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About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (Feb. 4, 1898)
YrbeitskraJ Roman von Zerlin non Spättgrn. GortiesunaJ Dabei hatte er es ich aber streng »und gewissenhast zur flicht gemacht, weder den ahnungslosen Eltern, noch dem Ischterlein selbst etwas von den « Empfindungen seines Innern zu ver rathen. Er wollte fich und ihnen die « harmlose Unbefangenheit nicht rauhen. Allein dem ungeachtet trat die Frage immer gringender an ihn heran, wie die Zukunft sich gestalten sollte. Durste er in seiner vom Vater noch völlig angängigen Stellung schon an die Grün nng eines eigenen herdes denken? Und würde Diejenige, welche er sich zur Lebensgefährtin erloren, den Eltern als Schwiegertochter auch genehm sein? Wufzie er doch genau, mit welch « weren Kämpfen Lorle sich ihr Gliick » f erringen müssen. Nun sollte auch z " er vor Vater und Mutter hintreten ! « s, und seine Liebe zu der «Maus« beten « nen. Dabei mußte selbstverständlich der kümmerlichen Bermögenslage der s- Waldenftödt’s Erwähnung gethan werden. Klangen Ria’z harte, lieblose , . orte doch noch immer an sein Ohr: -· .Leute, welche Zimmer vermiethen, - - " find nicht gesellschastsherechtigt!" Aber auch der Vater würde ihm sicher ernste Vorstellungen machen, ihn an seine Karriere, an Stand, Namen und Gott weiß was noch erinnern. Ja, wenn nur ein einziger Mensch einmal tiefer in die häuslichteit der ’- Waldenstädki zu blicken vermöchte! s Wie bald würde man erkennen, daß hier ein Bauch von schönster Eintracht, Friede und Poesie durch diese beschei denen Raume wehe. Ader halt, wie war ihm denn: Johft wollte ja kommen und ihn besuchen. » «- Sollqte er den lieben, prächtigen Johst, j den welterfahrenen Mann mit dem j warmen Her en, etwa iu’s Vertrauen ? sieheni Bie encht lonnte er ihm einen ? Rath ertheilen, oh er sich hoffnungen hingeben dürfe, oder oh die Pflicht ge gen Eltern und Geschwister im gebote, » rein schönen Gliickstraum zu entsagen. » Nein, nein-, er hangte auch vor Johir. » Trostloken Blickes schaute fTassilo aus dein enster. Jegt wirbelten die ersten Schneeslocken daran vorbei; aber das von hulda angefachte Feuer pras selte lustig und ließ es dopelt gemiith- » lich im Zimmer erscheinen. Wenn die Verhältnisse ihn wirklich ·zwangen, den vortrefflichen Menschen« deren Umgang, wie er nur Zu wohl; fühlte-, veredelnd aus seinen Character » wirlte, mit liihlem Dante Lebewohl zu - sagen — diese trauten vier Pfähle zu verlassenl Wie beglückend erschien ihm jen; stille Sorgfalt, die ihn hier um ga . Und er, der in Wohlstand und Corn sort ausgewachsene junge Mann — lebte und wehte mit Leuten, die in har tee Arbeit das tägliche Brod erringen mußten! Eine peinigende Unruhe hatte Tas silo Brandes-ist« erfaßt. Er wars sein Manuskript zusam-» « men. griff nach dein hute und verließ das Gemach. Bei-n Betreten des meist dämmeri gen Entrees schlugen die Laute eines wohlbekannten melodischen Organs an sein Ohr. Wie gebannt siußte er. »Ja, Papa, ich sagte dem herrn, Mama sei augenblicklich nicht daheim. Da er durchaus seinen Namen nicht nennen wollte, so glaubte ich in Dei nem Sinne gehandelt zu haben, als ich ckhn aber-ist« I P ; i I Maurma, welche in der Thur von ihres Vaters Zimmer stand, sprach mit gedämpster Stimme: »Wie sah der Mann aus? Kannst Du Dich besinnen, ihn jemals gesehen zu haben, Kind? War es etwa einer jener Leute, denen —- wir — Geld schulden?« sragte here von Wachen städt im hastigen Flüstertone, indesz laut genug, um von Tassilo verstanden zu werden. Dieser blieb --— aus die Gefahr hin, eine Jndiscretion zu be gehen, wie angewurzelt stehen. »Der Fremde war groß und sah äußerst distinguirt aus« Ausgesallen sind mir nur seine dunklen, sprechen den Augen und ein sin geschnittener Bollbarn J bin thni nie vorher be gegnei,« gab « aus« ensttich zurück. »hrn —- und er bestand daraus, Mama zu sprechens« »Ja, er will in einer Stunde wieder kommen, Papa« «Sonderbar! Jch wüßte nicht« wer ein Interesse haben könnte, uns hier zu besuchen-« sagte der hausherr und Msz hinter sich und »Maus« die k. W erst vermochte Tasitb die Wah nemg unbemerkt zu verlassen Ganz etssartijre Gedanken durchtreuzten sein Seh rn. Paßte die Beschreibung des Unbeiannten nicht genau aus e IM- . . Nun, vielleicht irrte er sich. seine Phantasie war heute krankhast erregt. Da ei hohe Zeit für ihn geworden war, nach dem Gerichtigebiiude zu kommen, so winkte er rasch eine Droschke heran und suhr von dannen. II I I Frau von Waldenstttdt, etne hochge wachsene, noch jugendlich schlanke Er scheinung, stand inmitten ihres zwar W Beilage deS ,,Anz—eiger und Herold«. I J- B· Windle Vekqasqeveks 1 - - Gram Junius-, Nein-, vku 4 Februar 1893 f No 22, Jst-r ans ts-— anspruchslos einfachen, allein doch mit zarter Sinnlichkeit und peinlicher At iuratefse eingerichteten lleinen Salons. Gutgepflegte Blattgewächse und eine grofze Bonere mit allerdings nicht last baren, doch niedlichen kleinen Vögeln belebten den anheimelnden Raum. « Jm Moment prägten sich Unruhe und innere Erregung auf den fein ge schnittenen Zügen der etwa 39jährigen ; Dame aus und in ängstlicher Span nung hafteten ihre Augen an der Thür. Als sie von einem kleinen Ausgange nach Hause zurückgekehrt war, hatte » Hulda ihr gemeldet, daß der nämliche Herr, welcher schon einmal da gewesen - sei, nun vorgelasfen zu werden bitte. Für Selunden dachte Frau von’ Waldenstädt daran, den Fremden iurzweg abzuweisen. Das seltsame Verschweigen feines Namens dünlte ihr auffällig. Man pflegt unter gebil deten Leuten bei Besuchen doch auf ge wisse Formen zu halten. Allein durch die harte Schule des Lebens war ihr auch andererseits wie der ein besonderer Muth verliehen wor den und daher bemühte sie sich, stets jeder Sache auf den Grund zu gehen. Jn der ihr eigenen liihl refervirten Art, welche ihr ungeachtet des mehr wie einfachen Kleides, das sie trug, eine vornehme Würde verlieh. empfing sie fest den angeiiindigten Gast. Beim Anblick des großen, kraftvol len Mannes, dessen Haupt so stolz und sicher aus den breiten Schultern saß, war ei ihr plötzlich, als schwebten halb verwischte Erinnerungen stiichtig an ihrem Geiste vorüber. Wo in aller Welt hatte sie dieses Rassegesicht mit den ausvtucksvollrn Augen schon einmal gesehen? Gewahrte der Unbekannte, daß sie siutztef Nein! Ernst, fremd und lalt trat er ihr entgegen; dann verneigte er sich beinahe ehrfurchtsvoll und sagte höf lich: »Mein dringendes Geweh, welches faft den Charakter einer Taltlosigleit an sich trägt, mag Ihnen, gnädige Frau, zum Beweise dienen, wie viel mir daran lag, von Ihnen empsangen zu werden« Allerdings —--— ich nehme an, daß es eine ganz besondere Angelegenheit ist, welche Sie hierher führt, mein Herr, nnd ich muß mein Befremden darüber eingestehen,« erwiderte die Dame, ohne einen Schritt von ihrem Platze zu weichen, ohne ihn zum Näherlreten aufzufordern ,,Und dennoch liegt diesem sonder baren Benehmen meinerseits ein wohi iiberlegte Absicht zu Grunde, gnädige Frau. Jch wollte Jhnen meinen Na men selbst nennen, weil ich in Erfah rung gebracht habe, dasz Sie in man chen Punlten unbarmherzig schroff find. Ja, Sie würde auch Solche zu rückweisen, denen die Bande des Blu tes ein Recht geben, sich Jhnen theil nehmend zu nahen!« Fest und voll klang des fremden Mannes ionores Organ durch das kleine Gemach. Mit energischem Ruck slog der Ange redeten Kon blißfchnell in den Nacken, während sich ein herber, strenger Zug um ihre Lippen lagerte. Eigenthüm- « lich tonlas brachte sie hervor: »Die einzigen Menschen, auf welche die Worte ,,Bande des Blutes« Bezug haben könnten, sind mein Gatte und meine Kinder. Sonst giebt eö Nie- - manden in der weiten Welt, der sich . das Nechi, mir Theilnahme entgegen s zu bringen« anmaßen dürfte. Jch be- I darf derselben, Gott Lob, nicht, mein ; herr!« s Ueber die offenen Züge des statt-« lichen Mannes slog ein Schatten hin, während er das schmale, abgehiirmte, einst gewiß sehr anziesende Fraueuanti lis wehmüthig betrachtete. Sie wollte —- drauchte teine Theil nahme! Dies war ein Ausspruch, der in seiner eigenen Brust wunderbar sympathische Saiten erklingen ließ. Noch strassek richtete er sich empor und sagte nachdriidliche »Als einzige Antwort hierauf lassen Sie mich Jhnen belennem gnädige Frau, daß ich Jobst Rheinbderg bin!'« Regungslog, ohne einen Zug von Ueberraschung oder Freude zu ver rathen, verharrie Frau von Waben stiidt aus ihrem Plahr. Nur halb mechanisch hatte ihre Recht-e nach der Lehne eines Stuhleö gegrissen, die sie jeht sese umschlossen hielt. »Das ändert in meinen Ansichten durchaus nichts . Die Verwandten des Vaters haben der seligen Mutter und mir stets so seen gestanden, daß ich auch jeht lein Bedtlrsniß nach ihrer se tanntschast fühle,« entgegnete sie hart. »Gewiß, gnädise Frau, ich verstehe und degreise das nur u wohl; ja, ich war aus einen solchen mvsang vorbe reitet. Trost-ein aber muss ich die dringende Bitte aussprechen, mir we nigstens einige Minuten Gehör zu schenken!« Frau von Waldenstädt hatte bereits eine halbe Wendung nach der Thiir ge macht. ,,Wozu?« fragte sie nur kurz. »Um Sie davon zu überzeugen, daß ich, der Sohn jenes Mannes, welcher Sie und Jhre Mutter hart und lieblos behandelt bat, daß ich nur deshalb her gekommen bin, um Jhnen meine Hoch achtung zu süßen zu legen!« Mehrere Sekunden ruhten die noch immer schönen Augen der Dame durch dringend auf des Gasteg merklich er regten Ziigen und zögernd fragte sie: ,,Wollen Sie mir dann vielleicht auch verrathen, welche Motive Sie leiteten —- zu einer so plötzlichen Sinneöiindes rung, zu diesem Besuch?« Wie innere Befriedigung zuckte es jeht urn des Grafen Mund. Er ver beugte sich noch einmal und entgegnete rasch: »Der einzige Beweggrund ist fiir mich nur der, das wieder gut zu ma chen, was mein Vater versäumt hat-« Nach diesem Auzspruch blieb ez eine Weile todtenstillz nur ab und zu drang ein feines Piepen und Zwitschern aus der Voliere nach den Anwesenden hin. Graf Rheinöberg gewahrte deutlich, lvie Frau von Waldenstiidt jäh erblaßte und sich fester an das harte Holz des Stuhles anzutlammern schien. End lich hob sie den bisher gesenkten Kon und sagte in bewundernswerthey fast eisiger Ruhe: »Wollen Sie, bitte, Platz nehmen, Graf, weil ich jetzt auch meine Ansicht iiber eine Sache aussprechen muß, die ich längst — ach, so lange schon, als überwundenen Standpunkt betrachtet habe. Da Sie nun aber einmal hier sind, so liegt meines Erachtens eine Art moralischer Nothwendigteit darin, sich gegenseitig zu verständigen« Ver Angereoere steure den Vut dei Seite und setzte sich der Hausfrau gegenüber aus ein kleines Tahouret. Erst seit war er nahe genug, das » bleiche Frauenantlitz einer schärfer-en Musterung zu unterwerfen. Das war also Eisa von Walden städt, deren Mädchennaine gelegentlich, freilich nicht oft, zu Lebzeiten seines Vaters in Roftersheim genannt wor den war? Darauf hatte er lange Jahre nichts mehr oon ihr gehört, ihre Existenz fast vergessen. Auch über ihn waren des Lebens Stürme hinwegge brauft; er war zum Manne gereist. Da wurde er durch Nia Brandenfels' unfreundlichen Ausspruch in Alt Steine plötzlich wieder daran gemahnt. »Waldenftadt —- Waldenstädt!«' schoß es ihm während der hochzeitlichen Fest tage fortgesetzt durch den Sinn und nach seiner Heimlehr bemühte er sich sofort, Crlundigungen ilber jene Fa milie einzuziehen. Das hatte Monate in Anspruch ge nommen und nun saß er hier vor der ernsten Frau und kam sich ihr gegen über fast schillerhaft unbeholfen vor. Solch’ ablehnede Kälte dünkte ihm ver sehend. »Bitte, sprechen Sie getrost, Gna dige,« sagte er zuvorlonunend Wie unter einem schweren Drucke hob und senkte sich Frau von Waldesr städt’s Brust, dann schaute sie ihm voll und forschend in die Augen und ent gegnete mit fester Stimme: « ch kann wirklich nur annehmen, daß all jene schmerzlichen Angelegen heiten der Vergangenheit Ihnen, Gras Rheinsderg unbekannt sind; sonst würden Sie sich wohl kaum dazu her abgelassen haben, mich zu besuchen!« «Bttte — weiter —- tveiter, meine Gnädige, sagen Sie Alles srei vom Herzen herunter. Was ich weiß oder nicht weiß, kommt hierbei gar nicht in Betracht; darüber wollen wir später reden. Jch möchte jeht nur genau wis sen, in welcher Weise mein verstorbener Vater sich damals Jhrer Mutter gegen über verhalten hat.« Gleich Zorn und Verachtung blitzte es über der Dame Gesicht und ausfal iend geprest gab sie zur Antwort: »Nun gut, ich werde Ihnen nichts verhehlen, Gras. Jhr Vater hat die eiaenhändig von ihm geschriebene Er klärung, worin er sich verpflichten, nach seines Bruders Tod gewissenhast für dessen Wittwe nnd Kind zu sorgen, ihnen eine jährliche Rente von zweitau iend Thalern zu geben versprach, ein sach dementirtl Er hat diesen leider nicht notariell beglaubigten Reverö als aesiilscht erklärt und meiner armen Mutter mit beleidigenden Ausdrückcn die Thüre gewiesen. Ferner ließ er ihr durch seinen Anwalt sagen, daß der Bruder mit einer namhasten Geld sumnie vollständig abgefunden nnd entschiidigt gewesen sei, dessen hinter »- -. bliebenen daher keine Änspriiche an ihn selbst zu erheben berechtigt wären!« Finsteren Blickes, die Arme unterge schlagen, starrte der Gras zu Boden. Nach einer Pause fragte er: »Und Jhre Frau Mutter hat nie den Versuch gemacht, aus ihrem vermeint lichen Rechte zu bestehen, diesen pein lichen Fall niemals einer höheren Jn stan23« zur Entscheidung anheim gege ben »Meine Mutter trug ebenfalls den Namen Nheinsberg und gerade um die ses edlen Namens willen brachte sie es nicht über’s Herz, des Gatten Bruder einer unredlichen Handlung zu beschul digen Was hätte es ihr auch wohl ge nühti Er war der reiche, vornehme Mann, dem mächtige Berbiindeie zur Seite standen; sie, das arme Weib, die Tochter eines schlichten franzssischen Sprachlehrers, welches der Verstorbene an feine Seite emporgezogen, eine nur .Geduldete· Bereits Jahre hindurch hatte sie Mißaaågurg und scheele Blicke von Seiten der milie zu ertragen ge habt. Voll demiitbiger Ergebung in den Willen Gottes schwieg sie. Der Mund, welcher allein fiir sie zu sprechen ver mochte, er swnr ja verstummt. Ihr fehl ten die Gegenbeweise.« »Nein, Graf Rheinsdera, daß weiß ich nicht, da ich zu jener Zeit noch Kind war-. Jch weiß nur von der langen Krankheit meines Vaters welche Un sumnien ewstet hat, und daß wir nach seinem ode beinahe mittelloö zurück geblieben sind. « - . »und dann?« Der große Mann war aufgesprunqen und athmete tief und er, während Frau von Mulden stadt leise fortfuhr-: .,:Urama nat mir eine aeoregene »Ju - duna zu Theil werden lassen, und mit ; 19 Jahren war ich so glücklich, eine ? Stellung als Gesellschafterin und Rei ! ebegleiterin im Hause der der Gräfin s L annhcim zu erhalten« deren Besitz in » de. Rheinprovinz lieat. Allein es war z mir nicht vergönnt, länaer als andert i lb Jahre bei dieser liebenswürdigen i ame zu verweilen. Anläßlich einer s Gesellschaft in der Nachbarschaft lernte I ichherrn von Waldenstädt, meinen Gatten, kennen, welcher damals als Lieutenant bei dem in X ..... garnisoni: renden ArtillerieMegiment stand.Grii fin Tannheim ist länaft todt, aber sie hat stets wie eine mütterliche Freundin an mir gehandelt. Meine eigene Mut ter zog zu uns in den junaen Haus stand, wo die Edle noch viele Jahre se genspendend unter Kind und Enleln gewaltet hat« bis der liebe Gott sie heimrief. Nachdem Waldenftädt tränk t lichkeitshalber den Abschied aenommen, zogen wir hierher nach Berlin-« Die Erzählerin verstummte plötzlich. Mit im Schoqu acfalteien Händen lehnte sie im Sessel und schaute triisbe sinnend vor sich bin. »Ich danke Ihnen, anädige Frau. Jhr gütiges Vertrauen ehrt mich tief, weil ich genau weiß, wie schmerzlich es » Ihnen ist, über jene Dinge zu sprechen, uberwundencg Leid noch einmal wach zurufen und kaum verharschte Wunden ; wieder aufzureißen! Allein« ich mußte - den ganzen Sachverhalt aus Ihrem s Munde hören, da mein Vater diese i Peinliche Angelegenheit stets nur ober i flächlich gegen mich erwähnte, und erst f nach seinem Tode gelana es mir, mich i eingehender damit zu befassen,« saqte ) der Graf in der ihm anhaftenden ruhig s freundlichen Weise. s Sinnend hatte Frau von Walden s städt den Gast eine Weile betrachtet, « nun warf sie ebenfalls aesammelter hin: I »Es ist auffalleiid, ioie Sie Ihrem E Vater leichen. Jch hätte sie sofort als E einen heinsbera ertannt.'« »Aeußerlich vielleicht,« erwiderte er merkbar schroff. »Seine Ansichten, Jn ieressen und Passionen liefen den mei nigen schnurstracks entgegen« Die Dame schwieg, und haftiger, als oh eine innerellnruhe ihn dazu antrieb, fuhr Graf Rheinshera fort: »Gnädiae Frau, wir find jetzt an ei nem Punkt angelangt, der noch mehr Vertrauen und Offenheit Zwischen uns erheischt. Zwar soll der Sohn sich nie mals zum Richter wider den Vater auslehnen; hier jedoch darf dieser alte, oftmals wahre Ausspruch nicht befolgt werden. Mit dem Anfaebot aller mei ner moralischen Kraft will ich mich da aeaen verwahren, dezVersiorbenen An sichten und Handlungsweife jemals ge billigt zu haben. Gnädige Frau, ich er laube mir, Sie daran zu erinnern, daß Sie einstmals den Namen Rheinöbera trugen, der ein feftes Glied bildet zwi schen uns: darum auch maße ich mir jetzt die Bitte an —- Sie fiir die Härte nnd Lieblresiqteii meines Vaters ent schädigen zu dürfen.« »Mit Geld etwa? Hat Mißachtun gen und Demüthiaunaen lassen sich urch Geldopfer nicht sühnen,« erwi derte die Angeredete herb. » »O, verstehen Sie mich doch nicht ; falsch, Gnadige. Jch meine ia nur, daß ich die Rechte Ihrer Mutter anerkannt » zu sehen wünsche," rief Rheinsberg er r t. »Als-J, Sie wollen den eigenen Vater an den Pranger stellen und der Welt gegenüber erklären, daß er sich an des Bruders Weib und Kind versündigt hat?« fragte Frau von Waldenstädt und schüttelte energisch das Haupt. »Dadurch würde der Name meiner ar men Mutter noch einmal in den Staub gezogen werden, wogegen ich entschieden protesiire Natürlich haben Sie davon gehört, daß wir in Armuth leben; Jhr delsinn treibt Sie daher zu dieser »Großmuth« an, ohne näher zu unter suchen, otb Ihr Vater nicht doch etwa im Recht und wir habgierige « ntri auanten waren. Nein, Graf R eins erg, verzeihen Sie mir das unfreund liche Wort--——doch Sie sind jenes Man nes Sohn! Jch würde niemals das Mindeste aus Jthren Händen anneh men, bis Sie selbst mir nicht schwarz aus weiß einen Beweis liefern können von Jhres Vaters gegen uns begange ner Schuld. Jedes Almosen weise ich entschieden zurück.« Frau von Waldenstädt hatte sich jetzt erhoben und trat in unnahbar stolzer Haltung mehrere Schritte zu rück. »O, mein Gott, gnädige Frau, ich beabsichtigte nicht, Sie zu kränken-. Jn bester Absicht kam ich hierher,« rief tief erschreckt der Gras, während ein Aus druck wahrer Trauer sein anziehendes Gesicht beschattcte. »Gewiß, ich Verlenne dies keines- ! wegs. Jn Anbetracht dessen, von den ’ Verwandten meines Vaters jahrelang s als »Paria« angesehen worden zu sein, - könnte diese Genugthuung mich jetzt I fast erfreuen,« entgegnete Frau von ’ Walden"städt, wobei ein Zug von Bit terkeit und Spott um ihre Lippen la .erte. ,,Allein auch ich habe meinen tolz nnd so kann ich nur nochmals erwidern, daß ich der Hilfe der reichen Rheinsberg nicht bedarf. Gott ist mein Schutz und Schirm!« Für Momente flog ein zorniger, trotziger Ausdruck über des Grasen Stirn, und seine Züge waren merklich bleich geworden; aber er verneigte sich pur in kalter Höflichkeit Und sagte ruhig: »Dann ist allerdings meine Mission beendet. Jch bitte nur, mein unsbefeug tes Eindringen zu verzeihen, gnädige Fran, und habe die Ehre« mich Ihnen zu einpsehlen!« Wenige Minuten später schloß sich die Thüre shinter sder halben Gestalt. Wie betäubt preßte die Zurückblei bende beide Hände vor das Gesicht, wo bei sich ein qualvolles Aufschluchzen ihrer Brust entrang. War es nicht plötzlich. als ob sich ewige Finsterniß über sie herasbsenkte und höhnende Stimmen ibr die eigenen Worte von den Wänden zurückschrieem »Ich brauche die Hilfe der reichen Rheinsbergs nicht!« Allmächtiger Gott, war sie wahnsin nig gewesen in diesem Moment? Hatte der Stolz jedes bessere, weichere Gefühl in ihr erstickt? Nur an sieh selbst, an die tausend-De miithigungen und Bitterkeiten ihres Lebens ——— aber nicht an ihr Liebstess—s an ihre Kinder, hatte sie gedacht! 11..5kapitel. Einen weiten, dunkelblauen, mit flockigem Anqora gefütterten Radman tel um die Schultern gelegt, dessen breite, weiße « elzaufschläge das kind lich rofige Ge rchtchen ganz wundervoll tleideten, steckte Lorle das Köpfchen zur Hausthiir der Van Wenkbard hinaus und vbegutachtete die Witterung· Ein dichter, fast undurchdringlicher Nebel lag seit dein frühen Morgen über Haus und Garten und hüllte die Landschaft ringsum in triibfeliges Grau. Zum Spazierengehen schien es allerdings nicht geeignet, da nebenbei das Ther mometer taucn 4 Grad zeigte und die in Wege liegenden herabgefallenen Herbstblätter Spuren feuchter Nieder schläge bewiesen. Allein die junge Frau » hatte einen nöthigen Gang vor und mußte hinaus-; sie hob den Saum des Kleides so viel als möglich empor und schritt mit den in standfesten Schuhen gcckenden kleinen Füßen tapfer durch ebel und Näffe dahin· Binnen Kur zem war das hohe Gußeisenthor, mel: chcs das Wenthardsprbe Grundstück von der Straße schied, erreicht und leise zog I sie die schwere Pforte wieder hinter sieh s » zu. L Ohne sich um zu sehen, strebte sie( : vorwärts der etwa fünf Minuten von den Etablissemsents ihres Gatten ent fernten Arbeiterkolonie zu. Diese bestand aus mehreren großen rrthen Backsteinhäusern, worin die in - der Fabrik besass-sagten Les-se siis »k- l ringe Miethe hübsche und luftige Woh nungen fanden. Bereits zu oes ver storbenen Kommerzienrach Zeit waren die Gebäude errichtet worden. Ein Fan Krähen zog treischend über dem Kopfe der jungen Frau da hin. während das schrille Glöckchen ver Fabrik die Mittagszeit verkündete »Das ist die Gnädige,« sagte plöt lich eine rauhe Stimme halblaut inter ihr, welche aus dem bättigen unde eines blaublusigen Gesellen kam, der mit zwei Gefährten zur Mahlzeit heim-. tvärts strebte. »Sie geht wieder einmal zum aiien Vater Fechsner, dem morgen wegen Knochenfraß oder so was Aehnli B das linke Bein abgesäbelt werden so ,« entgegnete ein Anderer mit drastrs r Geberde nach dem eigenen Schintel hin. »Na, er hat sich den Knaels jsa auch dort drin in der Fabrik geholt —- schon zu Lebzeiten des seligen Herrn; dafür muß nun die Herrschaft auftonnnen,« sagte der Dritte und spuckte aus. Lorle hörte das Gespräch und be schleunigtc daher ihre Schritte, weil ein unbestimmtes Gefühl sie bedeutete, daß die Leute« nur um von ihr Verstanden zu werden, so laut redeten. Allein die Männer folgten ihr fast auf dem Fuße-. »Es soll s ar im Testament gestan den haben, da der Fechner opercrt und zeitlebens vers-rat wird und das ist ein Glück; denn sonst, au we ! — Der Selige war ein vorsichtiger ann, der immer Nummer Sicher ging.« Jn beißend-km Sarkasmus klangen diese Worte aus dem Munde des Ersten an der rüstig Dahinschreitenden Ohr. ,,Sapperment, und ich dachte, die junge Herrschaft fühlte Erbarmen mit dem alten Manne und ginge aus eige nem Antriebe zu ihm hin! Pustluchenl Var odre du Mufti geschieht’s also?« tönte es aus rauher Kehle. ,,Freilich, jetzt sind andere Zeiten, jeitztßthut man nur, was man eben thun mu .« ,,Hahaha!« lachen die Uebrigen in unverkennbar-cui Spott Lorle zog den Pelzmantel fester um die Schultern und rannte unaufhalt sam weiter. Jetzt endlich war das erste Backstein haus erreicht und behende schlüpfte sie durch die Thür. Es hatte ihr gebangt vor diesen rohen, zum Theil unver ständlichen Reden. So viel nur schien ihr klar geworden, daß Fred sich keiner besonderen Liebe unter den Arbeitern erfreuen durfte. Seit ihrer Heimlehr war sie diesen Weg bereits mehrfach gewandert. Dis erste Mal auf Fred’s besonderen Wunsch, welcher ihr über des alten Fechner Mißgeschick er ihlte; später aus eigenem Antriebe. on Arbeitern « wurde sie jedoch noch nie behelligt. Das » Benehmen dieser Leute dünkte ihr ein » pörend l Es war eben der Geist einer nach s Freiheit und Gleichheit strebenden Zeit; l offenkundige Mißachtuug jeglicher Au torität Fred erging es sicher nicht schlninier, als tausend anderen Indu striellen, dachte die junge Frau, und ; n:it diesen Reflexionen betrat sie ein zu « ebener Erde gelegenes kleines Gemach-. Ein alter, weißtöpsiger Mann lag dort in seinem schmalen Bett, den Rücken von blau und weiß gewürfelten Kissen unterstützt und las eine zerknitterte, fettig Zeitung. Dumpse, qualmi e Luft schlug Lorle entgegen, allein sgre bezwang ihren Widerwillen und schritt hastig nach der LagerstatL ,,Guten Tag, Fechner, nun, wie geht es heute? Jch wollte doch —- vor dem morgigen schweren Tag noch einmal nach Jhnen sehen,« sagte sie sanft und richtete die blauen Augen voll wahrer Theilnahme auf des Kranken hageres, bleich-es Gesicht. Ein Ausdruck von gränilicher Refra nation prägte sich darin aus. »Na, wie soll’s auch gehen, gnä« Frau! Der alte Kadaver verlohnt sich wahrlich kaum mehr der Mühe, welche sich die Doktors mit ihm machen wol len«, gab der Angeredete mürrisch zur Erwiderung. ,,s’ ist kein schöner Ge danke, wenn man zeitlebens gearbeitet hat wie ein Pferd, um unter dem Mes ser eines Pslastertastens zu verenden!« »Aber Fechner, welche Idee! Sie sol len durch die Amputation des tranken Beines ja wieder gesund werden. Heut zutage unternehmen die Aerzte noch weit schwierigere Operationen, welche glücken Jn einigen Wochen sind Sie dann wieder . . . Die junge Frau stockte befangen, weil die eingesunlenen Augen des Alten so seltsam siechend auf ihr ruhten. , »Ein Krüppel! Das stirnth vollen . dete dieser den Satz. »Ein Krüppel, ; der mit dem Stelzfuß herumhumpelt ! und Allen zur Last wird. Wenn ich ? sterbe, würde der gnädige Herr ia eine l Erbschaft machen, da er mich sonst ! zeitlebens erhalten soll!« s »Unsinn, Fechner! Sie bekommen T ein künstliches Bein neuester Construk H tion; damit können Sie gehen wie un sereins. Mein Mann hat bereits mit Doktor Holthaus darüber gesproct,cti,« erwiderte beschwichtigend die junge Frau. ,,.tkostet aber 100 YJcarks----dzs Ding! Für einen armen Lumpen, wie ich es bin, verlohnt sich das ja nicht, gnä’ Frau!« ,,Machen Sie sich nur darum keine Sorgen, Fechner. Der Herr zahlt diese Summe gern in Anbetracht, daß Ih nen damit geholfen wird." »So --— wirklich?« Ein hämisch ver bissener Zug breitete sich um des Alten Mund, dann griff er plötzlich nach der Dame Hand und sagte ein wenig mil der: . »Na, nichts für ungut, gnä’ Frau. Sie sind gut —— auch so «·ne Zerle, die Jedem helfen möchte, und gerade da rum hab' ich mir fest vorgenommen, einmal ein ernstes Wort mit Ihnen zu reden. Dacht’ mir schon, daß Sie heut’ noch mal runter kommen würden.