Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, February 04, 1898, Sonntags-Blatt., Image 14

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    —
Christel Bårwalln
BonErichzuSchierfeld.
Christel Bärwald, der woblbeftallte
Bahntoärter in Bude 27, langweilte
sich, zwar nicht immer, aber doch recht
oft. Er war ein an Thätigteit ge
wöhnier Mensch, der das Nichtsrhun
haßtr. Die freie Zeit, die er in seinem
Beruf hatte, nützte er nach Möglichkeit
aus. Er beacterte das bei feiner Bude
liegende Stückchen Land, inähte das an
der Böschung des Bahntörpers und im
Graben wachsende Gras nnd sit-achte es
zu Heu, das er auf dem Boden seines
kleinen Zieg elstalles fiir den Winter
nnterbrachteg Natürlich besaß er auch
eine Zie ge, die den dippelten Zweck der
Bersorgu mit Milch und der Unter
haltuna ersiilth Sie war hinter der
Bude an eine lanae Schnur gefesselt, l
hatte aber genügend Raum fiir ihrFreH
heiisbediirfniß. Bei Regen oder Kältej
spazirie sie in ihren Stall und machte
dort ein ebenso aelanarveiltes Gesicht
wie Chrisiel in seiner Bude.
Er sah nach der Uhr. Ja fiinf Mi
nuten mußie das Signal von T. kom
men fiir den Zug. der nach weiteren 15
Minuten an feiner Bude ooriiberrollie.
Das loar ein soaenannter Vermindqu
bei dem es auf eine kleine Verspätung»
nicht anzutommen pflegte. Es tonntej
also bis zu feinem Eintreffen unterUm
ständen fast eine halbe Stunde verge
hen, viel zu wenig für eine Arbeit, fürs
Nichtsthun viel zu viel Christel über-s
legte. Wenn er das Durchfahrssignal
an dem optischen Telearaphen schon vorI
der akustischen Anmeldung des Zuges-;
herstelliecZ Das war zwar nicht aanzi
vorschriftsmäßig, —- indessen passirenk
konnte ja nichts. dieStrecke war inOrd- l
nunq und dann konnte er mitGerniithsJ
ruhe eine That verrichten, deren Noth
rrendiateit ihm soeben einfiel: er wollte
seine Ziege mellen. bevor der Zug kam.
War dieser vorbei, so hatte er zwei
Stunden Ruhe. seine Mittagspause, die
er ini nahen Dorfe bei seiner jungen
Frau verbrachte. Kurz entschlossen
zog er den einen Arm des Signalmastes »
in die Höhe und stopfte sich dann mit
Gemüthsruhe eine frische Pfeife. Da
mit er bei dem Melken der Zieae seines
Unisorm nicht beschmutzte, zog er den
Rock aus und iiber die lanaen Beine
glitt ein ausaedienter Unterroct seiner
Frau, dessen Bund er mit einem starten
Bindfaden in der fiir dies Kleidung-g-l
siiick etwas zu ftarkenTaille zusammen-;
band. Hierauf setzte er sich vorschrifts-!
mäßia zurecht, klemmte einenTopf zwi
schen die Knie und aab sich mit Sorg
galt und Eifer der Milchgewinnung
m. —
»Bim him, bim bim.« klang das
Lauten-ern Was tiinnnerte es ihn?
Er hatte sein Signal gestellt. Und ru
hig melkte er weiter. Nun war er ziem
lich fertip Ja weiter Ferne rollte es
leite. Sollte das fchrn der erwartete
Zug sein? — Er fah nach Ler Uhr —
es fehlten noch zehn Minuten an der
planmäßigen Zeit. Gemüthlich been
dete er fein Geschäft und trug den mit
fetter Milch bis an den Rand gefüllten
Topf in die Bude. Da hörte er plötz
lich das Rollen wieder, unheimlich nah.
Er riß die Uhr aus derTasche und warf
einen Blick darauf: die zehn Minuten
fehlten noch immer:feine alte, gute treue.
Uhr stand, zum ersten Male nach dem·
legten großen Reimnacken. Der Schreck
fuhr ihm in die Glieder-, daß sie zitter
ten. Er warf die Pfeife zu Brdkn und
zog den Rock fo hastig an, daß er dens
rechten Aermel nicht finden konnte. —
Daö Zutniivfen wollte noch weniger ge
lingen, die Hände bebten ihm vor Er
regunig. Endlich —- entdeckte er, dufz er
noch in dem venoiinfchtsen Unterroct
steckte. Er tnövfte den Rock wieder auf
und griff nach dem Bindfaden. Aber
wie er auch zerrte-— die Schlinge woll
te sich nicht lösen Je kräftig-: er zog!
desto fester wurde der Knoten -— und
dersua kam immer näher. Er versuch
te die Schnur zu zerreißen, doch sie wi
derstand seiner Kraft.
»Ein Messer! Ein Königreich fiir
einfMefjerP
- » it
Wso hatte er's- nur? sp— Halt. in dek
Tasche der Uniformhcse! Aber wie.
dorthin aelanaenl So wird es nicht
gehen, und nur noch eine halbe Minn
te, eine viertel —— —-—s Und jetzt, biegt«
der Zug nm die Waldecke, jetzt sauft er
an ihm vorbei. Noch im letzten Augen- »
blick hatte Christel fein Zähnchen an
sich gerissen und mit »angesaßtem Ge-I
webt« stramm gestanden, — im Unter-.
rock feiner Frau, barhöuptig, irn halb
ossenen ilniformrcsck. —- Und das muß
te ihm passiren, dem aewissenbaftesteni
aller- Bal1nwärter, auf dessen Schul-«
tern die goldenen Achselfchniire Winz
ten. der Beweis fiir eine zehnjährigel
tadellose Führung! —— Er war stolz
auf-diese Schnüre. die er im Noihfalles
mit dem Leben vertbeidiat hätte. Und
nun? O. es war mehr, als ein recht-.
schaffener Mensch ertragen kann. —
Allmäblich ward er ruhiger. Vielleicht
hatte ilm Niemand beachtet. vielleichtv
ging noch Alles aut! —- Doch er täusch
te sich. Jm Zuge hatte der gefürchtete
Bahn - Jnspettoe gesessen, dem nichts«
entging. Nach wenig-en Tagen kam der
Beisammen im Auftrage ver hohenl
Lebst-de ein lanaes Prototoll mit deinl
armen Christel aufzunehmen, das er.
noch dazu unterschreiben mußte. Er
bekannte reuniiitbia und verschwieg garl
pichc Das hätte ja doch nichts geben-i
en. —
Die nächsten Tage verlebte Christel
in der fiircbterlichiten Qual und-»in denl
Nächten peiniaten ihn schreckliche Träu-f
me. —
Gut-ach kam das und-it Es kais-«
tete auf foiortiaen Abbruch des ohne
Genehmigung nnd Wisen der vorgesetz
—
ten Behörde erbauten Ziegenftalles und1
BerseIung seinerBewobnerin auf nicht-«
fisialisches Terrain. Im Uebrigen ließ«
man es bei einem ernsten Berweife un-(
tek Androhung ,,bärte:es: Strafe beH
ifernere-: Unznverliissinieit« belvendenj
zwar »an Hinblick ans die bisherige»
eknwandfreie Fübrnna ice-Z p. Bär-·
wald.« Seine Uchielisinsiire waren ihm!
salfo geblieben, aber er hatte doch einen(
ZFleck in den Atten! si— Das machte den-»
muten Chrifiel traun-r, reiibar nnd·
«I:.«urr.lck,. Selbst ieine Fran, mit derl
ek irii den sechs Monaten feines Ehe-i
Jtandes im unaetriibieften Frieden lebs
Lte. knurrte er an. was sie mit einer litle
zlen. iitnipvifcben Behandlung vergalt·
sWer-n er einsam vor seiner Bude friß»
lakutelte er und hatte allerlei iiefsinniae
Pedant-: Die Trennuna von seiter
geliebte-: Ziege ainzr ihm ais-«- Herz,
iekrst die Sonnenlilnmcr.. die er mn dis:
Bude herum aepflami hatte crsrentenj
ihn ncht mehr. ;
Der Sonsnier schwand nn: derj
Letzle ind straft list-er die tat-le F:ai:e.
Clkiftel Mikralv Wette wankend lserl
mesiskn Stunden des Tages in seineri
lleinen Bude nnd seine Stimmnna war
so trübe wie das Wetter. er hätte sich
mit aller Welt taufen mögen.
Wenn er wenigstens sein-: Frau hät
te um sich baden können, wie sein
Freund nnd Kollege Westermann in
Bude :-;7. Ja ker« Der hatte fein!
IHiiuschen an derStrecke mit einem gro- ;
isten Stück Ackerland, mit Stallnngen«
kund einem Gärtchen Er hatte es zian
weit bis zum nächsten Dorf, aber dac
llsnnte er entbehren er war ia immer
daheim. Er aber? Dn lieber Gott.
er wohnte im Dorf und war doch mut
terfeelenalleinl Ob sich die Kathrin,
feine Frau, wohl auch fo einsam fühl
te? Seine eMaul Was machte die
überhaupt den ganzen langen Tag? -- H
Das bischen Wirtbschast! Er hatte noch
nie daran gedacht. jetzt beunrubiate ihn
der Gedanke· Im Sommer hatte fie ihnk
oft besucht. das unterblieb bei dem
schlechten Wetter. Womit füllte sie ietzt
die Zeit aus-? Und Ioie um ihm Ant
wort zu geben auf die unausaesprochene
Frage, besuchte ihn eines Taan ein
Freund, ein sehr guter Freund, der ihm
etwas in’s Ovr flüsterte von rem Sob-«
ne des reichen BauernRolofffen, der dies
Kathrin schon aern aelzavn als sie noch;
ledig war. Das aina dem guten Ebri Z
fiel denn doch über den Spaß und trieb
,ihm die Gans ins-. Brut. --— Kaman
sleugnete natürlich sehr entschiedenAlles, !
weinte foaar einiae Thriinen und tbatk
getränkt. Der Arawobn saß aber ein«-F
mal in Christelå Herzen. Er alanbtei
zu bemerken. daß ibm Kathrin dennochl
etwas verberae. und so wurde de: ur-,
sprüugnche nein- Riß allmähkich zu ers
ner weiten Kluft. I
Die guten Freunde ChristelH hazten
Ehre oFreude an dem Zorn des sonst
so gutmütljiaen Menschen und schürten
nach Kräften, sodaß die Sache dem
jungen Noli-Mem als er davon hörte,,
doch unbeauem zu werden beqann. — "
ILeider mus; ich bekennen daß die Ge
Iriichte nicht aqnz arundlos waren, tgve
nigstens soweit sie den BauerHMJn be I
»trasen. Rolossen wußte, daß Christels
Iin gewissen Dingen keinen Spaß ver
stand und über zwei kräftig-: Fäuste
verfügtr. Deshalb beschiosz ek, ihn von
»der angeblichen Lügenhnsiiqleii des
JKlatsches zu überzeugen
I WKorl " sagte er deshalb eines Tages
Iin der Dämmerstunde zu den-. unnen
Iblicklich diensisseien Gänsejunaen des
Dorfes, »lop mal na Chrislel Värwali
den sine Baud« un seaq en1,de Bner
Rolosfsen wer all wen bi fin Fcuf
I ,..«Nee erwiderte der Janae. »Dat
stack icl ern nicht, dat is «ne Länsstr hei
is jo nornich bi ehr.«'
I .Schapsvap — miu zahm kat
Iaeilpi Di nix an," reviizirie Rolofffen I
siih mal icl gah jo doch jetzt irst heut
Nu lap, un wenn Du t’riigg kümmst,
un mi feggsi, wai he seggl hei, denn
irisi’ dissen blanlen Nickcljrrsche..1«
Der Junge sah das verlockende Geld
Istiick an und überlegte. »Ja dauh l, «
Isagte er endlich und lief davon, with
Irend der Bauer zur Schenle ging.
I Christel wollte beim Empfange der
IBotschnft natürlich aus der Haut sah
ren. —
I
I
I
»Ja naa eni dom: Hier naq oen
Kirl de Knalen in Lietv entwei!« schrie
er und da vor Ablauf einer Stunde
kein Zug zu erwarten war, fo stürzte er
aus der Bude heraus dem Dorfe «
Seine Frau war allein zu Hause I
Harmlos ein Lied tummend, itand sie
am Herd und bereitete das einfache
Adendessen
»J« rief sie verwundert,»wo iiimnifi
Du all der? ’t is io noch nich mal KlockY
föß!«
E Christel ichluckte und iviirgte feine
Berleaendeit hinunter
i «Jit dent', uni’ Vetter ut Behndoijcl
is tanien.« loa er, ,,wo is nii dat?"
f »Du dett wvll flaven in Din’ Baud««
lachte Kathrin. »W-) siikl denn beher
lamen? Hei is io irft vorn vertein
Dan, di de Soldaten intreckt!«
»san« brummte Christel »dann het.
nii de Bengel delagen »Na minJung ’
nu daß up, wie Di de Spaß detümint!«
Damit schob er mißmuthig und doch
derudiat ad.
Aus dem am Ende des Doer lieaens
kden Krug drang lauter Lärm. Christel
Juckt einen wichen Blick durchs Fenster
land« fah den verdutzten Rolofssen niit
zwei anderen Dorkbewdhnern eifrigst
Idezn Kartenspiel und dem Geritensaft
frodnen
Etwa zwei Stunden später wurde
er von seinem den Nachtdienft antreten
jden Kollegen adgelöft und ging heim.
Unterwegs stieß ex auf den Gänse
iunaen.
,,Knmni mal her, rnin »Stian sprach
I
i
—
Zee ihn freundlich an. Ali sich dieser
Zibm aralos näherte. hatte et ihn auch
fschon am Kraaen
»Jck will Di lehren. Je Liie vör’n
Narrn tau boll’n. Du 5atansrarter.«·
ties er und bearbeitete den jugendlichen
iGesandten mit Nachdruck und Energie.'
lDieser versuchte sich zu rechtfertigen,
Fmarltte dadurch die Saite aber nur
Ischlimmet und ergab sich schließlich mit
tWiitde in das Unvetmeidliche. l
Nach diesem Vorfall hatte ja Chri-l
Istel Tiber die Jntearität seiner häusli-;
chen Ehre beruht-at sein können. Dass
Mißtrzucn hatt-: aber bereits tiefere«
Wurzeln Erschlaan und die gutens
Freunde bemühten sich nach Rrästen,i
den Giftbamn nicht vertwctenen zu lass-—
sen· Christel befand sich in einein un
beschreiblichen Zustande, dein er aus je
den Fall ein Ende machen wollte.
Eines Tages deaeanete er wieder dem
Gänfejunaen, der ilnn arawöhnisch nnd
scheu auswich.
»Kann-i man du« Korb ict dhau Dij
ni!,'« rief ilan der Vabnmiirter freund
lich zu. Aber erst aus die wiederholte
Betheuernna, das; ihm kein Leid ge
schehen solle, när- rte sich der Knabe
lanasani.
»Mir v’inal, min Säbn, miichtst du
mi troll’n Gefallen dbaun?« I
Der Junge sah ihn mißtrauisch an. l
»Wenn Du anpaßt un nii Bescheid
laiffst, wenn de Ritt, de Noli-Mem were
:in min Ous qeiht, denn get-i ich di ’n
«Nicke1.«
Der Junae überleate·
»Nee," saate et endlich, »iet dbc«u’t
nich. dat aifft Släa!«
»Schapslopp, wat geiht Di dat an,'«
.rief Christel in offenbar-ein Mißver
Isiändniß. Dam- desakm e: sich. ,,Siid
mal, min Säbn,« erklärte er, «deSläg’
best vöt det Länan lregen un ot ver
»deent. Wenn Du mi tin-seist de Wahr
jbeit squst,denn aifft dat opt leen’Sliig·
strich- —— Je! gew’ Di twee Nictetjroschen,
,tvenn Du ’t dbeist!«
Karl schüttelte den Kopf.
.,De Anner aisst mehr,« platzte er
Iendlich beraus.
, Christel Bärwald machte einen Luft
kfpruna .
(
k »F da nag doch de Tuvel negen un
neqentig mal rin!« schrie er. «Jung’,
iBeaeL ick aew Di ne janze Mart!
Seagst nu noch een cemiltmal nee denn
hatt ick Di de Knoten tort un tleinl Du
»tennst mi, Juna’!« Dabei hatte er ihrs
schon hart am Kronen.
Ehristel ließ ihn los und gab ihm
eine halbe Mart als Anzahlung, wo
raus sich der junge Kundschaster rnit
gemischten Gefühlen sehr schnell aus
dem Staube machte
Schon wenige Tage später zeigten
sich die Erfolge des Unternehmens.
Ehristel lkatie Nacht-dienst und war
soeben von einer Besichtigung seiner
Strecke zurückgelehrt als Karl athen1
los anaerannt lam.
»Hei is- drin«, rief er schon von Weis
tern, «bei is in’t Hug tin Zahn. ick hew
em seihn!« Christel knickte fast zusam-.
rnen vor Schreck nnd Wirth
»Jnng"«, fuhr kr den Knaben an,
,,i5 dit were ’n Snack von Di, best Di
kni werr belagen, denn . . . «
»Denn slagt Ji mi de Knalen in ’n
Licio entwei', vollendete Karl den ihm
bereits bekannten Satz.
Christel nickte vielsagend und dachte
nach. vaofssen katte die Zeit seines
Einbruchs schlau gewählt Er tout-te,
daß der Bahntviirter seinen Posten vor
Mitternacht ans längere Zeit nicht ver ·’
lassen lonnte, weil bis dahin verschie
dene Züge die Strecke passirten. Das
Blut stieg dem armen Christel immer
nehr zu Kopfe. »Potz Blitz nnd Dun
nerslag!« fluchte er in sich hinein, »de
verdammte Kirls Un icl stah hier as
de Oss an ’n Bariel" - - Er überlegte
hin und her. und mit jeder Selunde
wuchs seineAuiregung. Plötzlich durch
zuckte ein rettender Gedanke sein zers
mcrterteå him. Er sah nach der Uhr
und rechnete. Entichtosjen betrat er;
seine Bude und lehrte mit einem Reis
desen zurück. LlIis diesem zog er den
langen Stiel, den er einige Schritte
vom Schienenstrange entfernt, in die
Erde steckte. An dem Stiel, etwa fünf
zehn Centimeier unter dem oberen
Ende, besestigke er ein Querholz von
vielleicht sechzig Centimetek Länge. so
dasz ein Kreuz entstand. Ueber die
ses Querholz hängte er seinen Man
tel, den er ordnungsmäßig zutnöpste,
und aus die Spitze des Kreuzes stiilnle
er eine alte Dienstniützr. Zum Schlnsz
wurde ur Rechten ein Schemel pla
zirt, aus den er die angeziindeteLaterne
stellte. Christel musterte sein Wert noch
einmal nisit kritischern Blick nnd sand,
daß man die Vogelscheuehe im Dunleln
und bei sliiehtiaem Hinschen rechfgut
sitr einen aus Posten stehenden Bahn
tvärter halten könne. Trohdem war
ihm nicht wohl dabei zu Muthe, doch
es war ja nur sär den äußersten Fall,
denn lange lonnte ihn ja das Geschäft
daheim nicht in Anspruch nehmen.
. »Fung'«, wandte er sich an Karl,
",,pa up, dat de Wind de Mün« nich
Irnnner srnitt. Un sat ini nich deLatch
zan. Jn ’ne gaude lxalwe Sturm« istin
lick were den« .
Pochenden Herzens eilte er ren:
Dorse iu.
Der Himmel war mit Wollen bedeckt
und ein senchtlalter Wind spielte niii
dein trockenen Laube in den öden
Straßen. Die Fenster waren zum
größten Theil bereits dünkel, in sei
ner Wohnung aber brannte noch Licht,
dessen Schein durch die Ritzen der ge-«
schlossenen Litden stel. Er schlich näher,
paßte sein Ohr gegen einen der Fen
sterliiden und lauschte mit angehalte
nem Athem. Jetzt vernahm er Stim
men, eine gedeiknpste männliche und
eiine scharfe weibliche, die seiner Kath
r n.
—»
.Worm"n iel nich all längst Larml
klagen bewi« hörte er seine Frau sagen. l
«Dat tvill iet em seggen. Weil be tnil
tau llecht is. as dat ick mi mit ein in is
Jered’ bringen miichtl Weil icl mi vdrx
de Lüe schäint’ wegen den Standal,;
Un weil ick nti’ n Mann tau leiw bew
as dat ick em Init so’n Gras-affen, as:
bei is tausain hegen sollt! Aewetst datj
will icl ein seggen Bur, wenn he tni
nu nich in Rauh lett un nv Stunns ut
. n Hus gei!«)t denn schicl ick nah min a
Mann oder schrie Fiier!'·
l »,Oho« knirschte Christ-i »wenn hat
«i)iet so steil-It denn betv ir! jrs dai blos
mi! Een n to dauan Er ris-· diehmtzs
tbiir aus un) stürzte in das Fimnier
Durch dieselbe Hangtbiir ilsg einige
Sekunden später der balderwiirgtej
Roloffsen in große-n Bogen auf die
stille dunlle Dorsgasse hinaus-L l
Karl, der Gänse-junge hatte sich
während dessen die Zeit io gut wies
möglich vertriebe: i. Er fand den Bahn
wärterdienst fast cicnin ingsnelnn wie
den seinigen Besonders imponirte ihm
die Unisorm. Er vermochte aar nicht
einzusehen weshalb et den Paletot
nicht eben io gut sollte tragen tönnenp
wie der dumme Besenstiel. Er zog ihn
also lurzwea an. Freilich ichlotiertei
ihm das lange Ding wie ein schwerer
ISack um die Beine, dasiir bielt es aber
sebr warm. Die Mütze setzte er ficht
natürlich ebenIalls auf das iugendlichej
Haupt Er mußte sie tief in H lnenieti
schieben, um leben zu können dann
aber ging 5 recht gut. Schließlich nabmi
er auch die Laterne in die Hand und
tam sich äußerst schneidig vor Aderi
weshalb et wie der entlleidete BeIeni
stiel auf einem Fleck festgewnrzelt sie
hen sollte, das wollte ihm nicht ein
llenchten Christel ging doch ebenfalls
öfters auf und ab! Er ging also.
ein wenig spazieren und der Mantel
Ischnrrte gleich der Schleppe einer gro
lizen Dame lIinter ihm ber. Plötzlich
Jbörte er den Zug ans der Ferne daraus
;rollen. Jm ersten Augenblick pochte
jdoch sein Herz schneller. Aber wes-bald
denn? lir machte ja Alles genau so,
wie er«H bei dem Bahntvärter schon la
oft gesehen hatte. Nur Muth! O. cr
war durchaus nicht furchtsam. imj
Gegentheil! Er wollte dem Iliaschinend
führer zeigen, daß der Posten voll undj
ganz besetzt war, und lustig schwenkte
er bei dem Her-annahm des Zuges, deml
er iiihn entgegen sah, seine Laterne hini
nnd her. — l
Aber da - ivae srllte denn das dr
deiitenZ Ein liirzer Pfisf der Maschine
und dann stand der Zug still, zehn.
Schritt vor der Bude.
Das- Ziigpersonal stiea l«erunter, der
Fiihrer fragte, wag es gebe, und die
Passagiere salien ängstlich aus den
schnell geöffneten Fenstern. Da jetztE
sogar der Zugfiihrer direkt auf ilin
zugeschritten lan packte ihn mit einen-«
Mal eine furchtbare Angst. Er war f
die Laterne von sich, raffte den Pale-v
tot mit beiden Armen in die Höhe nnd;
lief, so schnell er konnte, quer über die
Felder davon, seinem Heini zit. i
Gleich darauf kam Zbristel atlzern- l
los txt-gerannt Er hatte den Zuq «,ii
seinem Schrecken kommen selten und;
fand nun Feine schlimmsten Vesiirch-4
tungen noch i:bertri-ffen.
Nach kurzem Aufenthalt konnte der
Zug weiter fahren Kaum fiinf Minu- j
ten betrug die Verzöaerung aber sie
aeniigte doch, den armen Chr istel um
seine schwerverdiefiten goldenen Agnel-f
schnitre sowohl ioie überhaupt iim sei-I
nen Dienst zu bringen
Ter Schlag tras ihn jedoch weit
weniger hart, alr- er selbst es gefürch
tet batte Das wieder hergestellte Glitt-it
seines Hauses erliob ihn über sich selbst«
und gab ihm den Muth, persönlich zum
Eisenbahn Präsidenten zu gehen uz d
dem alH gütig und gerecht bekanntenl
alten Herrn sein StJtiszgeschicl darzu-N
stellen..· l
Jegt ist Cliriftel Bärtvald ivieders
angestellt. Er hat die Stelle seines
inzwischen verstorbenen Freundes iinds
l
I
l
Kollegen Westernmnn in Bude Nr
erhalten.
Jn dein beh. glichen Wobngebäude
dicht am Babntörper haust er mit sei-s
ner Frau, seinem Buben, seinen Hie
gen und Schweinen, fern den Freuden
aber auch den Kabalen des Dorfes. s
Die goldenen Achselschniire freilich
muß er sich von Neuem verdienen, aber
zwei Jahre tadelloser Führung sind ja
bereits vergangen·
Karl hittet fest die Kübe, für die
Gänse ift er zu groß geworden. -
Fiir den Bahndienst interessirt er
sich nicht mehr. aber daß man einemi
nahenden Zuge durch Schwenlen der
Laterne quer über die Fahrtrichtung
dag Haltesignal giebt das vergißt er
nie wieder dazu bat es ihm Christel
viel zu fest — eingeblaui.
Das Hund«-stud.
Alljährlich tritt in tmt·ke Mitte
TEin Wunderiiud. das viel verspricht.
Man jauchzt ihm zu nach altec Sitte
Und spart mit guten Wünschen nicht.
jMan hofft, es werde Aller- halten«
two-Z ietzt es lächelnd uns verheißt,
ltlnd herrlich werte sich entfalten
IWOS schlummern-b usljt in seinem
I Geist. I
Der-n seh-n wir es toeäm wandern,
fund leider wird es uns bald klu:
FEs hatt nicht mehr als an die cis-den«
.Da.s Wurst-edited das - n e u e«
Jahr.
-——----———
Zu tm- Studentens-espe.
Wirth Cum Fell-um Jena, unter
dem Stammtitch ist »Kerl-leit« gerner
worden! . t
. » . . .
—
Mntie stehn
Eine Ballade von C a r l B utcte.
»O schätze uns. Gott-i ttwr der schweren
’ n b. !
Erbarnze Dich, here Zebnoth, ;
jMit Sünden und Greueln. mit Mord
nnd Brand —
Det Schwede kam in’s Hotstenlandt
Unsre Felder stehn brach, Unsre Söhne
i sind todt.
»Wer giebt uns morgen das tägliche
Brot?
Unsere Töchter wurden zu Tode ne
axiist
lWir harren des REFUND-» - der Rächer
e .
tWas suchst Tu uns nein-« o habe Er
; bannen
IVerqied dir-Sünden. o Her-, ian
Armen!
kunsere Kinder haben wir beten gelehrt,
Reden Sonntaa bei Dir sind wir ängs
tebrt. -
Wir traten Dein Bott. treu und de-!
scheiden. T
Herrgott im Himmel! Was läßt Dui
I uns leiden? .
jErbarmen anbest Dzie, Herr, esnenk je-(
n· .,-.—
IAber seines dem Schweden!" ;
iMntter Flohk san in heissem Gebet aus«
den Knien — s :
stiein Beten T)a!s, sein Racher erschien.
fVon drunten ber, aus den Gasthof-Z
- stuben
iSchon das Sinqu vck schwedischen
h
Reiterbulxen
»ssi·riere, Waibel, aenieine Soldaten, ;
Dirzwischen Gesindel aus allen Stein-;
ten. ’
Ein wüster Hause im Taumel des Sie-I
. ges.
fVerwitderh verrobt im Wirrsaal deg;
Krieges-.
IJn zerrissenen Wärnsern, schreiend nnd(
I brüllend-.
Immer wieder die leeren Gliser sittlendl
Saß da in trunkeneni Uebermittb
Und tbat an des Wirtbes Weine ficht
« aut.
EPeter Flehn dem Wirth, was-VI ims
, Anae Unsi.
Ein Keller lag unten sein letztes Faß,
zSein letztes Faß, sein bester Wein,
jSie schleppte-i es eben in's Ziknnieki
I» . hinein ,
llnd ein Bürichchen, kaum an di- zw n
i W Its-tin
Stellte Ech vor ihn und Zerrte seinl
Dom-:
»Nun dont« Deinem Himmel, Du räu
dioer Hund.
Und tete Dein Spriichlein ausherzens
. arnnd.
Hätten wir nicht das Faß gefunden-—
Wir ließen Dir etwas anderes mit-iden:
Kennst Dn den schtvedischen Reiter
trants —
Wer den eininat in die Gnrael fchlnna,
Vergißt den Tag nicht gar so bald
Und würde er wie der betraott alt!«'
Peter Floht ward roth in oie Stirne
hinan,
Aus düsteren Augen blitzt c: ihn an.
Er ballt feine Fausts --sein Herz schlägt
bena:
O Stunde der Rache. wie wiibrit Du so
lana . ..
Und siehe. am Tisch, beim vollen Glas,
Ein junger schwedischer Lentnnnt saß
Die Augen frech nnd den Bart zer;aujt,
Der ichlnq auf den Tisch mit dröhnen- .
der ivauiiJ «
»Den Siegern, ung, in Strauß Unds
Streit i
United Heimnttilandez Herrlichkeit« i
Dem fröhlichen mien und ver fröhli
wen Zeit.
Ich bebe iisein Glas-: ---- im Lande weit,
Wer ilkut uns Beiciieio?"
Alter Atmen scheints drohend »n« Peter
Flehn
Aus der Rotte sprinnt ein Lands-kriecht
hervor-:
«Sprich. Schurke wenn nicht Dii Dein
Leben leid!
Das- Glas hier« nimm«si aieb uns Be
inieid!«
Wie ans Erz genossen steht jener still.
Keiner. der ian nalien will.
Da, sieh, durch vie offene Itiiir hinein
Tritt in’5 Zimmer des Wirthe-(- Töch
terlein
Langaufgeschossem die dreizehn Jahr,
Und die rothen Backen das t·-li)ndeHaar«
Ein Bauerniniidchen . itäenmig und
frisch
Die tritt an den Tiich.
»Wie heißt Dus«
»Herr. im Land
Flohr liitte Mäuse-) bin ich qenannt.«
»Was willst Du. "-«
: -«Herr, Ihr rieset weit
iFhr riefet .ich kam. .--ichthu Euch
Bescheid-P
»So ihrer-. Toch Toeißt Du aus-ti, tectes
Kind
Mit wemDu sprichst und wer wir sinds
Wisse. wir sind die betten im Land.
Euer Leben liegt in unserer Hand,
Und wollten rote Euer Verderben -—
Fhr tönntet noch beurte- a.m Galgen ster
n·« «
,.Jch steif-» «
Und Stille. Sie bebt das U«az.
Aus den Linden Ian t«tmtelt der Haß,
Eindrinnlich schriin sie Mann furManu
Mit großen marnenden Blicken an,
Und spricht
Und jedes Wort eine ita. nmende Klage,
Und spricht:
«Itpp hatt es uns wulUnm upp unsre
olen Miqu
Die Gäste stehn tin-um« Ein Flüstern
l its-:
»z«
—
»Das war tein Mensch. der »die Worte
sprach.
Das war -——« dochWteirtier endet das
o: .
Schön schleichen sichfdeimlich die ersten · .
or . —
Da, horch! in der Luft. —- einlBriiserh .
ein Schrei·n.»
Vom Felde der ichagt es in’5 Zernmet
inein. -— - s
»Was war das — um Gott . . . di- J
Bauern stehn auf. ;
Jns Freie drängt der trunkene Daqu
Nun rette sich. wer sich reiten kann:
Dumpf wuchtet dag-u nahe Verderben
ran.
O Stunde der Rache-l O Stunde der ,
Wonnet « » i
Auf den Senten der Bauern blinlt altis ,
bend die Sonne» q
Motie Flolir stand allein im leeren« »
H«
Haus. F ;
Sie fah wie eine Heilige aus. —— C
O L . T «
Auf brennendes Land iant müde di- «
Nacht.
Das Röcheln der Sgkbenden endete T H
la . zip
Das Land ward frei. Die Schweden «
laaen
Auf Vssenem Feld zerftamvft und er
fchlaaen·
. . . s F «
Jahrhnnderte gingen. Mit freundlicher
Hand
Seanei der Frieden das Holstenlaud, "
Vetichollen ist längst der Waffenttang,
Das Leben aebt feinen lieben Gang. E
Aber noch heute. im Kreise der Seinen,
Wenn am Sonntaa sichSöbne und En
kel vereinen. « -
Beim zweiten Gang, zwischen Braten« ,.»"
Und Fisch
Erhedt sich der Hausberr , nnd still «
wirds’s am Tisch. !
Der spricht : Beisammen beut wie ,
iuvolc —
Jch dent’, wir trinken ’mal »Moti-tx
Flobr!« ;
Und jeder wird ernst, und mit schlich
tem Mund -
That dei- hansherr die alten Worte «
lnnd J
Und feierlichllinqt es, demüthig uns f
rase: V
Z
»Um- datt es uns wull Haa, nvv unsre
olen Daae." H
g
«
's Maske
—-—-—-. —-——A--A
i -
s Aus einer Sammelltfte stir- Mc
I strittige Zweite.
—-..
»Daß Gott mir alle Wünsche stets
IErfiilIe« fünfzig Pfennige-. —-·
IF it n f M a r k: »Der liebe Gott ver
medA
Mir tausendfach das Wenige.« —- «
»Aus daß ich bald ein reicher Mann
iAui And’re pfeifen kann« zw ei
s M a r l. —
TDafür ein großes Schloß mit Patks
’Drei Mark und fünfzig
» - Pfennig:,,Daß
Mein Konkurrent in Bälde stirbt.«—
Zehn Pfennig: »Daß der Hans
« lei’ Gans
JkastZßt und sich um mich bespinnt-.
Vie r M a r l: »Damit mein Schuh
gewinnt
In Monaco und nicht verliert«. —
Ein Thaler: »Daß mein Nachbar ’
bald
Die Folgen meiner Rache shürt«. —
Zehn Mart in Silber: »Mi
dafür.
O Herr, so viele Scheffel Gold«. —
Zwei Mart: » amit der Text-set
bald
Die theure Schwiegermutter holt.« —
.lln;ia—nrit Grazie fort! Ja :- iat
»Es ist wahrhaftig eine Lust,
Gedrucki zu sehn welch gold’nes
. e r z
Sich birgt in edler Menschenbrust!
J. A w a l) r i s.
.
m »Es-s »k
UsL.I.-II
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ILQ MI- XMMJ J
Die Lösung des Råthieti.
Jn einer zahlreich lesuchten Berli
ner HofaeiellschaiL in welcher soge
nannte Zeichenräthsel zur Kurzweil
aufgegeben wurden, gerieth einst ein
junger Gardeofsizier in eine recht fa
tale Lcar. Eine hohe Dame stellte ein
RittyieL indem iie in einen silbernen
"Ldifel blickte, und erwartete als Auf
lösung das Wort »Silberblick« zu hö
ren. Der junge Offizier. an welchem
» zu rathen die Neide war, überlegte ei
nige Zeit lang, als Könia Friedrich
jWilbelm der Vierte »sian lcherkhaftes
kWeise in’s Ohr flusterte: «Lössel
Tau-Ist" -
) Man denle sich nun aber den Schreck
lver Gesellschaft, als der Ossizier mit
kdjeser Lösunaanch wirklich heraus
. p atztr.
Aue see guten taten Zeit.
l
I Hauptmann
Itter Vcrpoitentompannie, vie eben al
j larmirt wurde und abkiieten muß):
« »Du. Oberlirutenant. bleibicht mit
tzehn Mann beim Biersiißle — sonscht
stritt-'s vom Feinde ausg’sofie!«
l
Im Homer-h
Kaufmann Orts sich ein berührnter
Klaviervirtuoiug vroduirt): .,Donner
wettet, das aiib' einen Corresponoenten
auf der lemibmnichme!«
—--.--...
.
Beim heiratnivermimen
500,000 Yiükl Vermögen jmppniks
mir -—- aber der Vater der Dame soll
is im Zucht-hause gesessen haben.
Ja, junger Mann, zu solchem Mk
mögen zu kommen Ist's-it nnt großen
Schwierigteiten verknüpft.
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