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About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (May 27, 1898)
, Zur Bekubtsunq der Zier-en. ( Bumoregie von Ealesla Buch t wald. " Al o, mein lieber Max, es bleibt da ,lsei, eine Frau muß tadeln, oder — stehe siir nichts! Jhre Nerven xilnd olli aufgebraucht das Chinin, n ame-n und andern Jux haben wir urch —- das Rad, das Rad ist das »Ein ige, das ibr noch helsen lann.« Der Arzt, welchor diese Verord nung giebt, ist ein kleiner ierlicher Mann, noch jung, mit sehr bschem Matt, dessen zarte Hautsarbe ihm im - lub einen Frauennamen als Spitz men eingetra en. Welchen —- wird .r übrigen G ellschast von Z. ver imli · Er ist sehr besteundet mit m A essor Max Bebrendt. »Du laubst nicht, wie sehr meine rau si dagegen sträubt —--- sie hat . r schon Scheidung wegen meines adelns angetraaen«, sagt der Assessor leinlaut. »Ganz egall Du wirst doch nicht le glich nomineller Hansvorstand sein, ax, sondern auch mal Deine arische Jerrennatur vorkehren können?! Sie wuß, sage ich Diel« und der lleineDol r schüttelt seinen lriinenbastenFreund, ie zur Ermunterunq, an der Schul er. »Der Assessor entfernt sich und eilt seiner-Behauspn·q «u. Seine kleine, Endliche Frau empiängt ihn mit einem trom von Thränen. »Ich lann es nicht mehr ertragen, . ar, Du mußt den Jungen aus dem Hause geben. Seine Schularbeiten — Eein Exempel ——— sieh, in welchem Zu and -—— ach!« Und Frau Helene ringt ie Hände in thränendoller Verzweif ung. Als gewissen ite, moverne Mutter lbei-acht sie die chularbeiten ihres sie benxiihrigen Sohnes und ist außer sich, dast er nicht talli ra hische und rechne rische Musterau ga n herstellt. Der Vater betrachtet die Künste Jung Ptaxenz und sindet sie nicht so haar "ubeiid. Er, in seiner Jugend —- na, t ma war eben nervös und er thut ihr n Gefallen, den ileinen Thunichtgnt twai an den Ohren zu ziehen. »Du glaubst nicht, wie s eren Beummer ich mir uin die Zutun t von ax inache,« läßt sich wieder Frau He lene vernehmen, »er ist so leichtsinnig k-— ich sehe ein schlimme-Z Ende Nch!«. . . . . »Nimm einige Tropfen Chinin«, be aiitigt der Gaite und geht selbst nach dem Bufset, wo das Allheilmittel be reit steht. - «Le«ae Dich aus die Chaiselongue«, redet er weiter zu und die Gattin folgt seinem Rath. , »Hier mein Kind«, er hat das Chinin n asser gegossen und reicht eg ihr, s sie dan end und glücklich iiber seine Diebe enttze ennimmt. Dann deckt er sie Inii einer · ecke zu nnd setzt sich neben ite. »Möchtest Du nicht eine energische Kur zur Beruhigung der Nerven an «s-reteii, Herzchen?« fragte er theil fiahinsvolt »Gem, Mar," entgegnet sie mit mai ter Stimme. »Aber welches Seebav, Flinsberg oder den Hat Z« »Vielleicht wäre Dir schon mit einer einsacheren, die Dich uns nicht entführt, geholfen, Leni. Bedenke, das Rad -- ——« »Max!« schreit Frau Helene auf, ,willst Du miJh tödten oder dein Ge spött der Welt aussetzen?" Und ein Weintramps löst die Nervrnariipans rung ab. Stumm, ohne ein ioeiierez Wort lie iitigender Zurede, erhebt sich ver Gatte no aus seinem Gesicht ist eine -:t,erne Entschlossenheit zu lesen. Dag Chinin hat seine Wirtung gethan und am näch sten Morgen ist Frau Helene wieder rnunter und guter Din e. Wenn ihr eute Jemand den Vor chlag gemacht "tte, Mar, ihren Goldjungeii, in eine ension zu geben« hätte sie ihn siii ge hirntrant gehalten. Mutter und Sohn nehmen das-Trilli stiirl allein aus dein Balken ein ——- Pa pa ist sortgeradelt, wie allmorgentlich, und lehrt erst uni acht Uhr heim. ffran helene haßt diese Morgen-Radeltour und wenn es· ihre Nerven rriixubein kann sie sich bis u Thränen Tiber diese-i einsame rühstlkck ausregen. Jung- ax ist zur Schule gegangen iend Frau lene erwartet mit Unge diild ihren atten. Es ist schon halb J Uhr und er tommt nicht! Ob ihm etwas zugestoßen ist's Ob das Rad gebrochen, er hingesallen und irgendwo verwundit an ver Landstraße liegt? sZie hat es kommen sehen! O, dieses verwünschte Radeln! Schon fängt es an, in ihren Pulsen Fu klopfen und Thrnen treten in ihre Augen In net vöser Unruhe geht sie im stiininer hin und her. Endlich! llm neun Uhr klits aelt es und der Gerichtgbote erscheint mit einer Karte von Mar: Jud-. mich beim Radeln verspätet. Frulistiick i: .i Schildenhautt genommen und bin nun direkt aus das Gericht geradelt Bitte d puien zu lassen und einzustellen tn Max« krau xelene lacht ingrimnii Aich das noch. Mochte das öcheulftsl doch oerrosten —- das wäre ihr gereue recht! Siei ßnlt in einem Sessel mi. dein schIn en Weintrarnps zusammen! Eine eisige Kälte herrscht itsute zwi schen den he atten sp· Wirtin wird nicht so liebev verabreicht. Am nächsten Morgen dieselbe Sache. nur daß Max leine Enr chrldiguna chtckt. Frau helene ist aus-. r sich· Aber BE toll gegen den Gatten hat sich in itleid verwandelt Er ist ossenbae traut, radtg nervös und der E rund ist esei unvernünftige-Madam b evie Gurnrntschläuche der Räder but chneidettt Aber schnell wie er ge staunten verwirft sie auch wieder den lteuflifchen Gedanken. Die llnthat — sie« sieht es ein — würde ihn doch nicht heilen fofndern nur Geld tosten —- sie laßt es lieber. Wie aber· ihn heilen? Wahrend sie noch so überlegt, kommt der Brieftrager und reicht ihr Iider den niedrigen Gartenzaun eine-i Bief mit .unbelannter Hand. Neugierig bffnet ssie ihn und liest: »Arme, giiadige - rau! »Ich kann es nicht länger mehr an ehen, tote Sie verrathen werden. Während Jhr Gatte vorgiebt, aus Gesundheits r·uelsichten zu tadeln, giebt er sich täg lich ein Rendezvous mit einer Radlerin. Den Namen nenne ich nicht --- Sie er ratben ihn wohl! Einer Jhrer rennde.« Jm ersten Augenblick war - rau He ilene starr vor Schrecken und orn, dann brach sie in Thränen aus. äh ssam hatte sie die Chaiselon ue im Eßzimmer nachzugriibeln J r Max «—ein Verräther! Wie arg mußte er es treiben, daß sich Fremde verpflichtet fühlten. sie aufmerksam zu machen. Und wer die saubere Mitschuldigedein mochte? Sie sollte es ahnen? «ine dunkle Existenz konnte es daher nicht sein. Eine Dame ihrer Gesellschafts Vielleicht die Frau des zweiten Amts richters. Sie war allerdings eine Ko leite und Emanzipirtei Sie trug kur zes Haar und —— radeliei Die erste Radlerin in Z. Man hatte sie mit Pumphosen und Wadenstriimpfen über den Marltplatz radeln sehen! Und das tvar das Ende vom Liede! Dahin führten diese unsittlichen, modernen Bestrebungen! Frau Helene tnirfchte: was sollte sie thun? Sie fchluchzte herzbrechend Ihren Goldjungen an die Hand nehmen und in’s Wasser ge hen? Was sollten sie beiden Verraihe nen und Verlassenen noch auf die er Welt? Ach, aber damit wäre ja dem treulofen Menschen womöglich ein Ge fallen erioiesenl Sie toaren ihm viel leicht beide längst ein Dorn im Auge, ein Hindernifr zu freiem, ungebunde nein Leben! Vergessen war die liebes volle Fürsorge des Gatten. vergessen seine Geduld, mit der er ihren Wein lrärnpfen die Chinintroofen hinhielt, und in schrecklich drastischer Vorstel lung standen nur die beiden letzten Tage, wo er rücksichtslos vom Nabel fpaziertveg nicht nach Hause gekommen war. Es war tlar, er liebte sie nichtl mehr! Doch sie wollte leine ihren Pflichten versäumen Sie erhob sich und, in der Küche mit dem alten Ge schick hantirend. stellte sie ein Mittag essen her, das nichts zu wünschen übrig ließ. Er sollte es schon bereuen, wenn sie ihn verließ. Sterben wollte sie nicht mehr, aber wen von ihm gehen « mit Märchen « das sicher! Der Mittaa lam und deni Ilssessor schmeckte es prächtia. Er war heute auch wieder aufmerksamer iind be iiiertte ihre leidende Miene. »Hast Du auch noch Chiiiin?« fragte Sie lächelte höhnisch. Chinin konnte ihr nicht mehr helfen, aber sie schwie . Nachdem der Assessor Mitta Hru aehalten, qina er wieder aii das Amtkaericht, sich sür den Abend ent schiildiacnd, da er eine Verabredung habe. Als er sie zuni Abschied um armen ivollie, ent,ioa sie sich ihm mit; einer Gebärde des Widerioillenjs. Aber» er fragte nicht, was sie habe, sonder-il lächelte nur »s- so abqebrüht war erj schon! Als er aeaangen und Gelen: zu sällia aus die Stelle sali, wo er ge standen, beiiierlte sie ein kleines, rosa Billet aus dem Teppich. Wie eine Lö win stürzte sie sich daraus nnd hob est aus. Es dustete nach Patschnli. Der? llnvorsichtiae nun war er verra-! then! Hastia zog sie die Karte lierausi nnd las sie, ohne Geioissengslrupel über die Jndiglretion. ,,Moraeii tann ich erst uiii neun Uhr aii der Kaiser eiche sein. Erwarte Dich bestinimt." Mianon.« ; Frost Helene sianivste vor Zorn deni Teppich mit dem Fiifiel So weit wa-; ren sie schon --— sie duzten sich! Aber» wer war diese ,,Mianon«? Die Fraul Amtsrichter sana iiiit entzückender» Stimme die Mianonlieder uno HeleneJ hatte selbst die Bewunderung ihre-s Gatten grade über jene gehört. Auch erinnerte sie sich an einen seiner. Aussprüche nach welchem Mignoni seine Lieblinasaestalt aus der ganzeiii deutschen Literatur sei. Ach, isnd nun» gab er nicht ihr diesen zärtlichen Bei-I namen. sondern der aiidernl Das Heer1 wollte ihr brechen! Heute hatte es Maxl der Jünaere aut, denn Frau Helenes Zwar sanftmüthia. Das arme sinds dem der Vater aus diese Weise aerauth wurde, that ihr leid. l Die non-te Nacht brütete sie dar über. was- sie thun sollte, aber als Max nach Hause tcin isnd sich über sie! lbeuqte, um ihr Gutenacht zu sagen,’ stellte sie sich ssilasend Am Morkien Iwae sk- eadiich zu einem Entich uß aekoininem Ehe sie sitr immer Feina, wollte sie auch die Schuldiiien en lar Ven ck i Der Doktor, der beste Freund ihres iMannes, hatse ihr feine tleine, ele aante Cauipaqe schon immer zur Vet iitaung gestellt, wer-n sie spazieren zu fahren wünschte, wovon fie noch nie Gebrauch aernacht. Heute wollte sie es Ithun Sie schickte sehr früh hiniiver und es traf sich prächtia, daß der Doktor auf dem Rade in die Praxis tqefahren war. So war jenes doch einmal zu etwas aut. Um halb neun Uhr stand der glänzende Brut-ne und das elegante Korbwäaelchen vor Frau Helenei Thür. Rotte-, wie der helle «Friihlingsmorgen selbst, trat sie aus ihrer Wohnung heraus sie hatte «sich mit Willen so niedlich wie möglich macht Und auch tetne Spur von « hriinen war aul ihrem Gesichtchen zu entdecken —- diesen Triumph wollte sie den entlarvten Verbrechern nicht ge währen. Sie fuhr sogar mit einem ewissen Behagen, wie es die selbst-l tchere Ruhe einer Frau nur geben kann, hinaus in dic frühlingsfrische Welt Die Kaisereiche stand in dem, mehrere hundert Morgen großen Bart des Fürsten .R, der, wenn der Besitzer nicht zu hause war, Spaziergängernt und -Fahrern geöffnet wurde. An Wochentagen herrschte hier tiefe Ein-i samteit und die gepflegten Wege unter den mächtigen, breiten Schatten wer fenden Eichen waren allerdings wie geschaffen fiir liebende Nadler. Mit der Uhr in der Hand fuhr Frau He lene dahin. Je näher die neunte Stunde rückte, desto banger tlopfte iar Herz. Fünf Minuten vorher ließ in den Weg, der zur Kaisereiche führte, einbiegen. Und sie biitte beinahe laut ausgeschrieen, als sie richtig zwei radelnde Gestalten auf dem Wege, trotz ihrer Kurzsichtigteit entdeckte. Die eine war ihr Mann —- sie erkannte die breiten Schultern, den blonden Kopf, die ihm eigenthiimliche Bewegung beim Radeln. Die andere —-—— sie sah nur die Pumphosen, das burschitos her rencnäßig geschnittene Jacket, das runde Hüttchen-mehr konnte sie vor Thränen nicht sehen. Sie mußte sich vor dem Kutscher be herrschen; aber unter dem Vormund schneller nach Hause zu wollen, ließ sie zufahren. Doch siehe da! auch diel Nadler setzten sieh in größter Eile und« blieben in steter Entfernung, die ge naueres Erkennen unmöglich machte. Unter dem Borwand von heftigem Un wohlsein befillen zu sein, ließ sie den Braunen zur schärfsten Gangjrt an treiben, doch nichts nütztr. Die Radler legten sich nur ein wenig mehr in die Räder und flogen davrn, bis sie aus der Chaussee, die zum Schüsenhause führte und die Fliehende und Verfol ger erreicht hatten, nur noch wie ein Punkt erschienen. Frau Helene fuhr nach Hause und Jeder, der sie sah, glaubte ihrem tod tenblassen Aussehen nach, daß sie ster benskrank fei. Mit Mar, der eine unbefangene Mine zur Schau trug, wechselteJie kein Wort. Sie verachtete ihn. nd so schnell wie möglich wollte sie ihn ver lassen. aber nicht eher, als bis sie ihm in Gegenwart seiner Mitschuldigen das Wort »Verriitl;er« ins Gesicht ge schleudert. Frau Oelene entwickelte nun eine fieberhafte Grschäitigkeit. Sie mußte fiir sich und Märchen Alles fiir die be vorstehende Reise vorbereiten, aber da neben betrieb sie noch etwas Anderes, umgab es jedoch mit so tiefem Ge heimnifi, daß selbst in dem kleinen, klatschsiichtiaen Z. kein Mensch dahin-. ter gekommen war. So vergingen acht Tage. in denen das Verhältniß der beiden Eheaatten immer gespann ter wurde. An einem wundervollen Junimor gen erfuhr die Welt, was Frau Helenes in dem alten Schuppen aus dem Hofe des Uhrmachers Minnen der als fin diger Mann sich der Neu-seit angepaßt und den Vertrieb von Fahrriidern übernommen hatte, getrieben. Jn ei nem feschen, eleaanten Nadlerkostiim das sie sich aus Berlin verschrieben, aber mit bezentem langen Rock, radelte sie schnell und gewandt iiber den Marttplatz in die Welt hinein. Es war so früh, dasi nur ein paar Bäcker jungen ihr neugierig nachsahen Sie radelte zur Stadt hinaus, in den thaudurchdrängten Park hinein, an der Kaisersriche vorüber und hätte auij beln mögen vor Wonne. Leicht und frei, wie dem Erdenstaub entwunden, kam sie sich auf ihrem geschwinden Be hilel vor. Wie sie es nur friiher mit der langsamen Kriecherei hatte aus halten ldnnen, dachte sie. Aber sie vergaß teinen Augenblick, weshalb sie eigentlich radelte. Vier zehn Tage lang stand sie sofort, nach dein ihr Mann davon gefahren, auf nnd radelte ihm nach, aber immer ver geblich. Wie sie auch suchte und suchte -— sie fand die Spur des ver brecherischen Paares nicht. Indessen war ihr Sport bekannt geworden und ein Theil freute fich. der andere ver höhnte sie hinter ihrem Rücken, wie sie die Frau Amtsrichter verhöhnt hat· Sie ließ es sich nicht anfechten und Max, der ihr seine Freude »in erken nen geben wollte, schnitt sie das Wort am Munde ab. Sie hatte nichts mehr mit ihm gemein. Eines Taaes sand sie wieder ein Billet. in dein die Stunde des Stell dicheins anaeaeben war. Diesinal sriih tun acht Uhr. Sie war bereit. Fünf Minuten vor acht tauchte sie am Kaisereicheniveae ans. Richtig --——- da waren sie. Lautlos bufchte sie dahin und die beiden Verbrechen die ihr den Rücken zulehrteih hörten tie nicht. Frau Helene legte sich in’5 Zeug, fuhr, daß die Steinchen am Wege entsetzt dahinspranaen, ihre Wangen sich pur purroth vor Erreauna särbten Sie sah ibren Mann aar nicht —--- sie sah nur die Pumphosen und das tolette Hütchen vor sich, bis Alles tanzte in wilder und slatnmender Wanst llnd endlich war sie ihnen nahe. ganz nahe und til-erholte sie, wendete schnell und hielt vor Max und --—— dem Dol tor. Beinahe hätte Frau Helene das Gleichgewicht verloren nnd die beiden Männer springen schnell ab, um sie zu stützen. Ein paar Minuten iprachlog .ser lleberraschuna nnd spannender Er wartung s---— dann ein Auslachen Frau ;Oelenes, ein mühsam hervorgebrach Itest »Dottor, wie sehen Sie ans«, und isie biegt sich vor Vergnügen in den Ihiifmk « s »Das also ist Minnen?« »Mianon aus dem Mal-". lacht nun der Assessor, »aber ja nur ni i der ratben«, und die beiden Vers wdrer küssen ihr bittende die Hände, te zu gleich um Verzeihung flehend sür den Streich. Frau Helenes Nerven sind durch die vierzebntäaiqe Radellur so aestcihlt, daß sie nur den Humor bei der Sache entdeckt. »Sie sehen zum Sterben lächerlich aus, Dottor«, sagt ste, »und Du,Max, bist der schlechteste Mensch, der mir vorgekommen ist. aber das Radeln ist doch hübsch und das Beste an der gan zen Sache!« »Zum-I Ieairc Von J. Rheinstedi. Es war entschieden eine Zierde sei nesStandeSz von intelligentemGesichts ausdruch geschmeidiger Figur, tadel loser Toilette und von einer ru?ig vornehmen .Höfli:hleit, die ihn so orr zum Herrn der Situation machte. — »Baron Jean« hieß er im Kreise der Stammgäste und ,,Bnron Jean« war e: auch siir den Wirth des Pilsener Bierlolals in einer Querstmße der Berliner Friedrichstadr Was hätte wohl der Wirth machen sollen, wenn et den »Baron Jean« nicht gehabt hätte! Der lannte jeden Stammgast, der-· las diesem jeden Wunsch vom Gesicht av, ver vermitteln Bekannt schaften, der schlieftete Streitigkeiten, der war von stets gleich guter Laune und zudem von lauterster Ehrlichkeit Wenn er gegen Morgen »Kasse machte«, lieferte er ganz erklcckliche Stimmchen ab tin-d es war ihm nie einer der be kannten AdditionssFehler nachgewiesen worden. llnter diesen Verhältnissen flossen natürlich oie Trinkgelder reich lich und da ,,Baron Jean" auch ein gutes Salair bezog, galt er allgemein als »gemaebter Mann«. Eine Absonderlichteit war ihm allerdings eige.1: sobald sich die Früh lings-lüfte zu regen begannen, lam er um Urlaub ein. Und zwar in einer Form, die eine Ablehnung unmöglich machte, —-- entweder Gewährung des Urlaubes oder sofortiges Verlassen der Stellung: das war sein ,,ceterum ren seo«. Den »Baron Jean« entlassen — dem Wirth stieg eine Gänsehaut anf, er hätte schließlich zu Allem Ja und Amen gesagt. Der Urlaub fiel zwar noch in die Saison, aber gegen diese Marotte des »Baron Jean« war eben nichts zu machen! So war es schon seit Jahren gewesen und so wiirde es auch diesmal wieder sein ..... Am Ende war es anch nicht schlimm, denn nach Ablauf von drei Wochen war »Baan Jean" wieder aus dem Posten, ebenso frisch, ebenso höflich, ebenso tatellos, wie früher. -— — An einem Abend gegen Ende Februar trat ich rniskaestimmt in mein Pilsener Stammlotrb Der Arzt hatte mir ans das Dringendite gerathen, nach dem Süden zu gehen, sonst würde ich den schändlichen Husten, der mich seit Wochen quälte, nicht los werden; der nasse, talte Winter gerade dieses Jahres mit seinen stickenden, Athen-. raubenden Nebeln mache alle ärztlikhe Kunst zu Schanden Es wurde mir nicht leicht, mich jetzt non meinenArbeis ten lex-zureißen, aber wag half es . . , . Jch hatte meine Abreise siir die nächste Woche festgesetzt und wollte mir heute Abend beim Bankier 800 Fraan ein wechseln, -- fiir etwa drei Wochen würde das als Zehrgeld wohl reichen· Das Bankgeschäst war aber schon ge satlossen und so mußte ich unvermitte ter Sache wieder nach Hause gehen. Nach Hause gehen, dachte ich aber, das machst Du gerade niiht, jetzt wirst Du erst noch ’n paar Pilsener genehmigt-in nser weis-» wie lange Du dies vorzüg liche »C,Zecr")enbräu« nicht mehr zu Geschmack belommst Se trai ich am Stanikntisch eitl. »Hab’ die Ehre-, Herr Doctor«, be grüßte mich Baron Jean etwas ges räusschvolb »Ein Ttiliz Piccolo, das Stamm - Seidel«, befahl er seinem ,,Stist«. Dann war er mir beim Aug-« kleiden behülslich, hing meinen Ueber rock an den Haten und wars mir einen beliicnmerten Blick zu. Als Piccelo mir Das erste Glas hingesetzt hatte, fragte mich Barrn Jean vertrau lich: »Ham’5 an Aerger g’l7abt, Herr Toctor?« ,,Lnoner ivinen vie oenn oag:" am wartete ich verdutzt. ,Weil’s3 halt lxeut gar so qranti d’reinschan’n«, meinte er. jede Ein ivendnng von vorbei-ein zurückwei send. »Ach, es war nicht so schlimm«, lachte ich, ,,mein Bantiek hatte schon geschlossen und ich wollte mir einig Hundert Franks eiinvechseln. Nun kann ich noch ein Mal hinlaufen.« ,,To«s können 's sich sparen«. meinte Baron Jena, »d«os besorg’ iJhnen fleis. Wie viel Hunderter sein Wäl ig? »Es-Un Franks wollte ich boten«, ek tliikte ich. »Ach, bitt’ schön, Herr Doctor«, da mit zog Baron Jean seine Notentasche aus dem Innern feines Gitets, nahm aus dein einen Fach eine Hand voll 100 Francsbillets und zählte: Eins, wei, drei.... bis acht. »So, Herr octot, 800 Franks. Heutiaer Cur-? lant Abendblatt 81.()0, macht gerade 648 Mart. Jch zahlte die verlangte Summe. Es war doch ein Allertveltsmensch, dieser Bcron Jeant »Wollen der Herr Doctor verkeisen?« fragte er discret. Jedem Anderen würde ich wahr scheinlich geantwortet haben: Das geht Sie gar nichts an oder ein ähnliche ihiifcichieih aber Baron Jean Wen tüper konnte ich den höflichen ann nicht verläugnen. »Wollen will ich eigentlich nicht«, sagte ich ihm, »aber der Arzt schickt mich ohne Widerrede tach dem Süden « . »Ach so«, nickte Baron Jean ver ständnißinnig, »nach der RinieraB »Ja, dahin wirds wohl gehen«, stin rnte ich ihm zu, »nach Nizza oder Earnes. ,,Theureg Pflaster«, widerrieth mir Boron Nan, »in der Saison liorrende Preise! Bleibens doch drüben in Ita lien, dort toftt ’s die Hälft! So in !Vekntimiglia, San Remo, Borgdig era P »Ist g denn dort aufch für mich pas lserd?« horchte ich auf. ) »Aber ich bitte cie«, erklärte mir Baron Jean sehr entschieden, »für an ;einzelnen Herrn wie g’schaffen. Und di: bequemste Verbindunq hat’s a, — a halb’ bis dreiviertel Stund’n " »Was fiir eine Verbindung denn?« fragte ich verwundert. » »Na, da niiber na nach. machte eine kleine Pause und blinzelete mich vertraulich an, »du nach Monaco « . »trente et qucrante« oder ,,pair et impair«. »Ach, lassen Sie mich aus«, winkte ich ab, »ich habe dcch teine Lust, mir mein Geld von diesen Kerls abnehmen zu lassen.« »Von Abnehmen lann ka Red nit sein«, versicherte Baron Jean mit ern ster Miene, ,,z’ gltvinnen is da im neerzu, aber ma muß sei System herni, Herr Doctor, sei System —- —·' damit wandte er sich dem Nachbartisch zu. Als ich am nächsten Abend noch zu einem Abschieds - Schoppen gekommen war, siel es mir aus, daß sich ,.Baron Jena« gar nicht sehen ließ. ,,Wo ist der Zahllellner?« fragte ich den Pietola ,.Waß net, gnä’ Herr«, antwortete der und zog die Stirn hoch. Dann tams auch schon der Wirth her bei. «Schrecklich ist’s, wahrhaft schreck lich«, stöhnte der, ,,denken Sie sich, als Baron Jean heute Morgen Kasse ge macht hatte, erklärte er mir rund her aus, daß er den nächsten Tag nicht mehr wiederkommen könne, er müsse jetzt seinen Urlaub antreten. Das habe er alle Frühjahr so gehalten und des halb bleibe es auch jetzt dabei. Als ich ihn sra te, wohin er um diese Zeit immer rei e, meinte er schroff: Nach Wien, zum Namenstag meiner Mut ter. ——— Er hat aber gar keine Mutter mehr, daraus können Sie sich verlas ssen«, jammerte der Wirth weiter. ’n verriickter Kerl, dieser Baron Jean, dachte ich, als ich nach Hause ging, es laufen wirklich curiose Käuze sin der Welt herum . . .. I :- xs is Jch hatte mich in San Remo nie lergelassen —— in der lt,·)okhsaison war es in Cannes und Nizza wirklich zu sthcuen das konnten sich nur die glück slicben Angehörigen der ,,oberen Zehn ;tausend« leisten. Jn Sau Remo lebte sman nicht kostspieliger, als in jeder italienischen Prodinzstadt, und dabei trsar fiir Cornsort hinreichend gesorgt; die Sonne leuchtete hier genau so warm, die Palmen griinten hier ebenso zahlreich, wie jenseits der Grenze. An rauschenden Festen mangelte es aller dings und deshalb benutzten viele Gäste vor-Jan Remo den Nachmittags-Train »pour Monaco«, um dort siir einige Stunden in den Strudel der inter nationalen Lebetrelt unterzntauchen. Auch ich schloß mich einer solchen Gesellschaft an. Monaco — ein Paradies aus Erden! Die Schlange der Versuchung sollte die grjinenSPieltische im ,,cercle desEtrans gers« umschleichen . . .. Jch empfand trinerlei Furcht vor ihr, ein hübsches Cpielchen zur Zerstreuung schien mir sodar angebracht. Die schönen Frauen in ihren prachtvollen Toiletten, die ein «scl«.meichelnden Weisen der Musillapel len, die entzückenden Blumenarrange ments ans der Terrasse, der under-— aleichliche Ausblick auf das azurblnue Meer und nicht zuleßt die Anregung des feurigen Bordeaur —-- all das ivar nsrslkl geeignet, die Sinne zu verwirren un:v den Blick zu trilbein » Noch Abgabe einer Visitentarce und »einer Musierung des äußeren Menschen durch den »Monsieur le Commissair speiial« erhielt ich eine siir »den Tag giiltige Eintrittslarte, die mich berech tigte, drinnen an den griinen Tischen nxein Geld zsn —-- derspielen. Alles war schon mitten drin in der »Arbeit«: die RnulettZiugel rollte, ,,le«g jeu est sait, rien ne das plus« --— die Kugel stand: .,rouge«! Die Einsätze wurden rnsit Blitzesschnelle eingehartt, die Gewinne ebenso schnell ausge,;:hlt, und ehe der Neuling noch wußt-, wie ihm geschah, ertönte es schon wieder: »Messieur"g, saiteg votre jeu!« Triiben an den Tischen des .,trente et quarante« ging es ganz ruhig zu, nur selten unterbrach ein gedärnpstes ,,saire nom de dieu« oder ein ,,sapristi« »die Stille Da plötzlich tönte ein .,Hini Jmel--Sncraa« an mein Ohr, so daß ich »iiL-ertascht den Kopf wandte und die Spieler genauer in’s Auge faßte. Der Eine war augenscheinlich ein Franzose, Ider Andere ein Jtaliener blieb also noch der Dritte, der inir den Rücken zi wandte. Geräuschlos schritt ich aus sden dicken Teppichen nach der anderen Seite. Kaum aber hatte ich einen Blick in das Gesicht des »Hinnnel-Sacraa« Mai ises gethan, als ich erschrocken zu riielsuhr, —-— —- das war ja . . .. Doch, ich täuschte mich wohl, der Wein narrte n.ich...., aber nein, es war leine Täuschung, der Mann da vor mir, des: eben einige Hundert-Franc5-Notesi aus dem Potteseuille zog, war —- — »Varon Jean« wie er leibie und lebtel Jch wandte mich an einen der Saal Diener, den ich schon vorher hatte deutsch sprechen hören, driiclte ihm ein Fünf-Francsstiick in seine mit einein weiß - baumwollenen Handschu ge schiniickte Rechte und fragte: » "ren .Sie mal, wer ist denn wohl dieser Herr lda am »trente et quarante«-Tisch, der eben seine Bankbillets zäh·lt?« »Ach der«, meinte der Diener mit der leigiiltigsten Miene, »den kennen wir chon seit Jahren, der kommt jede Saison zu uns. Es ist der Baron Jean de Richepin, er hat große Gitter in kder Bretagne, in Berlin soll erTheil habet eines Banigeschästs sein« »Er spielt wohl leiden1·:haftlich?« frischte ich weiter. »Na und ob«, bestätigte der Die ner, »der hört nicht eher auf, ehe er nicht dac; letzte 20sFranc5billet verlo ren hat. Er hat nämlich sein ,,System", um die Bank zu sprengen. Diese ,,System«-Leute fallen aber ohne Aus nahme hinein, die lassen ihr Geld hier« so sicher zweimal zwei vier ist. Auch Baron Jean pfeift auf dem letzten Lache, er spielt schon acht Tage und muß in einer Stunde ganz sicher »ser tig'« sein.« »Nun und dann?« »Dann ist’s wie jedes Jahr: er wird« nach dem Bureau gerufen, ,,Monsieur le Eommissaire special« zahlt ihm die Reisetosten, wir geleiten ihn zur Bahn, lösen ihm die Billets und der Nacht scljsnellzug bringt ihn nach Genua, wo er sriih eintrifst. Dort wird ihm wie der ein Billet bis Berlin gelöst, damit er sich bei seinem Bank-Geschäft neue Gelder holen kann. Dann wird er auf seine Güter nach der Bretagne gehen und sein ,,Shstem« vervollständigen — zum Frühjahr kommt er dann wieder zn uns-! Sehen Sie, das ist doch Alles gcnz einfach: wenn er herkommt, hat er’s Geld und wir haben die Erfah rung, wenn er abreist, haben wir ’s Geld und er hat die Erfahrung — damit ist Beiden geholfen.« Und als es halb 12 Uhr wurde und der Zug signalisirt war, geschah es so: Baron Jean erschien am Bahnhof, begleitet von einem halben Dudend Dienern der Spielbank. Der eine be scsrgte das Billet, der andere das Gepack, der dritte instruirte den Con ducteur — Baron Jean empfahl sich in vornehm.-ruhiger Weise, theilte noch Trinkgelder aug, die Diener kah l): ckelten und hinaus brauste der Train in die monddurchglijnzte Früh lings-nacht . . . . Auch ein Opfer des Spielteufels, dieser ,,Baron Jean!« ——— Wie unsere Schönen lachen sollen. Selten weiß eine Frau, wie sehr sie ihre Gesichtgziige, und seien diese noch so schön, oft entstellt, wenn sie nicht sorgfältig auf die Art und Weise ihres Lachens achtet. Ein bekannter engli scher Schauspieler erklärt, daß ihm stets ein Schauder über den Rücken laufe, wenn im Vergleich zu dem aller dings einstudirten, aber überaus melo dischen und reizenden Lachen seiner Kolleginnem das unschöne Gelächter irgend einer anderen Dame an sein Obr tönt. Jn den meisten Fällen ist dieses -—- nach der Ansicht des sensiti den Minien — nur ein disharmonisches Gemisch vm Kreischen, sichern, Prit sten und Stöhnen. Ein feinmodulir Ites Lachen kennzeichnet die wolhlerzo Igene »Dann« ebenso, wie mäßig lau stes Sprechen und Vermeidung jeglicher Unnöthigen Gesten und sonstigen Ber d1·el)ungen, wie auch das Wiegen des Oberkörpers beim Erzählen das lei "der sehr viele Frauen an sich haben. Doch diese zuletzt angeführten Eigen sschaften wirken nicht annähernd so ab stoßend, wie ein überlaute5, nicht sel ten wieherndeg Lachen aus schönem Frauenmundr. Es gehört nur wenig Uebung und ein kleines Maß von Selbstbeberrschung dazu, um sich jenes melodische Lachen anzueignen, daH wie izart abgestimmte Silberglöckchen ode: swie tiefe, weiche Molltöne von schönen jtljtädchenlirpen klingen muß. Dann igiebt es zwei Arten des Lachens — das eine. zu dem man sich nur aus Höflichkeit zwingt, das andere, in das -man aus wirklich herzlichem Bedürfniß Haue-bricht Bei dein ersteren, das man tals hörbares Lächeln bezeichnen könnte, Idiirfen die Lippen nicht gestreckt, son dern nur wenig geöffnet werden« so daß sman dies-Zähne hindurchfchimmern sieht. lDag Lachen selbst muß kurz, leise und sympathisch klingen. Sobald die be treffende Schöne sich aber thatsächlich über ein drolliges Vorkommnisz oder eine lustige Erzählung amiisirt, kann der Kopf graziög in den Nacken gewor fen, der Mund geöffnet, aber nicht zu sehr in die Breite gezogen und die Augen ein wenig geschlossen werden. Das ziemlich anhaltende Lachen muß sbalblaut und melodiös sein und all-. mählig leiser werdend Jusklingen Es Isoll den Hörer an das lustige Gewit .scher eines Waldbaches erinnern, aber nicht an das Triumph-Geheul eines Jndianers. Das kurze ,,Höslichkeits lachen« muß —- wie sich der ideal ver anlagte Sohn Akt-wiss sehr» poetisch auszudrücken weiß —- dem eigenartig siißen Anfangstriller des·Spottvogel.-z lgleichem wenn es mit unwiderstehlichecn sZauber auf das zartbesaitete Herz oder ivielmehrGehör desMannes wirken soll Jäger-lat(in.= »He» Förster, Ihre Ansichten sind ja im Allgemeinen ganz nett, aber wa rum sehe ich Sie denn nie in der Kir chezss »Bin scho amal d’rin q’tvef'n, aber da hat sich»der Weihrauchg’ruch a so an mi ang’t)angi, daß meine Hund’ vier Woch’n lang loa Witterung nim «mkk g’habk hab«n!«