Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, December 24, 1897, Sonntags-Blatt., Image 13

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    —
»Es ist kiu’ Rok entsprungen. . . .«
sou Ernst Muellenbach
Vom Wald lomm ich gegangen·
Wo weiß die Wipsel stehn,
Darin einit Vögel sangen
Und jetzt nur Stürme wehnz
Auf hartgesror’nen Wegen
Schreit’ ich zur Stadt herein,
Da wandelt mir entgegen
Ein singend Mägdelein.
Sie trägt in Händen schwingend
Ein Tannreis spannenlang
Und geht vorüber singend,
herüber schwebt ihr Sang.
Der hält mein Herz umschlungen
Mit Zauber selt’ner Art:
»Es ist ein Ros’ entsprungen
Aus einer Wurzel zart. . .«
O Rosenwunder-Weise
Aus eines Kindes Mund
Du schassst in Schnee und Eise
Den Frühling mir zur Stund’l
Nun wogt mit tausend Stimmen
Um mich das Marltgebrausx
Mir ist, als schwärmten Jmmen
Jm Feld nach Honig aus.
Ein Summen und ein Fragen
Ringsum in froher Hast;
Sie wählen und sie tragen
Heimwärts der Gaben Last.
Und Abendschatten sinken,
Es ebbt des Marktes Laus,
Und mit den Sternen blinten
Die ersten Herzen auf.
Nun blüht auf rothen Wangen
Die stille Freudeniaatx
Mit Düften ist und Prangen
Das Rosenfest genaht.
»Wie uns die Alten sungen,«
Hat Gott es wahr gemacht:
»Es ist ein’ Ros entsprungen, —
Die brach des Winters Nacht.
Este im Märchen —!
Von Tony Richter
Obtvohl ieine strenge Kälte herrsch
te, fielen haselnußgroße Schneeflocken
vom himmel. Die Wege trocken und
hart gefroren —- und doch kein Glast
eisz ein echtes, fröhliches Weihnachts
wettet.
Menschenschwiirrne drängten sich aus
den Straßen. Alle Welt hatte es et
lig, vor völliger Dunkelheit seine letz
ten Besorgungen zu machen. Jn der
K. . .straße trippelte eine junge, mit
Packeten belade-ne Dame, durch die
dichten Menschenmassen. Das zier
liche, mittelgrvße Figiirchen steckte in
einem grünen, fußsreien Tuchanzuge,
der elegant mit Pelzwert verziert war,
und auf den blonden, trausen Löckchen
saß ein kleines Pelzbarett » schief
und ein wenig leck. Ein alter Diener l
ging hinter der Dame her. Nun bogs
man in die X. . ·straße ein. »Hm-;
mannchen«, sagte die junge Daine,;
»wir sind gleich zu Hause; gehen Sieg
nur voraus, ich habe noch einen Blei-J
nen Gangl« Hellmann, dem man ven
Ungarn anhörte, meinte bedenklich:
»Aber —- Frailein, tin-sin- —— es ists
schon ganz finster, und allerhand Laitei
sind aus Straßen! —— Wenn Jhnens
ein Malheur passirte?« Unter dem;
Pelzmiitzchen leuchteten zwei blaues
Augen muthwillig hervor und lachten;
rnit dem rothen Munde unt die
Wette.
s »Si- k
»Aber, Hellmannt Bin ich denn?
, ein Kind? Jn einer Viertelstunde
bin ich zu Hause. Noch eins, Hellmannj
— nicht plauschen —— sonst ——-«1
Das Uebrige verschlang das Schnee-l
, treiben. !
Das »Fraileinchen« machte Kehrt,"
Z war schnell den Blicken des DienergJ
k« entschwunden, und bald war ein
Prachthummer getauft. Hortense liess
sich das prächtige Seethier einpacken
und trat den Rückweg an. ;
Frau Halle schüttelte ihre himmli
schen Bettsedern noch ärger durch ein
) ander als zuvor. Hortense schritt tüch
- tig aus und wollte gerade um eine
Straßenecke biegen, als sich etwas Be
sonderes ereignete. Plötzlich siel näm
lich eine lalte und weiche Masse ihr
über Kopf und Schultern —- dann
rannte hortense Stillfried gegen die
Brust eines Menschen —- um schließ
lich ein Experiment zu machen, das sie
seit ihrer Kindheit nicht mehr geübt:
sie rutschte aus dem glatten Asphalt
ein ut Stück vorwärts, um sich irn
. nächsen Augenblicke recht unfreiwillig
aus die Erde zu setzen. Kaum, daß sie
sich aber aus dem Erdboden wieder
sand, als sie auch die Schneemassen,
welche von einem Dache abgestiirzt wa
ren, von sich abschiittelte. s
« Doch ehe hortense sich noch erheben
konnte, beugte sich ein blasses, junges
» Männergesicht theilnahmsvoll über sie,
nnd eine melodische Stimme fraatei
, - rasen-»
i«,r,«.,sr:«-ix. «--.««...-.·«.--ki:2k-«.s ils-Mk II
- »So Gott will, haben Sie keinen
; Schaden genommen?«
; Hortense Stillfried war über dies
; eigenartige Gesicht, das einem Süd
; länder angehörte, so frappirt, daß sie
beinahe sitzen geblieben wär-. Diese
« großen, schwarzen, halbverschleierten
« Augen —- diese feinen Züge, wo hatte
sie dies Gesicht nur gesehen! Jn zarte
ster Sorgfalt half der junge Mann ihr
auf die Füße.
»Nehmen Sie meinen tvärmsten
Dank, mein Herr, für Jhre Hilfe -——
Es ist mir nicht das Geringste gesche
en.«
Fast hätte sie über die komische
Affaire herzlich gelacht. Nein —- ein
Blick in dies bleiche, traurige Antlitz,
und das Lachen erstarb auf ihren Lip
pen. — Ein Wagen fuhr vorüber. Sie
rief ihn an, dankte noch einmal, errö
thete —- und fuhr davon.
Ein Weilchen noch- stand der junge
Mann auf derselben Stelle, dann ent
floh ein tiefer Seufzer seinem Herzen
und er setzte seinen Weg fort. —- Jn
einem alten, fünfftöckigen Hause am
Maritplasze stieg er müde und abge
spannt die Treppen hinan. Jm ober
sten Stockwerk klopfte er an eine mor
sche Thür.
. »Bist Du es, Ettino?«
; »Ich bin’s! Oeffne, Schwesterl« —
H Der Riegel wurde zurückgeschoben und
sein junges, schwarzlockiges Mädchen
»von kaum sechszehn Jahren erschien
f im Thürrahmen. Ein Blick auf das
Ybleiche ermüdete Antlitz des Bruders
machte die Kleine ebenfalls traurig.
III-« JEA
...- -- Axt-—
l
I
s »Du warst umsonst bei dem Manne,
E Ettino —?« Es klang sanft und lie
! bevoll. Das Mädchen legte seine Arme
um den Hals des Bruders, der auf ei
nen Holzsessel gesunken war.
»Umsonst! Nichts! Nirgend eine
JsStellung, nirgend Arbeit! —- Wir
z sind dem Hungertode verfallen! Ach,
jAdelina —- daß ich Dich mit mir
; nahm!«
f Adelina strich ihm liebkosend iiber
die üppigen Locken
»Sei doch nicht so muthlos, Ettinot
Gott wird uns bessere Zeiten schicken.
s Sind wir allein nur arm und verlas
T sen? Giebt es nicht Tausende, die,
fweil siech und gebrechlich, noch ärmer
; sind als wir?«
! »Er lachte Bitter und zeigte auf seine
! Umgebung. . . Die Kammer war feutkkt
i und kalt und enthielt außer zwei dürf
t tigen Lagerstätten nur noch einen
s Tisch und zwei wurmstichige Holzstühi
T le. An dem einzigen Fenster stand
eine Staffelei mit einem begonnenen
Bilde; an den Wänden befanden sich
EStudienlöPfe und Copien berühmter
I Meister, dann Malgeräth auf einer
sumgestiilpten Kiste und verschiedene
’ Scheeren.
»Versuche Gott nicht, lieber Bruder!
Laß uns auf-harren, bis bessere Zeiten
lomment Sieh’ einmal her —— ich
habe ganze fünf Mart für meinen
Strauß Ehryfanthemum betomment
Na, ist das Geld! He?« Jn kindlicher
Weise hielt sie die Silberstiicke gegen
das Lampenlicht hoch und lachte mit
sorgloser Heiterkeit. »Es ist doch
Christabend heut. Dann mache ich uns
warmenThee und brate Dir Kastanieu
und Aepfel!« Sie huschte fort und be
gann sich mit dem Ofen zu beschäfti
gen.
zerftach und zerschnitt sich seit Mo
naten die kleinen Finger mit Handar
»beiten, verfertigte für ein Spottgeld
« die wunderbarsten Blumen. Von die
. fem elenden Verdienste hatten sie seit
» her allein gelebt. Und er -—— mit ei
nem warmen Empfehlungsfchreiben an
; eine große Firma, . it den rosigften
Plänen hatte er, geftiitzt auf sein Ta
lent. die Hauptstadt betreten. Wie
schrecklich sollte er enttiiuscht werden !
Die Firma, an die er von seinem Leh
rer in Venedig empfohlen, hatte län
gereZeit schon fallirt wohin er kam,
I hatte man keinen Bedarf für sein Ta
lent —— zwei seiner besten Arbeiten
mußte er um ein Sündengeld einem
Maller überlassen. Wie Adelan fich
abmühtet Heut war Chriftabend —--—
nicht die tleinfte Freude tonnte er der
geliebten Schwester machen.—— —
Plöhlich tam ihm ein Gedanke. Jn
einer Mappe befanden sich zwei reizen
de Aquarelle, feine eigene Arbeit.
Wenn er sie vertauer könnte —- Ade
line mußte doch ihr Chriftgefchenk ha
ben. — Er nahm seinen Hut und
küßte die Schwester.
»Mache den Thee nicht früher-, als
ich zurück bin, Adelina!« Und noch
ehe das junge Mädchen weitere Fra
gen thun konnte, war er die Treppen
hinunter geeilt.
Jn dem Auslagefenster einer Kunst
anstalt hatte er solche Aquarelle gese
hen. Bald stand er vor dem Laden,
und nun trat er ein.
Der Chef der Kunstanftalt war per
sönlich fugegegern Gleichgiltig nahm
er des unaen Malers Schätze in die
) Ettino sah ihr zu. Ach ja, Adelina
l
i
!
.-—qk-ys.-a.asW-..s.»,,»..»k. - «.-7»-«,«
»Mspqusksssi-MW ZEI
hand, rückte die Brille zurecht und
fragte dann mit heiserer Stimme:
»Von wem sind die Bilder? Da
fteht in der Ecke ,,Dalvare« — Ettino
Dalvare?«
»Es ist mein Name, mein Herr. Die
Bilder sind meine Arbeit.«
,,Hiibsch —— ganz talentvoll« —
meinte der Kunsthändler — »und das
Sujet?«
,,Dalmatien, mein Heimathland.
Dies ist das Häuschen meiner verstor
benen Großeltern —- das der rosenum
sponnene Friedhof mit demGrabe mei
ner Mutter.«
Ettino Dalvare wandte sich ab. Eine
falzige Fluth trat ihm plötzlich heiß in
die Augen. Der Mann mit der heise
ren Stimme hatte das wohl bemerkt.
Von Neuem betrachtete er die niedli
chen Bilder.
»Ich könnte Jhnen nur fünfund
zwanzig Mart für das Stück bezahlen
—- indefz ich habe die leidige Marotte,
jungen Künstlern gern in ihrer Car
riere behilflich zu sein, —- und so wer
de ich Jhnen die Adresse eines Kunst
freundes, der vor wenigen Stunden
ähnliche Bilsder bei mir suchte, geben.
Wenn Sie sich beeilen, dürften Sie ihn
noch sprechen können. —- Hier ist der
Name und die Wohnung. Eilen Sie!
— Und wenn Sie mir in dem Genre
etwas Gutes malen wollen —- sagen
wir: sechs-mal so groß, wie diese Bild
chen hier« tin ich’s gern nehmen! —
Ja —-—« noch eing: Sie —— Sie brauchen
Farben und Pinsel dazu —.« Er
nahm ein blanles Zehnmarlstiick und
reichte eH Ettino, in dessen Brust es
heis; aufwallte Vor Freude! Dieser
anscheinend so trockene Gefchäftgmann
war der erste wohlwollende Mensch,
der ihm in dieser großen Stadt be
gegnete.
»Na, so nehmen Sie doch! Aber
lassen Sie sich durch diesen Vorschuß
ja nicht abhalten, sogleich den Herrn
aufzusucheu!«
Leuchtenden Auges bot Ettino dem
Manne die Hand und verließ hocher
freut den Laden. —-—- Arbeit —— endlich
eine Beitelluna! Fast schämte er sich
seines früheren Ftleinmrithes. Bald
hatte er die Wohnung des Kunstsreum
des erreicht. —- Es war ein dornehmes
Haus, und nur auf die Antwort, die
er dem Cerberus gab, »daß er direct
im Auftraae des Runfthändlers Y. ..
tomme,« ließ der Portier sich herbei,
Ettino passiren zu lassen.
Beim reichen Geheimrath Stillfried
durchfluthete wohlige Wärme alle
Räume. Jm großen Speisesaale stand
eine mächtige Tnne auf dem weiß
überdeclten Tische. Hortense, vergnügt
wie ein Eichlätzchen, legte mit Hell
mann’s Hilfe das letzte silberglitzernde
Flitterwert über die grünen Zweige.
»Ich denke, wir werden mit unserem
Weihnachtsbaume Ehre einlegen, Hell
mannchen! »Nun setzen Sie die Roth
weinflaschen etwas warm!«
,,Gleich —- gleich, ice-»kom! —- Aber
is noch Zait bis zur Bescheerungt«
Hortense to nte das Gesicht ihres
,,Retter·5« a g dem ,,Lawinensturze«
nicht vergessen. Wie traurig er drein
blictte --- wer er wohl fein mochte?
Nach seiner dürftigen Feleidung schien
es ihm nicht gut zu gehen.
Xzy s
Jm Begrifs, das Speisezimmer zu
verlassen, fiel ihr Blick auf das lebens
große Portrait einer Dame. Ah —
nun wußte sie es auch, wo sie diese
Augen, dieses feine Profil gesehen.
Draußen läutete die Glocke. Hell
mann wollte nicht einlassen. »Es sei
zu spät —-— aber heute sei doch Christ
abend ----- wiedertomnien.« Hortense
ging hinaus, um nachzusehen. Jn der
geöffneten Entreethiir stand —-—-— ihr
«ttietter«.
Hortense erröthete bis unter die
blonden Stirnlöckchen; als er im Aus-s
trage der Firma Y. ihren Vater zu
sprechen verlangte, eilte sie selbst vor
aus.
Wenige Augenblicke später stand cr
einem giitig blickenden Herrn gegen
über, dem er sein Anliegen leise und
recht verlegen vortrug. Während Et
tino seine Aquarelle enthüllte, bemerkte
er gar nicht, wie erstaunt ihn der Ge
heimrath betrachtete. Kaum aber hatte
er eins der Bilder zur Hand genom
men und den Namen ,,Dalvare« gele
sen, so rief er:
»Sie selbst sind der Maler dieser
Bilder? Sie nennen sich Dalvare —
Ettino Dalvare? Haben Sie eine
Schwester, Adelan mit Namen?«
»Ja, mein Herr —- sie ist hier, in
dieser Stadt ——— und bei mir ——«
Athemlos horchte der Geheimrath
aus jedes Wort.
»Und Jhre Eltern —? Wo ist Jhre
Mutter»
Giovanni Dalvare. mein- Vater,
war ein bedeutender Landschaftsmalen
Er starb durch die Kugel eines Ban
diten. Manuela, meine Mutter, aus
Gram um ihn. Wir sind Waisen.«
»Ihr seid es nicht mehr —- Gott hat
mich Euch finden lassen! Du sollst den
stets ersehnten Sohn mir ersetzen!
Romas an mein Herz, Ettino — —
nnd wisse« Manuela, Deine Mutter,
war — meine Schwester!«
Und ehe Ettino noch recht wußte,
wie ihm geschehen, lag er in den Ar
men Leonhard Stillsried’s, der der
herbeieilenden Hortense zurief:
»So lan doch, Mädel, und fag’s
der Mutter!«! Und es war wirklich
Alles, wie im Märchen. — Des Ge
heimraths schöne Schwester war dem
armen Maler nach Jtalien gefolgt. —
Als alle Briefe unbeantwortet blieben,
hörten die Nachrichten auf. Nach Jah
ren suchte der Bruder die Schwester.
Er fand ihre Spur nicht mehr. Und
wie ein Märchen erschien es den beiden
Waisen, als sie unter den Lichtern des
glitzernden Weihnachtsbaumes stan
den, die feuchtschimmernden Augen
auf das Bild der heißgeliebten Mutter
geheftet. "
»Na, Kinder —- nun wendet Euch
zu uns! Wir wollen auch unser Theil
an Freude und Leid haben. Hellmannl
Die Gläser! Der Punfch musz heiß
getrunken werden!«
Hortense aber flüsterte ihrem »Ret
ter« aus der »Schncelawine« zu: »Du
neuer Cousin — Du sagst doch nicht
gleich ’was von meiner Rutschpartie
aufs Glatteis ——?« Er sagte nichts,
aber er sah sie an mit Augen, die ihr
Jnneres tief bewegten. Die schlanke
Tanne verbreitete ihre Düfte — leise
tnisterten die grünen Zweige und dcigz
Fliiter- und Raufchqolik—der Punfch
war süß und die Weihnachtsstolle so
köstlich. —
Und es war wirklich wie im Mär
chen.
Yak- Ctjristtiindt
Von B. ilianchencgger.
Zur vorgeschrittenen Nachmittags
stunde saßen zwei ältere Herren im
Kasfeehause und gaben sich mit aller
Aufmerksamkeit ihrem Spielchen hin·
Besonders der eine, der Herr Priva
tier Nudlmaier schien die Sache mit
großem Ernste zu betreiben. Mit fin
sterein Blick starrte er auf das Häus
chen Karten, das vor ihm auf dem
Tische lag, vorsichtig hob er das oben
liegende Blatt ab und nahm es zu sich.
Ein Ausdruck der Befriedigung über
flog sein Gesicht und er rief aus: ,,E5
gibt doch noch eine Gerechtigkeit! Ein
Bein!« Ein höhnisches Lächeln flog
über die Miene seines Partners und
mit scharfer Betonung fragte er:
»Hoch?« Erschrocken sah Nudlmaier
auf und sagte sichtlich beklommen:
»Unter!« —- ,,K·onig!« schrie der An
dere. »Na ja,« bemerkte Nudlmaier
,,rnachen S’ halt so sort und verguns
nen S’ eim gar nichts — i binjH ja
schon so g’wohnt von Jhna!« —- Herr
Müller, fein Gegner, lachte höhnisch
und entgegnete: Man nimmt’2 halt,
wies kommt —- ein fechstes Bein und
zwei tausend, benebst und aus i5!« —
Nudlmaier murmelte etwas vor ficht
hin, warf die Karten weg und wartete
resignirt aus die Abrechnuna. »Zwei
Mart siebzig dass Rattengeld zahl
ich!« — »ZU gütig,« erwiderte Nudl
maier ironisch, zog sein Geldtäschcher.
heraus und wars die geforderte Sum
me mißmuthig aus den Tisch. »Da
habens das Bluatgeld, Sie Rauberx
mich lriegens bald wieda; Sie ziagn
eim ja das Gwand vom Leib!« —
»Na, na, san S’ nur net so granii,«
lachte Müller, »Sie thun ja, als obs
auf die paar Markt anlommen that,
Sie, als oierstöckiger Hausherr und
Privatär!« — ,,Lassen S’ mir mit
dem Privatär a Ruah, sonst wird ma
übl; dös wärs Wahre; jetzt geben’6
blos mehr drei und a Hale und wenn
i mei Hättst nöt hätt, dürft i wegen
dem Jntresse, dös der Staat zahlt,
glei s’ Schneeschauseln ansanga!« —
,,San S’ so guat, und sagen S’, es
geht Jhna schlecht!« spottete Mücke-.
,,Dasselbige hab i nöt gsagt, aber man
muaß sei Sachl schon zsammhalten,
besonders in dera Zeit, wo das Christ
tindl vor der Thür is —- da kannst so
net gnua Geld austreiben!« —-— »Fiir5
Christlindl?« fragte Müller erstaunt.
»Sie haben ja doch loane tloana stin
der net? Jhna Xaverl is ja gar net
A
II » »
hier!« —- ,,Da haben S’ schon recht,«
antwortete Nudlmaiet; »der Xaverl is
in Gens und lernt französisch, weil er
dann in ein Jngroßgeschäft kommt,
aber i hab ja do no mei Alte!«
»Na hören S’,« sagte Müller, »das
find’ ich doch lächerlich, wenn zwei —
Sie entschuldigen schon — alte Leut
noch so kindisch san. Da hab ich schon
lang abg’stellt. Wit, ich und mei
Frau, thun uns am Weihnachtstag ei
nen guten Tag auf und mit dem Geld,
kask «-«. f spWWWWO »I
—
das andere Leut für den Krimslrams
ausgeben, machen wir im Frühjahr
ein schöns Roaserl. Das ist vernünf
tig, da liegt was drinn! Wia ma sich
in seine alten Tag noch mit dem
Christkindlbaum, mit die Kirzln und
mit die Leckerln an Mag’n verderben
mag, das is mir a Räthsel. Sie san
doch a vernünftiger Mann, der mit der
Zeit geht und da heißt’s: denken und
thun, was gescheidter ist« Nudlmaier
überlegte einen Augenblick und meinte
dann: »So unrecht haben S’ net, Herr
Müller, und so eine kloane Frühjahr-z
reis is nicht ohne; die G’schicht könnt
i mir überlegen und wenn mei Alte
nix dagegen hat —« — »A vernünf
tige Frau hat nie etwas dagegen, wenn
ma ’5 Geld net zum Fenster nauswirft
— mit dem Geld, was da dastarm
können S’ Jhrn Xaverl besuchen!« —
»Recht haben S’,« rief nun Nudlmaier
»das werd i meiner Alt’n sag’n!« Nun
trennten sich die Beiden, Herr Müller
ging fort, Nudlmaier zündete sich eine
frische Cigarre an und dachte über die
Geschichte nach. Als er mit sich im
Reinen war, nahm er Hut und Stock
und ging gedankenschwer nach Hause.
Als er nach Hause kam, stand der
Abendimbiß schon bereit. Nudlmaier
verzehrte das Rehragout und die dazu
-- -Ms«
gehörigen Knödel mit größtem Appe
tit und als er sich den Mund abge
wischt hatte, sagte er zu seiner Gattin,
welche selbstgefällig dem unertlärlichen
Verschwinden der Knödel zugeschaut
hatte: ,,Nannerl, das muaß Dir der
Neid lassen; kochen kannst schon, daß
alle Tablitotter der Welt ein reiner
Schmarrn dagegen findt« —- »No,
wenns Dir nur schmeckt, Schorschl,«
entgegnete die Frau gutgelaunt, ,,pla
gen thu ich mich ja gern! Gehst heut
ans? — ,,kyreili muß i aus-gehn; wir
habn ja heut a Spanfacklpartie am
Franziskanerkeller, das heißt — ver
besserte« er sich —- meine Kameraden
haben eine solchene, ich geh blos auf
ein paar Glas Bier hin. Aprobo!"
fuhr er fort, »was i Dir sagen will —
es betrifft unser Christkindl. Du
woaßt, unsa Xaverl is furt und mir
san allda — also fiir was so viel Geld
nauHschmeiß’n? Wir lassen’s heuer
guat sei.« — »Maag?« unterbrach ihn
seine Ghehälfte ,,.5toa Christlindlt
Koan Baaan Diis kann do Dei Ernst
net sei? J bin’s g’n)ohnt seit meiner
Geburt —« —-- »Eben bös beweißt.
daf; nur eine Gewohnheit is und für
eine Gewohnheit gibt man nix aus; i
sag Dir, es is eine Kinderei und die
Vernunft ———« — »Geh weiter mit
Deiner Vernunft,« sprach Frau Nanni
ärgerlich dazwischen. — »J« bitt mir’s
aug, Nanni, keine Anziiglichteitem i
hab mir’"5 überlegt; wir machen im
Frühjahr einen B’such beim Xaberl,
davon geh i net ab und wenn wir nett
sparen, tönna mir’g net thun. Also:
vernünftig sei sparen und auf deni
Ziriingtrams verzichten. UeberlegDir’ S «
und jetz, Pfiiat Gott, schlaf wohl!«»
Dann zog er sich an und ging. Frau
Nanni saß eine gute Zeit sprachlos da.
Ein paar Thränen rollten über ihre
Wangen. Dann sprang sie aus, zogl
aus der Kommode eine Sticterer her
vor und warf sie zornig in die Ecke.i
,,Welcher Gispel,« rief sie, ,,ist jetztl
wieda ijber den Ma komma, den wenn
i wüßt, der kunnt sie g’freun!« Muth
entbrannt ging sie im Zimmer auf und
ab und schimpfte, was sie wußte und
konnte. Auf einmal stand sie still und
rief triumphirend aus: »Na wart, i
hab Di scho, i werd jetzt sparen!«
Als Nudlmaier am andern Morgen
sich zum Kassee setzte, fragte er seine
Gattin, ob sie sich die Sache überlegt
habe. Sie antwortete in unbefangen
sster Weise: «Jawohl, ich richt mich
ganz nachDir, i werd sparen, was nur s
grad aus mir rausgeht!« — »Das is l
recht, Nannerl,« rief Nudlmaier ver-E
. gnügt«, »Du bist halt ein Prachtwei-"
berl.« Sie aber sagte nichts dazu und
blieb kalt, wie eine Portion Erdbeer
gefrorenes. Dann schenkte sie dem;
Gatten den Kassee ein« Der nahm die i
Zeitung zur Hand und schlürfte einen
Mund voll Kaffee. Betroffen sah er
in die Tasse und verzog das Gesicht.
»Aber, Nanni,« sagte er, »heut is der
Kassee g’spaßi!« — ,,So,« antwortete
sie, »Du bist halt den G’schmack noch
net g’wohnt; co is der billigste, den i
austreiben hab können. und ein echter
Mandltaffee drunter!« Nudlmaier
schleuderte ihr einen eigentbijmlichen
Blick zu und spfirgte die Brühe hinun
ter. »Was ging denn nachher heut z’
Mittag?« fragte er argwöhnisch. «Dei
Leibspeis,« entgegnete sie: »Schinken
tnödl, Rindsleisch und Kraut, darnach
einen Apfeltuchen.« Er atlnnete auf
und ging beruhigt fort, um sich Hun
ger für die Mahlzeit zu beken.
Schlag 12 Uhr setzten sich die Ehe
gatten zu Tisch, vor ihnen ls-.s.mpfte die
Schüssel mit dem Leibgerichi. Sie
legte ihm vor und er begann: M
.:.) 4kdk ..
Nanni,« rief er entsetzt, »d·: fthch
san ja die reinsten Wetzstoa, dir iittens
oam fermli den Mund zua!« —-—— »Ja
mein,« sagt sie, »wenn ma sparen tvill,"
darf ma net so viel Eier neh-n·-.a, das
Stück tost jetzt zehn Pfennig!« Radi
maier schob den Teller zurück undi
warf ihr einen zornigen Blick zu. Ste;L
that, als merkte sie nichts und trugng
das Fleisch auf. Er nahm davon undE
schrie gleich daran entrüstet: »Herr-Z
schaft is dös a Fleisch! des war jajzz
oane von die sieben magern Küh, woi
hast denn das Leder kauft?« —- »J«
bitt, Schorsch,« entgegnete sie —- »ich
hab koa billigers mehr auftrieben!«
Nudlmaier schnaubte wie ein wildes
Thier, schluckte aber die Galle hinun
ter. Der Apfelkuchen erwies sich als
altgebackenes Zeug und damit war die
Mahlzeit geschlossen. Wüthend stand
er auf, zog sich an, um auszugehen
und rief im Fortgehen: »Mach nur so
zua — mi zwingst net!!« Natürlich
ging er in ein Gasthaus, um sich für
die häuslichen Genüsse zu entschädi
gen. Der Krieg dauerte ein paar Ta
ge; bald war er im Begriffe nachzuge
ben, weil er nach den delikaten Fleisch
töpfen schmachtete, bald wollte sie an
dere Saiten ausziehen, weil ihr Schor
schi sie dauerte. Aber der Eigensinn
verbannte immer wieder die guten
Vorsätze. Endlich verzweifelte sie an
dem Erfolg und nahm sich vor, von
morgen ab wieder gut zu kochen. Er
war gleichfalls ganz müroe, denn die
Sparwuth seiner Gattin lag ihm
schwer im Magen. Als er eben über
die richtige Form nachdnchte, wie er die
Sache einleiten könne, sagte sie zu ihm:
»Schorsch, i geh heut Nachmittag surt
und es kann sei, daß i länger aus
bleib!« Den guten Nudlmaier über-lief «
es eiskalt. Alle modernen Comödien
zogen an ihm vorüber und ein wahrer
Schrecken bohrte sich in seine Magen
grube. »Ja, was fallt Dir denn ein,
Alte,« fragte er kieinlaut. »Was nur
einfallt?« entgegnete sie mit bewegter
Stimme. »Zur Weihnachtsbefchee
rung von die arme Kinder in dieSchnl
geh i, daß i do wenigstens a sremdss
Christkindl sieh — es is schon schön
auch, daß die Frau vom Nudlmaier
sich zu die arme Kinder hinstellen -——
muß — wenn ——« Schluchzend verließ
sie das Zimmer. Nudlmaier saß nach
denklich in seinem Lehnstuhl. Er
wollte anfspringen und ihr nacheilen,
um ihr seine Sinnesänderung mitzu
theilen, aber schon hört er die Haus
thüre schließen, sie war fort· Wohl
eine halbe Stunde grübelte er nach,
endlich hatte er eg gefunden. Er eilte
sort und kehrte bald mit einem Dienst
mann zurück, der einen mächtigen
Christbaum trug, während Nudlmaier
mit Parteien beladen war. Er stellte
den Christbaum auf den Tisch, legte
i—«-.»-—- « «
. » «.sp-.-.-.... »w
eine Unmasse von Confect daneben und
schrieb auf einen Zettel: »Nannerl,
richt’n ber, das Christkindl kommt
doch!« Dann ging er in’5 Kaffeehaus.
i Als er zum Abendessen heimkam,
» sagte die Gattin wider sein Ermatten
gar nichts. Die Suppe wurde aufge
tragen. Ein herrlicher Geruch drang
in die Nase Nrrdlniaiers. »Ja, was
waar denn dög?« —- »Dös,« sagte sie
fröhlich, »das is eine Hirnsupp’n mit
bachene Knöderl.« Nudlmaier war zu
«erijl)rt und zu beschäftigt, um etwas
zu entgegnen. Als er die Suppe ge
gessen hatte, schnalzte er vergnügt mit
der Zunge und rief »delikat«. Nun
kam das Hauptgerichtt Eine köstlich
braun gebratene Ente. ,,Al)!« rief er
entzückt, »das is z’viel!« —— »Was?«
unterbrach sie ihn, »soll i wieda
sparn?« — »Na, Nannerl, du bist an
Engl und dem Christkindl werd i ex-«
tra Flügl macha, daß in alle Pracht
zu Dir kimmt! Schau, i g’spürs sel
ber, daß a Weihnachtsabend ohne
Christkindl für an Menschen, der a
; Herz hat, a trauriger Abend is!!«
Stäer Tabak.
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Herr: »Können Sie sich noch entsin
nen, was Sie vor zehn Jahren z
Weihnachten bekommen h-aben?«
Alte Jungfer: »Ach Gott, nein. . .
es wird wohl eine Puppe gewesen »
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