baut, aber nur von Mittelgrösie, und sein unregelmä i es, von einigen Blat ternnarben ent te tes Gesicht wäre so gar unschön gewesen« wenn nicht ein paar dunkeln prasöige Augen alles gutqeruacht hätten. ie viel schwärme rische Glutl), wie viel edle Begeisterung leuchtete aus diesen, von langen Wim pern überschritten-n Sternen. Wenn auch die vornehme Welt Ni - as Anfangs nicht wenig iiber die seli Jarne Laune der schönen Frau est-ist eli hatte, man söhnte sich doz1 rasch damit aus. Es war damit wieder ein neues Band der stanzösisch -· russischen Allianz gelniipst nnd der Beweis e liesert, daß diese beiden Nationen "n unwiderstehlicher Zug immer näher zu stammen iiihre. Man nannte die Ver ilcbten die zärtlichm Vertreter des ruf sisch- französischen Bündnisses · Marqstie de Orennno tUsninerte sich freilich nicht viel nin Politik, und die .ietzige Staatsverfassung seines Vater lautes war durchaus nicht nach feinem zGeichmacL Wenn er aisch mit seinen ZAnsichien nicht gern hervor-trat, konnte er doch den Roycliiten niemals ver leugnen· Der MaquiS batte über nunpt wenig von einem modernen Franzosen; in Ghin steckte noch etwas Ri tterliches aus einein vergange« en Jahrhundert; er nun, ivie einst feine Vorfahren noch bereit, für irgend eine inee, für etwas, das er noch Und bei llig hielt, Gut nnd Leben zu lassen, und gerade dieser fchtvärineriiche Zug, der litnsem nnd besonders der franzöfi sichen Jugend völlig abhanden geloni ,nien ist, hatte die Fürstin niit Unwi zketsiehlicher Gewalt an den Marquis gefesselt Henri irar so ganz ander-« alg ull die ivitzelnten, selbstgefälligen Herren, die sie bisher innilattert, und rir sich nur deshalb so eifrig Um ihre (·nnst bewarben, weil es ibrer Eitel trit geichnieichelt hätte, über ihreNebeir biibler endlich ten Sieg davonzutrn nen. i Jn dem Marquis war von dieser slöcherlichen Eitelkeit nicht die Spur; Der gab sich stets, irie er wirklich war: Ischticht und einfach. Er wollte durch sseinen Geist niemals glänzen, und den Inrch verrieth jede seiner Aeußeruiigen, daß er wirklich Geist besaß. Ah, und irr-as die schöne Frau nzhr als alles .sckätzte, Henri hatte in seiner Brust ein sHerz, das int Getriebe der Welt noch Enicht abgenußt worden, das noch wah Hier, tiefer Empfindungen fähiq war, kund das ietzt mit all seinem heißen IFiihlen fiir sie allein nur schlug. Sie wußte es, daß sie die erste, wahre, gren zenlose Liebe in diesem edlen, vorneh men Herzen geweckt hatte, eine Liebe, tie nie inehr erlöschen konnte; sie brauchte ihr Alter nicht zu fürchten Henri gehörte ihr an, deute und im »rr.er . . . . I Jn aller Stille sollte die Hochzeit jgeseiert werden, so niinschte es wenig ,steng der Iliarauis. Wie auch die Für Estin sonst Glanz und Pracht liebte, sie lsisate sich gern in ten Willen des gelieb Eten Mannes, ja es war ihr ein förm: ilicher Genus-« ihm irgend ein Opfer zn jbringen » ! Der Maranis besaß in der Bretagne »ein Besitzthum niit einem lleinen, alter »thiiinlichen Schloß: dort wollte man, Ifirn von deni Geräusch der großen ZWelt, die Honiginrnate verleben. Auch zdie Fürstin, die sinst so gern in den Strudel der rauschei.dsten Veraniiaun ’gen untergebracht irar, sehnte sich jetzt -nc:ch Einsamkeit, isnd die beiden Lie-v ,vrnden schwelgten schon in dem Vor nenns; jener selicen, stillen Taae, die sie dort in dein tveltverlorenen Schlöß chen erwarteten. Nur noch einige »Wochen, und die aliinzende nnd doch sso etmsdend lqnairseiliae Welt war hinter ihnen versienten . . .. t Der Marauis tcsnnte die Veraan «aenheit der Fürstin; sie hatte in straulicher Stunde ihm alles selbst e:. iziihlt. - — Sie war sung vermählt wor sdem man hatte ihr Herz dabei nicht gefragt. Der Vater ner ein reicher Kaufmann gewesen, dessen Vermöan nach Millionen zählte: seiner Eitelkeit hatte es geschmeichelt, die einzige Toch ter init einem Fürsten zu vermählen; auch das iunae Mädchen war durch die stiluesicht aus eine glänzende Weltstel tuna ein wenig geblendet worden. . Leider sollte dass Glück der Fürstin nur lnrz sein; ihr Gatie wurde der Theilnahme an einer Verschwörnna argen das Leben des Zaren bezichtigt; soz- mit Recht, vermochte sie nicht zu zsaoen. Jhr Mann besas-, zu viel ssseinde und Neider, deren stahl sich lnoch vergrößert, seitdem er die Toch ter eiens Millionärrs heiinaefiihrt hatte und so mochten seine Gegner nicht eher Igeruht haben, als bis es ihnen gelun Iaen war, den oerhasiten Mann zu ver sieichten. Fürst Rorsninzki wurde aus Lebenszeit nach Sibirien verbannt; saber seine Gattin erhielt die Nachricht, sdasz er schon ans dem Transport dort hin verstorben sei. Der Tod eines Mannes, den sie nie geliebt, und der lihrem Herzen fremd geblieben war, ihatte» die iungfe Frau iikcht allzu ties lerschuttern tonnen; seitdem waren .nsehr als siinfzehn Jahre verflossen, iisnd ihre the erschien ihr selbst nur ,noch wie ein verwerrener Traum, an »den sie nicht gern mehr erinnert swurdr. i Nach dem Hinscheiden des Vaters lhatte die Fürstin ein unruhiges Wan ldeileben geführt, nnd wie sie auch mit Aissnsjeren Gliicksgiitern aesegnet worden, eine tvahre Besiietigung, eine tiesin nere, beseligende Ri.he hatte sie bisher nicht gesunden. Jetzt endlich winkte ihr der Hasen an der Seite eines Man: net-, der ihr mit jedem Tage thenrer wurde, je mehr sie Gelegenheit sand, seinen inneren Werth zn erkennen. Der Marguis war noch mit seinem Kons, mit seinem ganzen Herzen ein echter Etelmanm der mit ritterlichem Sinne seiner erwählten Königin zu hnldigcn verstand, da es ihm nicht mehr ver gönnt tvar, siir einen sinnig Blut nnd Leben zu lassen. Tab Haus Bourhon, dem seine Ahnen so treu und schwär merisch angehangen, war ja erloschen. Die Fürstin war ja reich, nnd nnn träumte sie schon jetzt rnit dein gelieb ten Manne davon, die Ländereien zu rückzuerrverben, die den unglückliche-r Ahnen während der Revolution ver lrren gegangen. »Wir wollen dort im lNordem in Deiner aeliehten Bretagne, jganz sür uns ein kleines Königreich grünt-en und unseren getreuen Unter thanen gütiae beeren sein'«, hatte sie «..——-.— -...« ..«. k-——.—--.-«.——»——- . .-.-.. ihrem Verlobten mit glücklicheniLäeheln gesagt, während Dieser hinzu esügt: j,,tt«lber nicht wahr, das tleine åchlbsp Ichen lassen wir so, wie es jetzt ist? Es i i weiß so viel von retgangenen schöne ren Zeiten zu beriajten.« »Und das soll es uns in den lgngen Winternäch tin erzählen«, hatte sie daraus mit der Seligkeit eines Rittes entgegnet. Ja, sie ira.r noch einmal jung gewor den; sie hatte ihre sechzehn Jahre wieder-gesundem und der Frühling, den jede wahre, grenzenlose Liebe in das Herz zaubert, jauchzte und jubelte durch ibre Brust.·.. Man hatte sie stets die Gliiclliche genannt, nun war sie es wirklich . . .. Nur noch wenige Wochen, nnd die glänzende und doch so erniiidend lang weilige Welt war hinter ihnen ver fnnten . . .. Wie langsam dieStnnden des-Allein seins dahinschleichenl Sie lebte ja jnur noch, wenn der beißgeliebte Mann sinni, und sie in seine treuen, herrlichen jAugen schauen und die Gesiihle beut-i lich lesen konnte, die ilfn allein beseel ten. « Auch heute zählte die Fiirstin wie sc ost die Minuten bis ;·,:i seinem Er scheinen. Sie hatte ihren Sessel in die siliöhe des Balions geriiett und schaute« lrnit zerstreuter Miene auf das Land-: schaftsbi1d, das sich ihr bot, und dass srnst ihr Entzücken erregt hatte. Die Bill-J, die sie bewohnte, lag in""einenii mächtigen Garten; hohe Palmen wing ten sich vor ihr im Winde, die Man-; dclbänme blühten, und ein blauerHin1-! niel lachte hernieder, als wollte er mit idem tiefen Blau des- Meeres weit-! seiserm , Die Fürstin blickte aus die Uhr. »s— iNoch zehn Minuten under mußte komsj ’n:en. -- Da wurde sie aus ihrem Sin-; nen und Sehnen durch den Eintritt ilner Zofe aufgefcheucht Ein srernsi ider Herr wünsche die Frau Fürstin zu1 sprechen. ,,C hat seinen Namen nichti genannt«, fuhr dag französische Kam-U merkiitzchen mit geläufiger Zunge sort;j »aber er hat ntir gesagt, er sei ein alter Bekannter der Frau Fürstin, und sie werde ihn sicher herzlich willkommen ;heiszen.« ; Noch war die Fürstin unentschlossen, soll sie nicht dennoch den Fremden ab weisen sollte, da trat derselbe schon in’g Zimmer, er war der Zofe ohne Wei tereS aus dent Fuße gefolgt und machte j·tzt gegen die Letztere eine befehlende Handbivegung daß sie sich entfernen möge, und diese, ist-n dem sicheren Aus treten deö Fremden verblüfft, zog sich« euch wirklich ohne Weitere-, zurück. Die Fürstin schaute ganz ver wundert und ein weitig entrüstet attf den Fremden. »Ich finde Jshr Benehmen utehr ».il-J udringlieh«, use-site sie Fühlh- vertveksind sagen; c. er Ier alte err lie ich urch i ihre abweisende Haltuiigdniåit stänsskl «er breitete die Arme nach ibr aug und irief mit bewegter Stimme: ,,Feodo srorotta, erkennst Du mich wirklich nicht iwiederF Fiinfzehn Jahre des tiefsten itslendg haben freilich aus tnir einen sGreis gemacht, aber ich hoffe doch, daß s mein Bild in Teineinszerten nian ganz Ierloschen ist!« » Diesfiirstin trat entsetzt einein-Schrittl zurück. Was wollte der Mensch?! Hatte sie ec- mit einem Irrsinninqen ;u thun-.- Wak es nicht das-· Klügste die Klingel zu ziehen und ihre Leute her beizurusenZ Sie wollte rasch ihren Entschluß ausführen; aber der Fremde mußte ihre Absicht ertaitnt haben und trat ihr rasch hindernd entgegen. »Feo «dorotona, muß ich Dir erst sagen, wer l ich bin?! Daß ich Dein Gatte, den man jin der niederträchtigsteu Weise aus Ue ibenszeit nach Sibirien verbannt hatte, iund dem es endlich gelungen ist, von idoet zu entkommen!« »Was reden Sie da, mein HerrZY MeinManu ist damals aus deinTrane part nach Sibirieu gestorben, ich habe davon die amtliche Nr chricht erhalten« und Sie werden also begreifen « »Dennoch bin ich Dein angetrauter Gatte und der Todtgesagte· Jch be lgreise, daß Du im ersten Augenblick oer Ueberraschung an mit tweiseln musit, aber laß mich ruhig er,iahleii, wie es damals gekommen ist, nnd dann wirst llDu wohl glauben, das-. ich Dein schwer lgeprüster Mann bin, der endlich das Glück hat, sein theures Weib wiederzu sehen! O, Teodorowna wie habe ich mich nach dieser Stunde aesehnt!« trin leises Schluchzen erstickte die Stimme Ides Fremden; er vermochte seine Rüh rung nicht länger zu verbergen, und Imährend heiße Thtänen über seine Wangen rollten, sant er in den nächsten Sessel. Verwirrt. keines Wortes mächtig, starrte die Fürstin auf den Greis. War dieser Mensch wirklich ihr Gatte und kein elender Betrüger? Sie hatte den Fürsten nur gekannt als einen stattlichen Mann iu den besten Jahren, ,eine wahre Hünengestalt, mit einent zAntlitz voll Trotz und Energie, und vor sihr stand jetzt ein Greis mit schneewei sietn Kopf-s u. Barthaar, der körperlich nnd geistlich wie gebrochen erschien, . und in dessen welketn Gesicht Noth und Entbehrungeu aller Art mit unaus liischlichen Zügen eingegraben waren. Der Fremde bemerkte, was in dem Jnneren der Fürstin vorgehen mochte, .und er begann tnit triibem Lächeln: »Du zweifelst noch immeril So lasse Dir mein Schicksal erzählen, und dann wirst Du wohl begreifen, warum aus dem Gatten, der Dir damals so rasch verloren ging, der elende Greis gewor den ist, den Du seht endlich wieder stehst!« Die Fürstin regte sieh nicht; sie blieb -wie angewnrzelt auf ihrem Platze ste hen, nur ihre Augen schweisten immer wieder über die Gestalt des Fremden hinweg, als müsse sie sich überzeugen, ob sie nicht irgend ein Trugbild ässe. Traumte sie nicht? Gab das Grab seine Todten zurück? Und war dieser Mann wirklich ihr Gatte, den sie doch längst und mit vollem Recht zu den Abgeschiedenen gezählt?! »Du weißt, daß ich durch die Um triebe meiner Feinde in’H Verderben -estiirzt wurde«, beaann der Fremde Feine Erzählung, ohne die Erlaubniß der Fürstin abzuwarten. »Aus dem Transport nach Sibirien erkrankte ich so schwer, daß ich kein Lebenszeichen von mir zu geben vermochte, und mich Alle siir todt hielten. Es war mitten in einem Walde: man wollte schon ein Loch araben und mich dort einfchurren »Ach, wozu wollen wir uns die Mühe geben, der Boden ist ja ganz hart gefroren! Werken wir die Leiche vom Wagen, die Wölfe werden sie schon fressen!« «Sollten wir da nicht wenigstens seine Ketten mitnehmen?" fraatc ein Anderer. »Du hastkliecht!« - — Und man löste meine Ketten. »Ich alanbe, der Mann lebt nrch«, ließ sich jetzt ein Begleiter vernehmen. »Warum nicht gar! Und wenn auch! Sobald wir ihn vom Wagen werfen, krachen ihm alle Rippen im Leibe, und es wird ihm die Lust oeraehen, noch einen Athemzua zu thun« Ich hörte allegz aber ich laa wie in einem Starrtramvi und vermochte tein Glied zu rühren, nicht die Lippen zu einem Laut zu öffnen. Wirklich wars man mich vom Wagen und so unsanst, daß der elende Bursche schon Recht hatte; ohne meine frühere Rie senlraft hätte diese Brutaliiät ·-inir sicher das Leben aeioftet, während ich jetzt dadurch aerettet wurde. Ich er wachte von dem schwerenFall ans- mei ner Erstarrung; aber ich war jetzt mitten in dem einsamen Walde, ganz allein und verlassen, und ich wurde sicher, wie die Schurken aesaat hatten, eine Beute der Wölfe, denn ich ver mochte mich nicht von der Stelle zu schleppen. Wie lange ich so hilflos gelegen, weiß ich nicht: die Sonne neigte sich bereits dein Untergange zu, da hörte ich den Tritt eines Menschen. Ich versuchte, mich etwas in die Höhe zu richten und einen Hilferuf auszustos ßen. Die Tritte kamen näher: es war ein Bauer, der im Walde Holz holen wollte; er bemertte mich, und gutmüthig, wie all unser niedereg Voll ist, erbarmte kr sich meiner; er gab inir aus seiner Schnavgflasche zu trinken, und ich erholte mich so weit, daß ich mich in seine Hütte schleppen konnte; wenn mir die Kräfte versag ten, trug er mich zuweilen auf sei neni Rücken, obwohl ich ihrn eine sehr schwere Mir-se war. So wer ich noch einmal dein Tode entromm, und ich durfte schon hof fen, mit Hilfe dec- .1utniiithigen Bur schen meine Flucht in’s Ausland be werlsielligen zu tonnen, sobald ich mich nur soweit erliolt hatte, um die Anstrengungen und Gefahren zu be stel:en, die mich bei diesem Versuch er warteten. Ich war beinahe genesen, da lani der Bauer eines Tages mit verlegener Miene und mit oen Worten zu mir: »Ich kann Dich nicht langer behalten, meine Frau wills nicht und meine Schwiegermutter noch weniger. Die Weiber fürchten, daß wir eine harte Strafe bekommen. wenn man Dich bei mir findet, und so wirst Tu verstehen-s-« Was wollte ich machen? Jch mußte mich fügen, -—der Bauer begleitete mich noch ein Stück, er be schrieb mir den Weg und nun wagte ich auf gut Glück meine Wanderung Vielleicht gelang es mir doch, allen Gefahren zu entgehen. - Es sollte nicht sein. Schon am folgenden Tage wurde ich von herumstreichenden Holaren auigegriiien nno aigoann an die nächste Etappenstation abgeliefert, und nun wurde ich doch noch nach Si birien geschleppt Ich aab einen tat sehen Namen an, weil ich hoffte, da durch nicht in die Abtbeilunq der zu lebenslängticher Verbannung Verm-— theilten gebracht zu werden. und man sraqte auch nicht weiter nach meiner Vergangenheit; iiir die Beamten ge niigte es, daß man einen Entsprun aenen wieder einaesanaen hatte. Wie furchtbar ich dort in der Ver bannung aelitten, dai will ich Dir nicht schildern, eg würde Dir nur das Herz zerreißen«, fuhr der Fürst :.·iii leiser Stimme sort, und seine einge sunkenen, miiden Augen schweifteki da bei zu seiner Gattin hinüber, von der er voraussetzte, daß sie ihm noch im mer ein herzliche-S Andenken bewahrt habe. Nach Jahren grenzenlose-r Qual ge lang es mir endlich, dieser kalten Hölle zu entfliehen. Ein Freund, dessen Theilnahme mein Schicksal er: regt hatte, brachte mich glücklich, unter tausend Gefahren, nach Amerika. Tort habe ich ein ganze-:- Jahr gearbeitet wie ein Tagelöhner: - -- ich wollte doch nicht als Bettler und in Lumpen vor Dich bintreten und wirklich er warb ich mir so viel. daß ich die Ueberfahrt bezahlen und nach Europa zurückkehren konnte. Von Freunden hatte ich erfahren. daß Du diesenWin ter in Nizza verlebtest, daß Du Witt we geblieben und mir die Treue be wahrt hast. O, welche Seligkeit hab’ ich dabei einviundenlsssund nun bin ich biet, Feodorowna und in Deinen Armen, geliebtes Weib. will ich all das Elend vergessen, das ich crduldet habe, und ich weiß, Du Edle. Gute, wirst es mich vergessen machen!« — Er wollte auf die Fürstin zueilen und sie zärtlich in seine Arme schließen, aber diese hatte bleich und Verstiirt der Erzählung gelauscht, und auf ihrem beweglichen Anklitz zeigte sich deutlich die grenzenlose Verzweiflung, die ihr Jnneres vurchwiihlte. ——- Ihr längst todt geglauhter Gotte kehrte zurück, und gerade ietzt, wo sie all ihr Gliick san der Seite eines Anderen gesucht und gefunden hatte . . . Es war, als ob der Wahnsinn an ihre Schlä sen pochte, und wie hilfcinchend haben ihre Blicke umliergeschmeift Da be fmerkte sie den Maraisig n der Thiir, nnd mit dem Anfschreit »Denri Hm lri!« stürzte sie an die Brust des ae jliebten Mannes ,,Feodorowna, mein thenres Weit-J was thust Du?« rief der Fürst ganz erschrocken aus; er sprang auf und näherte sich seiner Frau. als wolle er sie von dem so plötzlich aufgetauchten Eindringling hinwegziehen Aber sdiese jammerte ganz verzweifelt:«Hens ri, Henri. mein Platz ist bei Dir; ich fhabe mit dem Manne dort nichts zu thun,———er hat keine Rechte an mich!« I I ,,Keine Rechte!? Feodorowna, das kannst Du sagen!? Bin ich nicht Dein »angetrauter Gatte? Und wenn man »mich damals todt gesagt hat, so siehst »Du, daß ich noch lebe, und daß Dein sPlatz an meiner Seite ist!« Und nach Idiesen Worten wollte er die Fürstin »halb mit Gewalt von der Brust des Hemden jungen Mannes hinweg reis en. Diese klammerte sich aber um so lfester an ihren Verlobten und rief in. fleidenschaftlicher Erregung aus:»Hen fri, schütze mich vor ihm! Jch habe ein »Recht, mich als seine Wittwe anzuse Ihen, die Behörden haben mir seinen sTod bescheiniat. Wie konnte ich ah snen, daß der Unglückliche noch einmal Jlebend vor mir auftauchen werdet« s ,,Feodora, wer ist der Fremde?« »stammelte der Marauis verwirrt. Der Hganze Vorgang stürmte so unerwartet »auf ihn ein, daß er kaum wußte, wag »er denken, was er sagen sollte. s »Ich bin Fürst Rosninsti,« sagte lder Greis, und seine Gestalt richtete ssrch stolz empor, »der Gatte dieser lFrau, die sich jetzt von mir abwendet, weil ich arm und hilflos, ein vor der Zeit ergrauter Mann, vor sie hintrete. Ah, und der Gedanke an mein theures Weib hat die furchtbare Nacht meines sLebens erhellt, Inich in den fünfzehn Jahren grenzenloser Qual aufrecht er halten. und ietzt hat diese Frau, die ich all die Zeit iiber nicht aufgehört habe, Hvie eine Göttin zu verehren nnd an izubeten, den traurian Muth, mir zu sagen, das-. ich keine Rechte an sie habe, sdaß ich siir sie todt bleiben miisse, weil ek- meinen Peinigern damals-«- gefallen hat, mich zu den Gestorbenen zu zäh len!« Und der Fürst stieß ein von S merz und Hohn gemischteg Lachen au . »Feodora, ist es die Wahrheit? Jst es wirklich Dein todtgesaqter Mann-« begann der Margui5, und er blickte zärtlich fragend in das unruhig ziickss ende Antlitz seiner Verlobten. »Ich weiß nicht er sagt ec- — und ich will es auch glauben: -—— aber er war längst todt fiir mich, « Du, Henri. Du allein lebst in meinem Herzen!« Und die Fürstin umschlang ihren Bräutigam in leidenschaftlicher Erregung l »Ich werde hart dafür gestraft, das-; ich an die Treue eine-«- Weibes glau ben konnte!« rief der Fürst voll Bit. sterkeit aug. »Ah, und meine Freunde hatten mir anvertraut, daß Du Witt we geblieben seiest und mein Linden-l ’ken zärtlich bewahrt hättest, und jetzt finde ich Dich in den Armen eines Anderen! Jst das nicht zum wahnsin nig werden? ,,Ak hoze invit« —-—s O, mein Gott!« setzte er in seiner Mut-l terspraehe hinzu, und wie vernichtetl von der Erkeiintniß, die ihm gewor den, brach er in heftiaeg Schluchzen aus. Die Augen des Marguig wanderten von seiner Braut zu dem unglückli chen Manne und blieben einige Sekun den auf ihm haften. All das groß herzige, ritterliche tkmvsinden, das in ihm lebte, kam jetzt zum Durchbruch, und ohne zu schwante11, sagte er mits tief bewegter, aber fester Sturmes ,,05eodora, der Mann hat ältere Rechtes an Dich, eg wäre grausam, ihm das; Letzte zu rauben, das er noch besitzt, den Glauben an Dich . . . . Lebe wobs! wir müssen ung auf immer trennen . . .!« »Henri, sage das nicht! Ich kann inicht mehr ohne Dich leben. ohne Dich athmenl Du jagst mich in den Tod, wenn Du mich diesem Manne iiberlieferst!« ? »Ich muß es, unsere Ehre fordert est« »Dann hast Du mich nie ern-liebt nie so viel geliebt, wie ich Dich liebe!« ,,Doch, Feodoral Meine Liebe ist noch größer; - sie kann entsagen,«-«— nnd sich sanft aus ihren Armen win dend, verließ sie der Verlobte mit ei nem leiten, letzten Lebewohl . . . Sie wollte dem Marauis nachstür sen, ihn zurückholem aber der Fürst packte sie mit all der Kraft, die ihm noch geblieben war. »Du Wahnsin nige, hast Du denn nicht gehört daß er ehrenhafter, vornehmer denkt als Du?!——« »Ja, Wahnsinniae!« schrie sie ganz verzweifelt aus, und sich pewalrs sam von dem alten Manne losreißend, stürzte sie in ihr Schlaf-Zimmer Bald darauf trachte ein Schuß. --— Der Fürst eilte in das Gemach, und kam noch zu rechter Zeit, um seine sterbene Gattin in seinen Armen aut zusangem und ihr brechendes Auge schien noch mit einem Blick des Bor tvurss sein Antlitz zu streifen. Die Unglückliche gab keinen Laut mehr von steh-sie hatte gut getrosten——mitt.n tn’s Herz . . . Schiller-w Adel-violates ist jetzt in allen Alten der württembcr gischen Regierung gesunden worden.f Es werden darin die Gründe dieser Maßnahme aufgezählt Der betref fende Passus lautet: »Wenn uns nun allerunterthänigst vorgetragen worden, daß der rühmlichst bekannte Gelehrte und Schriftsteller Johann Christole Friedrich Schiller von ehrsamen beut-: schen Voreltern stamme, daß sein Va ter als Ofsizier in herzoglich wiirttem bergischen Diensten angestellt war-, auch im siebenjähriaen Kriege unter den deutschen Reichstrnnpen gefochten hol-e und als Obrist-Wachtineister gestor ben ist; er selbst aber in der Militiip atademie zu Stuttgart eine wissen schaftliche Vorbildung erhalten nnd als er zum öffentlichen ordentlichen Professor auf der Atademie zu Jena berufen, unter allgemeinem Beifalle Vorlesungen über die Geschichte ge halten habe; ferner, daß seine histo rischen sowohl, als die in den Umfang der schönen Wissenschaften gehörigen Schriften in der gelehrten Welt mit gleichem ungetheilten Wohlgefallen aufgenommen worden sein und unter diesen besonders seine vortrefflichen Gedichte selbst dem Geiste der deutschen Sprache einen neuen Schwung gege ben hatten: auch im Auslande wur den seine Talente hoch geschänt, sodaß er von mehreren ausländischen gelehr ten Gesellschaften als Ehrenmitglied ausgenommen sen; seit einigen Jahren aber als Herzoglicl;-Sachsischer Hos rath nnd mit seiner Gattin aus einem guten adeligen Hause derel)elicht, sich in der Residenz des Herzogs zu Sachsen-Weimar Liebden aushalte ..« Es wird dann in ausführlichen Sät zen dieses Adelsrecht dargethan und umschrieben, auch ein Wappen mit ge nauer Beschreibuna und Abbildung wird verliehen »als einen von Gold und blau guergetheilten Schild mit ei nem wachsenden natürlichen weisen Einhorne, in der oberen und einem goldenen Querstreifen in der unteren Hälfte, auf dem Schilde ruht rechts gelehrt ein mit einem natürlichen Lor beerkranz geschmückter mit goldenem Halsschmucke und blau und goldener Decke behängter Tournierlielcm auf dessen Krone das im Schild beschrie bene Liinhorn wiederholt erscheint.« Dieses Wappen darf der geadelte Dichter, heißt es weiter, »in Streiten, Stürmen, Schlachten, Kämpfen und Tournieren, Gestechen. Gesechten, Rit terspielen« u.s.w. gebrauchen. Unter zeichnet ist der Adelsbrief vorn Kaiser Franz und gegengezeichnet vom Fürsten zu ColloredosMannsseld Stimme-. Jtn Sommer frag’ die Rosen nicht, Wann ihre Wangen blossen; Dein Herzlieb frag bei m Koer nicht, Wann es die Treu’ wird lassen. Jrn Sommer frag' die Welle nicht, Wie bald der Frost sie bindet; Das Auge frag’, das lpelle nicht« Wie bald fein Glanz erbkindei. Jtn Sommer frog’ die Blätter nicht, Wo fie im Herbstwind treiben; Frag deines Glückes Götter nicht Wo einst im Sturm sie bleiben. Jm Sommer fraq die Sonne nicht, Wie lang so warm ihr Schein ist; Und frag’ im Bann der Wonne nicht« Wie lang der Sommer Dein ist. Wenn du in seiner Tage Lan Willst staete SneldeH tragen, This Herz und Ohr und Augen auf — Doch laß das Böse Fragen! If·) Gljick O. Kernstock. Gedanken-Splitter. Lljkenschenkenntniß macht Hinwei sten, Selbsterkenntniß Satoriker. si- -i- « Von Todten soll man nicht-Z Böses saan Das heißt, von den Lebenden kann man es thun; Es scheint mir aber eigentlich nun, Die Todten tönnen’S doch besser ver tragen. Alb. Roderich. It A- st Jer krankhaste Ehrgeiz wähnt, alle Welt Sei feindlich ihm acgenübergestellt, Und wie nur cin And’rer ’was besser kann, Sieht er’g als persönlichen Angriss an. Il- III sit Das Unglück des Menschen beginnt, wenn er aufhört, Neider zu haben. Filhrt man das Lean aus seinen wahren Werth zurück, und macht mau es von allem Humbua stei, so findet man nur zwei Dinge von Werth, die .Rcliaion in Verein mit der Intelli "genz, und die Liebe im Verein mit der Juaend, das heißt, Zukunft Und Ge -aenwart, an den Rest zu denken ist nicht Jder Mühe werth. Chateaubriand. s-—1-—.-.s.-—— -—- Eine Unverschämtheit. Schnar rer: »Mei’ Nam’ is Beiaeles;«ich bitt' um e Unterstützung.« —- Bantier Vei aelesc »Gott, wie sucht E Unterstüt zung wollen Se Von mer« wo Sc ha ben die Unverschämtheit, Vetgeleg zu Iheißen?«