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About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (July 1, 1898)
Klüfte und Ebenen. Roman von Her-man Heiden-g tävttfemmaJ War Gaarz schon erregt, so trieb ihm diese iisber alle Maßen nicht ach tente Art das Blut in die Schlafen. Er nahm den kurzer Hand von Kar del angebotenen Platz nicht an und sagte, stehen bleibend: »Ich komme zu Ihnen. um Sie drin gend zu ers uchen, daß Jbre Hausge nossen im Verkehr andere Formen an wenden, als re bisher von ihnen lie achtet sind. och meine überhaupt, dasz »eineVerständigun zwischen une— durch aus erforderlich i t. »Sie scheinen anzunehmen, dass wir mit dem Abschluß des Kontraltg und mit unserem Einzug in Jhr Haus von Ihnen abhängige, gleichsam nur ge duldete und dazu noch den Beutel iehende Leute sind, während sich die ache so stellt, daß durch den Muthe lontrakt ich fiir mein autes Geld gan bestimmte Rechte erworben habe, qui deren stritte Erfüllung ich bestehe und siir ich unter Umständen aeri tiichen Schutz in Anspruch nehmen wer e. Ich spreche Ihnen durchaus die Befugniß ab, sich irgendwie um das zu belüm mern, was unser Haus-zweien angeht, und werde unverschämte Bestellungen ausrichtende Abgesandte von Ihnen, Irie zum Beispiel das Mädchen von Feute Morgen, fortan vor die Tliir etzen. ,,Sind Verständigunaen meen der Hnusordnung nöthig, so ivo en Sie JlsreWünsche in höflicher Form schristi licy oder mündlich an meine Adresse gelangen lassen. Sie werden, falls sie Berechtigt sind, stets von mir und .nei ner Frau berücksichtiat werden. Was einmal von unseren Dienstboten per selten war, geschah natürlich ohne unser Wissen. Jhnen ist ja selbst bekannt, wie sehr wir von diesen abhänaiq sind. Ich muß Sie ersuchen,"rveder den Kindern den Eintritt ir den Gatten zu verbie ten, noch sich in unsere Erziehung zu mischen, endlich nunmehr die Fenster scheibe in dem Mädchenziininer machen und die von Ihnen vers vrochene Tapete in dein Durchgangszimmer einlleben zu lassen, endlich das Beaufsichtigen, Nötgeln und Konimandiren beiseite zu ftellen und einen friedlichen Zustand herbeizufiihren, wie er sonft un er ge kildeten Leuten üblich is Gaarz hatte das alles ohne sichtbare innere Erreguna, aber mit äußerster Entschiedenheit und so rafch hinterein ander hervorgestofsem dafi LardeL des sen schiefe Augen vor Zorn noch fchiefcr geworden waren als sonst nnd dessen Gesicht eine unheimlich araue Färbnna angenommen hatte, ihn nicht ein ein-: ziaes Mal Zu unterbrechen ini Stande gewesen war. Und auch jetzt, nachdem Ganrz geendet, fand er in feiner be sinnungsiosen Wutb nicht gleich die Worte, sondern ftand atbenilos fchnau bend da. Dann aber lain ein ,,Hinaus! Hinau6, mein Herr! Ich mache oon meinem Hausrecht Gebrauch!« über feine Lippen und mit itiirtnischer Ge bärde öffnete er die nach dem Laden gehende Thür. Giiarz sah das kalte Gesicht von Le gardits, aber es schien dieser Ausdruck nicht ihm, sondern dein Besitzer des auses zu gelten. er fab auch oie halb angftlichem halb neugieriaen Mieisen der beiden anderen Anqefxiellten und das sehr verwunderte Gesicht eines Käufers«, der wartend auf Ausführung einer Bestellung innerhalb des täsigg artigen, in den Flur aebauten Ladenz stand, als er langsam das Geschäft verließ. Aber während Gaarz über den Flur trat, lam ihm der erreate Mann noch einmal nachgelaufen, stieß die Thür out und schrie: « »Nehmen Sie hiermit aleich die Kün diaung entgegen —- Sie verlassen am ersten Januar mein Haus. ich mache von dem betreffenden Paraaraphen in unserem Vertrage sogleich Gebrauch!« »Ah hörte!« entgeanete Gaarz mit glei r Ruhe. »Aber das ändert nicht, daß Sie ein ungebildeten roher Geselle sind. Das merten Sie ficht Und noch mals-. Ich warne Sie, sich in der Zeit jemals irgendwie wieder eineUngebiihr lichleit zu erlauben.« Damit legte Gaarz die band ins den Driicter des Windfanaes, sah noch das fragend erregte Gesicht der Frau star del in der ge eniiberlieaenden sich öff; nendenAbhnftnbenthür und nahm nun den Weg iiber den belebten Marltdlay, in oe en Gewühl er alsbald ver schwan .Kardel aber stürmte wieder in den Laden, fand dort einen Knäuel Bindfaden auf der Erde lieqen, schlug es in der You beherrschenden Wuth dem Lehrling aldemar um den Kopf und rief. Le ardus mit deutlichem Tadel im Aus ruck, durch den Lärm herbeige loctt, aus dem Komptoir trat, dies-sen zu: Unordnung und Unordnung! Wo bin man sieht. Leiten Sie doch die jungen Leute an, daß der Laden nicht wie ein Packziminer aussieht. Immer ist etwas zu moniren.« »Wir-i denn sonst?« fragte Legardug inil unheimlicher Ruhe und erhob den kalten Blick, auch trat er wieder in das Komm-Un als er sah, das; Karde eben falls die Schritte dorthin lenlte. »Was denn sonst?« schrie der immer mehr erboste-Mann und schlug die Thür des Kvmptoirv hinter sich zu. »War nicht auch gestern etwas mit dem Gas? Und steht die Sendung nach Liinehurg nicht noch hinten ineWaarem kaum? Jch sah sie heute Morgen, und Brunner erklärte, Sie hätten gegen meine Anweisun die Absendung in hibirt. Jch wei , daß der Mann gut ist. Aber ganz abgesehen davon: Jch habe doch die Bestimmungen zu treffen, es ist doch meine Sache, wenn ein Ver lust eintritt.« »Ja, allerdings. Aber hier« -—s ent gegnete Legardus, dem jeder Bluts tropsen aus dem Gesicht gewichen war, und griss nach Papieren, die auf seinem Pulte lagen. »Hier ist die Aug-kunst, die ich inzwischen eingezogen dahe, sie tarn heute Morgen! Lesen Sie aesiilligst!—— —-- Kreutz ckc Co. stehen« wie uan an nimmt, vor dem Koniiirs.« »Ah —« rief KardeL »Das ist Schnictschnack, das ist Konturrenzneid. Das kennt man! Aber es handelt sich auch gar nicht darum, sondern um Jhre fortwährenden Eigenmächtiaieiten, Jhr herablassendeg, selbstgesälliaeg Wesen, das mir, —-—- nachgerade unerträglich geworden. Und kurz und gut: Es wird das Beste sein, wir setzen uns auseinander, Herr Legardus! Es nird doch nichts mehr mit uns· »Jhre gestern geäußerten Wünsche vermag ich nicht zu erfüllen, nnd die inzwischen eingetretenen Vorgänge be stärken mich in meiner Ansicht, daß» völlige, desinitive Trennung nach allen Seiten das Ersprießlichite ist.« »Das heißt, Sie wünschen sie unter allen Umständen. Gründe liegen nicht vor. Von eingetretenen Vorgängen weiß ich nichts. Jch habe Jhnen ja noch nicht einmal ans Jhre gestrigeu Erklärungen antworten können! Sie wollten sie doch abwarten!« »Nein, ich wünsche gar nichts mehr abzuwarten! Sagen Sie mir, welche Entschädigung Sie wünschen, wenn Sie früher gehen, als unsere Verein barung es vorschreibt Jch bin nicht abgeneigt ——-« »Sie sind das-, was Ihnen eben Herr Doktor Gaarz zurief, Herr Kar del, fa, noch mehr! ---« preßte Legar rus init bebender Stimme und in sei nem Zorn ohne Herrschaft über sich, alles preisgebeno heraus. »Sie sind eine Kanaillel Erst benutzen Sie mich, nnd als ich, arbeitend wie ein Pferd, nach dem Lohn verlange, weichen Sie aug. Sie thun es, obschon ich der Ver lobte Ihrer Tochter bin! Aber das sei Jhnen gesagt: Ich gehe meinen Weg unbeirrt und Von meinen Rechten lasse ich mir nichts verliimmern, Das merken Sie sich!« Nach diesen Worten verließ c-; dag Zimmer und legab sich drnusken in die Fabrik. if sc I Inzwischen hatte Doktor Rathaan sich in eine nbgelegene stille Straße qes wandt, wo eine alte, kluge nnd wohl liebende Deine wohnte, mit der ihn eine weitläufige Verwandtschaft ver band. Sie hatte ihm gleich nach sei nem Eintreffen ein kleines Briefchen gesandt und schon darin eins der vie len Gebote stehenden Citate eingestreut. Es hatte gelautet: »Mein lieber Herr Nesiet Der Hochbegabte belebt und bevöl tert mit feinen Gedanken die ödeste Umgebung! So las ich einmal. So werden Sie auch, mein licler Herr Neffe, hier Bo den fassen, wie Keiner, werden die jenigen überflügeln, die heute lächelnd auf Sie herabscheuen. Das weiß ich, und das sage ich Jhnen zum Trost, da Sie im Anfang mancherlei zu über winden haben werden. Mit meinem Willkornmengrusz ver binde ich zugleich die Bitte, in Zukunft mein Arzt sein zu wollen und das Ho norar selbst zu bestimmen. —- Jhre gute Freundin und Verwandte Ma thilde v. Abertron.« Frau von Aberern war die allein stehende Wittwe eines früheren Poli zeipräsidenten in der Mart und hatte sich nach dem Tode ihres Mannes wie der in ihrer nordischen Heimath in Bründe niedergelassen Jhre sehr schöne Wohnung war na mentlich angefüllt mit Bücherii,Vögeln und Blumen; sie liebte sie außerordent lich, und es gab wohl wenig illienschem die so viel gelesen halten« wie diese alte kleine Dame mit dem tlugen, feinen Gsicht, den weißen, seidenhaarigen Löckchen an der Stirn und den zarten, » durchsichtigen Händen. Niemand schien auch die wahre Le benslunst so zu verstehen, wie sie! Jbr Grundsatz war, regelmäßig und selbst bei dem vielen, was sie mitmacbte, einfach zu leben und nicht-z zu thun, von dem sie wußte, das ihr Körper es nicht vertrug. Da nach ihrer Meinung, um glück lich zu sein« in erster Linie eigene Lies benswiirdigteit gehörte, diese nur durch Befolgung ihres Grundweseng, näm lich Friedfertigleit sich herbeiführen « ließ, so übte sie sie wie wenige Men schen« Aber es geschah, ohne daß sie sich jemals etwas vergab. Fragte man sie um« ihre Ansicht, brachte sie sie un geschmintt, wenn auch in mildester Form, zum Ausdruck. Und daneben te sie den grössten-; Sinn fiir kleine i.nge Alles zog sie an: das Zwitschern der Vögel, das Werden und Gedeihen einer Blume, die Bestrebungen der Menschen, das kleine Hin und Her ihrer Umgebung und Nachbarschaft, namentlich auch der Kinder und unde, und nicht zum mindesten Wi enschaft und Kunst, so wie die Natur, mit allem, was sie er füllte. Ein Tag war ihr viel zu kurz für » alles, was sie vorhatte. Langeweile oder gar Gemüthsverstimmungen wa ren ihr fremd und nur ein körperliches Leiden, eine schmerzliche Neuralgie machte sie bisweilen ernster und schweigsamer, als es sonst in ihrer überaus lebhaften Art lag. Nachdem die erste Begrüszung erfolgt war, der Doktor sich nach ihrem Besin den erkundigt, auch über seine eigenen Angelegenheiten berichtet hatte, kam sie J zunächst auf ein kleines Fest zu spre - then, das sie zu geben vorhatte, und bei dem Aste Gaarz eine hervortretende - Rolle spielen sollte. »Es muß überhaupt von Ihnen und Ihrer Familie häufig jetzt die Rede sein! Man muß von Jhnen sprechen! . Wer sich der Einsamkeit ergiebt, der . bleibt aellin. Wer den Anspruch erhebt, ein Eroberer zu sein, der ist es schon halb!'· erklärte die kleine liebenswür dige Frau mit den frischen Farben und den sonnenllaren Augen. »Ich habe auch schon für Sie gewirkt, lieber Karl. Gestern war die Geheimräthin Franz bei mir; sie klagte über die hiesigen ; Llerzte Jch habe Sie empfohlen und sie wird Ihnen schreiben. Und haben Sie denn gehört, daß Funk auf einer Landausfahrt vom Wagen geschleuderf ist«-' Er soll hoffnungslos darnieder liegenl Gewis-» gewiß wollen wir ihm ein langes Leben wünschen, aber . wenn’g anders beschieden ist« wird’5 « Ihnen zu Gute kommen, lieber Neffe! Und da-« freut mich von Herzen. Aber nun sagen Sie, wie geht’5 im Hause? Ihrer Frau und den Kindern? Ich erwartete Sie schon jeden Tag.« Hier ward sie unterbrochen und rich tete unter einem: »Verzeihen l-ie, bitte, einen Moment « den Blick aus die Thür, in der ihre lsiesellschasterin erschien. »Ja, ich will den Vogel haben, wenn er ihn fiir einen Thaler lassen will, aber nur dann! — Ja, gewiß! — Schön » Daniel« »Also mit lien Kardels haben Sie fo viele Unzuträglichkeiten2 Das thut mir aufrichtig leid. Einwirken kann man da freilich nicht. Sie sind bekannt als sehr unangenehme, kleinliche und unfriedfertige Menschen. Niemand ; blieb in der Wohnung Ja, auch der Schwiegersohn soll ein miirrischer, un freundlicher Mann sein! ----- Aber nach dem Regenguf3, den er von Ihnen be lomtren hat, wird’5 schon andere-· wer den. Sicher! Nun kommen Sie aber nnd set-en meine Blumen und die kleine Malerei, die mir neulich Fräulein von Growe geschentt hat. Ein Blick iiber unser herrlicheo Briinde Ah, wie doch die Umgegend schön ist« Erst gestern beim Spaziergang war ich wieder ent zückt von einem Blick hinter dein Kirch hof, den ich noch nicht lannte.« So sprach die Frau lebhaft, rasch und voll Wärme un Ton, sah zu detn heute so ernsten Doktor ermunternd empor und griff zulet nach seiner Hand und sagte: ,,Wolken! Wolken! Die mag ich nicht aus der freien guten Stirn· Ein Mann wie Sie wird sich durch die Ungezogen heit eines so weit unter ihm Stehenden nicht beirren lassen!« »Das ist es nicht« liebe Frau von Abertron. Es ist mir nur sehr unan genehm, wieder ausziehen zu müssen Nichts ist für einen Arzt unvortheil hafter als erznungswcchsel Und nun gleich im Anfang! »An und siir sich liegen die Nach theile schon auf der Hand, überdies aber wirst’s ein iingiinstigeg Licht auf « mich. Es sieht aus, als ob ich in einer » anderen Gegend besser Klienten her-in ziiziehen deiite, als-ob inir’g gerade . hier nicht gelingen wolle.« ’ »Was die Lijieiischen denken wollen, das denlen sie doch, und weit Ungiinsti gereg, mit viel geringerem Anlaß. Sei Dir nur selber treu, heißt die alte Mahnung. Das Uebrige kommt dann schon von selble Und nim, lieber Neffe, muß ich Sie leider sortschicken Ich soll mich ankleiden. Jch will einen Geburtstaggbesuch machen. Berges sen Sie nicht« daß Jhre Asta wegen näherer Rücksptache über das Fest bei mir vorkommt. Und Jhrer Frau sa gen Sie, ich schicke ihr heute Nachmit tag einen geräucherten Schinken. Ich habe einige, die wirklich vorzüglich sind. Sie darf’g mir schon deshalb nicht abschlagen! Bitte, bitte, keinen Dankt Es ist mir eine große Freude. Adieu, Adieu! Besuchen Sie mich bald wieder! Und grüßen Sie herzlich die Jhiigen2« Nun reichten sie sich die Hand, die kleine Dame lief eilig in ihr Schlaf aeniach, und Gaarz stieg die Treppe hinab. Als er ans Ende der Straße ge langte, that sich ein weites, offenes Feld vor ihm aus, in dem sich entweder in starken Abständen und in großer Unregelmäßigkeit der Lage, ältere und neuere Gebäude, Fabrikein Arbeiter I wohnungen und von Gärten einge frledigte Wohnhäuser zeigten, oder die Wiesen noch der Bebau -;hq«rrten.«. · .4Mz nahm den " geradeaus über das offene Feld zu einer von ei nem Parle eingefriedigien, tveißschim mernden Villa, die wie ein fremder Eindringlin in dieser schmucklvsen Unregelmäßigkeit empvrtauchte. Jn dieser Billa wohnte ein Privatmann mit Namen Skold, der, vielleicht durch Gaarz’ Anzeigen in den Zeitungen veranlaßt, am Morgen zu ihm gesandt hatte. f Gaarz wußte gar nichts von ihm Eine Erlundigung hatte er wegen der ihn beschäftigenden Gedanken verges sen. Als er das eiserne Gitterthor öffnete und über die peinlich gehariten, von alten Bäumen eingesäumten Wege schritt, zeigte sich niemand. Auch in dem Hause machst-«- sich beim Näh-erne ten nichts Lebendigeg bemerkbar. Ei » nein lediglich instinktiven Antriebe fol i gend, schritt er auf ein offenstehendeg s Nebengebijude zu. Er hoffte dort viel f leicht jemanden zu finden, der ihm s Auskunft ertheilen konnte-. · Als er mit einer gewissen Unsicher heit und den Schritt dampfend an die » geöffnete Thiir trat, sal) er einen blon ! den, großen Mann auf einem Holzblock ? sitzen. Neben ihm lagen ein Beil und s trockene, tleingeschnittene Zweige, die » einen scharfen Geruch verbreiteten. Er ! hatt die Ellbogen auf die Kniee gestützt » und den Kopf in die Hände vergraben und schien — zu weinen. Auch hatte er offenbar nicht gehört, daß sich Jemand genähert; er blieb be wegungslos sitzen und regte sich erst, als Gaarz sich leise räusperte. Nun er hob er das Haupt, blickte schwermiithig und finster, alser nicht eben befremdet empor und sagte: »Was wünschen Sie?« Als Gaarz erklärte, wer er sei, er ; lxob er sich mit ruhigen Bewegungen, reichte ihm mit milder Freundlichkeit die Hand und sagte: »Es ist meine Frau, die trank ist. « Bitte, kommen Sie! Und verzeihen Sie —---« fiigte er in einer nachträg lichen Besangenheit wegen der Situa tion, in der ihn Gaarz getroffen hatte, hinzu. Sie schritten wortlos aufs Haus zu, bogen um die Ecke und stiegen eine mit blühenden Rosen uingebene Treppe hinaus. Aber der Mann öffnete nicht » und zog auch nicht die Klingel, sondern klopfte an, und als dies leine Wirkung hatte, bat er den Doktor in höflichster » Form zu entschuldigen. s»Jch werde Jhnen selbst össnen,« er » klärte er und verschwand mit seiner großen Gestalt iin Souterrain. Nun war’-·5 ringsum wieder so still, daß das leiseste Geräusch an Gaarz’ Ohr drang: Das Zwitschern von » Vögeln aus- den fernen Parkbäunien, und etzt auch, dumpf brausend, wie ein ferneg Meer, dac- Wirrwarrgeräusch Pck Studi Nach einer Unzen Weile öffnete sich die Thür, und der Mann bat, unter noelnnaliaen linkschulidgunggworten und niit belnitiainen Schritten voran gehend, ilnn zu folgen. Sie gingen durch eine lange Reihe lichtgediinipster, äußerst pruntvoller Zimmer und gelangten in ein zwei senstrige5 Gemach, in dein, in einem init geblinnten Eeidenstoffen uinhangc nen Himnielbett, eine alte Frau init scharfen, unheimlich klugen Zügen eben aug dem Schlummer erwacht war· »Hier ist der Herr Doktor ——- Dot tor Gaarz. Wilnschest Du, daß ich hier bleibe?« ,,Jas l« Die Frau sprach’g lurz hin, nicht freundlich, und dann wandte sie sich mit äußerst liebenswürdiger Miene zu Gaarz und sagte: »Ich habe sehr viele Leiden und mich ; schon an viele Acrzte gewandt. Jetzt seit einein Jahre, wo wir hier wohnen, aber an teinen. Ich bin augenblicklich wieder gichtisch und kann mich nicht bewegen, auch so uervös3, daß mich das Geringste aufregt. Jch möchte Sie bitten, inir Jhren Rath zu ertheilen.« Der große blonde Mann hatte wies der die Wangen aus die Hände gestützt und breitete theilnalnnlog für dag, wag um ihn her geschah, finster vor sich l«,in. »Mein Mann versteht es so gar « nicht,« fuhr die Frau, ehe Gaarz zu s antworten vermochte, in einem spitzen « Tone sort — »i:1ich aufzuheitern Es ist bei Gerniithsverstimmung von so großem Werth, abgelenti zu werden. Er zeigt immer nur mißmiithige Mie - nen.« Gaarz war nicht wenig überrascht, i das; die Frau bei der ersten Begegnung i in so riietsichtloser Weise ihren Mann preiggab All-per er glaubte in diesen Aeuszerungen bereits den Schlüssel siir ; die eigenthiinilichen Eindrücke zu fin den, die sich ihm in der kurzen Spanne Zeit geboten hatten. »Nicht irahr, Harder?« vervollstän— digte sie ihre Worte und warf dem scheinbar llnunpsindlichen einen wenig angenehmen Blick zu. Und zu Gaarz gewendet: »Sie wissen nun auch gleich, wes halb ich zum größten Theil so neroög bin!« Und abermals zu dem Mann her risch: »Nun, habe ich nicht recht, antworte und siß nicht da, als wolltest Du ster ben!« »Ja, wie Du meinst,« s— entgegnete er milde, sah sie traurig tadelnd an und verließ das Zimmer. W Nun Brach Gaarz, diefbin stattge ; Ich werde Ihrer Dienerin genau mit : theilen, wie die Umschläge zu machen ’ sind. Uebermorgen werde ich wieder . vorsprechen.« habtens organge umgehen-, auf die Kranke ein. Er rieth, das Bett zu verlassen, das schmerzhafte Bein mit möglichst heißen Titchern mehrere Male am Tage zu umwickeln und statt der Stubenlust die frische Luft draußen dauernd auf sich einwirken zu lassen. »Wenn Sie nicht gehen können, las sen Sie sich herumfahren, gnädige Frau, suchen Sie sich durch Lesen und Konversation Abwechslung zu schaf fen, essen Sie häufig, aber wenig auf einmal und — wie ist es mit dem Schlaf?« »Ich schlafe gut, wenn ich nicht Aet ger und Gichtschmerzen habe —« »Ich hoffe, sie werden sich heben Gaarz berbeugte sich zum Abschied. Aber sie streckte ihm die Hand hin und sagte, ihn haltend: »Ich fühle, Sie sinds der Arzt, den ich brauche. Ich danke. Noch eins-J sie drückte seine Rechte und sah ihn weich und schmeichelnd, werbend an: »Halten Sie zu mir, es soll Jhr Schade nicht sein! Jch bin der Herr hier im Hause! Das alles unter unst« »Seien Sie überzeugt, dafz ich dar auf bedacht sein werde, Jhnen Jhre Gesundheit wiederherzustellen, gnädige Frau,« entgegnete Gaarz, auf ihre Worte njcht eingehend, mit ernsterHöf lichteii. »Guten Morgen! Also über morgen!« Nun ging er, und sie nickte ihm zu. Jn einem der durch die herabgelasse nen Jalousien halbdunklenRäume fand er Stjold. Er saß wie vorhin in der Scheune, zusammengehockt, in finste rer, für die Eindrücke der Außenwelt nnempfindlicher Schwermuth da und schien hier der Wiederkehr des Doktors gewartet zu haben. Nun aber erhob er sich und schritt wortlos neben Gaarz einher bis auf den Flur. »Ich möchte noch das Mädchen spre chen, um ihr Anweisung zu ertheilen,« hub Gaarz an. »Das Mädchen, wel ches Jhre Frau Gemahlin zu bedienen Pflegt-« »Sie hat sie gestern alle fortgejagt, es ist nur meine Schwägerin im Hau se,« stieß Skjold heraus. »Jnge!« rief der Mann mit müder Stimme und öffnete eine Thür, die in ein neben dem Flur belegenes Wohn gemach führte. Und als dann eine nicht mehr ganz junge, aber schöne dunkle weibliche Person mit eigen thiimlich scheuen Augen zum Vorschein tam, stellte Skjold beide vor und ver ständigte seine Schwägerin über das, wag der Doktor wünschte. Sie gal« nachdem istaari gesprochen hatte, keine Antwort, sie nickt-: nur bereitwillig und zog sieh dann, fort Dauernd dieselbe scheue Verlegenheit an den Tag legend, wieker ,-:Iriick. So eigenthumuch wcrIie auch oieie Erscheinung wieder auf Gaarz, daf; er du«-« lebhafte Verlangen empfand, einige ihn aufkliirende Fragen an sei nen Begleiter zu richten; als dieser aber auch jetzt wieder so stumm neben ibm her schritt, fehlte ihm der Muth, und er fand eg auch taktooller, zu schweigen. »Ich sagte Jhrer Frau Gemahlin, das-: ich übermorgen wieder oorsprechen werde, Herr Stjold Jch habe also das Vergnügen, Sie dann wiederzu sehen. Jsch empfehle mich Jhnen.« Der Mann neigte zerstreut das Haupt. Als sie aber an den Ausgang des Gastens gelangt waren, sagte er, dem Doktor mit einem unbeschreiblich traurigen Blick ins Auge schauend: »Nicht wahr, Sie begreifen, dasz ich unglücklich- bin. Das-. ich es bin, des sen waren Sie zufällig schon Zeuge, bevor ich Sie ins Haus führte. —- Ich hoffe, wir werden Freundes Und um eins bitte ich Sie: Halten Sie zu mir! Glauben Sie, daß da mehr zu heilen ist, als bei ihr!« Nun trennten sie sich. — Als der Doktor, nach-dem er etwa fünfzig Schritte seitwärts gegangen war, von einem natürlichen Drange getrieben sich nniwandte, fand er Skjold noch vor dem Eingang der Villa stehen. Gr schaute unbeweglich geradeaus, alg ob ihn die Ferne mit magischer Gewalt anziehe, aber auch wie ein Gefangenen der durch unzerbrechbare Ketten an »den Gliedern für immer von der Frei heit abgeschnitten ist. Jn diesem Augenblick drang aus den geöffneten Fenstern eines alten, düstern Hauses, das tief zurück in einem verwilderten Garten neben dein Wege lag, rasches heftiges Sprechen. Aber wenn es auch ornige Worte wa ren, so waren die Baute doch keines wegs unschön. Ein fremder Aceent nnd eine süße Stimme klangen, anhei n elnd dein Ohr, zusammen. Der Dot tor blieb stehen und horchte. »Jst'"5 kenn ejn Bergnugen, hierzu hocken Tun ein Tan» ous wie eine Ge fcnqene2 Was soll das- alles? Ich will hinaus, ich will in die Stadt. Ich ; will etwasv sehen und erleben! Immer kommst Du mit den Männern, alsJ wären sie reißende Thiere! O, mein guter, them-er Papa! Wie schön war's, als Du lebiest, wie herrlich » Iisveraleichlich Nisn Du todt bist, s kann Deine arme Nina nicht mehr sin nen nnd lachen, ja, nicht einmal mehr relenl Draußen wach-sen Blumen, sie kennt sie nicht. GL- aiebt ante. anlü scnte Menschen Was weiß ich. von ihnen! Nein, nein, ich will nicht nscbrk Wenn Du nsir nicht bald frei willig die Thür öffneft, spring ich hin ari. —- Du meinst, UNDER es MAX Nun gerade denn; per-? aus —-.-—«· Kaum waren die eßien Worte ver klungen, als ein junges, schönes Ge schöpf mit dunklen aren odenin der Fensterössnung ers ien, rasch die Klei der schätzte und eine Bewegung zum Hinab prrngen machte. Aber· dabei gcll;ttll te wiggech friert-; ug plößlichi ueur; s o ein rz" s- mmern,- « diesem solfgte das entsetzliche Wehkla gen der andern, die dem Beginnen des Kindes aus dem Fenster zugeschaut hatte. Ohne zu zogern, stieß Gaarz die Gartenpforte aus, flog aus die Ge fcllene zu und kniete neben der Wim mrnden nieder. »Ach, danke, danke, mein Herr-. Ja, icb habe viel Schmerzen — hier —- im linken Fuß!« hauchte das schöne, fremd arssehende Kind, als Gaarz sie ausm richten sich bemühte. Und ein langgezogenes ,,A —— h-- « drang in tiefem Schmerz aus ihrem Munde, und gleich darauf folgte eine Ohnmacht· Inzwischen hatte auch die andere — eine ältere Frau mit einem Diener — die Unglückdstätte erreicht und holte, als sich Gaarz als Arzt zu erkennen gab, wehklagend und mit angstvoll steigendem Blick sein Urtheil ein. »Es ist der Fuß gebrochen ——« er klärte Gaarz. »Hctben Sie Hülfe im Hause, daF wir die junge Dame ins Haus scha sen können?« Als das junge Mädchen in ihrem im Parterre belegenen Schlasgemach ge bettet war, legte Gaarz zunächst einen Nrthverband an und erklärte sich be reit, sogleich in die Stadt zu eilen und fiir einen Gigsumschlag Sorge zu tra gen. »Und werden Sie ihn selbst an l(gen? Ich bitte, ich bitte daru1n!« schmeichelte sie und sah Gaarz mit einein so siißen Ausdruck an, daß er meinte, so etwas Liebreizendes noch niemals gesehen zu haben. Die Alte, wie sich herausstellte, die Uroßmama, war voll Liebe und Sorge für ihre Enkelin. Auch schien die Strenge-, über die Nina sich beklagte, nicht nur mit einem der alten Dame ansgezwungenenBefehl im Zusammen l«ange zu stehen, sondern ohnehin Grund und Berechtigung zu haben. »Was soll ich denn thun, wenn Nin-u so maßlog unvernünftig ist. Sie ist doch sehr unvernünftig, eben wieder hat fiel- beiviesen!« stieß sie, gleichsam vrrauSsetzend, daß der Doktor nicht nur sich innerlich verwunderte, sondern ntit den Verhältnissen vertraut sei, in ihrem fremden Dialekt heraus-. »Wenn-e nach mir ginge, würde ich sie doch nicht hier halten, obgleich — olJne Aussicht darf sie nicht sein. » Die Welt, in die sie gehört, muß erst ent rrctt werden. —-- Sie ist ja so sehr an ders, ali- die anderen.« »Wie Du sprichst, alte Mama. kSie nannte sie alte Mama, statt Groß mama.) Und wag soll der Herr Dok tor denken? Ach, bitte, kommen Sie bing wieder, Herr Doktor, heut Nach :nittaa. Leisten TZie mir Gesellschqu Ach, dass ist reizend, das ist aut! Der Himmel hat Sie in unser Hans criiilsrt.« Der Doktor nickte, reichte beiden die Land und wandte sich zum Gehen. Die Alte brachte ihn, wie vorhin Stjold die-« an die Pforte. Hier saaie sie: »et) heiße Madame Martinez «er lile hier seit einein halben Fahre Es ist meine Enkelin, Nan Telae. Sie liat leine Eltern mehr, nur einen Bruder. Von ihm ist sie abhänqig Er nill daß sie hier bleibt, bis sie hei re thet Wir können bezahlen, mein Herr. Bitte, kommen Sie ost, ver zeilen Sie, daß ich dergleichen berühre. Aber ichs sage es lieber, Sie könnten sonst meinen, hier in dem kleinen Ge fänanifs wohnten arme Leute « Gaarz hätte gern noch mehr ge hört Aber es war Zeit zum Gehen. Nun drückte er der Alten die Hand und entfernte sich. Als Gaarz nach Erlediaung seiner Besuche geqen zwei Uhr Mittags nach Hause kam und in der Erinnerung an die Vorgänge des Morgens mit einem Gefühl starken Unbehageng den Kar del’schen Flur betrat, schritt gerade FiordeL den Hut auf dem Kopfe, über den Flur, orrfinsterte seineMienen, als er Gaarz erblickte, und nahm, ohne ihn eines Grußes zu würdigen, mit hoch Inijthig auslehnendern Ausdruck an ihm voriiber den Weg durch die Hausthür ausdie Gasse. Freilich ward ihm von Seiten eines anderen Familienmitgliedes eine völ lia entaegengesetzte Begegnung zu Theil. Aus der Treppe streifte er An g-elica, und sie, obwohl schon sichtlich vermeint und tief bedrückt, erwiderte seinen Gruß mit verlegener Nebens Ir-iirdiateit. Umoilllijrlich suchte Gaarz nach den Gründen, sie hier und in solchem sieht baren Nummer zu finden. — Aber da ihm auch Legardug gleich daraus nnt einein Ausdruch finsterer Verbissenheit in den Zügen oben im Flur beaeqnete etken trat er aug seinem Zimmer und schloß die Thiir ab ward er belehrt. Ser hatte eine Scene zwischen Den beiden junan Leuten stattgefundeul Gnarz drängten sich Vergleiche auf. Draußen bei dem Ehepaar, bei Etjoldg, fehlte die Harmonie; auch schon bei diesen jungen Leuten schien es Jlxränen unbVerstiimuungen zu geben Am besten hatte er eg doch selbst! Wean immer er sich in der Welt um aelel)en, hatte er gesunden, daß er weit Cliiellicher sei, als alle anderen. Ami schsen ihm und seiner Frau herrschte die größte 11ebereinstimmung. sie lieb ten sich zärtlich, und Krankheit war ilnen fast gänzlich sern geblieben. Gotthuuq soll-U