Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, December 24, 1897, Sonntags-Blatt., Image 16

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    Weib-echtem
Wen rieseln weit und breit
« weite Land liegt überfchneit
" ZUmmetnacht
Leben rings umher sich regt,
Dunkels nächi’get Fittich trägt
’ Erde sacht.
durchs Gewdlk mit einemmal
eines Sternes lichter Strahl
X dunkler Höh’;
« - Glöcklein fern klingt hell und rein,
hnachten kehrt auf Erden ein —
. t glänzt der Schnee.
—-..- .----—
Feuergefähtkich.
Zeitraums-Erlebnis in den tückischer-z
Gewässeny von Christian Bentardr i
oot ahoi!«
Possirt!« schallts zurück, und derl
"--s»«»--W
. auf der »Minerva«, der das
Boot angerufen raisonnirt in
dunkle Decembernacht hinaus:
" uchen ja nicht so dicht hier vor
; zu kommen, wenn sie nicht zu uns
tdbollen.«
- der hört man Ruderschläge. Der
zs lauscht und ruft: »Boot ahoi!«
" Winervak
·ese Antwort meldet die Rückkehr
T Tommandanten, die Fallreepå
« nehmen die Gig in Empfang, der
, «bendeOsficier begrüßt den Ca
. nn Deck, worauf dieser in seine
-"« hinuntergeht und seinen Ade
rufen läßt.
L«be"·«« nicht viel Neues ersahren,«
T- er den Lieutenant an. »DieE
-. : schlagen sich mit den Russen
s llan herum, in den Hafenplätzen
ruhig und so werden wir wohl
i in Smyrna ungestört Weihnach
« feiern können."
Der Adjutant will gehen, aber der
Titän ist gut aufgelegt und vlaudert
ein Weilchen von der bevorstehen
Weihnachtsfeier und von den 50
s «nenbäumchen, die er für seine
nie-hast von Triest verschrieben
v Dann sagt er plötzlich wie von
- Ehr: »Habe da in der Franken
f
, ;
- einen Papierladen ausfindig ge- «
»t« wo allerhand Sachen szu haben ;
E , buntes Papier, Flitiergold, I
·..-.Ä«ch5"lichter und dergleichen. Der
» imeifter foll dort den nöthigen
s-,s mfchmuck einkausen Vielleicht se- s«
- Sie sich morgen einmal die Sachen
H die ich ausaefucht habe. Franken- I
« ße 64, der Kaufmann ist Oesterrei- Z
! und hat ’ne ganz hübsche Tochter.« ·
« ooi ahoi!" rust’s oben an Deck. f
" a, ja!" I
»- Ich höre, Jhre Kameraden kom
· zurücks« bemerkt der Commandant;
« entläßt den Lieutenani der nachT
Officiersmesse geht, um die ans
s Kommenden zu begrüßen Schon s
der Treppe rufen sie ihm entgegen: ;
« «Er« schon an Bord? Hat Eri
jin gesagt?« «
« ß Er in den Schwender schen !
gerieth und den Papierengel
»s lernte, hat er gesagt. « I
: iimmi, und wir haben ihn aus «
Paradies vertrieben. Vollkom- i
"J ahnungsios natürlich. Um nach?
« Aajffee und vor dem Bier nichts
langweiliaen Todes zu sterben,k
its-en wir über die Matina- undl
szszmnkenstraßtz da macht sich plötz- .
«— ein aroßer Bleifedermangel fühl-;
nnd sofort nehmen wir Kurs nach!
ndeL Mit vollen Segeln laufen
« - ein da —- steht Er am Ladentisch
T läßt sich Wachs-lichter zeigen. Als-E
"«Bude voll ist, wird s ihm anheimg
und schleunigst geht Er Anker auf
dalie, die ihm das Geleite gab, rifHE
adenthijre auf daß die braut-to
Locken im Zugwind flatterten wie
· iitlenflaqae Dann bediente fiel
e-; , sprach »Mit sch« und —
« , spotten Sie man!« wirft ein
« ein. »Sie sind doch bekann-;
- L. am allergriindlichsten in den f
engel verteilt « l
- die Antwort erfolgt, ·qufiö
Noot ahoi!« j
·.ein nein!'· j
es »Nein, nein!« meldet die be
en Mannschaften, die auf dem
gemustett werden, um dann
ngematten zu holen und in die
zu verschwinden Trotzdem
»Oui« im Schiff« commandiri
«« halten sich die Kojennachbarn
W im Flüstern-n und der Ge
- - " ist überall derselbe, wenn
e der Wortlaut:
Eener seggen, wai he will, dai
Mdammi Tenncke Deern.«
MrierdeetnT Dat will ick mee
Bok Czssiciees hebbt dai ja vol
, sum-est us wie qwekst hin
T
ji«-III
—H
-———— j-:
matt."
»Ja, se dachten woll, dat Schön
thauen paßt sick nich, wenn wi dahie
sünd.«
,,Ruhe im Schifft« donnert der
Feuerwerker dazwischen, der die Bat
s tetie noch einmal abschreitet und dann
seine Kammer aufsucht. Auch er ist
an Land gewesen beim Papierengel,
aber er spricht nicht davon. Nur ein
Stoßseufzer entringt sich seiner Brust,
während er zur Ruhe geht; in sein
dierzigjiihriges Feuerwerterherz ist ein
Funke gefallen und der darin lagernde
Zündftoff brennt lichterloh. Ob Eu
lalie ihn wiederliedt2 Oh ihr Herz
ebenso glüht, wie ihrer Locken Gold?
O, sie wird von foVielen umschwärmt,
aber nur er meint es ehrlich mit ihr
und sein soll und muß sie werden!
Am folgenden Tage ist kein Dienst
und dennoch herrscht eine sieherhaste
Thätigteit. Schon in aller Frühe
tommt der Postdampfer mit den Weih
nachtshäumen an, der Zahlmeister
macht in der Frankenstrasze 64 nam
hafteEinIäufe und am jenseitigen Ufer
der Bucht wird von den Bartaßmann
schaften Grünes zur Ausschmüclung
des Festraumes »requirirt«. Immer
grüne Oleandersträuche wachsen dort
wild und die Blüthen und Früchte zu
gleich tragenden Orangenbäume sind,
wenn nicht herrenlos, so doch deutsche-Z
) Eigenthum, an das die Marinemann
i schaften ein gewisses Befchützeranrecht
i zu haben glauben. Der Besitzer, ein
J patriotischer Kaufmann, hat ja sogar
Z seine ganze dies-jährige Wein- und Fei
Tgencreseenz freiwillig geopfert, indem
er seine Gärten den Schiffscomman
dos als Schießplätze zur Verfügung
stellte; mag er jetzt auch noch die Oran
gen darangehen, vielleicht fliegt ihm
« dann das ersehnte Ordensbändchen um
so sicherer in’s Knopfloch »
hebbt de Herren sick schleunigst dünn- :
i
An Bord werden die Geschütze aus- ’
gerannt, die Kanonenpforten geschlos
sen und bei Laternenschein Guirlanden
und Kränze gewunden, mit denen die
Batterie ausaefchmückt wird. wie ein
FestfaaL Zwischen den Geschützen
sitzen Matrosen und Heizer an ihren
Tischen und verarbeiten das von der
Firma Schwender aelieferte Glanz
und Seidevavier zu Flaggen. Schifer
und Ankertettm Es ist unbegreiflich,
welch’ Fierliche Sächelchen die ungelen
ken Theerfinaer berausbtingem selbst
Transvarente werden anaefertiat, de
ren mehr oder weniger patriotifcbe oder
mitziqe Jnschriften alle Beifall finden.
Nur das Marbwerk eines berüchtiaten
Cvnikers empört nänniqlich7 auf dem
Pestreffenden Transparent steht zu
e en:
,,Rothe Haare und Erlenhecken I
Wachfen auf keinem guten Flecken.«
Es wird in tausend Stücke zerrissen ]
und urn ein Haar auch sein Schöpfer. -
Endlich ist Alles bereit. Die fest
täglich gekleidete Mannschaft steht in
der prächtig geschmückten Batterie um
her oder vor der Kombüse, wo aus
mächtigen Kupfertesfeln Braten- und!
Grogdüfte emportoirbeln Vor der I
Commandantenkajüte ist aus Brettern
und Flaggen eine Art Lesepult errich
tet, rechts von ihm befinden sich die für
die Officiere und deren Gäste bestimm
ten Plätze, im Hintergrunde soll die
Musik Aufstellung nehmen. Auf den
vielen Tischen an der Bordwand liegen
unter den noch dunklen Weihnacht5
bäutnen allerlei kleine Geschenke bereit, I
; Tabat und Pfeifen, Dreimännercigar- «
»ren und rosenumranktes Postpapier
; für Neujahrswünfche und Liebesbriefr.
j O, ihr armen Seemannsschätze arn
» Nord- und Oftfeeftrande! Ahnt ihr
E denn nicht, daß die blaujackigen
Schlingel euch allesamtnt über ein
goldrothes Lockenhaupt vergessen und
i verrathen haben? Kein Weibnachts
baum im Schiffe, an dem nicht wenig
ä stens einmal der aus rothem Glanzw
; pier ausgefchnittene Name »Eulalia«;
; prangt, keine Matrosengruppe, in der
; nacht von der »Papierdeern« die Redej
1 .
» ——l
M t
Draußen am Fallreep legen einige
Civilbvote an, gleich darauf erschallen
langgezogene, feierliche Glockentönez
die Schiffsglocke, die sonst halbstünd
lich die Uhrzeit verkündet oder in hasti
gen Schlägen die Mannschaft zur Ab
wehr drohender Feuersgefahr eklat
rnirt, ruft zur »Kirche«. Es wird aber
kein eigentlicher Gottesdienst abgehal
ten, der erste Officier hat es übernom
men, in schlichten, zu Herzen gehenden
Worten der fernen Heimath zu geden
ken, wo in dieser Stunde in jedem
Hause die Weihnachiöterzen brennen
und Taufende Derer gedenken, die,
kaum von Salonil heimgelehrt, wieder
in die iiirkifchen Gemässer entfandt
worden sind und hier auf dem einfa
men Schiffe das Schönste aller Feste
begehen. Auf einen Wink des Red
J ners werden an den Bäumchen und tn
; den Transparenten die Lichter entzün
- det, die Musik-spen- W ein und inl
kräftigen Akkorden tönt aus vierhun
dert Kehlen: »O, du fröhliche, o, du
selige, gnadenbringende Weihnachtss
zeit.«
Mit dem Liede endet auch die ernste
Feier, und nun geht’s lustig zu im
Schiffe. Nachdem das Festmahl ein
genommen, werden kleine Geschenke
ausgetauscht, die engeren Landsleute
und älteren Seefahrtsgenossen schaa
ren sich um die Lichterbäume und ein
gewaltiges Rauchen und Zechen be
ginnt. Die Cigarren brennen wie
Feuer aus den Zungen, der Grog —
nicht zu stark von Wasser! —- zerreißt
schier die Kehlen, doch das befördert
nur die Gemüthlichieit. Man hört
fast nur noch Seemannslatein; um den
Vorredner noch zu übertrumpfen, lügt
John Mant, daß sich die Balken bie
gen. Seeräubergeschichteni —- Kinde
reien! Da muß man schon mehr erlebt
haben, wenn man mitreden will. So
mußte Einer mit feinem Schiff im
Rothen Meere vor Anker gehen; als
der Anker wieder ausgewunden wurde,
hing ein Rad vom Wagen des seligen
Königs Pharao daran. »Das ist noch
nichts,« erzählt sein Nachbar, sich in
eine mächtige Dampswolte hüllend7
»in dem Taifun, den ich vor fünf Jah
ren aus einer englischen Bart mit
rnachte, blies es so hart, daß unserem
Steuermann, der einen Befehl geben
wollte, alle Zähne glatt in den Hals
geweht wurden; klopfte er sich nachher
auf den Bauch, dann tlapperte es da
rinnen, als ob man einen Sack Nüsse
schüttelte.«
- PUJJW
Die Zuhörer widmen dem Erzähler
einen stummen Hochachtungsschluch
und schon holt ein Anderer ties Athem,
um den Trumps zu stechen, als plötz
lich die laute Unterhaltung in derBat
terie verstummt. Alsbald aber geht
wieder ein Gemurrnel durch denRauni,
man steht aus, verrentt sich den Hals
und traut seinen Augen nicht« Durch
die Mittschiffslute steigt nämlich an
der Seite des Feuerwerlers eine weib
liche Gestalt herab; ihr Haupt um
schwebt eine Art Glorienschein, denn
ihre Locken leuchten selbst durch den
dicksten Tabatsqualrm »Potz Blitz
und Brahmsiangen —- die Papier
deern!«
Es ist wirllich Eulalia, die mit ih
rem Vater, einer Einladung der Deci
osficiere Folge leistend, in das schon
recht weltliche Treiben als Weihnachtg
engel hineinschwirrt. Sie erscheint siir
; einen Engel fast ein bischen zu erwach
i
)
f
f
l
- sen und von einer siir ein junges Mäd
chen etwas überreichen Körpersiillez
hier in der hellen Beleuchtung erkennt
man auch die selbst im Winter nicht
gänzlich erbleichenden Sommerspros
sen, die ihr Antlitz zieren. Nase und
Mund sind nicht eben edel gesorrnt,
doch rnan dars nicht allzu wählerisch
sein in einem Lande« wo die holde
Weiblichteit ihre Reize hinter dichten
Schleiern verbergen muß oder zwischen
diisteren Haremsrnauern schmachtet,
; und daß er »den Mangel einer erquick
lichen Liebe« peinlich empfindet, das
hat jeder Matrose mit Goethe gemein.
An Eulaliens blitzenden Augen fände
. übrigens selbst ein Weiberseind nichts
auszusehery ihr wunderbar üppiges
galt-rothes haar aber ist gerader
feuergesährlich.
Die Deckofficiete führen ihre Gäste
durch die Batterie und dann in ihre
Messe hinunter zur Weihnachtöheschee
rung. Unterwegs wirft Eulalia einem
ihr begegnenden Lieutenant einen to
tetten Blick zu, der in des Feuerwa
lers Herz jäh die Flamme der Eifer
sucht entfacht. Auch mit dem blond
bärtigen Maschinisten spricht sie mehr
als nöthig, und was braucht sie so un
bändig zu lachen, als der Bootsmann
in seiner Niedertracht den grauenhaa
-ren eine Grabrede hält, die »College
Feuern-nur« heute sorgfältig aus
Haar und Bart gezwicktt
Doch der Braue will sich nicht ör
gern und spült den aufsteigendenGroll
energisch hinunter. »Die von dem Bot
telier angesetzte Bowle ist auch weiß
Gott nicht von Pappe, nach dem Ge
nusse des sechsten Glases macht der alte
Schwender mit allen Anwesenden Brit
derschaft, der Bootsmann streift im
Laufe des Gesprächs wiederholt die
Toilettenfraae der Südseeinsulanerin
nen, mag ihn der Feuerwerter auch
: noch so kräftig mit dem Ellenbogen an
stoßen. Jeyt erhebt sich der Sterbs
wachtrneister zu einer schwungvollen
Rede, da fliegt die Thüre auf und als
ein Deus et muchiua erscheint der
erste Officier auf der Schwelle.
.Bootsmann !«
Der Angerufene schnellt empor und
stößt im Bestreben, über den Tisch zu
voltiairen. die Bowle um; zwei Sc
—
lrunden später sieht er, der über
schwemmten Zeitgenossen nicht achtend,
vor seinem Vorgesehtem
»Sie hören und sehen ja wohl ar
nichts hier unten,« haucht der erste Ef
fieier ihn an. »Es ist eine steife Brise
ausgesprungen, wir müssen Kette
stecken. Und sofort die Fremden von
Bordt Die übrigen Civiliften sind
Längft an Land und der Barometer
fällt stetig; munter also!«
Die Rede wirkt eigentlich mehr nie
J derschmetternd als ermunternd, insbe
sondere auch auf Eulalia, die siir die
bevorstehende Bootfahrt wenig Nei
gung zeigt. Doch sie sieht ein, hier auf
dem Schiffe tann sie nicht bleiben. Es
ist auch gar nicht mehr gemiithlich an
Bord, in der Batteri:, wo die Weih
nachtslichter verlöscht find, rasselt die
Ankeriette, auf dem Ohrrdesi til-ertö
nen laute Commandorufe d:«3 Ge
räusch hastiger Mönnerschritte. Hut!
wie der Wind pfeift und an ihren ro
then Locken zerrt. Die Pinnasz, der sie
sich anvertrauen soll, tanzt wie eine
Nußschale an der Schiffsseite auf und
nieder, doch da hilft kein Sträuben,
hinunter die schwankende Treppe und
hinaus in das hrausende Meer! »Auf
gepaßt, damit es tein Unglück gibt!"
ruft noch der erste Ofsieier dem Boots
steuerer nach und die an Bord bleib-n
den älteren Matrofen murmeln he
sorgt: »Wenn dat man goot geihå!«
Etwa eine Stunde darf unter den
gegebenen Verhältnissen ein Boot brau
chen, um an Land und wieder zurück
zufahren. Die Stunde vergeht, aber
die Pinnasz läßt sich nicht sehen. Jn
der Befürchtung, sie möge in der Dun
kelheit die Richtung verloren haben,
werden Laternen - Signale gegeben
und Blaufeuer ahgehrannt —- um
sonst., Dabei nimmt der Wind noch
immer mehr zu, und obwohl er als
ablandig keinen hohen Seegang bringt,
tann das- Boot abgetrieben sein, in’;
iigiiische Meer hinaus. ;
Das ist eine schlimme Nacht, dies
dem Weihnachtsabend folgt. An’s
Schlafengehen denkt Keiner, so lange
er die Pinnaß in Gefahr weiß, Offi
ciere und Mannschaften stehen grup
Penweise an der Verschanzung und
starren in die Finsterniß hinaus.
Fünfzehn Mann und zwei Civilperso
nen sind in dem Boot —- eine schöne
Weihnachtshescheerung! Und Nie
mand kann helfen; es wäre sogar un
verantwortlich, vor Tagwerden noch
ein zweites Boot hinauszuschicten. Der
Feuerwerter ist zwar anderer Mei
nung. Der Mann ist ganz außer
Rand und Band und hittet beinahe
fußfällig, das vermißte Boot suchen
zu dürfen, ja er will es ganz allein
wagen, wenn er die Dampfpinnaß
nehmen darf. Aber das geht natürlich
nicht an, und der Aermste muß sich ge
dulden wie die Andern, Stunde um
Stunde, die ganze lange Nacht hin
durch. .
Gegen Morgen flaut der Wind ob
und kurz vor dem Beginn der Däm
merung steuett die Dampfpinnaß see
wätts. Bange Blicke folgen ihr, doch
als die Sonne aufgeht, wogt man wie
der zu hoffen, und nicht mit Unrecht,
denn plötzlich gebt ein freudiges »Sie
kommen!« von Mund zu Mund. Alles
eilt an die Reiling, und richtig, dort
bringt die Dampfpinnaß die Verloren
geglaubten angeschleppt. Die Boots
mannfchaft ist vollziiblig, doch wo
blieben die beiden Civilpersoneni
W;.--.-ks-k- -J----s--,4
Der gänzlich erschöpfte, übernächtig
dreinschauende Bootssteuerer steigt an»
Bord und meldet, daß er gestern Abend
abgetrieben sei und Segel setzte, um«
sich wieder aufzutreuzen Da brach
ihm der Mast, es mußte-wieder geru
dert werden und nach Mitternacht ge
lang eg, bei der Quarantaine-Station
»unterzutriechen« und die beiden ge
ängstigten Passagiere zu landen. »Die
haben heute Nacht genug bekommen
von der christlichen Seefahrt,« meinte
der Bootöfteuerer.
Wer die längsseit liegende Pinnaß
betrachtet, glaubt ihm aufs Wort.
Das Boot hat soviel Wasser gemacht,
daß die Laufplanlen schwimmen ; der
Bugmann fischt soeben einen Damen
handschuh heraus, ein Kopstuch und
— «Born unter der Plicht schwimmt
auch noch Etwas!« ruft der wachthas
bende Officier von der Commando
briicke aus dem Mann zu; »fehen Sie
einmal zu, was das ist.«
Der Feuerwerler hat die beiden vor
hin geborgenen Reliquien in liebevolle
Obhut genommen und schaut gespannt
nach der dritten aus. Doch was ist
denn das fiir ein wunderbares Ding,
das der Bugmann da unten aus den
Bootshaten spießt und triumphirend
hochhiilM Ein seltsames Gewächs,
eine Art Polyp könnte es sein; das
ist's aber nicht« sondern — donnernde
Lachsalven durchtönen das Schiff —·
der sturmzerzauste, seeivaslertriefende
Stalp des Papierengels. Eulalta bat
im Kampfe mit den Elementen haare
lassen müssen, und zwar allel
—
D e Mistel.
Wie in Deutschland der Tannen
baum, so ist in England Stechpalme
und Mistel —- hollzs und minnt-stink
Ias charakteristische Zeichen des Christ
festes und Von England hat sich diese
Sitte nach unserem Lande verpflanzt.
zlus den Straßen bieten händler die
seltsamen, sparrigen, gabelartig ge
theilten Zweige mit den wie aus Leder
;earbeiteten, zungensörmigen Blättern
zum Verkauf an; man sieht sie in den
Blassenstern der Blumengeschäfte, und
die eigenthiimlichen Gebilde, deren
qelbgrüne Färbung sich so frisch von
Iem dunklen Tannengrün abhebt, sin
oen im Verein rnit Christrosen nicht
nur als Schmuck, sondern auch als
Symbol des Weihnachtssestes Verwen
dung. Zwar verdient die Mistel
JVismm all-um) nicht gerade diesen
Vorzug; sie besitzt leine heilirästigen
Eigenschaften, kein ansehnliches
Zleuszere, weder schöne Blüthen noch
viirzigen Dust; sie ist sogar ein schäd
liches Schmaroßergewächs, das den
Bäumen, die ihm Wohnung und Kost
reden, Siechthum und Verderben
dringt; aber Phantasie und Cultus,
Dichtung und Sage, die bis in’5 fern
s·te Alterthum zurückführen, haben die
Nistel mit einem eigenthiimlichen Nim
öus umwoben, der noch heute einen
oertlärenden Schimmer aus sie wirst,
obwohl in unserer praktischen Zeit die
Pflanze schon längst von der Land
Jnd Forstwirthschast in Acht und
Bann erklärt worden ist.
Schon in grauer Vorzeit fand die
Mistel Beachtung, und mancherlei ge
heimnißvolle Krafte wurden ihr zuge
fchrieben. Plinius erwähnt in seiner
Naturgeschichte bereits mehrere Arten.
Jm höchsten Ansehen aber stand die
Pflanze bei den Ketten, denen sie siir
ein heiliges Gewächs galt. Jhre eigen
thüinliche, ausfällige Erscheinung, ihre
immer gleiche, gelbgriine Belaubung,
oie auch der Kälte des Winters Troß
bietet, ihr räthselhastes Wachsthum
fern von der Erde aus den Gipfeln I
hochragender Bäume — alles dies er- ’
Ifiillte die tindliche Phantasie unciviliH
- sirter Völker mit Scheu und Ehrfurcht. i
Man wußte sich ihr Vorkommen in der !
Höhe der Kronen aus schwankendem !
Ast nur durch ein Wunder zu erklären »
und meinte, dieSamen seien vom Him- !
; mel gefallen oder die Büsche von Göt
i
tern gepflanzt. Deshalb durfte die ;
Mistel auch nicht den niedern, gemeinen ;
Erdboden berühren wenn sie fiir reli- :
giöse Zwecke gepflückt wurde. Diei
Priester nahten in feierlichem Zuge dein ;
misteltragenden Baume; mit goldener?
Sichel schnitten sie die heiliae Pflanze
und fingen sie in weißen Tüchern auf.
Während zwei betränzte weiße Stiere!
geopfert wurden, richteten die Druiden
Gebete an die Götter, das himmlische !
Geschenk zu segnen, damit es Frucht-:
barteit oerleihe und gegen Krankheit .
und Zauberei schütze
Auch in der altnordischen Götter- -
lehre spielt die Mistel eine große Rolle.
Balder, der lichtstrahlende Gott den »
Götter und Menschen liebten, fiel durch s
einen Mistetzweig Als er einst durch
böse Träume beunruhigt, nahes Unheil !
fürchtete, ließ die göttliche Frigga altes
Wesen und Kräfte der Natur schwören«
ihren Sohn zu schützen. Nur die?
Mistek, die östlich von Walhalla wuchs, «
iiserging sie, weil sie jung und unge- «
fährlich schien. Und der böse, heim
tückischeLoki baute darauf feinen Plan;
er reichte dem blinden Gott Hödur ei-»
nen Pfeil ans dem Mistelzweig undi
richtete das Geschoß aus Balder, der !
entseelt zu Boden-sank i
-- -- - tis i
Diese Mythe ertlart, weshalb spater
die Mistel als ein Werkzeug des Teu
sels galt. Jm Mittelalter sand sie bei
Beschwörungen und Zaubersormeln
! Verwendung und diente auch als
T Springwurzel und Wünschelruthe.
Daneben erhielten sich Antlänge an den
z keltischen Glauben, zum Beispiel wenn
i die Mistel in Kräuterbiichern als Heil
» mittel gegen die Pest und andere
Krankheiten gerühmt wurde; aber als
Bedingung sür ihre Wirksamkeit galt,
daß sie nicht mit Händen gebrochen sei
und nicht den Erdboden berühre.
— Einer, der sich aug
ke n n t. »Aber, herr Lieutenant, wie
können Sie so positiv behaupten, daß
ich Jhren Heirathsantrag annehmen
werde?« —- »Aber, liebes Fräulein,
wozu hätten Sie denn sonst wiederholt
erwähnt, daß Sie eine alleinstehende
reiche Tante haben?«
—- Der arme Nachbar. Kla
vterstimmer: »Guten Morgen, eFrau
Lehmann. Jch komme, das Klavier zu
stimmen.« —- Frau Lehmann (ver
wundert): »Mein Klavier stimmen?
Jch habe doch gar nicht zu Ihnen ge
schickt!«——-Klavierstimmer: »Sie nicht,
aber der Herr Landgerichtsrath aus
dem nächsten Hause schickt mich!«
—Enttiiuschung. Vater kam
Geburtstage seiner Tochter): »Du hast
Dir ja immer gewünscht, Zither spie
len zu können. hier schenke ich Dir
eine Accordzither, die man in einer
Stunde ohne Lehrer spielen lernt.« —
Tochter (schluchzend): »Ach und erade
aus den Lehrer habe ich mich fo ge
sreut!«
— Gebildeter Sah· Lehrer
»Constant heißt .beständig«. Darum
spricht man z. B. von einer eonstanten
Bosheit. Silberstein, bilde ’mal einen
Sah, worin »ronstante Bosheit« vor
tommt.«——Silberstein: «Cohn’j Tante
ist seit vier Wochen bet ihnen zu Be
Btchk —- Lehrer: »Und tvo bleibt die
othett?« —- Silberstein: »Nu, is das
noch nicht Bosheit genug?«
—
WWIIM
Jni Norden wie im Süden begeg
nen wir den bis in die ältesten Zeiten
zurück zu versolgenden Weihnachtsuw
gängen, die meist die ganze Advents
zeit hindurch ausgeführt werden. Viel
sach hat sich nicht nur in katholischen,
sondern auch in protestaniischen Län
dern die Sitte erhalten« daß vom
ersten Advent bis zum Dreiiöniggtage
die unbemittelten Chor- und Schul
knaben an bestimmten Tagen bot den
Häusern geistliche Licdkr singen, wo
oon diese ganze Zeit auch ,,Singzeit«
genannt wird. Zumal in Süddeutschs
land ziehen in den Donnerstagsnäch
ten vor Weihnachten, den »heiligen
Nächten«, Erwachsene wi: Kinder sin
gend von haus zu Haus-. Man nennt
diese Nächte »Kl«opsels-« oder »Zwöpr
HlinsnächteC in Schwaben auch »An
? klopfen-« oder »Boselnächte« (Polter-,
ELärmnächtex weil dabei mit Ruthen
oder hölzernen Hämmerchen an die
Thüren geiloyst wird; auchwitft man
mit Erbsen, Gerste oder Linsen gegen
die Fenster. Aehnliche, mit Gesang
verbundene Umziige finden sich
auch in der Schweiz, so zum Bei
spiel das sogenannte Weihnachtssingen
.- --
-—IZ-W » M «
im Kanton Luzern. Auf dem
Lande ziehen dort von Weihnachten
bis Dreilönigen unter Leitung des
Schullehrers, der zugleich die Stelle
des Organisten innehal, die Kirchen
sänger und Musiker, welche er zum
Theil selbst aus seinen früheren
Schulzöglingen herangebildet hat, von
Gehöft zu Gehöft. Die Sänger brin
gen, von dem freilich nicht allzu zahl
reichen Orchester begleitet, vor jedem
Hause fröhliche Weihnachtslieder zum
Vortrag, die gewöhnlich in den Neu
iahrswunsch ausklingen:
»Wir kommen hier an,
Zu wünschen euch an
Ein gutes, glückselig
Gesund und fröhlich
Ein gutes Neujahri
Gott mache es wahr!!«
Dieser Gesang gilt als eine Ehrung
für das betreffende Haus, und jedes
mal werden Lshrey Musiker und
Sänger befchenit und bewirthet, wo
raus sich dann meist eine höchst gemind
liche Geselligteit mit Tanz und Jubel
entwickeln
Betst-übte Ueberraschung
Weihnachten
Weihnachten! Welch ein Meer von
Glück und Seligkeit, welch eine Welt
voll Liebe birgt dieses einen Wortes
Klang! Gleich einer Freuden- und
Friedensbotschaft tönt es alljährlich
hinein in das Hasten und Zagen, den
Kampf und Streit des Alltagslebens.
Es läßt die Kinderaugen aufleuchten
in glückseligem Entzücken erfüllter
Wünsche; es schwellt die Herzen der
Eltern in frohem Stolz und stiller Be
friedigung, und es führt die Alten in
der Erinnerung zurück in der Kindheit
aoldene Tage, da auch sie mit einem
Herzen voll froher Hoffnung, jauch
zend unter dem leuchtenden Tannen
baum gestanden haben.
Weihnachten! Sei uns gegrüßt, du
Fest der menschgewordenen Gottes
liebe, die mit dem strahlenden Stern
von Bethlehem über der Menschheit
aufgegangen, jener Liebe, von der es
irn hohenliede heißt, »daß sie auch viele
Wasser nicht mögen auslöschen,« jener
Liebe. die nicht nur alle umfaßt, die
unserem herzen persönlich nahe stehen«
sondern der es ein tiefinnerstes Bedürf
nifz ist, »wohlzuthun und mitzuthei
len«, und die mit dem Welterlöfer zu
den Armen und Elenden spricht:
»Komm her zu mir, alle, die Jhr miihs
selig und beladen seid, ich will Euch
erquicken.«
Und wer auch nur ein Scherflein
dazu beitragen kann, den amnier und
das Elend auf Erden zu lindern, wem
er gelingt, mit fanfter hand auch nur
eine Thriine zu trocknen, auch nur ein
Lächeln auf ein trauriges Menschen
antlih zu zaubern, auch nur ein Fünk
chen Sonnenschein in ein verdüstertes
Dasein zu gießen, der hat die Botschaft
des Engels vernommen, »Siehe, ich
vertiindiae Euch große FreudeF
Wohl ihm! Denn nicht nur unt
ihn, fondern auch in ihm ist es Weih
nachten gewordent
«