Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, April 29, 1898, Sonntags-Blatt., Image 15

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    «W
Thkänon 1
« Das tout dekerbkttschwana der Se
· iale ,
« Das erst-e Liebeswort das schöne Spu!
An deiner Schulter lag mein heisses
Haupt. .
Und unter deinen Küssen, die wie
Sonne
Aus meiner Stirn. aus meinen Wan
gen brannten.
Eckliihten tausend tothe Hoffnungs
. .rosen. »
Kam mit die Jus-end kam das Glucl
zurück. —
Und unaufhaltsam stoömten meine
Tit-tönen —
Doch du« im frohen Mannesunver
stand.
Der Freudenthränen niemals kennen
lernte.
Mit sanftem Vorwurf sprachst du:
Tböticht Weib!
Wie sind so glücklich. Liebste, und di:
weinfll -
Nun MS vorüber. Meine Zeit ist hin,
Und allgewach in trostloz Herzeleid
Verwandeln sich die goldnen Liebes
wonnen. -———
Ich weine nicht. -—— Doch wenn in
schliimmerlosm,
Angstvollen Nächten über meinem La
act
Melanchclie die schwarzen Schwingen
rem,
Wenn ich mich end-los in den Kissen
wälze,
Den irrer-. Blick in’s Dunkle einge
bohrt
ann tst es mik. als fosc deine
schlanke.
Vertraute Band die einatkrampsten
Fincer
Mir sanften Zwangs-; als flüstre die
acliebte.
Die lange nicht aelzsörte Stimme an
mein Obr:
Wir sind so elend. hast du keine Ihrs
nen?
C.Ensell.
L
Warum flarki Mai-rat
Novelleite von Franz Herczeg.
Jüngst iras ich die Tochter meines
Onkel-S, meine ileine Confine Luza in
Thranen. Sie saß auf einem kleinen
Schemel in derFensiernische hinter dcm
Vorhang und ichluchzte so hestig, daß
ihre iyubschen Augen in Tyriinen
schwammen und ihre Lippen manch-«
mal zuckten, wie von verhaltener Bit
terieit. Eine dicke, tleine Niobe, toie
ausgelöst in den unendlichen Ozean ih
res Schmerzes.
Jrn iibriaen war mir das Schauspiel
nicht neu. Jch kenne meine Luza. Jch
sah te schon mit aufgelösteni Haare
weht agend im Hause umherlauin
weil die Köchin das Bügeleisen der ge
kcheelten Katze hatte auf den Schwanz
allen lassen, und ich war Zeuge ihres
xrzzerreißenden Jammers, als der
anarienvogel an einem Hanstorn den
,Pips« bekommen hatte und sich tote
in unendlicher Welwerachtung aus-—
blies. bis er einer Kugel glich.
ch glaube, Luzag Gesundheit er
sor ert es, daß sie sich wenigstens ein
mai wöchentlich gründlich arti-weint
Eindrt sie ieinen anderen R-chigtitel
zu, o sucht sie die ältesten Jahr
Hänge er »Jllusirirten Blätter« her
vor und liest — wer weiß zuin wieviel
ten Male! —- ,,Die lenten Stunden
des Kaisers von Merilo" ooer »Den
Untergang der Elbe.«
J re sensible Seele hindert sie abe:
dur us nicht, bei Tisch einen ganz
ewaltigen Appetit sit eiitwicieta, za,
elbit tnit den Knaben hie und da ein-n
lleisen Strauß nicht zu verschnsiihcn
as aber nur so nebenbei.
Also wie gesagt, ich fand Luza wei
nend in der Fensterni che. Jch France
auch nicht erst, denn ich wußte sofort,
da nichts anderes als ·enes rathe-n
e nndene Buch, das aux ihren Knieen
ag, die Ursache ihres chmerzes ein
konnte. De letzte Seite war au ge
xchla en. ch nahm es aus und über
log as etzte kurze Kapitel.
dr. Kapitel.
Ein Jahr später . . .
Wir sind wieder im alten Schlosse
der Grafen Roboz . . .
rn Thurm der Dorstirche erklangen
au ’s neue die Pfingstglocken. Jhre
schwermüthigen Aiiorde glitten leise,
Taubenlchweirmen gleich, über die son
nenbeglänzte, blumendustende Flur,
bis an die Spiybogensenster des
Schlosses-.
Friede und Ruhe alliiberalll Nur in
dern zanberbaften Dunkel des meer
riinen Boudoirs ist tein Friede nnd
n dem Herzen des schlankem bleichen
Mädchens-, das dort unter Fächerpali
merk in hitzioetn Fieber liegt, ist keine
Ruhe . . . Gräsin Jsaural Nein, nicht
anura —— nur Jsaums Ochaiien . . .
ihr Antlitz ist wache-bleich nnd durch
sichti wie die Adlelblütl)e, die der Reis
getrp feu: der Ref der Enttäuschung. .
Der Klang der Glocken erweckt sie
aus ihren sichert-often Träumen. Ein
schmerzvolles Lächeln erschien aus m
ren seingeschnittenen Lippen und leise
n diesem Augenblicke ging die Thin
. fliiåterte sie: »l.Llemer! Elenrer!«
, un aus der Schwelle erschien ein son
nentzssbräunter tolzer Mann
« unmi« res er, »verzeil)' mirs«
De Antwort war ein leise erster
Y bender Seufzer, leicht wie der Flügel
Irlilag eines Schmetterlings: »Ich ver
: se
he diri«
saurem
s cura war nicht mehr. Ihre chöne
Zu es die bereits in li ten ithen.
Ver pize Mann wars ich auf die
Kniee und schluch te heftig. Zum er
.s1enmal in seinem -eben weinte er.
« Heil klangen die Psingjtglockem Auf
lder Kuppel des Grasentchlosses aber
erschien ernst und feierlich die seidene
Trauerfahne, wie ein ungeheurer
Rabe . . .
I Es war Pfingsten . . . Friede und
Muhe alliiberall . . . Nur der Mann,
sder in dem meergriinen Boudoir auf
Fdem Eisbärensell kniete, sru sich un
ster berzzerreißendem Schln zeu:
»Warum?«
Ende
Wahrhaftig, das war mehr als Luza
vertragen tonnte. Alles lies- sich so
Ixchiin an! Pfingsten . . . Sonnen
1 chein . . . Blumendust . . . Herr
.schastlich- Parte mit schnurgraoen
Baumalleen, Marmorgöttern und l«,o
hen Schlössern . . . Herzöge, Mart
gkafen und gewöhnlicheGrasen, die rei
ten, um hundert Flaschen Champagner
wetten und ilsr Wort als ttdexniann
gaben . . . Dann er! Graf Elemerl
Eben war er aus Asrika znrintgeterrt.
Um eine Kopfes-lange überragt er die
übrigen und wenn er spricht, to rothet
sich die Narbe ans seiner Stirne.
. »Herr Baron, Sie sind feig!« sprach
er oder »Am Ende des Partes weiß ich
einen ruhigen Platz, wo wir ein paar
Kugeln wechseln tönntent« Dann trifft
er Jsaural Der stolze Elemer oie eis
talte Jsaurat So seindliche Blicke wer
fen sie sich zu nnd so Satt sprechen sie
und doch merit man gleich, dass jie sich
lieben. Dann kommt irgend etwa-«- da
wifchen, Elemer geht nich Afrita.
Zsaura geht in ihr meerqrtines Bon
doir — Luza aber lächelt still oor sich
hin. Denn ana ist trotz des mutter
lichen Verbotes eine erfuyrcne Roman
leserin und weiß, daß, wenn auch das
Antlitz Jsauras von Tag zu Taa blei
cher nnd bleicher wird, Clnner ja doch
zurücktonimt, oielleiazt qernde wieder
am Pfingsttage und dann rothen sich
bald wieder die Wangen Jsauraz . . .
Und da —- plötzlichS Was :st das-'
Ab. jener Blitz ans heiterem Himmel.
Erst begann sie entsetzt den Deckel de
Buches auszittratzem ob nicht vi:lli:·utt
ein paar Blätter dort kleben —- dann
sant sie erschiittert, vernichtet und wie
aebrochen zusammen. Gräfin Jsanra
starb! Starb, als der Roman ani in
teressantesten zu werden versprach.
Starb egen jeden Brauch nnd jede
Ueberlie eruna. starb wirklich und un
widerruflich, starb, ein fchmerzvolles
Lächeln auf den feinaeschnittenen Lip
pen . . . Und Graf Elemer tniete jetzt
dort in dem meerariinenBoudoir, Luza
aber in der Fensternische und beide
fragten schluchzend: Warum? Jeyt
verstanden sie beide erst den Titel des
Ronians, jenes unscheinbare und doch
so inhaltsschwere: Warum?
»Luza, fei gescheit! Du mußt die
Dummheit nicht ernst nehmen. Das ist
Ha alles nicht wahr —- der Verfasser
get das einfach so zufammengeschrie
n.«
»Wenn er es zusammengelogen hat
— warum hat er nicht anders gelogen:
Warum hat er's nicht so zusammen
qelogen, daß f:e glizcklich werden? Wa
rnm?«
It- Dit If
»Luza, meine kleine, dicke Laza, hör’
mir zu, ich will dir erzählen, warum
Grasin Jsaura start-, »ein schmerzt-al
les Lächeln ans den feingeschnittenen
Lippen«.«
Der Schriftsteller, der Verfasser von
»Warum?« dinirte einmal bei seiner
Tante und nach dem Kassee sagte er:
»Ich will fchreibent"
JmZimmer wurde es plötzlich maus
chenstill, die Alten sahen sich vielsagend
an, Marigta aber sprang auf und
sagte: »Ja meinem sitt-merk
Jn stmf Minuten hatte sie alles vor
bereitet. Auf den kleinen Schreibtisch
legte fie zwanzig Blatt feines weißes
Papier und eint e neue Aluminiumfe
dern. Auch ein las frischen Wassers
stellte sie hin und in die Majolitavafe,
neben der Visite Joseph Eötvös', steckte
sie einen blühenden Fliederzweig. Die
Kinder wurden in die Nachbarfchaft
getrieben und der Vogeltäfig mt ei
nem Tafchentuch bedeckt. Eine so her
lige Ruhe herrschte im ganzen hause,
daß man das Summen jeder Fliege,
ja, selbst die leifen Schritte der Muse
ihiitte hören tönnen.
Der Schriftsteller setzte sich nieder,
I
Idachte ein wenig nach und schrieb:
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i
s
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cken, so irren Sie sich
»Liebe: HerrLöwM Wenn Sie lau
ben, mich mit der Liritation zu chre
gewaltig Wenn
Sie aber noch sechs Lochen warten
wollen, bekommen Sie Jer Geld bis
zum letzten Kreuzer. Jch aqte Ihnen
bereits-, daß ich an einem »Waru:n’t«
betitetten Romcne arbeite, von dern
die Hälfte auch bereits fertig ist. Mein
Berlegen die Firma Fuchs ä- Co.. be
harrt leider darauf, nichts zu bezahlen,
bevor der Roman nicht beendet ist.
Dazu brauche ich aber noch circa sechs
Wochen. Warten Sie also geduldig,
lassen Sie mich in Ruhe arbeiten, dann
bekomme ich mein Geld und Sie das
Jbre.«
Den Brief schloß er in ein Couve:t
und schob ihn in die Tasche. Meinst-r
wartete mit vor Neugier glänzenden
Augen in der Thür.
»Schon aus? So wenig hast du aus
meinem Tische geschrieben?«
Sie hätte gerne gehabt, wenn ihr
Cousin einen ganzen Roman aus ihrem
Tische geschrieben hätte. Dieser aber
meinte:
»Ich hatte nur einen Einfall, den ich
auszeichnete. . .«
«Ein Apercu!« ertliirte Marista den
Alten.
Die Kinder begannen später vor den
Nachbarstindern zu Problem »Unser
Tegel kann Apercus chreiben, eurer
u .
i »Luzer, willft du wissen, was fitr ein
Mensch dieser liebe Herr Löwh war?
Er war weder »lieb« noch «Herr.« Ein
taum vier Fuß hoher alter runzeliger
Kerl, der immer in Schwarz ging.
Sein rechtes Bein war um einen Zoll
:tiirzer als das linke, deshalb trug er
am rechten Schuh eine zolldicke So le.
Sein Kopf war ganz Stirne, das e
sicht war ihm irgendwie bis zum Kra
gen herabgerutfcht und wo andereLeute
den Mund haben, dort hatte er die
Augen; wo andere das Kinn haben,
dort trug er den Mund.
Das Apercu hatte bei Herrn Löwy
die Wirkung, dasz er am nächsten Tag
in Begleitung einiger amtlicher Perso
’nen mit feiner klappetnden Holzsohle
in die Wohnung des Verfassers von
»Warum« hinaufkam und die Licita
tion hielt.
Dem Schriftsteller war von allen
seinen irdischen Gütern nur sein Frack
leid. Nicht als ob er von seinen übri
gen Habseligkeiten ftiefmiitterlicher ge
acht hätte, nur treil er den Fract mit
Rücksicht auf den nahen Fasching drin
gend brauchte. Herr Löwh aber war
Lunerbittlich und versprach nur, den
Frack erst zuletzt dranzunehmem Die
Licitation dauerte eine Stunde, bis
dahin konnte man sich nach Geld um
lsehen.««
s »Luza —- du fragst, was den Frack
kder Tod der Gräfin Jfaura angehe:
.----— Luza — der Frack tödtete Gräfin
Jsaurat
Als der Schriftsteller mit finsterer
IMiene so anf- und abaina,naliin er dag
»unfertige llJianuftript von »Warum?«
;in dic Hand. Ha --s— wenn man jetzt den
Roman ras beenden könnte . . .
I Damals am ihm die Jdee, Jsaura
.zu tödten und so kurz und bündig den
Roman abzuschließen. Er kämpfte lan
ige mit sich. Wen sollte er opfern —
Gräfin Jsaura oder den Fracts Er
liebte beide. Jfaura war jung, schön
kund edel. Aber auch der Frack war noch
Eganz gut, wenn auch nicht neu, beson
;ders".z das Futter war fchon etwas ab
gewefzi.
T Luza, der Frau siegtr. Wahrend ge
rade die »alten Hauskne« um den ta
rirten Regenmantel handelten, setzte
sich der Schriftsteller nieder und schrieb
das 57 Ka itel Dann nahm er einen
jWagem sulfr zu Fuchs Fc Co. und
Jübekreichte ihnen das Manuskript. Die
Herausgeber staunten zwar ein wenia,
jdasx der Roman so turz geworden,
jdann aber rechneten sie aus, wie viel
ihm für jeden Bogen komme und be-!
zahlten das Panorakk
i Luza, die ich sur litterarlJistorische
Daten sehr interessirte, fragte: .j
»Und rettete er den Fract noch? Kam
set noch zurecht?«
) »Luza, arme Laza, sei auf das
Schlimmste gefaßt. Als der Schrift
Istcnek das Geld in dek Tasche spat-e,
Iaing er nicht nach Hause,snder-1
meinte bei sich: »Was brauche ich den
alten, schädigen« Frach Jm Winter
lasse ich mir einen neuen machen . . .
fein und elegant, aus glänzendem
Komm arn mit Atlassutter.« Als
saber er Fasching tam, hatte der
sSchriftsteller keinen Frack, weder einen
neuen noch einen alten, der Verleger
hatte einen schlechten Roman und
Löwy hatte nicht einmal die Licitas
tionstosten einaetrieben Die arn eGräi
sin Jsanra aber mußte sterben,i-1 der
Blüthe ihres Lebens, ein schmerzvolles
Lächeln auf den feingeschnittenen Lip
pen, und niemand wußte, warTiin?«
j —.—...————
Merlimürdige Theatern-steh
VoniitichcrdMarch f
)
I
t
) Der Theater-Zettel, der heute so
unentbehrliche Herold und Auskunfts
geler im Tempel der Musen, ist be
lanntlich nicht so alt wie dass Schau
spielwesen, sondern erst in neuerer Zeit
ent tanden.
is in's 17. Jahrhundert gab e:
nämlich, von zwei Fällen abgesehen.
nichts dergleichen. Ueberall, wo ge
mimt wurde, begnügte man sich damit,
das Spiel von eigens dazu bestimmten
Personen iAusrufern) offentlich ansa
aen zu lassen und Abends vor Beginn
der Komödie deren Titel, handelnde
Personen, Darsteller u. s. w. von der
Bühne herab bekannt zu geben.
Erst um 1655 tam der gedrkkckte
Theaterzettel auf, aber die Wiener z.
B. lernten ihn nicht sofort, sondern
höchsiwahrscheinlich erst 1665 und zwar
durch Vermittelung der englischen
Komödianten tennen, welche damals
Deutschland durchzogen und aedrurtte
Antiindigungen ihrer Borstellunaen
ausgegeben haben, worin sie sich der
crößten Wohltedenheit beflissen. So
hat der Zettel zu dem Stiicle »Die
egyptische Olympia« den ausdrückli
chen. fiir die damaligen Wienerinnen
sehr fchmeichelhaften Passns enthalten.
daß dieses Schauspiel »den-n öfter
reichischen Halbgöttinnen Und holdse
ligen Donau - Nymphen zu gnädigem
Wohlgefallen« gewidmet sei. Aus ande
ren Zetteln wieder wurde dem gesamm
ten Publikum der Kaiserstadt Weih
rauch gestreut und dieses unter ande
rem auch ,,verehrungswiirdig« genannt,
eine Bezeichnung, die es sieh bis heute
gefallen lassen muß.
Nun wollen in der englischen Thea
ter-Anzeige von 1665 so Manche die
Ahne des Theaterzettels überhaupt
erblicken, alleinsie ist es keineswegs
Denn schon in den fünfziger Jahren
des 17. Jahrhunderts gab es in Paris
Theaterzetteh welche Billets hießen, an
die Besucher statt der Eintrittstarten
verabsolgt und seit November 1659,
also genau hundert Jahre vor Schil
ler, auch zu beiden Seiten des Ein
ganges in das Schauspielhaus ange
"schlagen wurden, wo man sie Abends
sbeim Schein venetianischer Lampen
lesen konnte.
Der erste Zettel dieser Art hatte sol
genden Wortlaut:
»Saal du Petit Bourbon.
Mit Erlaubniß des Polizeilieutenants:
keute Dienstag, 18. November des
Ja res 1659 werden die Schauspieler
Monsieur-» des. einzigen Bruders des
Königs, wie gewöhnlich aufführe-:
Einna. Trauerspiel in fiin Alten
von M. J. Corneille.
Jtem ein neues Lustspiel in einem
Alt unter dem Titel:
,,Les Precieuses Ridicules«. Borgelegt
von M. de Moliere.
Logen mit zehn Plätzen 50 Livres.
Zweite Gallerie 1 Livre 10 Sols. Par
terre 15 Sols. Bühne (zu deren bei
den Seiten damals Zuschauer saßen)
einen halben Louisdor.«
Freilich hat auch dieser durch die
Namen Eorneille und Moliere litera
trrgeschichtlich merkwürdige Theater-:
zettel Vorgänger gehabt. Von dein
bewährten ungarischen Forscher im
Reiche der dramatischen Kunst Dr.
Bela Vali wurde nämlich vor einiger
Zeit inr Archiv der Stadt Bartseld ein
aus zwei Pergamentblätter geschriebe
ner Theatetzettel in lateinischerSprache
aus der ersten Hälfte des 15. Jahr:
hunderts gefunden, allein, da etwas
Aehnliches aus den folgenden zweihun
dertJahren nicht vorliegt, so mus-, wohl
angenommen werden, daß das Bart.
selder, übrigean nur von Dilettanten
aegebene Beispiel keineNachihnier sand,
und die Sitte. zu jeder Theatervorstel
lnng Zettel auszufertiaem erst um die
Mitte des l7. Jahrhunderts in Franks
reich entstanden ist.
Die englischen Kojnödianten waren
Jlso nur Nachahmer dieser Sitte, die
ren Deutschen so wohl gefiel, daß der
Theaterzettel bei ihnen schon 1670 all
gemein gebräuchlich pour.
Aeuszerlich hat derselbe durchaus
nichts Merkwürdigess an sich. Seinem
Inhalt nach weicht er jedoch sehr stark
von den heute üblichen Zettelii ab. Er
ist gewissermassen ein Vielredner, ein
JSchwadroueuy und einer von 1673
Jerriith uns sogar, das-; schon damals
szin Dichter das Schicksal der Maria
lStuart tragisch gesunden und fiir das
Deutsche «hergerichtet« hat. Fünfzehn
Jahre später kam Wallenstein an die
Hieiha Der betreffende Theiterzettel
;oon Anna 1688 lautet wie folgt: »Mit
;«Iorhgniidigcr Frechheit eines hochpreiss
;liehen, hochweisen, edlen und ehren
ersten Ratheg wird von denen sächsi
ischen hochteutschen Koniedianten heute
sporgestellet werden:
l Uine weitberusenez warsryasre uno
schautoiirdige Materie, genannt: »Der
Ierrcrthene Verräther oder der durch
Hochmuth gestüzte Wallensteiner, Her
zog von Friedland.« «
Darunter stehen, gewissermaßen als
Nrral der »Materie«, die Verse:
.,Er, den das Schicksal hoch erhoben,
Ward, gleich einein leichten Ball,
Ost bin, bald hergeschoben,
Bis ihn stürzt ein böser Fall.
Wem Hoheit nicht genüget
fund höher nur flieget,
Ills ihm ist erlaubt,
Stiirzt tiefer, als er glaubt.«
Damit jedoch jeder Theaterbesuctxer
ins seine Rechnung komme, kiindigte
:-er in Rede stebende Theater-Zettel
schließlich on: »Noch der Aktion soll ein
mrtrcssliches und lächerliches Schau-s
spiel den Beschluß matt-ein«
Wer diesen ,Wallenstein« iedichtet
slrat, und wo derselbe zuerst ausgeführt
iwurde, darüber giebt der betreffende
sTlseaterzettel leider ieine Kunde-. Dass
selbe gilt von seinem ,,Kollegen« von
!(is9, der »ein großes, sehr lehrreiches
Schauspiel: Das Leben und Tod (d-a-"3
Tr—d!!) des großen Erzzauberecs Dok
tors Johannes Faustus« ankündigt
lliberhaupt sind die Theaterzettel erst
um die Mitte des 18. Jahrhunderts
mit Orts- und Tages-Datum versehen
worden. Und so wissen wir denn, das;
es ein Braunschiveiyer Theaterdirettor
war, der dem ,,Publiro« aus einem Zet
tel das Regulatim »Die erste Reihe
liegt, die zweite hrckt, die dritte sitzt,
rie vierte steht«, gegeben List.
«...- 4.
UV llbllg lll Ukll Mensch Hynucui »k
vorigen Jahrhunderts recht kustig zu
gxenangen sein. Heißt es ja doch noch
us einein antiindigenden Zettel von
1799 wörtlich: »Es versteht sich von
selbst, daß heute die Kavaliere den
Damen die Sitze überlassen nnd teine
Lichter ausgelöscht werden.«
Das Lichterauslöschen war aber ein
Spaß, den sich nicht nur das Publi
tnm eines Freitl)eaters, sondern auch
die gebildete Herrentvelt gern nnd aus
Verabredung erlaubte. so daß es im
Theater plötzlich ganz finster wurde.
lijewöhnlichesljtenschen aber haben zwei
selikohne noch weit ärgeren Unfug ge
trieben, denn es existirt ein Theater-:
Zettel mit der Anzeige, »daß Jene
unbedingt arrestirt werden, welche sich
unterfangen, durch unanständiges Be
tragen, welches zuweilen schon inFrech:
heit ausartete, die Sittlichteit zu belei
die-»ein«
Uebrigens wurde der Theaterzettel
von Anno dazumal mit Vorliebe zu
»Anzeigen« aller Art benutzt. So zeigt
1781 eine Dante den Verlust ihrer
Schnupstabatsdose im Theater an und
sichert dem redlichen Finder eine ent
sprechende Belohnung zu. Und aus
einem anderen Zettel wird sogar bei
tannt gegeben, daß sich ans einer Loge
einSchooßhiindchen verlaufen habe und
bei der Theaterdirettion Jegen Beloh
nung abzugeben sei.
Der Theaterzettel zeigt aiso nicht
nur an, wag einst da oder dort «gege
—
f
ben« wurde. sondern er erzählt auch
von den Sitten, Branchen undGewohn
heiten unserer Ahnen und ist darum
von den Kulturhiftorilern längst unter
die Dolumente aufgenommen worden,
aus denen Kenntniß resp. Erlenniniß
vergangener Geschlechter geschöpft wer
den kann.
Aber auch einzelne Charaktere, ja
die Wandlung von Kunstansichten und
dergleichen beleuchtet der TheaterzetteL
Einer der markantesten Beweise hierfür
ist nachstehende »Theateranzeige«:
«Samstag, den 11.. Dezember 1887
wird zum Bortheile des Unterzeichne
ten zum ersten Male aufgeführt:
»Norma«. Oper in zwei Akten von
Bellini.
Der Unterzeichnete glaubt seine Ver
ehrung für das kunftliebende Publikum
dieser gStadt nicht besser bethätigen zu
können als eben durch die Wahl dieser
Oper zu seinem Benefiz, welches ihm
unächstp für seine Bemühungen um die
Förderung und zukünftige Ausbildung
jugendlicher musikalischer Talente der
hiesigen Bühne bewilligt worden ift.
,,.Norma« ist von allen Schöpfungen
Bellini’s diejenige, welche neben der
Ieichsten Melodietifülle die innerste
Gluth mit tiefer Wahrheit vereint,
und selbst die entschiedensten Gegner
neuitalienischer Musik haben dieser
Komposition die Gerechtigkeit wider
fahren lassen daß sie, zum Herzen
spre( end, ein inneres Streben zeige
und der modernen Flachheit nicht ähnl
dige Da nun für das Einsiudiren
und die Ausstattung dieses Wertes
alles geschehen, so darf ich es wohl
wagen, das theaterliebende Publikum
taehor amft einz :laden, und ich thue
ldies m der freudigen Hofo ing, daß
mein bisheriges eifrian Bestreben, auf
inteinem Platze möglichst meiner Pflicht
ru genügen, theilnehmende und nach
sichtige Anerkennung gefunden habe.
liiga, den 8. Dezember 1837. Richard
Wagner KapelltneisteU (
T Dreißig Jahre später hat Wagner
ganz anders gesprochen und obiien
.·Zettel zu allen Teufeln gewünscht, vor
iusgesetzt natürlich, daß er sich seineri
noch erinnerte. f
Es giebt TheaterzetteL welche zu-;
igleich Loofe für eine Pferde-: resp.;
Schweine-Lotterie waren, deren Zie-;
hung im Theater stattfand, und daßT
ein belgischer Thespislarrenlenier auf
die Jdee gekommen ift, seinem Publi
lum die moralische Natur der aufzu
sührenden Stücke durch verschiedenfar
fbige Zettel anzutündigen Ein rather
Zettel sagte, daß das Stück iescihrlicl),"
ein weißer, daß es moralisch, ein«
blauer, dasz es so halb nnd halb fei.
Gelde Zettel endlich kündixiten Stücke
der frivolen und laseiven Duma5’fchen
Schule an.
Es darf daher durchaus nicht Turn
der nehmen, daß ein Direktor auf dem
Theaterzettel sogar seine Kreditfähig
leit betheuert hat. Und zwar geschah
dies in folgender Weise:
»Jn der glücklichen Lage, einer gut
eingespielten, durchweg aus erstenKräf
ten bestehenden Gesellschaft vorzustel)en,
lcnn ich ein gediegenes Ensemblc prog
nostiziren und empfehle mein Unterneh-»
nien Ihrem Wohlwollen. s
Zugleich erlaube ich mir, zu deiner-;
len, daß weder ich noch eines meiner-;
Mitglieder irgend welchen Kredit kran
spruchen, sondern bereit sind, in jeder
Weise sofort oder pränumerando Zah
lung zu leisten.
S. Redlich, Theater-Direktor.
N. B. —- Zwölf einfach, aber anstän
dig möblirte Wohnungen suche fiir die
Mitglieder meiner Gesellschaft, unv»
werden dies-bezügliche Anineldungen iIJ
der Expedition des Blattes sowie im
Theaterlolal entgegengenommen.
» O. Q«
s Eigenartiger ist der Theater - Zettel!
wohl niemals ausgenutzt worden. Oders
doch? U. A. w. g.
W—
Die Hühner-sie
VonKoloinan Milszath.
l
l
i
Nichts war komischer an dein grossen
Volks-feste, als der Anblick Use-Schlacht
nchsen, deni die wackeren Veteranen stol
zen Schrittes-, init gezücktein Säbel das
Geleite gaben, wie einem General.
Zu beiden Seiten des Bitterkeiten
lorps lies die gesaninite Dorfjugend
her, nicht wissend, wen sie mehr bewun
dern sollte: die Vetercmen oder den
Ochsen, der bestimmt war, in seiner
ganzen Größe am Spiesze gebraten zu
werden.
Aber die Kinder lonnten nur bis
zuni Cordon gelangen; dort mußte Jes
dermanii vierzig Kreuzer zahlen ——- nur
Lie Veteranen und der Ochse nicht.
Da entstand denn ein großes Ge
murre unter deni Volke. So mancher
Blick haftete voll Sehnsucht auf dem
abgesperrten Zaubergarten; denn als
solcher erschien der kindlichen Phanta
sie die grüne Au mit den schnitikzen
Bäumen, zwischen deren seiest-n biet
und dort ein buntes Zelt, eine Brett-Ir
bude durchschimmerten. Jn manchem
Kraustöpschen mag der wedanie bek
iiinrnmort haben: »Hniidert Gulden
gäb’ ich siir vierzig tlxcuzeij«
Und wie sie sich da drängten nnd be
rathschlagteii, ob das unzureiebeiide
Stamm - Kapital niasi eroa dum)
Veräußerung des zeumnepsers oder
einiger Westenlnbpse zu crasiozen nieste
—- sam eben ein »Wer-: Blitzes-Hier
mit seinen beiden Kind-ern ins- Wege-:
daher, während oer ngee die Vitlete
löste, niengten sich die zwe: Licrreiitiik
der unter die Bauernjngents -- Minis
liche Sympathie fiir Altersgenosseni
»He, Pisto- Biri!« so ries der Stabs
offizter; »was treibt ist's Was habt
—
Ist gort bei den Bauernkinderii zu su
en "
»Wir sehen ihnen zu,« erwiderte dif
kleine Biri traurig; »die Arme-« können
nicht hinein.«
»Warum denn nichi?" frag derVns
ter—vielleicht nur, um etwas zu sagen.
»Weil sie keinen Papa haben« —- war
die naive Antwort Biris.
» »Wie Du dumm bist, liebe Viri«.
xbelehrte Pistaz sie ,,können nrcht hinein,
’weil sie kein Geld haben.«
I »Nun, so nehmen wir zwei mit,«
proponierte der Vater, und schalt die
acht Zehnerln, die er zurücke-Falles
ihatte, dem Kassirer fiir zwei Einiriits
karten hin. «
; Jedem seiner Kinder reichte er eine
Karte; »Vertheilt sie nach Belieben.«
» Die kleine Biri näherte sich zaghask
einem bildhiibschen Mädchen in blauem
Kleide, steckte in dessen Kragenfalten
das rathe Billet und «lief hocherröthend
zu ihrem Vater zurück.
,E,i, ei«, sprach dieser ,,ihr s
euch immer nur die Hübschesten au .
Was würde aus den Haßlichen werden
wenn die Vorsehung auch so vor inge.
Du, mein Pista, geh’ jetzt hin, sus aus
dem ganzen Rudel die Häßlicheste her
aus und besehenke diese.«
Diese Worte wurden laut und ver
nehmlich ausgesprochen: Ein leises Ge
murmel lies durch die Reihen der Kin
der; sie beguckten sich gegenseitig: wel
che wohil die Häßlichsste sei.
Der kleine Pista trat keck mitten zwi
schen sie, die Kinder zoan sich scheu zu
rück und folgten doch jeder seiner Be
wegungen mit aespannter Aufmerksam
keit. --— Endlich hatte er sie gesundens
dort stand sie, ganz hinten; das Ge
sichtchen schien zusammengequetschk
unr war überdies blatternarbig; die
kleinen sterbenden Auan irrten unstet
Umher; die niedere Stirn hatte schon
Falten auszuweisem nicht ein sympa
thisch-er Zug verschönte dieses Antlik
Pista reichte ihr das Billet hin;
»Die-Z gehört Dir-, damit kannst Du
auf den Festpla .«
»Die »Häßlichste, die Häßlichstes«
erscholl es von allen Seiten. »Warte
Latatos ist die Häßlichste! Es lebe
Marie Lakatogt Es lebe die Häßlich
stet« Und nicht enden wollende Heiter
keit bemächtigt sich des jungenVolkes.-—
Die kleine Marie freute sich indes
derart ihres Geschenkes, daß einSchiW
mer von Schönheit ihr Gesichtchen ver-.
klärte. Was lag daran, daß sie die·
Häßlichste war; wenn sie nur dem Zau
Pcrfeste aus nächster Nähe anwohnen
onnte.
Jch war zufällig Zeuge dieer Aus
trittes und nahm mir vor, den Er-·
lebniffen des Haßlichen zu folgen, dii
es mir voraussichtlich versagt bleiben
würde, die Wege der Schönsten zu
kreuzen.
Die kleine Marie »ing aber ni i
gleich nach dein Festplatze, wie ich ek
wartet hatte, sondern ,,nach Hause, es
der Mutter zu erzählen«
Jch folgte ihr von Weitem; aber
schon nach wenigen Schritten sollte sie
ihr Schicksal ereilen.
Ein kraustöpfiger Knabe kam itzt
heulend entgegen —-— in der Hand e
nen abgebrochenen Henkel, dessen Fort
setzung ein Milchtopf gewesen zu fein
schien.
»Was fehlt Dir denn schon wieders«
fragte sie sanft.
»Ich habe den Topf zerbrochen —
und er war voll Milch« — und eine
neue Strophe von Lamentationen gin
los; »die Meisterin schlägt mich gewt
todt —- gewiß!«
»Ariner Gynszi!« — Aber —- wie
wäre es, wenn ich Dir helfen kiinne
te?« — —
,,Wie solltest Du helfen tönnen,« er
widerte er traurig.
»WeißtDu, ich habe ein Billet; wenn
ich das verkaufen könnte —- — Erwar
te mich hier; —- die Herren werden es
mir gewiß abnehmen.« »
Jch trat dazwischen: »Ich kaufe es
Dir ab.«
»Wirtlich?« starrte sie mich an;,,was
geben Sie dafür?«
»Einen Gulden.«
»Du mein giitiger Heiland! Das
ist ja sehr viel Geld. Aber —- ——— —i
es iein falscher Gulden?«
»Sei unbesorgt, mein Kind, da s—«
ich zahle es Dir in lauter Zehnerån.«
Außer sich vor Freude, nahm sie
Gnnszis Arm, nnd nun liefen «ie in
fieberhafter Eile, ihre Einkäufe zu ina
chen, bestehend in einem neuenTopf und
frischer Milch.
»Siehst Du, mein Gnnsza,’« ern-h
sie dann mit wiirdevoller lieb-zweien
heit, ,,eS schickt sich nicht, das-Du wir
immer nachrufsi, daß ich haßiicki fei
wie Du es noch gestern gethan kistz
Wir wären nicht zu dein Gelde ge
kommen, und die Meisterin würde Dich
gewiß fest durchbliiiien, wenn ich schö
ner wäre.«
Ema Uuntö.utmt·eit.
H Mamaz Nun aieb Dir re
Eviel Mühe, mein Liebli11q, Dann wir
Du auch lsblker hinaus kommen —— I
habe in der Schule stets den ersten
Klassenrlcxtz qel)abt!«
Eli-schen machdenklich das- Köpfchen
Isdgjittelndy ,,«Merk1onroiq! Allqu
Inag haben den ersten Platz qehath«
Der Pantossewctd auf dem Radi
Er: »Ja unser’m Brc.u:stand war-D
noch schön ——-« da hatte Jedes sein ei e
nes Rade Seit kvsir aber verheirat
sind. bat meine Frau ein Tandem qu
gkschafst nnd da aelZPH an jedem Gast
buug wie neun Teufel voriibet!«
Ein voötmster Gast.
Wirth: »Sie, wenn Sie meine-kah
noclsmal in den Schwanz weisen, wem
ein Herr Hafenbraten bestellt, Um
sollen Sie ’mal scheut«