Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, February 25, 1898, Sonntags-Blatt., Image 9

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    Sonntags-Das
Beilage deS ,,21nzeiger und Herold«.
«- -i:—s-s««sp«- Hkkkiwkks -
wund Juni-as Verbr, dEiI «2«.«)- Februar »Mit-As
EIWY ZHJJavkgünxs läss« .
röeitskrafti
man von Zrkiin von Spott-jen. «
CIotttesuuaJ s
nthatd verneigte sich kaum meet
: eben so kurz erwiderte Urbanski
sen Gruß, woraus er diesen aus dem
steren Vor aal in sein vom fahlen
chte der Wintersonne belenchtetegArs
tszinuner zu treten nöthiate. Fried
stutztr. Sonderbar Hatte er je
n Mann mit den eigeuthijnilich wei
n, fast noch lindlichenLinien des völ
bartlosen Gesichte-z und dem sein«
sie-schätzten Munde sclzion einmal
ehen - Oder ivar es nur eine flij.:l;i:
ge Aehnlichkeit, die ilnn seine Ziiae
lannt erscheinen lief-J »So tviist und
igastlich der Zuschnitt seines Hauses
merlfin auch sein mochte, äußerlich
rieth llri.rangli den mit peinlicher
nauiakeit und Lileaanz aetleideten
Valier, welcher mit der Zikverireit
vornehmen LUtanneg jede klipael
ltaeioandter Formen einzuhalten ae
ljknt war. Nur in seinem beinahe .
iinlichen Schweian laa etwa-J wis- .
.«oi3. nnd Unnabbarteit, so daii Went
rd sichtlich betroffen ebenfalls ein nie
unsicher und befangen in werden
en.
»Mein Name wird Ihnen, Herr non
bangti. wohl iiber die Motive diese-Z
such-es genii end «·!lus«tlärnna aeden,«
te er endli schroff nnd derb, wobei
-..-niit leichtem Kcspffaijtteln den ilnn
leboteiien Sitzplatz dankend ad
nte. »Das-bald werde id: auch ohne
schweife auf das Ziel loszuftenern
rsuchen.«
«Biite set-r reden Eie jetrIItP
sksetzte der Anaercdete kalt, indes; m
nvertfolilenem Spott, ohne eine dircrte
twort zu aeben, tuas Wenthard im
,en Grade zu reixen schien.
»Jet- din gekommen, um Tenjeniaen
r das Andenken nnd die tfslne meines
ateris zu beschimpfen gewagt hat, zur
echenschaft zu ,;iel)en!« stief; r in nicht
ebr zu bederrschender ttrreauna her l
- Wollen Sie liefiilligit iiberleneii,
S Eie mit solcher Vesinrldiquna
Ssnrectrem Herr rsun Welitliard!«
nn eö sel;«iieideiid ;liliick.
r Xilnnere fest und unersctxrdcten irr
,-eue mich nnd- leineglrenss einiiiqeile
n, das; die life-nichte, nielxkte ji«-er
eine Mutter in Uinlisini rielelzzt wer
cir bin I - selbst nie ein LsItrsrkiliIreT-i
r nnd, wag die Selbach-In Ulndrrer
er Leim Vlllniiirtxsligein hier, wo der
Uhu aufstehen soll. uiii den Fehler
r Mutter niit der einein-n lflre abiu
cschen und in kühnen, hier isr jedes
eiclxere Gefühl in meiner Brust in Eis
starrt. Jii 1.«nbarmher·iiaer Etrenae
ilanae id, Klarheit kiiidtliectteiischail!«
Voll und innrtiq hallte WentltnrdH
liinnse rou den lnhlen Wänden nie
r.
»lliectrensct;.1fls? Dai- iic ein bedeut
nies Wort, junger «.Utann,« entwa
te Urbangli mit seinem weich-ein nie
s iichen Organ, indeni er düsterenBli
g die vor ihm itelienoe schöne Män
rqestali uinsalee. ,,.itöunen Sie da
n ein-ne ändern, wenn icli Julien
otzdein ohne Scheu enthülle, dafi Ihre
ulter mir nahe - sehr nalxe steht f«
Dur-ils diese beinahe harmlose Ofsen
ii iirerrasrl;l, nutzle Wenlhxiru und
ei schmerzlich:
»Herr Von Urban-Ili, lassen Sie mich
,iu Ihnen reden ali- Mann inni
nne, ohne Bitterteil lind Haji! sich
» ja auch durchaus nicht eindringen
Verhältnisse die Zinnen und niir
·nlick,s sind, will niii leiuein Worte
-
spe Frau Weiithard leimen Weiß
selbst doch nur zu qui, welchen be
idenden Zniiiser gerade diese Frau
i Alle augiuiiben oerstehi. Weshalb
s sollte siji meine Mutter, wrileich
» is tein Jahr nach der- litntten Tode
- ähleiiZ Der Macht des Oeriens
T sich nicht gebieten! Allein ein Ver
zwischen Ihnen und ihr, wodurch
ungliiellichen Weihe-z Ruf zu
geht, darf nicht fortbestehen
sind tfdelinanm Herr von llr..
« ti —— Cnvalier, lösen Sie mir,
: Sohne das düstere Rälhseh
s hier als-waltet Warum tcimen
« « ther, um das Glück und den
n unserer Familie inil dänioni
-J "Getvalt zu zeniören?«
Die Arme untergeschlagen, hatte der
» herr diesem leidenschaftlichen Er
· genascht Wieder spielte das- halb
tische, halb niitleidige Lächeln uin
en sartastischen Mund, als er in
lbeu unerschiitterlichen Ruh: ent
te:
lossen ist, nicht zuin zweiten Male -
»Gewiß, ich lveifi mer-aus« erwiderte
i fein schönes «.’lilge«hlil-,te, »und ile »’
n find, niieli im innerlien Mrnnde der I
elc verlelzt lind bescldaint laden :
nach fragen, seil roann und muss-er «
we wetiennnth qeliott nicht mit
sz darf nnd werde nicht ins-e
- Jetzt noch nich!.«
; denn! Auf diese Antwort inne
- - riet, Hen!« cief Friedrich
u flatnmendeni Zorns und
— zu seiner vollen Höhe ein
- vtrillen Sie erkennen, onß
« l kann l)in,dek den gerinx
cken an seinem Namen duldet!«
habe nie daran neiiveifeln Herr
iekhnrdl·' tönte es höhnisch in «
« erklin Betst-unn« Des IIIer ,
n« brachte Ren , nfsitiiks.s:«l)sken I
nin alle !leL-ctlenuns;.
tückische Schleicher und ge
· Heuchler Wiele nnm Iibcr
« in,wie einen räiidigeiiHiiiioI«
»auße! sich. »Ich ver . » «
iunaer isjleinnl An Inn-pe
Kxiiilen scheinen Sie mir El
lerdings reichlich überlegen; allein ich
furchte dieses physische Uebergewicht
durchaus nicht, da ich eine Waser in der
Hand halte, Sie moralisch zu einiithi
gen und von dem hohen Pferde Ihrer
Selbstüberhebuug herabzuzwingen,«
unterbrach ihn Herr von Urbansty ci
sig lalt.
,,Mich? Pahl Leere Drohungen
frtzchten nicht!«
»So —-— meinen Sie? Bitte. lesen
Sie dann gefälligst diesen soeben erhal
tenen Brief!« Urbansli nahm ein offe
nes Schreiben vom Tische und reichte
es feinem Gegner hin.
Frau Christus große, feste Schrift
Oiige enthüllten sieh des Sohnes ers
schreckt-m halb umftheu Blicken
»Theurer Ladislausl
Alles ist aus und verrathen; genau,
nie ich es Dir vorausgefagt habet
gred f reit wie ein Wütherich nach
achel lllmächtiger Gott, mir graut
vor dem Ende! Erbarme Dich und ver
rathe um seineiwillen —-- nur um sei
netwillen - unser Geheimniß nicht!
Christo-«
Mehrere Secunden verharrte Weni
lsard wie betäubt; dann raffte er sich
auf und sagte tonlos:
,.Erlauben Sie, Herr von Urbansti,
daß ich Jhnen noch heute meinen Se
kundanten schicke, der das Weitere iusJ
Wert setzen lann?«
»Heute? -—— Nein, Herr von Weni
hcrdt Für die nächsten acht Tage ver
mag ich Ihnen nicht zu Diensten zu
stehen, da ich mich elend fühle und das
Zimmer nicht verlassen darf· Dann -
uiii en Sie Ihren Secundanten ae
triii senden!« gab der Anat-redete spöf
tisch zur tsnvideruna
Mit turzem Gruße verneigte sitt; de:
Naft und verließ das Hang-.
Vor dem einzigen größeren tdotel
trg Städtcixns hielt fein Wagen noch
angespannt. Wintbard befahl dem
Kutscher, Die Zügel zu nehmen, und
stieg. den Biberlraaen seines Palctotij
in die Höhe schlagend auf Den hinteren
Ci
Ein Gefühl von «3:t«.tafft)eit unn
kumvfer Apathie hatte sich seiner de
nsiirtttigt ein Gefühl der tUtcschtlosia
teit gegen Setzirtfalzwaltenk Wie ein
elende-Z Sinktenhaugs sah er plötzlich
Hoffnungen Akünsche und Pläne zu
fatnmenftiirzen!
Pach, wag auch lag ihm jetzt daran
ob die Kugel jenecs Mannes ihn zu Br
den streckte-« Was lag ihm überhaupt
nich am Leben?
Noch schien es nicht Mitt.tg53eit,aber
in größeren und kleineren Truppis zo(
gen Arbeiter zu beidenSeiten des Wa
gens die Chanssee entlang.
Wenthard war viel zu sehr mit tei
txen eigenen Gedanken beschäftigt, als
daß dieser Umstand ihm alk- befrem
dend ausgefallen wär-. lkr bemerkte
nicht einmal, daß es Leute aus seiner
eigenen Fabrik waren, die ex- nicht ein
ntal der Mühe wertb hielten, ren Hut
tor ihm zu ziehen.
Ali- der Stutfrtker soeer die tleine
Seitenallee nam der Van einiutsiegkn
im Begriff stand, rief er ihm in bar
scheut Tone zu:
»Rechte-, herum nucn Turnaa !«
»Hu Befehl, gnädiger Herri«
Als das leichte Wägelchen, mit der
munteren Fiichsen bespannt, im scharf
sten Tempo gerade um die Biegttxtt
rellte, sprangen vier Männer, die oh
txungslog dahergcschriiten tamen, Je
schreckt über den Chansseegraben. Nicht
viel hätte gefehlt. so äre der Eine mit
den Rädern in Berührung geto:tnucu.
««Userde- und Leuteschinder s - Dut«
rief der darob Erboste dein bereits au
ßer Hörweite befindlicksen Gefährt
nach.
»Na, laß man gut sind. August!
Der kann bald setnen »Jig« und
«Jroom« einsanern und stolz zu Fuße
lcofen wie Uniereiner. Steht Matthai
am letzten bei ihm. Der Willmann
ttsschette vor-gestern zum Rentmeisters -
ich tarn jrade die Kanzleitreppe rauf
und verkroch mich hinter dein iseiler
- daß arn Z. Januar ein Wech· el von
tFiODW Mart zu bezahlen seit«
»Prosit Mahlzeit — wo hernehmen
tin nich itehlen!« spottete ein stlnderer
nnd lachte roh.
»Ja, das schöne Geld. Der alte Corn
u: erzienrath hat s miihsani zusammen
ailratzt, und der Sohn verpraßt g. So
act-i s oft im Leden,« meinte ein grau
trauriger Mann bedächtig. und klopfte
die Tabakspfeife aus »Fragt nur deu
Technen der weis-, noch, wies damals
war. Arbeit gab’5 natürlich ebenfalls,
dafür aber aiiien Lohn, daß erer am
Sonntag seinen Ettnveinebtaten in der
’l fanne hatte. setzt bei dieser Siin
dentheuerung setzts niin nen rothen
Keller mehr und dazu die lanae Llr
iseitezeii. Der Teufel hol’ die gimzs
-.-cr,-rnderei, ich get)' n«1i«h-Berlin!'
»Da-«- wissen wir in Alles länqsi
Ichnapgsritze. zerreiße Dir doch nian
Dein Maul! Heute verlanget wir
Lolmerliöhung nnd tiirzere Arbeitszeit!
Hintan, heute wird gestreift und dem
lxschmüthigen Natter« der Einen immer
nur iiber die Achsel ansieht, mal die
Pistole an die Halstrause gesetzt Jetzt
i: gerade der rechte Termin. Der wird
i
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spucken, hahaha!« schrie der Zweite und
wars sich in die Brust.
Unter rohem Lachen und derben
Scherzen trollte sich die Gesellschaft der
Wenthard’schen Fabrik zu.
Lorle stand am Fenster und sah niit
Verwunderung die sich im Packhose
mehr und mehr zusammenrottende Ar
heiter : Versammlung Was war denn
eigentlich log?
In jugendlicher Neugierde öffnete sie
den einen Flügel und lehnte sich hin-:
ausz. Lauteg Stimmengebrause und
vereinzelte Rufe drangen zu ihr hin.
Wo nur Fred blieb? Sie hatte denGaL
ten am Morgen fortfahren sehen, aber
da sie seit jenem unseligen Asdende in
steifer Gleichkßiltigskeit an einander vor
übergingen, o blieb jedes Eingehen in
die gegenseitigen Interessen selbstver
siändlich ausgesch ossen.
Or- sie damals in der ersten Emph
rzcng ihres tiefoerletzten Herzens viel
leicht doch nicht zu schroff «egen den
Gatten qeweseni Hatte sie a es Anrecht
an seine Achtung und sein Vertrauen
verscherzt?
Es gab Stunden, wo die junge Frau
unter der Wucht ihres heimlichen Kum
mers zusammenbrach
kliiemandem durfte sie ihr Leid kla
aen. Keiner war da, ihr zu rathen und
sie zu trösten!
Nachdem Dr. Holthauö eine lieder
fiihruna der erkrankten Schwester nach
Alt-Seine gestattet, hatten die Ihrigen
schon nach zwei Tagen die Villa wieder
verlassen. Obwohl kltia next-, erschre
etend bleich nnd elend aussah, schien sie
ihren Zustand durchaus leicht zu neh
men. Allein der Eltern tummervolle
Miene bezeigte leider nur zu sehr, das:
des- Arztes Diaanose wohl eine ernste
Bedeutung zu Grunde lag. Lorle war
indes; viel zu riiclsitlttgooll und discret,
um diese traurine Sacke näher iu he
fragen. «
Jetzt, nachdem der Vesch ihrtzedeirohl
gesagt, fiihlte sie die aren,;eiilose Ver
einsamung um so mehr. Allein nl
lein mit tausend auälenden ltieoanten
Art» es gab ja so viele Dinge, iicer die
ske so aern Aufklärung erhalten. Wie
wurde sieh nur die sttinierzliche Ange
legenheit mit Fredg iljtutter entwickeln.
Hin ihrem edlen, dabei aber noch tinds
lich reinen Sinne nahm Lorle entschie
den iiir die ungliicklicte Frau Partei
und wies die Idee an ein beaanaenes
. llnrerhi felzrosf zurüc.
Und dennoch sprach man in Stadt
und Umgebung ganz dfsentliih dass
Fred jenen aeheirnniszoollen Lluesliinder
zu fordern heniithigt und ein Duell
zwischen den beiden Männern under
neeidlich wäre·
Welch furchtbarer l))edante! Wie ah
aemagert und lileiih Fred in jünaster
Zeit aussah. Was mußte er unter all
diesen sil)nier«1!ict)en Dingen leidenf
Und wag ftiirmte sonst nach Alles
auf ihn ein! Sorte war viel iu klsia
und scharfsiichtia um uieht liingst einen
tlaren Einblick in des Gatten final-.
liiclle Verhältnisse gethan in haben
Nur weuiae Neuerungen des alten
; Directors Wiltnianu hatten geiitigt,ihr
·- ,-«u verrathen, daß etwas llnlseildrolieri
; des in der Luft schweben
Auch hier siihlte sie wieder itixe
: Schwäche und UJtaehtlosiateiL Was
fragte Fied nach ihrs Was laa iinu
daran, Sorgen und Bedriinaniiie äu
das Herz derjenigen auszuschiittendie
sich in so schroffe-r Weise von ihm los
gesagt?
,,Guädige Fr.1u! L, mein wori,
gixadige Frau!" tönte plötzlich eine
aiigstlrcl:: Stimme hinter ihr.
Die Gerufene schief-, dass Fenstrr
iin wandte sich um.
Blassen, verstdrien Antlitzeg itauo
Willrnann aus der Schwelle
»Ach, gnädigste Frau, vergehen Sie
mein unhefugtes Eindrinaew Ader
ich wollte untetthiinigst fragen, oh Sie
vielleicht eine Ahnung haben, wo Herr
von Wenthard sich befindet. Falls »Sie
darüber orientirt sind, würden wir so
strt einen reitendeu Boten nach ihm
schicken. Unter den Fadritaroeitern ist
nämlich ein Ausstand ausgebrochen
Sie verlangen dringendLotsnerhöhung
und kürzere Arbeitszeit, drohen mit
Streit, Excessen und mehr dergleichen.
Bereits heute mußte der Betrieb einge i
stellt werden. Ich that schon mein ;
Möglichstes, den verhlendeten Leuten ’
ins Gewissen zu reden. Allein Alle-J4
ist umsonst. Sie heulen, johlen unoi
schreien dermaßen, daß ich mich genö- !
thigt sehe, nach Biirselde zur Polizei (
« Zu schicken«
i Der alte Herr sprach in fiebektmitIr
z Ertegung und fuhr sich dabei öfters
durch tem botttenamg m die Höhe tte
tendeg Haar.
! »Ich weiß nict tsz von meinem Man
tu, da ich ihn heute Mnrkken noch nicht
Hsesetfen habe. Viestrikyt ist er bei set
net Mutter-. er tnnn aber ebenso gut
hinüber nach Alt-»Steine gesunken
fiin,« versetzte die junge Frau zwar
eitiiyetmaften beste-Met, doch völlig
ruhig.
Nach diesen Worten näherte fis sich
dctn alten Gefchäftkfiihter ihre-« Gut
ten und fragte leise:
»Bitte. sogen Sie mir qanz ofer
und ehrlich, lieber Willmanu, ob Sie
glauben, daß die Arbeiter im Recht
oder im Unrecht sind?«
« Der Anaeredete stutzte überrascht,
während ein Ausdruck von Verlegen
kzleit und Unschliissigteit iiber seineZiige
Vg
Man löunte allerdings einige Kon
zessionen mal-ben, gnädige Frau! Aber
das darf ich nicht eigenmächtig thun
ders- Herrn von Wenlhard nicht vor
; greifen, der in solchen Dingen keinen
T Spaß versteht. Jn Geldangelegenhei
ten behält er sich stets die desinitive
Entscheidung vor. Es ist auch jetzt
übelgelviihlte Zeit, sich zu noch größes
ren Opfern zu verpflichten, wo be
reits . . . ler stockte besangen).
,,Sprechen Sie nur rückhaltlos-,
Herr Willmann. Jch ahne längst, dasz
es um Freds Finanzen schlecht --— daß
er vielleicht am Banlerott steht,« sicl
ihm Lorle mit schmerzhaft zuckenden
Lippen ing Wort.
»Nein -— o nein, gnädigste Frau!
Gebrauchen Sie um Himmels willen
nicht solch' harte-Z Wort. Nur eine
argenblietliche Kalamität, die sich ar
rangiren lassen wird, -- wenn
I neun eine größere Summe zu beschaf
j sen wäre. an allerletzter Zeit sind nur
t
gar zu große Ansprüche an die Rasse
i gestellt worden. Wüßte ich vorerst nur
- ein Mittel, die wilde Horde da dran
I szen zu beschwichtigen Sobald ich mich
i jedoch blicken lasse, brüllen die Kerls-«
mich an und verlangen Geld!« stam
I nulte ver alte Herr in einem Tone, der
z allerdings keine ailzuitarte Probe sei
j ter persönlichen Illiuthes rierrieth
» Eine Weile verharrte die jungeFrau
» ohne Erwidcrung und starrte triibe
j sinnend vor sich hin. Plötzlich richtete
» sie sich aus und sagte fest:
»Ich werde mit Ihnen hinab zum
« Packhofe gehen, Willtnann, und im
Namen meine-J abwesend-In Gatten den
« Versuch wagen, die alligereaten Leuse
zu beset:.;vici)tigen!«
- »Sie - guxidige Fraust Unmög
J lich! Gerade die Abwesenheit Ihre-H
Herrn Gemahl-J verpflichtet mich dazu,
Sie zu set:iit3eri!« ries der alte Mann
E fast entsetzt und stellte sich mit ausge
breiteten Armen vor die Thiire hin.
»Die Rishheit und Zügellosigleit sol
cher Bad-de gleicht der wild. entfesselte-u
Meute. Man wiirde Sie insultireu
schmähen! -.-ie Verantwortung wäre
311 gwß!«
( »Einerlei! Jch furchte mich nich-U
Willmann Seien Sie nur unbesorgt
Ein gute-Z Wort am rechten Ort ver
l mag ost viel,« entgegnete die junge
s Frau schlicht, allein in aufsallender
; Entschiedenheit und schellte ihrer-Stank
t is ersrau.
»Meine-I Petz,« befahl iie der Ein
tutenden kurz. Der- Direttors Augen
hingen in stummer Verminderung an
dem bleichen, liebreizenden Gesicht
Wenige Minuten später verließen
Beide das Hirn-I.
Von der Villa bir- zur Kanzlei hin
iiber siihrte ein durch Lattenversrhliige I
gegen Regenwetter geschiitzter, im
Sommer mit wildem Wein bewachse- -
ner langer Gang, welcher nur von
Wenthardlund seinen Beamten benutzt :
userdeu durfte.
Diesen Weg geleilete jetzt der alte
Herr die (.««ientahtin seines These, so
daß sie, ohne von der im Partbose ver
santtnelten Menge bemertt zu werden,
die Fabrit betreten konnten.
Heute lag Todtenstille iiber den fouit
non rastlos-en Händen in Betrieb ge
setzt-en Maschinenwerten der weiten
Säle; nur brausendeg Stiunuenge
wirr drang zu den geschlossenen Fen
stern herein. Flüchtigen Fußes durch
maßen Lorle und ihr Begleiter die l-:e
ren Räume.
»Ich-bitte dringend darum, mich
voran schreiten zu lassen, gnädigl
F1au,« bat Willmanu athemloz und
hielt den Brüder der Piorw welche
rech außen führte, bereite tmmpshast
in der Hand.
»Wozu? Es sähe ja sonst am Ende
so nur-, aer ob Sie Angst bekommen
und micr, zu vIhrem Beistande herbei
geholt hätten. Nein, bleiben Sie ge
trrst hier drinnen ich gehe allein
hinaus,« erwiderte tiorle, indem ein
siijchtige5, aber tuiideH Lächeln um ihre
Lippen flog.
Daraus online ne venerzr Die Luni
nnd trat ing- Freie.
Das laute Rufen, Schreien nnd
Di:rebeinimdersprechen verstummte wie
mit einem Schlage, als- die liebliche,
schlanke Franengestalt, den Petzmnn
tel mir lässig nm die Schultern ge
schlungen, nnbedcckten Hauptes ans Der
obcrsten Stufe der zur Fabrik hin-ins
jiilxrenden Treppe erschien.
Betroffen wichen die zunächst stehe-:
den Männer ein wenig znriick, die wer
tcr hinten Besindlichen inachten«laiigc
Hälse, nm die seltsame Erscheinung
besser in’—Z kluge fassen zu tönncn.
Daraus ging ein Tasche-im Fiichrkn
nnd Stoßen durch die dichten Reinen
»Wir wollen mit keinen Weib-sten
ten zu thun haden!« rief piritzlich ein
liginnlanger tterl, welcher anscheinend
der Wortfütiret liier zn sein schien, nnd
tigt in tiernngforberndcr Haltung vor
iie Stiege hin. Mit chnischer Drei
stigteit musterte er das durch- Aufre
gung marmorbleich gewordene, allein f
völlig ruhige Frauengesicht.
»Ich bin nur deshalb gekommen, um
Euch Allen mitzutheilsen, daß mein
Mann abwesend und daher außer
Stande ist, Euren Wünschen Gehör Zu ·
schenken!« sagte die junge Frau in be- l
wundernxåwiirdiger Fassung, wobei sie
dic großen, klaren, blauen Augen, ohne
jegliche Furcht u verrathen, iiber die
Menge hinweg zicihweifen ließ.
Erneutes Stoßen nnd Drangen
macht-e sich- bemerkbar; dabei prägjen
sich Spannung und Neugierde, jedochi
auch Ueberlegensheit und Trotz in allen I
Gesichtern aus. (
Ossenbar wußten die Leute nichth
wac- sie hiervon halten sollten. Wollte
nsan sie zum Narren haben oder aar
einschiichtern durch ein geschickt in
Szene gesetztes KomödiensvielZ Ha
haha —- ein paar unreife Burschen mit
frechen Zügen brachen in schallend-ed
Gelächter aus. .
»Still da, Bengelgt So laßt die
Madame nur reden! Die sieht mir
grad so aus, als wiißtc sie, tvo »Vat
tels den Most holt«!« rief der lange
stiidelssiihrer init erhobene-m Arme.
»Nei, man losgeschossen!« erwiderte
der Chorus· .
In silberheller Klarheit tönte jetzt
Loiklss Stimme über den geräumigen ?
Ho : ?
»Ich möchte Vor Allem wissen, was z
Jhr durch diesen Austritt eigentlich be: ?
zwickt? Ihr seid Männer und von;
Euch alg solche verlange ich eine «
primpte, offene Antwort!" I
»Wir wollen den Herrn zwingen, «
uns so zu bezahlen, irie andere Arbei-- T
ter in großen Städte-n gestellt sind. ;
Fiir solch’ ein Lumpengeld riihrt trei- E
ner von uns mehr einen Finng an,«
entgegnete der lange Mensch- und stel te ;
sieh, die Arme nntergesel:.lagen, ver oEe
Dame hin.
«Ztvingen? Das ist ein böses-z un
clxrisitiches Wort, Ihr Leute, und in «
mohlmeinendstkr Absicht möchte ich
Euch klar machen, dasz Jler daniitEnce
Zwecke wohl schwerlich erreichen wer
det!« rief laut gering, um auch von den
Entferntesten verstanden zu werden,
die junge Frau. »Ich bin sicher, das;
Ihr durch irgend welche falsche Var
spiegelnngen verblendet und irregelei
tet von einem traurige-n Wahne beies
sen seid, der Euch ing Verderben rei
sjen wird. Geht doch hin in die gro
ßen Städte und deriuchet Euer Gliich
Wie viel Schlechtigleit, Elend, Jan-.
user und Hunger giebt e—:« dort, aber
das, wag Jhr suchet: Arbeit ist rar!
Mancher Faniilienvater möchte fiir die
hungernden nnd frierenden Kinder
gar gern das liebe Brot verdienen, doch «
wo Millionen vergeblich nach Erwerb z
und Beschäftigung trachten, weist man
Tausend-e achselzuctend zuriiet!«
»Wollt Ihr Eiter behaglicheö, trau »
text Heini, die sorgenlose Existenz mit
einer unsicheren Zukunft vertauschen! z
Oder meint Ihr etwa in Eurem star
ren Trotze, das-, der Herr und die Fa i
brit zi! Grunde gehen werden ohne i
Ernhk Da irrt Jhr sehr! Aber jii
nöchte Einh so aern überein-gen, das: i
r- tineii Worten eine gute Absicht un »
teiliegt, das; dag- Wohl Eurer Fanii
lieu auch mir nahe geht,« fuhr die
singe Frau mit iveitschallender Siiiii (
me fort. »Gut, Jhr vertangt Lohners »
höhung. Genus-, die Lebensmittel sino J
theurer geworden, als-. Hausfrau weiß
ich das-: genau. Doti: Ihr fangt die
Sache falsch an. Warum kommen
denn nicht Zwei oder Drei von Euch zu
meinem Mann und reden frei vorn
Herzen herunter mit ihm. Meint thr,
daß er tein Einsehen hätte, nicht auf
Eure Interessen eingehen wiirdef
Solclj offen zur Schau getragene Wi—
dersetzlichteit, solch störrischer Unge
horsant verbittert dagegen die Gemü
ther und macht den Sinn Eures like
hieters unzugänglich und hart.« i
»He-n ist er immer gewesen! Der i
Herr hat leine Achtung, tein Gefiihl ;
iiir tin-Z. Er scheut ja selbst die Arbeit i
und hält sich zu hoch dafür, wie alle f
kiteichent Wir wissen das recht gut!" i
rief eine rauhe Stimme. s
Obgleich- Verlegenheit und Angst i
iiir Sen-»den itsber Lorles Züge flogen, f
antwortete sie doch rasch und uner
feliroetent i
»Ihr irrt, Leute! Die Arbeit ist
vin Gott eingesetzt! Sie ist etwas
»Ob«-, Heilige-T Ilnanta-fttt-are5. tvo
rouf Ansehen, Wohlstand und Macht
ocgriindet sind, nnd mit der Arbeit
Hund in Hand gehen Einigkeit unD
Wiästiqteitx tri) das zu iinden ist, da
giigt sich auch wahre Zufriedenheit und
Würt. Arbeitet denn unser Kaiser
die Hoden des Reichs- nickt? Kennt
Jnr meinen Vater, den Landtatty
Brandenfelg?«
»Jatvohl, den kennen wir, der ist ein
unter, lentseliqer .t:err!« tlstnq es auc
Vielen Kehlen
»Wol,lan, seht ihn an; er arbeitet
nnd schifft von skiitt bis spät, er murrt
tznrt that niemals an b tzscnn ostnnlg
sitt-new Sowenlift sein oritueis bannt
—
darniederdriicki. «Dann denkt et ask
seine Kinder, an sein treuez
Und Euer Vrodherr thut das ebenfalls
teme Gesinnung-en sind edel und gut.
Jhr seid nur gegen ihn eingenommen,
habt iture Herzen hinter Trotz und
Groll ver-sci-.1nzt, anstatt Geduld Und
Raclysiclzst zu haben mit ihm. Er ist noch
jung und verstehst eg- zur Zeit nicht
recht, sich-Euer Vertrauen zu erwersdenz
allein sein Herz ist voller Menschen
freundlichkeit! »Richtet nicht, damit
Jbr nicht gerichtet werdet!« Kennt
Jhr das Bi«belwort?«
Der lange Rädelsslihrer war plötz
lich stumm gelrordern und hin und wie
der fuhr einer der Männer mit der
Rückseite seiner schwieligen Rechten
til-er das gebrannte Gesicht.
»Gut, Ihr kennt es sixlxer Alle und
jetzt geht ruhig heim und denkt einmal
reiflich dariiker nach oder besser-: klopft
Leise an Eures-etvissengtlnir und fragt:
ob Ihr es aud: stets befolgt habt. Iris
als-er gebe Gurts das Versprechen, daß
Euere Lache wohl und griindlixtrl be
dacht werden und keiner von Euch zu
tur:I trmmen wird! Dafiir stehe Id?
ein -— als Eure-z Herrn Frau!«
,,.Hurrah dreht-! Tags war eins
mal ein Wortl« klang e» stiirmisch aug
Vielen Kehlen.
»Die gnädige Frau von Wen7khard
soll leben bei-ist«
Jene beiden vorlauten Burschen,
lrselche so höhnisch-ausgelacht hatt-en,
warfen ihre Mützen voll Begeisterung
in die Luft und geberdeten sichs wie toll.
Schlickt und s·:f,-Lichtern, allein mit
einem warmen, gutoerheißenden Blicke
iiber die ganze Versammlung blieb
Lcrle noch einige Seeunden auf der
Treppe stehen. Daraus zog sie den
Mantel fester um die Schultern und
srlxsliipfte eiligst durch die Thiir ins Fa
hrilIgebäude zuzügl.
»Hu-stunk isiufe solglcll Dck Unl
eilenden. Schluchzend, mit ausge
streckten Händen kam ihr Willmann
entgegen. Sie nictte ilnn lächrlnd zu
nnd stürmte vorwärts-.
Sie gewahrte auch nicht, daß wenige
Fuß-breit von ihr entfernt Fred an der
Wand lehnte und flaniimenden, aber
verzweifelt-en Blickes nach ihr hinüber
sah. Lorle wußte, fuhlte nur, das:
sie seht einen Sieg errungen h.ttte, und
ihr Herz war darüber Von innigster
Freude ers-iillt.
bis hatte den Nachmittag und die
darauffolgende Nacht ohne Unterbre
etxung geschneit: anfänglich in großen
Flocken, welche an Fensterscheihen und
·"Lk«aunistätttinen, losen Federn ähnlich,
haften blieben, dann zwar fein, allein
so dient und stetig, das-, die ganze Nes
gend bald in undurchdringlich-ei- Weiß
iehijllt und weder Haus« noch Busch zu
erkennen waren.
Die Vjiorgensonue aber stahl sich- erst
scltiislxsterm später energischer durch die
tief ans Himmel hängenden Dunstwol
teu, um schließlich die lseschxneite Land
schaft lachend zu bescheinen
Hort- in den Liiften blinterte und
glitzerte eg neehs wie Mhriaden Stern
a:3n, während das kahle Geäst der
Bäume unter der schimmernden Last
des Schnees fast zu brechen drohte.
Eine reine, nervenstärtende, doch
ialte Atmosphäre erfullte die Lust.
Filing ling! Kling—-s,lin-gs—-ling!
ertönte es Von der Lariditrafke her, nnd
izkt flotten Tempo sauste ein zierlicher
Esel-litten, mit den Turnauer Braunen
bespttnnh die Anhsöhe herab und dem
Städtchen Bärfelde «3u.
Ein «zitiitieriscli schone-S Bild breitete
sirtfo plötzlich bor den Blicken aug. So
weit dass fast geblendete Auge zu reichen
vermochte, lag Alles in niafestätisijr
tituhe des Winterschlafe5, fest umhiillt
Von einer dichten, weisien Decke, und
tsrrt, zwischen den besattteiten Baum
trotten, uberflurhet bani gozdigett
Strahle der immer töher steigenden
Lttorgensonne, tauchten die Giebel und
Ihiirtncten der Villit Wenklsard her
ber.
Allein «.-jertrud, welche in einen
präxlnigen Marderpelz gehiillt, dag
Lilntlih dieht versttiieiert, zurückgelehnt
iin Schlitten ruhte, schien heute teinen
Sinn zu hat«-en fiir all die winterliche
Practpt ringsum. Träuinerisch nnd in
tiefe Okedanten versunken, starrte sie
oor sich hin, wie um das Auge zii ver
schließen gegen dass sEitsi.itte, wac— sich
hier vor ihr ausbreitete
Es wurden ja nur wehiniithige Er
innerungen an die Kindheit in ihr er
weitt. Prunihaft verändert lag dae
ehemalige Baterhaug vor ihren Blicken
Und der Bruder und heitere Genosse
der Jugendzeit? Auch er war ihr
fremd, all’ seine Interessen, sein Füh
len undDenten schienen sclfon seit lange
in eine andere Bahn gelentt zu sein.
Oft vergingen Wochen, ohne daß sie
ihn zu Gesicht bekam. Jedes vertrau
lich-e Geplander zwischen ihnen hatte
aufgehört; er berührte stets nur die
exteietskgiiltigsten Themata its verletzte
lGertrud setzt keineswegs mehr; sie war
rsiel zu tlag, utn iiber unabänderlich
Diuge zu trauern; nur ein dumpfes
tstefiihl eittsiigen Schmerzes schien in
ihrer Brust liuriietgedlieben, das Be
witsztseiti, ihin jetzt völlig entbehrlich
ja eine Null zu sein!
Mit wahrer Betrübnis-, gedachte
(«5ertrud noch jener peinlichen Seene in
der Mutter Salt-n. ttonnte die asbgsöt
tisdxse Liebe »in dem einzigen Sohne mit
sokchk ichriller Dissonanz endigen? Ein
unbestimmte-s Gefühl bedeutete sie, das-,
man triiben Zeiten entgegenging
niisrtsetinng solgtJ s
J- in m c r im ff a m.
»Jn dem Haufe unseres- , com-Vesi
lferrschtc aber eine ungmiifhliche Stint
mung.«
ZsJckctcorologet »Ja, ich Maul-c daß
dort wieder einmal dir Schwiegermut
ter ii«- tsrr Luft lich!«