Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, August 05, 1898, Sonntags-Blatt., Image 13

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    Ebenen. HEF
Roman von Hertnan Heiberg.
Klüfte und
morsckhuan
Gaarz nickte unbefangen.
Beim Schluß des Gespräckkz kam
Frau von Aberkron noch einmal auf
Asta zurück, sie fragte, wie es ihr gime
und ob sie es gut in Kalihofgehabt
hc«be.
»Meine Frau will freilich meinen,
sie habe sich von einem jungen Architek
ten den Kon vetdkehen lassen, aber ich
Finale sie wird sich wieder zuriicthn
m.«
»So, so, also nichts Ernstliaftcg,
nichts, was- zu erwägen wäre --——?«
Gaarz bewegte die Schultern, dann
sagte er, stark ·betrnend, mit freundli
cher Ueberleaenheit im Ausdruck:
»Liebe, verehrte Freundin! Was
läßt sich Sichereet iisber die Zukunft sa
gen, wenn ein Mädchen sich in einen
Mann verliebt dat? So viel stelet iesk:
es ist ein aebildeter und türlptiaer
Mensch und aus auter Familie, aber er
knsitzt weniaer als Jhr kleiner Kana
rienvoaeL Man muß abwarten. Ich
glaube, wie gesagt, daß die Same nur
eine Kinder-ei war; sollte es aber an
dirs sein. ich stehe nicht auf dem
Standpunkt meiner Frau, die sogar
ein Unaliick darin sieht! Man muß oft
den Zuschauer machen. Dar- Richiiae
krn«mt Von selbst, lanasain deranhin
kend am Arme der Reit. Hoffen wir es
auch hier«
Und nach der Uhr sehend und wie
immer gedrängt« beugte fichtsaarz zum
Abschied auf die Hand seinerVerrcand
ten herab.
Sie aber sagte:
»Da höre ich Sie wieder a-.1nz. mein
,lieber, trefflicher via-Jn. Gerecht und
besonnen! Das müßte in Ihrem Wap
penschilde stehen«
Nun sahen sich beide mit jenem Blick
an, den die innere Zusammeuaedörias
keit zwischen Menschen heraussendet,
und trennten sich unter nochmalige-in
festem Händedruck
wag Dort sealthoi lag im heißen
Mittaassrnnensck.cin. siein Blättchen
regte sich« Die Blumen schmacht-ten in
der Gluth dahin, die Vögel, denSchiir
ten der Bäume stehend, hoetten stumm «
isnt müde unter dem Laube. Nur ein
Irial erilena in dem heißumsluiheteu
Pastorengarten ein leiser, heimlicher i
Anrus aus der Kehle eine-Z Vogels.
einer Meise, und ein einmalige-J Zwit
schein, wie eine besticht letzte Antwort,
drang aus einer fernen dnnillenBiischi
partie. Dann aber war-I still. dann
lex-te sich irr Tag mit seinen Geschöpfen
eine Weile schlafen, es ver Sonne Liber
lcssnd, ihn früher rder spat-r wierer i
zu werfen.
In einer Laube aber, am Ausgang
des Gartens. mit dem freien Blick iiber
lsie grünen, einsamen ever durch Vieh
klebten Wiesen und in die blaufeioene
Ferne, sgfen Pastor von Thaden und
Angelika stark-eh und nun eben sagte
der Mann mit seiner zu Herzen drin
geniert Stimme:
»Was sann kenn Ximen zustehen,
usein liebe- Fräulein? Doch nur
zneierlei: Jhr Papa williat ein, dann
geschieht, wozu ihr gegebenes Wort sie
drängt: oder er weisen sich. in Ihre
Oheschliestung zu willigen
,,Jn solchem Falle müssen Sie der
Zulunst mit Gottvertrauen -:ntgeaen
gehen und denken, daß vieler Wen
vom Höchsten zu Ihrem Gliick auser
sehen ist! Sie finden stets von Neuem
Festiguna in sich, wenn Sie sich berge
ger.wkirtigrn, daß Sie Freunde besitzen!
Streier Sie die Sorae ab, mein liebe-z
Aind.'«
»Aber wenn mein Vater seine Hand
anni von mir abzieht wenn er mich
reistößt, weil ich gegen seinen Willen
handele-« rief Angenca, der zwar jedes
Wert Labsal gewesen war, die aber wie
eine eGisteItranie immer wieder aus
denselben Punkt zuriictgelangte »Was
soll dann geschehen? Wo soll ich in der
Welt !bleil-en? Ehe ich Legardiis’ Weib
werten tei:n, vergeht noch eine ge
raume Zeit! Und andererseits-: wie
wird sich meine Ehe gestalten, wenn
Legarduä sich in seinen Erwartunaen
beziialick des Geldes völlig getäuscht
sieht? Noth und Sorge werden auf
unserer Schwelle hocken. uan trete ich
gar als ein Habenichts in die Ehe,
trieb sich Der Mangel an Uebereinstim
n ung, der bereits zwischen uno herrscht
--— ich kann Ihnen nicht alles so sagen,
trag geschehen ist« die Rücksicht aus den
Mann, dessen Namen ich tragen soll,
binhet mir die Zunge. nur Herr Dot
tor Gaarz weis-, alles! — ins Ungemes- i
sene erhöhen!
»Gegenwärtia spricht nur mein
Pflichtgefühl, mein Schwur mahnt
michs meine Liebe ist dahint«
»Wenn es wirtlich so in Jlxnen auss
sieht, mein liebes Kind, wie ist e« «
Sie begreifen, daß sich mir vie Frage
ausdrängt -(-— dann möglich gewesen,
daß Sie ihm überhaupt se vertraute.i,
daß Sie aar seine Braut wurdens«
Angelika senkte betro sen vie Augen.
Und um einerseits dem artn liegenden
Vorwurf zu begegnen, andererseits
aber auch gedrän t, sich bei dieser Ge
eaenheit aus der arstellung der Vor
ane selbst ein Urtheil zu bilden und
gaburch zu einer sesten Ansicht iilber Le
nerdub zu gelangen, nahm sie die
Worte Thadens aus und sa te:
» wcrde Jhtlen in K« r e erzäh
len-He alles verlaufen ist, w e Legar
dus sich gab, und welche Phasen mein
ärmer-es dabei dabei durchlaufen hat.
ie werden dann vielleicht selbst sich
Jkae Frage, und besser als ich, beant
trrrten können.
»Er ist, wie bereits Herr Doktor
Gaarz richtig hervorhob, nicht leicht zu
beuitheilen Mitunler habe ich ge
amubt,r1einen Verlobten zu lenkt-In,
1·nd dann wurde ich doch wieder qanz
zweifelhaft Wir im Hause vermochten
reinen zutreffenden Einblick in ihn zu
aewinnen, weil wir ihn niemals im
Zusammenhang mit anderen Pers-sum
sahen. Er lehnte jeden Verlehr ab und
zwang auch ung, unseren Umgana ein-s
zustellen.
»Den-eh seine rastlose Tbätigteit be
einflußte er meinen Vater gänzlich crö
kam hinzu, daß er sich als ein unge
wöhnlich lenntnißreicher Mann erwies.
Auf allen Gebieten im Kaufmanniscltsen
und in der Politik, in Wissenschaft und
Kunst ist er zu Hause und doch drängte
J er sich nie mit seinem Wissen vor.Wenn
die Gelegenheit sich gerade bot, sprach»
er rnd zeigte, dasz ihm alles geläufig :
war. Diese Strebsamleit und diese
Gediegenheit slöszten mir Respekt ein,
ind daraus entstand Zuneigung und
später-, als er um mich warb, als er,
der allen Frauen aqu dem Wege ging
und meist nur tadelnde Worte fiir sie
hatte, ,,mich« vor allen anderen er
wöhlte, Liebe. Meiner Eitelkeit war
aeschmeichelt, ich bin ein Weib « und
überdies lag meinem Sinn nichts fer
ner als die Vermuthung, ihn leiteSucht
nack- Vortbeil.
»Dann tam die znseite Periode, in
der er sich rücksichtslrs gehen ließ und
uns-.- wiederbolt rerletztr. Nun ward
nsein Vater stutzig. Sein Interesse siir
Legardus verwandelte sich in Abnei
rang, und als schließlich bei dengupt
I.r.terredung mein Verlobter so wenig
llug war, die materiellenFrageu in den
Vordergrund zu stellen, entstand zwi
schen ihnen beiden auc- Gleichgiltigleit
nnd Abneigung ein unversöbnlicher
Haß. Um nun den im höchsten Grade
Bedriickien und Erregten, aus oeessn
Seite ich mich nicht« nur mit
useinem eHrzen stellte, sondern dessen
Partei ich aucb aus besserer Ueber-zeu
gung nabnt, siir die Unbill zu
entschsidigem usn ihn zu trosten und
um ihm zu beweisen, daß ich die
ilnn stillschweigend gelobte Treue auch
durch Handlungen an den Tag zu legen
bereit sei, schwur ich, zu ihm halten
zu wollen, wag auch immer geschehen
nette, r·«d·betra«stigte auch sonst mein-:
Liebe in jeder mir Zu Gebote stehenden
Weis. -
»Dort-us lain abr das Etwa-Even !
In der Klinih nach dem Sturz aus der
Treppe, scnd ich einen völlig anderen,
einen mit Bitterkeit und Nacksuebt er
siillten Lljienschen
»Er gestand ohne weiteres ;n, ein in
neinen Augen kaum sühnbareg Unrecht
begangen zu haben, und erklärte, unter
den bestehenden Verhältnissen ganz im
Recht gewesen zu sein. Das Uebrige !
trissen Sie, Sie kennen die llnterres l
klang die zwischen Herrn DoltorGaarz I
und meinem Verlobten stattgefunden
lsat, welch-: Erklärungen dieser in mei- I
nem Name-n gegeben, und wie denn »
dich das Resultat geblieben ist, daß ich I
etoil er mich von Neuem an mein ge- ’
gibnes Wort erinnert hat, zu ihm zu
kalten mich entschlossen habe. Freilich,
die Kämpse und Zweifel haben mich
trotzdem nicht verlassen.
»Ein ich berechtigt, zu glauben, das-,
er von Anbeginn ein schlechter Mensch
war, oder haben ibn nur die Um
stände verbittert und seinen inneren
eMnschIn derart in Verwirrung ge
bracht, daß er Unrecht siir Recht, und
Recht für Unrecht, zudem alle anderen
sitt Fehlende, sich selbst dagegen als
einen vom Schicksal Verfolgun, zum
einseitigen Egoidmus »Georängten««
erkennt?«-,.
Anaela schwieg nnd in dem blas
sen Ges t suntelten die vuntlen Au
imlich tranlhaft.
en betrachtete sie mit steigendem
Muthes Die Darstellung der Vor
gänae " bewies einerseits, welch ein ge
rechter Geist in ihr wohnte, tvelck-’ ein
Farmetz edleg Herz sie besaß. Dann
s. er:
gzeh glaube nach Jhrer Darstellung
M der That, daß Jhr Verlobter zu je
neu Menschen gehört, die Unglück ver
bittert, die durch Mißerfolge an mo
ralischer Qualität verlieren, die dage
en Glück und Erfolg zu redlichen
enschen machen. Es wäre sicher eine
qute That, sich seiner anzunehmen, ihm
zu helfen und ihn zu fördern, an sei-·
Beet Stelle zu bleiben, statt ihn zu flie
n.
»Noch eine Frage: Glauben Sie,
daß er sie liebt und daf; er aus Dant
barleit gut gegen Sie gewesen iein
würde, wenn Sie ohne Einschräntung
zu ihm gehalten hätten? Oder glauben
Sie, daß Jhre Person ihm ganz gleich
gültig war?'«
»Ich glaube, daß er für mich ein-«
pfand, was er überhaupt zu empfindest
vermag. Er ist durchaus keine warme
Natur. Dankbar-? Ja, darüber dente
ich fortwährend nach. Jch halte es für
möglich« daß er mich trotz der großen
Opfer und trotz tadellosek Pflichttreue
Ein Bild aus der Hauptstadt Cnba’5.
Der Abmarsch der Rappen zur Unterstützung dco Grncral Quark-. Mach einer Phpxsgrapdic ge ci tmek ,
.--—--.- — .- -—— —,.——-—.— - « .-——
in der Ehe wie eine Magd behandeln
wird, aber denkbar ist es auch, daß er
nur rauh sein wird, im Uebrigen aber
mir dauernd an den Tag legen würde,
wie hoch er es mir anrechnet, ihn nicht
verlassen zu haben. Ich treffe da mit
Ihnen zusammen: Jch nehme an, naß
trotz allem der allerinnerfte Kern gut
ist, jedenfalls, daß er gut war.«
»Und doch möchten Sie sich lieber
von ihm lösen? Jst er Jhnen durch das .
mir unbekannte Geschehniß und durch?
sein spätereg Betragen so abstoßend »ar
nsorden?« t
»Ja · und nein —- «
Plötzlich stürzten dem gequälten
Weibe die Tbränen stromweise aus den
Augen, imd die folgenden Worte wur
den durch tiefes Schluchzen unter-»
brachen. i
»Ich tann’5 nicht sagen. So viell
aber weiß ich, daß ich Momente habe, -
in denen ein derzebrendes Mitleid fiir i
ibn in mir aufsteigt und mit diesem, i
blitzartig wieder erschenend, die altes
heiße Liebe -——«
Thaden sah Angelica mit einem be- i
wundernden Blick an. Dann sagte er,-s
sich erhebend, und mit ihr langsam den i
Weg zum Psarrbause zurücknebiiiend,j
sanft: s
»Mitleid ist die Schwester der Liebe. i
Vielleicht wird sich doch noch alles zum
Guten wenden.
,,Seben Sie! Eine einzige Unter
redung schaffte schon ein anderes Bi1d,
schaffte andere Gedantent Halten Sie
nur aug, halten Sie nur zu ihm, so
denke ich, wird sich aller Widerstand
doch noch beseitigen lassen.«
»Gewiß, Herr Pastor!« stieß Ange
lica beraus, »aber ist es nicht begreif
lich, lieber auf ein neues Glück zu hof
fen, als mit halber, ja, fast mit ganzer
Sicherheit ein Verbältniß einzugehen,
das nur Qual verheißt?
»Und warum mir all’ dies Schweres «
Weshalb mir diese Wirrnisses Was
tbat ich dem lieben Gott, das; er inicti ,
so strafen will?«
,,Sprechen Sie nicht so, mein liebe-J
Kind«, entpegnete Thaden und zog
Anaelica sanft an sieh. »Gewiß, Sie
lsaben recht! Man soll sich aus des
Andern Standpunkt stellen, nm billig
zu urtheilen. Und Sie haben mich auch
mißverstanden, wenn Sie glauben, ich
wolle Jhnen zurathen Jhr eigenes-Herz
soll entscheiden, ich siir meine Person
will nur, wie mein Freund Ganz der
suchen, Jhnen in der Zeit der Noth zur
Seite zu stehen«
»Papa, Papa, zum Eisenk« ertönt-.
in diesem Augenblia Nellyg Stimrsss
Vom Hause her.
Aber Thaden und Angelica beschleu
nigten die Schritte nicht. Das Mädchen
stand vielmehr still. liess die eben ac
hörtenWorte aus sich wirken und beugte
sich plötzlich tief auf Thadersg Rechte
herab. Und nachdem sie sie mit ihren
Lippen berührt hatte, sagte sie nnd in
den duntlen Augen erschien ein rühren
der Ausdruck:
»Ich danke Ihnen, dass-Z -ie mir nicht
mit MoralsL-tzen und Bibelslellen be
gegnen, sondern Trost durch Jhr Mit
aesiihl spenden. Und noch eine Frage:
Nicht wahr? Eines bleibt doch: der
Schwur, den ich gethan habe.
»Und weil dem so ist, tlopstg immer
wieder an die Pforten meines Jnnern
und laut und mahnend Vernehme ich die
Worte: Da Du ihm c .ne so sei etliche
Zufage erthei!test, verbandeft Du Dich :
unlöslich mit diesem Manne Troge ;
deshalb Dein Leid, stati zu entfliehen. J
So will es Gott, so will es Dein Ge- ’
wissen! Und dann vergegenxvänige J
ich mir doch wieder, welches Vergebens i
er sich schuldig gemacht Imd wie er sich ;
bei diesem Einverständniß verhalteis.,’
und tiefer Abscheu erfaßt ziiein Junk
1e5.«
,,’«icht so, nicht so, mein thenreszs
stind!" mahnte Thaden nsit sanftem
Vorwurf. ,,.H·oren Sie. Eben sprach-en
Sie vor mir, von dein Menschen. Las
sen Sie nun aber auch einmal den Pre- «
diaer reden, der Sie, wenn Sie sich ge
gen Jhren Verlobten auslehnei. wollen,
an die Worte der Bibel erinnert Wir ;
lasen gestern im Eviiiqelium Mat- ;
thäus, daß Petrus arti oen Herrn zu- ;
trat und ihn fragte:
»Herr, wo oft inutt ick denn itxin !
Broder, de an mi sündigen deiht, vers "
geben? II söven Mal genog?" ;
i
,,Jesus sprok to em: ,
,,Jk segg Di, nich söden Mal, awer
söventig mal söven Mal.«
»Bei-gessen Sie nicht, daß wir nie
mals wissen tönnen, was wir selbst
thun werden, wenn wir in eine schtoere
Lebenslage gerathen oder uns die Lei
denschaft sortreißt, und wie dringend I
wir dann wünschen, daß uns eine
niilde Beurtheilung zu theil werde.
Dürsen wir sie den andern verwei:
gern? I
»Und nun kommen Sie! Machen
Sie ein hoffnungsvolles Gesicht. Sehen
Sie, wie herrlich die Sonne alles uni:
sluthet, wie schön die Natur ist!
Bitte, schauen Sie sich um. Sie lächelt l
auch Jhuen zu, sie will daß Sie sröh I
lich sind.«
Angelica erhob den Blick zu deni
Manne. Ein unbeschreiblicher Ausdruck
erschien in ihrem Auge.
Ist Il- st
Am Abend dieses Tages empfing
Angelica die Antwort auf die an ihre
Eltern gerichteten Zeilen. Ihre Mutter
schrieb:
»Dein Brief hat mich sehr erregt,
Dein Vater, der inzwischen auch von
Legardus eine Zuschrift erhielt, ist
aanz außer sich. Jn erster Linie ist es
nothwendig, daß Du sofort zurück
lehrst· Wir werden dann gemeinsam
berathen, was zu thun ist.
»West)alb gingstDu aus dem-Hause?
Hattest Du so wenig Vertrauen zu
Deiner Mutter? Laß Dich übrigens
durch den erregten Ton, in dem Dein
Vater schreibt, nicht beirren. Jch
dente, Legardns wird auch mit einer
weit kleineren Summe zufrieden fein
und sich abfinden lassen. Wir erwarten
Dich morgen mit der Post um Mittag·
Jch werde da sein.
Deine Mutter.«
Kardel schrieb:
,,.Kehre sofort zurück, nur dann ist
Aussicht, daß ich Dir das Ungeheuer-·
liche, das Du uns angetban, oergebe
und helfen werde, die Schwierigkeiten
zu beseitigen. Aus dem beigefüaten
Brief wirst Du ersehen, welchemSchur
ten Du beschlossen hattest, Deine Hund
zn reichen. Dein Vater.«
Angelika hatte sich in der Gewißheit,
daß der Inhalt nicht erfreulich sein
tsnnte, mit dem Brief zurück-sieben
wollen. Sie wünschte sich und Thadens i
Veinlichteiten zu ersparen. Aber da !
Bohe auf die Familie lebhaft einsprach, i
ließ sie es doch darauf ankommen. Ihr (
Aufstehen würde Störung hervorrusein i
Jshr Gefühl täuschte sie auch nicht. Der ]
Brief enthielt nur Dinge, die ihren (
Schmerz und ihre Trostlosigleit ver- (
nichten konnten.
Von ihrem Vater hatte sie nichts s
Anderes erwartete, aber der geschäftgs s
mäßige Ton, in dem ihre Mutters
sprach, machte ihr das Herz erstarren. .
Und dann die Zeilen von Legarduszl
Durch sie ward alles wieder anders. -
Daß ihr Vater das Geld nicht zahlen
werde, wußte sie, und daß Legardus
nicht nachgeben werde, war ebenso
sicher. Was sollte nun geschehen? Ver
stand und ruhiges Nachdenken sagten
ihr, daß e5 nur zwei Möglichkeiten
gebe: Sie verzichtete darauf, mit Le
gardug getraut zu werden, und brach
damit ihren Schwur, oder sie nahm «
dadurch würden alle Schwierigkeiten
beseitigt Abschied vorn Leben! Die
Verhältnisse trieben sie in den Tod:
gerade die Liebe, die sie noch fiir ihre
Eltern empfand, sorderte gebieterisch,
daß sie sich opferte.
Wahrend solche furchtbaren Ent
schlüsse sich in Angelicas gequälter
Seele gestalteten, machte Boye eine
Pause in seiner Rede, und unwillkür
lich wandten sich der Anwesenden Blicke
zu Angelica· Sie saß da, bleich, wie
vernichtet; der Körper bebte wie in Fie
l«.erschauern.
Bone sah zugleich, was in ihr vor
ging, und sein Zartgesühl drängte ihn,
sich zu entfernen. Unter einer die
Gründe seines Anspruchs deutlich bes
zeichnendenGeste sagte er Thadeng gute
Nacht, bot auch Angelica die Hand nnd
begab sich, noch das Bedürfniß nach ei
nem Spaziergang im Freien vor
schützend, l)inaug.
Nun sprach der Pastor aus das
Junge Geschöpf ein.
»Sie haben schlechte Nachrichten J
seh’g. Bitte theilen sie sich uns mit. Es
wird Sie erleichtern. Sicher können
wir Sie beruhigen Sprechen Sie ge
trost. Meine Frau und Nelln nehmen
nicht geringeren Antheil an allem, als
icn selbst.«
Die Pastorin nite lebhasi, auch Neun
richtete einen, ihre aufrichtige Gesin
nung an den Tag legenden Blick anF
den Gast. an Folge dessen las Ange
lika die Briese vor, nnd ehe noch Je«
niand etwas in dem Kreise darüber äu
szern lonnte, glitt sie mit derHand iibec
die heiße Stirn und stieß, schwerthhm
l)olend, heraus-:
»Und damit isi demnach alles ans-V
Dabei flossen heiße Thränen der
Qual aus ihren Augen und iiber ihre
Wangen.
In iiefstem Mitgesiihl erhob sich
Frau von ·Thaden und nahm Angeln-r
in ihre Arme. Wie ein Kind streichelte
und tröstete sie sie. Zur Sache aber
nahm der Pastor das Wort und sagte:
»Ich glaube, mein liebes Kind, dar«
Richtige gefunden zu haben. Ich werde
morgen nach Bründe fahren und mit
Ihren Eltern sprechen. Sie bleiben
lner bei Uns. Sie bleiben überhaan
lsic völlige Klarheit in die Situation
aetangt ist! « Jst Jhnen das so rec«.,«t?
Brutk, das freut mich, das beruhigt mich
selb t.
»Ich theile auch die Ansicht Ihrer
Frau Mutter-, daß sich Jhr Verlobter
mit weniger begnügen wird. Er nenns
eine sehr große Summe, um möalichst
Viel zu erhalten. Gewiß, gewiß! Einen
guten Eindruck macht das wahrlich
nicht. Aber er handelt sicher im Afsect,
da verlieren die Menschen die richtige
Schätzung. Und wo viele Wolken sich
thürmen, giebt’s um so eher Sonnen
schein. Es wird schon alles werden.
lind wie gesagt: Morgen mit der Post
fahre ich statt Ihrer hinüber.«
Als Boye spät in der Nacht die
Ireppe hinausschlich, um sich zur Ruhe
zu begeben -— ein anregendes Gespräch
mit einem jetzt Doctor Gaarz’ Stelle in
Kalthof einnehmenden Arzt hatte ilm
langer im Kruge gefesselt —- glaubte
er oben Stöhnen und Wimmern zu hö
ren und hemmte unwillkürlich die
Schritte-. Und ein Ton tiefstenMitleids
qinq über seine Lippen, als er deutlich
vernahm, das; die Quallaute aus
Astag einstiqem Zimmer drangen. Das
Gemach bewohnte jetzt Angelika.
st- dlt -lc
Bei Gaarzeng hatte sich inzwischen
etwas ganz llnerwartetes ereignet und
die Familie in eine so sreudige Aufre
gung versetzt, daß wenigstens zeitweilig
sogar das Nachdenken über Astas
»Thorheit«, wie die Doctorin ihre Ver
lobung nannte, in den Hintergrund
gedrängt war.
Ernst Gaarz war plötzlich aus Chile
zurückgekehrt und hatte schon in der
ersten Stunde des Wiedersehens seinen
Eltern eröffnet, daß er den Seenianns
dienst verlassen und eine vortheilhaste
Stellung in einem Handlungshause in
Valparaiso gefunden habe
So lange er nur versuchsweise or
sshästigt gewesen sei, habe er die Mi s-,
lilligung seines- Baters fürchtend, keine
Nachrichten gegeben, nun aber führe er
die Briese seines Chefs bei sich, in de
nen sogar bestätigt wurde, daß er in
nicht zu langer Zeit als Theilhaber in
tak- Geschäst eintreten solle. Er komme
ietzt nur, um die Seinigen zu sehen nnd
sich aus denc deutschen Unterthanenver
lscnde zu lösen. Drei Monate seien ihm
dasiir Urlaub gewährt worden.
Diese außerordentlich glücklicheWen
dnng seines Schicksal-z hatte er der Be
surwortung des inzwischen verstorbe
nen einzigen Sohnes des Chess, den sr
in Brasilien kennen gelernt und mit
dem er enge Freundschaft geschlossen,
zu verdanken Durch ihn war er in das
Haus eingeführt worden.
Wenn irgend etwas Doctor Gaarz’
Stimmung zu heben vermochte, so wa
ten eg diese tlliittheilungen Ein sast
ausgegebenes Mitglied der Familie
kehrte geläutert zurück. ia, man schenkte
ihm sogar so großes Vertrauen, daß
trotz seiner Jugend eine Theilhaber
schast in Aussicht stand. Die Doctorin
wandte sich ganz besonders ihsem
Sohne zu. Wo etwas Greisbares sich
l-ot, wo nicht mit Aussichten, sondern
mit Thatsachen gerechnet ward, da
wurde ihr Jnneres lebhaft und warm
Jhr Sohn war etwas geworden. Da
raus tam’«5 an! Asta war mit Thor
heiten im Kopf wieder eingetroffen,
hatte sieh sicher nur Sorge und bittere
Enttäuschung eingebrot. Do sollte sie
ein fröhliches Gesicht machen?
Aber die Gedanken an Asta traten
vorläufig ganz zurü. Des Sohnes Ein
tressen, häusliche Inanspruchnahme
der inzwischen von Pastor Thaden an
getiindigte Besuch und der bevorste
tsende Ball, den nun auch Ernst mit
ismchen sollte, nahmen sie völlig in An
spruch
liso ti«tztiiig lolgt., tMlIOESPML