reycoe gsofds « Roman von Josef Trean (25. Fortsetzung.) » Gerade einen Monat nach ihree » I« ücklehr stand Nan zum-zweiten Male mit Sir Gervase vor dem Altar der -»» . lten Kirche von Blackport und wurde · ady Greylock. Nur die Wenigen, de ren Liebe sie genoß, waren bei der Trauung zugegen; allein es fehlte nicht an herzlichen Glückwünschen, an auf richtiger Freude und san reichen Braut geschenlen, denn allen Einwendungen des Baronets zum Trotz ließ ich Lady Greylock nicht ohne Mitgift über das Meer nach ihrer künftigen Heimath in — England ziehen. Auf dem Verdeck eines Cunard Dampsers sagten Tante Pamela und ich ihr Lebewohl. Reichliche Thränen flossen bei dem Abschiede. Wir hatten sie gefunden, nur um sie wieder zu ver lieren. » »Lebe wohl, Polly!« sagte sie schluchzend, indem sie mich innig um armte. »Du wirst bald mit Tante Pa mela kommen, um uns in Grenlock Hall zu besuchen, wie Du Sir Gervafe versprochen hast.« i Noch lange standen wir auf der? · Werste und schwenkten unsere Ta-, schentücher, bis wir den Dampfer aus den Auqen verloren. Mit traurigem herze-i kehrten wir dann nach Greylock Woods zurück. »Der nächste Schlag, der mich trifft, wird wohl Deine Hochzeit sein, Pplly,« seufzte Tante Paniela, als me am Abend in ihrem Boudoir zusammen · saßen. »Wie lange wird es dauern, bis Du mir entführt wirst, wie Nan mir heute entführt wurde?« Jsrb zuckte die Achseln und erwiderte: »Liebe Trinke, angstige Dich nicht! Ich werde nie heirathen. Wir bleiben bei sammen in diesem Hause. Jch hatte nie einen Anbeter —- ich werde nie ei nen haben« Tante Parnela blickte mich mit gro- « ßen Augen an. »Wie unvernünftig Du sprichst, mein » Kind! Warum sollte sich Dir kein An- « beter nahen? Der spanische Typus Deines Gestchtes ist sehr einziehend Jch glaube, Du würdest wohl daran thun, während der Wintersatfon ein Haus in New York zu beziehen. Es wäre mir nichts erwünschter, als Dich in die fashionable Gesellschaft einzu führen. Jch habe viele Freunde, wie Du weißt, die sich in den feinsten Krei sen bewegen, und Du würdest gewiß Aufsehen erregen. Natürlich mußt Du daraus bedacht sein, Dich zu verheira then wie andere Mädchen« »Nein, nein, Tante Pamela — nur keine Partie für mich!« protestirte ich. »Auch an der sashionablen Gesellschaft ist mir nichts gelegen. Jch ziehe es vor, mit Dir hier zu bleiben; wir wol len nur für einander leben.« »Ja, aber ich bin alt,« seufzte Tante Pamela; »meine Frist auf Erden wird bald abgelauer sein, und wenn ich dahin bin, mein Kind, wirst Du allein dastehen.« —- — — Die Tage, die auf die Abreise des Baronetg und seiner jungen Gattin folgten, verflossen ruhig, fast langwei lig. Jch brachte meine Mußestunden hauptsächlich an dem Flügel zu — d nn ich schwärmte für Musik — oder a ch in der Bibliothec bei Godfreh rehlocks Büchern· Der Winter stellte ch früh ein und schloß uns völlig von der Welt aus. Eines Abends erschien Tante Pa mela, in tiefe Trauer gekleidet und mit ungewöhnlich trauriger Miene, beim Abendbrot. »Weißt Du, was dies für ein Tag ift, Ethel?« sagte sie. »Nein,« antwortete ich. »Es ist der Jahreötag des Todes Deifnes Vaters,« sagte Tante Pamela ern t. vor-»s Meines Vaters Tod! —- Das myste riiise Ereigniß, von dem einst Merey Pool in seltsamer Weise mit Regnault sprach! Schweigend setzte ich mich zu Tisch nieder. Ehe die Mahlzeit zu Ende war, er schien die alte Hoptins unter der Thür und sagte: »Es ist ein Bote von der »Man-In Herberge« hier. Mercti Poole ist sehr ·trant und wünscht Mis; Ethel unver züglich zu sel)en.« Jch war seit Godsrey Greylocks Tode nicht wieder in der ,,.tiat3en-.Her: berge« gewesen; auch Mercn hatte ich seit jener Zeit nicht gesehen-. Jch blickte Tante Paniela fragend an. »Ein sonderbares Verlangen!« er klärte sie kopfschüttelnd. »Es ist eine so rauhe. dunlle Nacht; ich würde an Deiner Stelle nicht bingehen, Ethel.« »Sie ist aber trank,« antwortete ich, »und vielleicht allein. Jch muß gehen, Tantr. Du brauchst um meinetwillen nicht auszubleiben.« »So nimm wenigstens die alte Hop lins mitt« »Ob« nicht doch! Jch bedarf keiner Gesellschaft. Die alte Hoplins ist kränklich; laß sie zu Bett gehen.« »Nun, wie Du willst!" stimmte die alte Dame halb widerwillig zu. »Du bist ein ganz merkwürdig surchtloses, muthiges Mädchen; geh’ denn hint« Es war eine bitterlalte Nacht. Ich hörte den Wind in den Gipseln der al ten Tannen stöhnen und die eftorenen Aeste der Kastanienbäume w e Todten ebeine llappern, als ich die dunkle llee hinab der Landstraße zu fuhr. Der Kutscher trieb die Pferde rasch an. i ) i k ! — zu kurzer Zeit stieg ich vor dem alten asthose ab. Nur durch die Fenster des alten Wohnzimmerö schimmerte Licht, sonst war Alles dunkel. Jch trat ohne Wei teres in den Hausslur und von diesem in’s Zimmer, wo Merch Poole sich be sand. Sie saß vor dem Feuer, mitten un ter ihren Katzen. Eine alte wollene Decke hing um ihre Schultern, und ihre abgemagerte, zitternde Gestalti beugte sich vorwärts gegen die Flam-! men. Bei meinem Eintritt fuhr sie’ aus und stieß einen lauten Schrei aus. ,,«’5iirchten Sie nichts, ich bin es,« sagte ich, denn ich glaubte, mein unan gemeldeter Eintritt habe sie erschreckt; »Sie haben mich holen lassen, und hier bin ich!'« Sie stand auf, und jetzt erst konnte ich die schreckliche Veränderung, die in den letzten zwei Jahren mit ihr vor gegangen war, deutlich wahrnehmen· Jhr graues Haar war schneeweiß ge worden, ihr einst so ausrechter Körper war gebeugt und abgemagert. Jn ihrem grauen, fleischlosen Gesicht brannten die hohlen, schwarzen Augen mit einer verzehrenden Gluth. »Kommen Sie näher!« ries sie mit heiseren lreischender Stimme. »Ich hätte Sie kaum wiedererlannt. Es ist eine kalte Nacht. Setzen Sie sich an’s » Feuer-, Misz Greylocl, und wärmen Sie l Ilchsts Jch gehorchte mechanisch. Die Katzen näherten sich mir, ,,Capitän Frid« be schnüsfelte meinen Pelzmantel; »Na vaillac« und »Pontius Pilatus-« miau ten zu meinen Füßen. Mercy Pool betrachtete mich neugie rig und befühlte meine warmen Klei der mit zitternden Fingern. »So!« sagte sie, »Sie sind also nicht » mehr Poler sondern eine reiche Dame —- die reichste im ganzen Countyt Jch s habe Ihre Geschichte vernommen; man sprach Wochen lang von nichts Ande rem in Blactpori. Wie konnte ich nur « Robert Gretslocts Tochter so lange un s ) i I s i f l ter meinem Dache haben, ohne es zu ahnen!« Jhre hohlen Augen slammten wie zwei feurige Kohlen. »Berul)igen Sie sich,« sagte ich, »Sie scheinen sehr trank zu sein.« »Ja,« leuchte sie, indem sie auf ihren Stuhl zurücksank. »Mit mir ist’s aus, meine Zeit ist gekommen! Wenn ich J das nicht gewußt hätte, würde ich nicht in dieser Nacht nach Greylocl Woods » gesandt haben, um Sie holen zu lassen. Almen Sie wohl, was ich Jhnen zu sagen habe?« um ihre Gebieterin herum; sonst ver nahm man keinen Laut. Selbst die Lampe auf dem Kamingesims brannte trübe. Alles Leben schien von dem Platze gewichen »J—ch weiß es wirklich nicht,« ant wortete ich. »Es war keine bloße Laune, die mich veranlaßte, nach Jhnen zu senden,« entgegnete sie. »Kann ich Jhnen mit irgend etwas dienen?« fragte ich; »Sie wohnen doch sicherlich in Ihrem gegenwärtigen hilflosen Zustande nicht allein hier?« l »Eine Magd ist in der Küche-, das ist z Alles,« versetzte sie. »Es kommen jetzt keine Gäste mehr hierher. Doctor Van dine wohnt schon seit über einem Jahre nicht mehr bei mir. Er hat sein eige nes, schönes Haus drunten in der Straße, und eine Verwandte besorgt ihm die Haushaltung. Er wird reich, der Doktor. Nein, Miß Grehlock, ich verlange teineGesälligteiten von irgend einem Menschen« und Sie wären die Letzte aus Erden, an die ich mich wen den wiirde. Jch bin kein verzagtes, schüchternes Weib, allein Gott weiß, ich würde nicht den Muth haben, Sie um eine Gesälligkeit zu bitten.« Jch fühlte mich so beklommen, daß ich sie nur anstarren konnte. »Wir Zwei sind allein in diesem Ziinmer,« fuhr sie fort, ,,Niemand hört uns außer Gott. Wissen Sie, welche Nacht dies ist ?« »Ja,« sagte ich, »es war die Todes nacht meines Paterss Die Katzen miauten und gurrten l I ! - -- s- s — Sie nickte befahend und streichelte »Pontius Pilatus« den Rücken. « »Die Thiere sind nicht gesiittert wor den,« erklärte sie mit mattem Lächeln; »das macht sie so unruhig. Jch war zu schwach, um in die Ftiiche zu gehen, und die Magd tann die Katzen nicht leiden. Ja, es ist der Jahresiag des Todes Jhres Vaters, Mifz Grehlock; ich wollte mit Jhnen iiber seine Ermordung re den." Nie in meinem Leben habe ich Augen in so wilder, dämonischer Gluth flam men sehen, wie die ihrigen bei diesen Worten. Athemlog wartete ich, daß sie fortfahren werde. »Als Robert Grenlock in jener Nacht den Gasthof verließ, um sich nach Gren lock Woods zu begeben,« sprach Merch mit fester, kräftiger Stimme weiter, »schlich ich mich hinaus in das obere Stockwerk. Jch zog den langen Man tel meines Vaters an, setzte seinen nie deren Hut aus und folgte Robert auf den Fersen bis zum Herrenhause — dann wieder zurück, den Hügel hinab bis zu den alten Salzgrubem und dort — erschosz ich ihn mit dieser Hand!« sagte sie, indem sie ihre fleischlose Rechte schüttelte. »Fragen Sie mich, was mich zu dieser That veranlaßte? Rache! Er hatte mir das Herz gebro chen, und ich hatte mir gelobt, ihn zu tödten, wenn ich ihn je wieder treffen sollte. Sein böser Genius führte ihn an jenem Abend nacht dem Gasthause; Godfreh Grenlocks Hartherzigteit trieb ihn in die Nacht hinaus und seinem — Schtcksale entgegen. Ich gab mir nie Mühe, die Gerechtigkeit aus eine fal sche Spur zu leiten. Oft wünschte ich sogar, daß man mich beargwöhnen und verhaften möchte. Jch erklärte God frey Greylock, daß sein Sohn wuch lings ermordet worden sei, ich sagte dasselbe jener verächtlichen Creatur, Robert Grenlocls Wittwe. Das Gleiche theilte ich Anderen mit, doch lein Mensch wollte mir glauben. Wenn sich je eine Stimme gegen mich erhoben hätte, so würde ich Alles bekannt ha ben, denn Gott nur weiß, welche Ge wissensbisse ich seit jener Nacht erdul dete —- welche unsagbare Seelenquall Oftmals wäre mir der Tod als will kommcner Befreier von meinem Elend erschienen. Jch liebte Robert Greylock mehr als mein eigenes Leben!« Jch vermochte kein Wort hervorzu bringen; sprachlos vor Entsetzen starrte ich sie an, während sie sich mitten unter ihren Katzen aus ihrem Stuhle hin und her schaukelte. »Sie glauben mir vielleicht nicht?« rief sie wild aus. ,,Sehen Sie mich an —- betrachten Sie dieses Haar! Jst es nicht weißer als das einer Achtzigjäh rigen? Und doch bin ich kaum über mein zweiundvierzigstes Jahr hinaus. Was Anderes als Gewissensbisse brachte diesen Zustand hervor? Bei E meinem starken Körperbau hätte ich ein « hohes Alter erreichen können. Er wars mir, als er fiel, einen Blick zu, der mich bis in die Ewigkeit verfolgen wird. Oh, mein Gott, ich sehe ihn noch!« rief sie, indem sie das Gesicht mit den Händen bedeckte. Dann fuhr sie zum zweiten Male I von ihrem Stuhle auf und stand wie Idas entsetzliche Gespenst eines Weibes vor mir. Mit fast kreischender Stimme rief sie aus: »Ich bin seine Mörderinl —- Jch er I schoß ihn bei den alten Salzquelleni » , Jch liebte ihn und ich tödtete ihn! Jch I konnte keine Stunde mehr leben, ohne thnen, seiner Tochter, dieses Geständ Ents-, abzulegen. Jetzt thun Sie mit mir, l was Sie wollen! Ruer Sie die Die tnek der Gerechtigkeit herbei; ich bin Jbereit, mich ihnen auszuliefern Jsch j werde nicht leugnen. Blicken Sie mich ; nicht so verblüfft an, sondern handeln t Sie rasch, sonst wird der Tod Sie um FJhre Rache betriigen! Eine ruchlose I Mörderin, wie ich, sollte nicht in ihrem EBette sterben dürfen! Gehen Sie jetzt i und thun Sie Jhr Schlimmstes!« Sie war nicht wahnsinnig, davon war ich sest überzeugt. Jch sprang von meinem Stuhle aus. Die Atmosphäre des niedrigen Zimmers erscictte mich; die runden Augen der Katzen stierten mich wle Dämonenaugen an. Jch ge dachte des Steinhaufeng, den sie mit ihren eigenen Händen über der Sterbe stelle meines Vaters errichtet hatte — ich gedachte ihrer nächtlichen Besuche an jenem Orte — ich gedachte ihres gan zen excentrischen Wesens, der furchtba ren Namen, die sie ihren Katzen gege ben hatte, und ich fühlte, ich wußte, daß das, was sie mir geosfenbart, die strenge, entsetzliche Wahrheit wart »Es wäre besser gewesen, Sie hät ten Jhr Geheimniß mit in’s Grab ge nommen!« keuchte ich. »Gott vergebe Ihnen, Mercn Poole!« Ein bitteres Lächeln spielte um ihre Lippen. »Ich konnte nicht sterben, bis- ich Robertg Tochter dieses- Geständniß ab gelegt hatte. Etwas hier drinnen« —- — mit diesen Worten schlug sie wild mit der Hand auf die Brust —— »trieb mich an, zu reden. Es war ein Theil mei ner Strafe, es Jhnen sagen zu müssen —- das Entsetzen auf Jhrem unschul digen, jungen Gesicht zu erblicken — Sie vor mir zutückschaudern zu sehen Gehen Sie, sage ich! Senden Sie die Schergen der Gerechtigkeit —- ich werde sie in diesem Zimmer empfan gen. Gehen Sie, rächen Sie Ihren Vater, wie es Jhnen zukommt —- Sie wären teine pslichtgetreue Tochter, wenn Sie es nicht thätenl Jch flehe um kein Mitleid, teine Gnade — nur handeln Sie rasch!« Jch ließ die gestöndige Mörderin mitten unter ihren Katzen zurück und eilte hinaus; dann sprang ich in die Equipage und hieß den Kutscher nach dem Herrenhause zurücksahrm Zum Glück war Tante Pamela be reits in dem Schlaszin«1mer; ich hatte daher nicht nöthig, ihr die entsetzliche Geschichte noch in dieser Nacht mitzu theilen. Jch selbst vermochte nicht ein zuschlasenz das Entsetzen verscheuchte den Schlummer von meinen Augenli dern. Sobald der Morgen graute und ehe ein Mensch im Hause auf war, klei dete ich mich an und machte mich auf den Weg zu den alten Salzgruben. Ein unertlärlicher Impuls-, eine Macht, die ich weder zu begreifen, noch zu bekämpfen vermochte, trieb mich dorthin. Ganz allein und zu Fuß schritt ich den Hügel hinab, auf dein selben Pfade, den mein Vater in der Nacht seines Todes gewandelt war. Kein Schnee bedeckte den Grund. Häßlich und dunkel erhob sich der Steinhauer in dem Dämmerlichte. Als ich mich ihm näherte, erblickte ich am Fuße des Denkmal-Z eine ausge streckte menschliche.Gestalt, in eine wol lene Decke gehüllt — die Glieder völlig regungslos, die Arme weit ausgebrei tet, das Gesicht der Erde zugewandt. Jch eilte näher. Es war Mercy Poole, die hier auf dem Flecke lag, aus dem sie vor etlichen zwanzig Jahren ihren un getreuen Liebhaber ermordet hatte! Jch beugte mich über sie und ries: »Macht Sie haben nichts von inir zu fürchten! Jch will das Amt der Rä cherin nicht übernehmen, dxnn ich alw be, 'ras3 Sie seit vielen Jahren schon Schlimmeres als den Tod erduldet ha vent« Keine Antwort, keine Bewegung. Jch hob ihren schneeweißen Kon auf. Jhre Augen waren geschlossen -—— siir immer! Jhr sleischloses Gesicht hatte einen seltsamen, unerklärlichen Aus druck. den ich nie vergessen werde. Jm Schatten des Steinhaufen-Z lag Merchs Bonn-, die Mörderin meines Vaters — ! kalt und todt! ’ 88. C a p i t e l. Ein weiteres Jahr war vergangen. Miß Pamela Greylock und deren Nichte lebten nach wie vor zu Greylock Woods in fast klösterlicher Stille. Bei der alten Dame machte sich die Last der Jahre —- sie war jetzt über 70 Jahre alt —- mehr und mehr geltend, Ethel dagegen arbeitete fleißig an ihrer Fortbildung; das Studium guter Bü cher und musikalische Uebungen nah men ihre Zeit vollständig in Anspruch. Daß Tante Pamela hiermit nicht einverstanden und die ,,unverständige« Lebensweise ihrer Nichte, deren Gleich giltigkeit gegen gesellschaftliche Ver gnügungen und totale Mißachtung all’ der Dinge, die eine reiche und hübsche Erbin von Rechts-wegen interessiren sollten, beständig und lebhaft tadelte, machte auf Ethel gar keinen Eindruck. »Ich bin nun einmal nicht wie an dere Mädchen, Tante,« sagte sie zu ihrer bejahrten Verwandten; »ein Leo pard kann sein buntgeflecktes Fell nicht wechseln, und gerade so unmöglich würde es sein, eine Weltdame aus mir zu machen. Uebrigens,« fügte sie lä chelnd hinzu, »will es mir scheinen, daß wir Beide recht glücklich in unse rer Abgeschiedenheit von der Welt sind.« ,,Allerdings!« stimmte die alte Dante herzlich zu. »Aber Du stehst Dir selbst damit im Licht, Ethel; es ist geradezu Unsinn, wenn ein Mädchen in Deiner Stellung solch’ nonnenhaftes Leben führt. Du denkst eben weniger an Dich als an Andere,« fuhr sie fort, in dem sie dieWaise zärtlich anblictte, »der Himmel weiß, daß Du das beste, edelste Herz von der Welt hast!« Ethel-Polly liebte ihr Besitiihum — das reichgeschrniickte, stattliche Haus und dessen großartige Umgebungen. Sie machte wederBesuche, noch empfing sie solche; nichtsdestoweniger hatte sie sich in der verhältnißmäßig kurzen Zeit, die sie aus ihrem Erbe weilte, be reits zahlreiche Freunde erworben: die Armen, Kranken und Vetümmerten. Auf Meilen in der Runde war sie all’ Denen, die des Trostes und der Hilfe bedürftig waren, wohlbekannt. Regelmäßig trafen von Zeit zu Zeit Briese von Lady Greylocl ein, die von Glück förmlich überströmten, den Ba ronet als den edelsten Mann und liebe vollsten Gatten, ihr englisches Heim als ein wahres Paradies schilderten. Am Ende des Jahres aber lief die er freuliche Nachricht in Greylock Woods ein: das Ehegliici der jungen Gatten war durch die Geburt eines Sohne-J und Erben gekrönt worden. Der idyllische Friede auf Greylock Woods aber sollte bald einem Leben voll Sorgen und Mühseligleiten wei chen. Das kleine Blackport wurde durch den Llugbruch eines gefährlichen, ansteckenden Fieber5, das seine Opfer anfänglich besonders in den Hütten der Fischer suchte, in Schrecken gesetzt; die Hitze deSSommers war unge wohn lich stark und anhaltend gewesen, schädliche Miasnien stiegen unter der Glutb der Sonne aus den sumpfigen Marschen auf und trugen Tod und Verderben in die dürftigen Behausun gen der Armen. s-- « Doctor Bandme weilte Lag nnd Nacht an den Stätten des Leidens-; er schien in dieser Zeit der Noth weder der Ruhe noch des Schlafes zu bedürfen. Er war der einzige Arzt im Orte und hatte, trotzdem der Umfang seiner schwierigen Praxis von Tag zu Tag wuchs, keine Hilfe zu erwarten, da die Epidemie sich auch über die Nachbar städte verbreitete und die dort wohnen den Doctoren vollauf in Anspruch nahm; nicht einmal Firanienwärter waren auszutreiben. Dazu kam noch, daß die Bevölkerung von Blartport im Allgemeinen recht arm war, und dasz es demzufolge in dem Heim der Kran ten oft an den nöthigsten Bequemlich keiten fehlte. Eines Abends wurde Bandine zu sehr später Stunde noch zu der Behau sung eines Frofchfängerg gerufen, die am Rande der sumpfigen Marschen lag, an einer verlorenen, einsamen Stelle und, von den letzten Strahlen des untergehenden Mondes beleuchtet, einen selbst in diesem traurigen Erd winkel ungewöhnlich düsteren und un freundlichen Eindruck machte. Die verfallene Hütte beherbergte ein halbes Dutzend elender, mutterloser Kinder, die fämmtlich im Banne der schreckli chen Krankheit lagen, ohne daß ein Mensch zu ihrer Pflege dagewesen Watt. Der Vater der armen kleinen We sen, ein halb blödsinniger Trunken bold, lag schwer berauscht auf einem Haufen Seegras vor der Hütte, sein Handwertszeug —- das Netz zum Froschfang und den Sack aus Segel tuch —- neben sich. Vandine versuchte es, ihn wachzu rütteln, und blickte rathlos um sich, als ihm dies nicht gelang. Der nächste Nachbar wohnte mehr als eine Meile entfernt, die kranken Kinder bedurften dringend der Wartung, und in der Hütte, deren Jnneres ein trauriges Bild der Armuth und Berwahrlosung bot, war nicht einmal ein tühlender Trunk sitr die stöhnenden, sich unruhig hin- und herwälzenden Kleinen zu finden. Der junge Arzt sah sich zuerst nach Wasser um, und es glückte ihm auch, nach eifrigem Suchen eine Quelle nahe dem Hause zu entdecken; dann brachte er, so gut es ging, die diirftige Lager ftatt der Kranken in Ordnung, flößte ihnen die nothige Medicin ein und be- » tieg schließlich sein Pferd, um wieder I sortzureiten »Ich werde ihnen eine Wärterin schicken,« murmelte er, indem er noch einen bedauernden Blick aus die un glückliche Nachkommenschaft desFrosch sängers warf. Aber dieser Vorsatz war leichter ge faßt als ausgeführt. Obgleich Dici die halbe Nacht über herumlief, um eine barmherzige Seele zu finden, die sichl der Pflege der verlassenen Kinder ge-; widmet hätte, so blieb doch all’ sein Mühen vergeblich, und schweren Her zens stand er endlich von weiteren Ver suchen ab. Am nächsten Tage eilte er wieder nach der Hütte. Als er in die Nähe kam, bemerkte er mit Erstaunen, daß aus dem Schornstein eine dünne Rauchsiiule in die klare Luft empor stieg. Rasch öffnete er die Thür, trat auf die Schwelle und blieb, aufs An genehmste überrascht, stehen. An Stelle der wüsten Unordnung und des jammervollen Elends von gestern er blickte er heute — Sauberkeit, Sreisen, einen Ueberfluß von neuen Kleidern, Eis, eingemachte Früchte und, was das Beste von Allem war, eine Kran kenwiirterin, die geräuschlos von einem Kinde zum anderen eilte nnd mit der sicheren und zarten Sorgsamkeit, die ein ausschließliches Erbtheil des Wei bes zu sein scheint, Um die Kranken be Inijht war. »Welcher Engel des Himmels ist hier gewesen?!« rief Vandine aus-, als er seine freudigeRtihrung und sein Er staunen etwakz bemeistert hatte. Jn diesem Augenblicke erhob sich eine schlanke Mädchengestalt in einfach dunklem Gewa«.de, die bisher, unbe merkt von dem junaen Arzte, in einer halbdunklen Ecke des Raumes an dem Bette eines der kranken Kinder gesessen hatte. Der junge Arzt zog rasch und höf lich den Hut; sein wettergebräuntes, halb von einem röthlichen Vollbart be decktes Gesicht zeigte keine sonderliche Bewegung, aber seine Stimme bebte leicht, als- er sagte: »Ich finde keine Worte, um Jhnen für diese so rechtzeitige Hilfe in der Noth zu danken; wie kommen Sie hierher, Misz Greylock?« Er hatte Ethel - Polly erkannt. Jhre Figur hatte an Rundung und Fülle gewonnen, und in ihrem Gesicht mit den großen, dunklen Augen und dein regelmäßigen, scharfgeschnittenen Profil war trotz der unverändert bril ueiten Färbung der Haut nur wenig zu finden, das an Großmutter Seragg Enkelin erinnerte. Auch ihre Hände, die damals- roth, rauh und ar beitähart gewesen, waren nun von ei ner sannnetartigen Weiche und mar morweis3. Dick bemerkte, daß sie keine Ringe trug, und dachte unwillkürlich: »Was für schöne Hände sie hatt Wie eS scheint, findet sie jetzt noch ebenso viel Vergnügen wie früher daran, dort zu helfen, wo Hilfe noth thut.« »Ich hörte zufälliger Weise heute Morgen von der traurigen Lage dieser armen Wesen,« erwiderte Ethel ruhig. »Wenn sonst irgend etwas- hier ge braucht wird, soll die Wärterin es so gleich besorgen. Das arme Blatt port! Es ist eine böse Zeit über seine Einwohner gelommen.« »Ja,« antwortete Dick ernst, ,edie Zahl der Fieberlranken in der Stadt hat sich heute Morgen wieder vergrö f-,ert.« »Wie können Sie es nur möglich machen, ganz allein für so viele Pa tienten zu sorgen?« fragte Ethel mit einem Blick voll so warmer Theil nahme, daß der junge Arzt sich an die Polly früherer Zeiten erinnert fühlte· »Ich habe in den Nachbarorten um Hilfe gebeten,« versetzte er, »aber leider ohne Erfolg, da das Fieber auch dort überall ausgebrochen ist. Glücklicher weise genügt für den Nothfall meine Kraft —- wenigstens vorläufig. Aber Sie, Mis; Grehlock —- tvisfen Sie nicht, dasz die Krankheit in hohem Grade an steckend ist? Dadurch, daß Sie Platze, wie diesen hier, besuchen, setzen Sie sich der größten Gefahr au5.« Ethel lächelte ruhig und sagte: »Ich fürchte mich nicht!« »Das hätte ich allerdings- ohne Ihre Versicherung wissen können,« entgeg nete er mit einem tiefen Athemzuge. Dick begleitete sie dann bis zu ihrer Equipage, die in der Nähe hielt, et kundigte sich höflich nach Misz Pamela Greylock und blickte dem davonrollen den Wagen lange nach. Es war dies das erste Mal gewesen, daß die Beiden sich während jener schrecklichen Tage der Krankheit und des Todes trafen, aber nicht das letzte Mal. Jn jedem Hause, wo Mangel und Armuth «herrschten,- fand er sie wieder. Wochen und Wochen hindurch kämpften der junge Doktor und die reiche Erbin Schulter an Schulter ge gen den furchtbaren Gegner; er mit der Kunst und Gewissenhaftigkeit des Arztes — sie, indem sie siir tüchtige Krankenwärterinnen und fig-: die zahl losen Hilfeleiftungen sorgte, die einzig und allein mit Hilfe des csjcldes ver schafft werden können. Nur Vandine selbst wußte, wie viele Leben sie ihm —I retten half, wie vtele er ohne thr« Beistand niemals hätte retten könne-J Sie fprachen wenig mit einandj wenn sie bei der Ausübung ihres edl Werkes zusammentraer. Er war t» einfache, sich von seinen pflichttreu Collegen durch nichts unterscheiden Arzt —- fie, die reichste Dame der ga zen Gegend, zeigte sich ebenso zurü haltend in ihrer Art und Weise, t-! sie großmiithig und tapfer war. K nes von ihnen machte den Versuch,«. sich selbst gezogenen Grenzen zu üb« schreiten oder auf die vertraulichen L· ziehungen von früher anzuspielen. , Eines Nachts traf Dicl das ef· Mädchen in einer Hütte am Meere strande. Sie saß am Lager eir sterbenden Weibes. Die knochige, gelbe Hand der L denden hielt die schmale, weiße Reis des Gastes fest umklammert, als ob die letzte Hoffnung auf Erden wä an der sie sich festhalte. Miß Grehlock hatte eine Bibel , der Hand und las der Kranken dara « vor; der sanfte Wohllaut ih Stimme wirkte tröstend und beru gend auf die an der Schwelle i dunklen Jenseits stehende zittert Seele. Dr. Vandine blieb, den Hut in i Hand, erfüllt von einem unwillkür chen Gefühle der Ehrfurcht, auf k Schwelle stehen. Ethel blickte ni auf; vielleicht hatte sie ihn gar ni bemerkt. Er hatte volle Muße, die St flexe des Lichtes auf ihren reich dunklen Flechten und den zarten We gen zu beobachten. Sie sah blaß u ermüdet aus. Was für ein merkwi« diges Leben sie doch führte, sie, in ren Macht es gelegen hätte, sich f häßlichen Anblick der Schattensei des Lebens für immer fern zu halte Ein eigenthümliches Gefühl kam ü Vandine, als er so dastand und d Tone ihrer klaren, ernsten Stim lauschte. Die Luft des engen Raur schien ihm schwül und drückend, vermochte kaum Athem zu hol Blitzartig kreuzten sich seine Gedan in feinem Hirn, und plötzych war ihm, als ob er die kleine Polly wie vor sich sehe, wie sie, ein echter, z lumvter Straßen - Araber, zum . sten Male seinen Pfad kreuzte. Er innerte sich, welch’ tiefgehendes Jnt esse er stets an ihr genommen, er dachte der Pläne, die er hinsicht ihrer Erziehung und ihres Wohler hens einst gefaßt, und die der Wert ’ ihres Schicksals zerstört hatte, n ehe sie zur That geworden; er geda auch jener stürmischen, kalten Wint. nacht und der einsamen Straße, welcher er betäubt und hilflos geleg bis sie gekommen war und ihn gere , hat-e. Und dann wurde er aus die Träumen plötzlich aufgeschreckt. Miß Ethel ließ das Buch fallen 1 blickte ihn an; offenbar hatte sie se Anwesenheit im Zimmer längst merit. »Jhre Hand ist lalt,« flüsterte indem sie ihr dunkles Haupt leicht gen die Kranke neigte. Er beugte sich über das Bett. k Seele der armen Frau war still 1 schmerzlos hinübergegangen zu Gefilden deI ewigen Friedens, aber Finger der Todten hielten die Hi Ethels noch immer so krampfhaft r schlossen, daß der junge Arzt sie waltsam lösen mußte. ,,Kom1nen Sie mit,« sagte er da »Sie können hier nichts mehr th Kommen Sie, Miß Greylockt Wok Sie denn auf sich selbst gar keine R1 ficht nehmen?-« Bleich, sichtlich erschüttert st( Ethel auf. »Oh, Doctor Vandine! Wann w diese furchtbare Zeit enden?« rief schaudernd.—« -.·--« - ---« s ,,«7«kassen Sie Muty!" Iroicere er »Wir haben in dieser Woche kei« neuen Fall von Fieber gehabt, und denke, wir können annehmen, daß Epidemie fast erloschen ist.« Sie zitterte heftig. Er hob die dem Fußboden liegende Bibel auf i breitete dem jungenMädchen den M tel aug schwerer, dunkler Seide um Schultern· Dann traten die Bei in die Nacht hinaus, die Sorge für Todte deren Verwandten iiberlassen Die Wogen rollten gegen den mo beleuchteten Strand, so daß es wie ? Schluchzen eines brechenden Herz klanaz der Wind war zur Ruhe gangen, und die weite Fläche der M schen laa dunkel und still unter t woltenlosen, sterntlaren Himmel. »Ist Jhr Wagen nicht hier?« frc der Arzt, sich nach allen Seiten r bliclend. »Nein.« erwiderte sic. »Ich habe Hause angeordnet, daß ich erst um Uhr abgeholt werden sollte; ich i nicht so lanae warten; ich kann ja n der Villa gehen « furchtsam bin nicht, und außerdem gibt es in g Blackport keinen Menschen« der 1 etwas Böses thun würde.« Dict sah sie mit einem sonderba Blick an. (Fortsetzung folgt.) —.f An einen Wichtigthuer Du weißt nicht, wie du drollig bist Dein Pathos macht mich lachen, Ja freilich, wer nicht wichtig ist, Der muß sich wichtig — machen! —- Vorher unglücklich.! ter: ,,Pun, warum weinst Du wiede —- Sohnchem »Die Mutter backt t, che»n.« — Vater: »Ist das ein ? gluct?« — Söhnchem »Aber nur wenia.« .