Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, December 17, 1897, Sonntags-Blatt., Image 9

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    Sonntags - Platt.
FOUNDTYMZUMW
J. P. Wiudolph, Heraus-gebet
Grund Island, Ncbt., den 17. Dezember 1897.
No. 15, Jahrgang 18.
i
Graf chnüos Yrautfaiirt
Eine Geschichte aus Slavonien von M.
Norm-Moda.
Sein Vater war der befte Reiter ge
wesen, der sicherste Pistolenfchüße, der
flotteste Cavaiier, der raffinirtesie
Gourniet in der Liebe; feine Mutter
die glänzendste Erscheinung unter den
Modedamen, die eleganiekte, schickfte
Tänzerin bei den Hofbällen —- kurz
eine Lebensiiinftlerim Beide sind
lange todt — und der Sohn . . .? Der
Sohn ift nichts als ein sonderbarer
Träumer. Sonderbar —- das ist der
zutreffendste Ausdruck für ihn. So
stnd seine Liebhabereien, sein Leben —
fo war auch feine Brautwerbung !
Alles sonderbar.
An irgend einem heißen Sommer
tage — Graf Zdento lehnt in einem
amerikanischen Schautelstuhl auf der
Terrasse feines prachtvollen Schlosses
—- tonimt eine ,,egyptifche Zigeunerin«
zu ihm und begehrt, ihm seine Zukunft
zu offenbaren. Graf Zdento langweilt
sich gerade furchtbar — er will fiele
nuLnicht eingeftehen. »
So lasz ter sich »prophezeien«.
Reichthum, Jugend, Gesundheit hat
er —- wag bleibt der armen Alten
übrig? —- Da verrathen ihr die Kar
ten, daß er einmal im Leben eine
»statute- Hinsichtl« haben Werde.
Sie drückt sich allerdings nicht so
nobel aus, aber sie meint dasser
Graf Zdenko lacht, dann gefällt ihm
diese Zutunftsaussicht, zuletzt wird der
Gedanke zur sixen Idee.
Er lebt in seinem Schlosse, lie"t
goldgeschnittene Gedichtsammlungen,
raucht bosnischeEigaretten und tvarte:·
Sommers über —- wenn sich der
Mondschein silbern über den Part und
die Rosenbeete gieszt, steht er auf der
Veranda und geigt schwermiithige Wei
sen —- so süß und sanft, daß sie die
Nier hervorgeloclt hätten aus dem
See. Bei Gras Zdento Kavalgztnz
Schlosse giebt es aber keinen See, also
auch keine Wasserseen. So spielt er
fiir sich allein und wartet auf die
Braut, die romantisch kommen und
seines Lebens einzige Leidenschaft
werden soll. Dann wird es ihm wisc
der langweilig, er verzichtet auf die
romantischenllmstände, fährt nach Pest
und Wien und schaut sich die jungen
Comtefser und Baronessen an.
»Sie« ist nicht darunter
Der Winter tommt mit den langen
schweigsamen Abenden. Graf Zdento
sitzt allein in der Halle seiner Vater.
Das Feuer im Ofen tnackt und spriiht
gefpenstisch, das Wasser im Theetessel
singt sein einförmiges Lied. Portieren
verhüllen Thüren und Fenster. Wie,
haben sie sich immer noch nicht bewegt,
um »sie« hereinzulasfent Abend um
Abend tönt chntos Geige durch die
lange Flucht der Gemächer — zuletzt,
gegen das Frühjahr hin, ganz unge
duldig und sehnsüchtig. Der Gegen
stand seiner »s.71·-uut·s pas-inton« will
sich nicht zeigen, und er ist so einsam,
so allein!
Freilich —- »heirathen« könnte er
jeden Augenblick. Geheirathet werden,
weil er der Graf Zdenko Kavalgzly ist,
weil er jung, hübsch, reich, elegant oder
ein excellenter Violinspieler ist. Pfui,
wie alltäglich, wie real!
Der Mai hält mit fliegenden Fah
nen und tlingendem Spiel seinen Ein
zug. An solch einem milden Maiabend
kommt ihm ein prachtvoller Einfall.
Eine Stunde fpater packen zwei Las «
laien unter Aufsicht des alten Ram
merdieners Jozo die Koffer ihre
herrm Der hat sich plötzlich entschlos
sen, nach England abzureisen. szo
soll ihn bis Wien begleiten.
Vor der Station Verbovic öffnet
Graf Zdenlo die Verbindungsthiir des
Ganges zwischen den Couchs erster
und zweiter Klasse und tritt zu Jozo
ern.
»Du, — hör mich an. Jch steige in
Verboci aus. Du fährst nach Wien
und deponirst mein Gepäck ini »Hotel
rnperial«. Dann kehrst du nach
aufe zurück und schweigst gegen Je
dermann darüber, daß ich in Verboci
ausgestiegen bin. Jch bin in London,
verstehst du? Hier hast du einen
Brief ohne Adresse, den bewahrst du
aus, bis ich dir schreibe oder trieng
phire, an wen er abzusenden ist. Dann
aber hast du ihn sofort zu expediren,
um welche Stunde immer dich mein
Befehl erreicht. Sonst aber, du maafti
mich sehen und treffen, wie, wo und
wann es sei —- tennst du mich nicht,
bis ich es dir erlaube. Hast du mich
verstanden, Jaon«
»Jawohl, gräfliche Gnaden! Aber
wohin geruhen gräfliche Gnaden zu
reisentm fragt der alte Mann besorgt.
»Ich bin in England, Jozo. Adieu!«
Der Zu hält, und Graf denko
springt sr gemuth mit gleichen iißen
zur Erde. Er hat nur ein län liches
Ledetiöfferchen in der Hand. P eifend
geht er aus die Landstraße hinaus und
wandert rüstig im Staube weiter. Gras
Zdento sucht das Glück. I
Nach zweiftiindiger Wanderung hat
er den Wald erreicht. Er fchwenlt vom
Wege ab, tiefer hinein. Hinter drei
dicken Cichenstämmen macht er Halt«
Das Kofferchen wird geöffnet und sein
Inhalt lausgepackt Da ist erstens seine
Geige, in ein grünes Säckchen gehüllt,
ein abgeschabter, regenverwaschenek
- Anzug, derbe Schuhe und ein alter
s Tornister, mit allerlei Kleinigkeiten ge
« füllt. Jn zehn Minuten ist die Meta
s morphofe vollzogen. Aus dem ele an
» ten Schloßherrn ist ein — allerdings
bildhiibfcher —- armer, wandernder
Musikant aeworden.
Gean Abend kehrt er in eine
Schante ein, mud, hungrig und nan
big. Das Wirthshaus ist überfällt
von jungen Burschen und hübschen
Mädchen. Der Musikant wird freudig
begrüßt. Als ihm ein Bauer sein ge
fiilltes Weinglas hinhält, trintt er es
auf einen Zug aus und vergißt nicht,
sich zu bedanten. Graf Zdento spielt
und spielt zum Tanz auf, bis ihm der
Schweiß von der Stirne rinnt und dir
flinten Finger schmerzen. Die Bauern
sind splendid, und der Teller, den der
brave Wirth vor ihn hingestellt hat,
fiillt sich mit Niclelmiinzen.
Um zwei Uhr friih ist die tanz
luftige Jugend endlich schlafen gegan
gen, und dem Musikanten wird in der
Wirthsstube ein Lager gerichtet. Er
bittet nur um eine Decke und legt sich
auf den Rasen in den Garten hinaus-.
Da schläft er den Schlaf der Gerechten
bis zum Morgenroth Am offenen
Ziehbrunnen macht er Toilette, be
tonnnt ein Stück Schwarzbrot, elnc
Schale Milch zum Frühstück und —
wandert weiter.
Arn dritten Tag seiner Wander
schaft kommt er nach Kostelicr. Es ist
gerade Jahrmarkt dort. Mitten im
Gewühle stellt er sich aus und spielt.
Die Bürgergfräulein bleiben stehen
und hören ihm ein Weilchen zu. Eine
und die andre sucht kichernd in ihrem
Beutelchen und wirft in den abgezoge
ncn Hut den Obolus der Mildherzig-·
leit.
Plötzlich bricht er sein Spiel ab und
wendet sich zum Gehen. Was soll er
hier noch länger stehen? Da ist »sie«
auch nicht«
Gras Zbento zieht von Dorf zu
Dorf, von Stadt zu Stadt. Hier
spielt er bei einer Hochzeit auf, dort bei
einer ttindstaufr. Selbst eine Be
gräbnisztapelle hat er schon verstärkt.
Die Zigeunerlindey die Bettler
und Wandereleute haben gute Tage.
Unter sie verstreut er den Musikanten
lohn und wandert unermüdlich weiter
aus der Suche na(k, dem Glück. Es ist
gerade der erste August, alg er in dem
lleinenStädtchen Marinovci ankommt·
Er ist braun und mager geworden·
Die Sonne hat seit Stunden auf ihn
herabgebrannt, er kann die miiden
Füße taum mehr rühren. Hätte ihn
ein gutmiithiger Bauer nicht über den
Lijebirgskamm der Krndija aus dem
Wagen mitgenommen —- er hätte sein
Ziel heute nik't mehr erreichen können.
Erschöpft sinkt er aus die Holzbant in
der Schwemme des Gasthauses ,,l«u(l
zlutnog Feste-Im« — »zum goldenen
Hirschen« — nieder.
Eine Viertelstunde kaum hat er ge
ruht, da tritt der Herr Wirth aus ihn
zu. Dem Mann scheint es gut zu ge
hen. Sein Antlitz glänzt wie der aus
gehende Mond, sein feister Bauch ist
oon einer doppelten Uhrkette umgürtet.
Er hat einen Fraek neuester Fetqu
von Anna Schnee an und einen Rog
marinstrauß im Knopsloch Ossenbar
ist eine Hochzeit im Ort.
,,.5’tönnt Jhr etwas Ordentliched
spielen?« fragt er herablassend den
armen Musikanten, der bei seiner An
rede, wie es sich geziemt. ausgestanden
ist.
»Ich glaube schon, Herr Wirthl« Ir
widerte Jdento demüthig.
»Die Sache ist nämlich die: Könn
tct Jhr als Primas (Primgeiger) zu
Guß und Cymbel spielen’?«
»Wenn ich einmal mit den beiden
andern proben tann . . . .!«
»Da-zu ist teine Zeit. Die Sache ist
nämlich die: Jch habe heute eine Hoch
zeit auszurichten, und unser Primiti
tst vor zwei Stunden gestorben. Wenn
Ihr da ausspielen konntet . ..! Die
Sache ist aber die: —- daß ich ein sehr
srjneg Publikum l)abe!«
»Am-in soll ich denn spielen?«
»Zum Mittagessen, zum Tanz —
bis die Hochzeit aus ist-«
»Ich dente — Jht werdet mit mir
zufrieden sein, Herr Wirtb!«
»Nun —- nun —- rvas müßte man
Euch denn zahlen?«
»O, wenn Jhr mit zu essen gebt und
einen Schluck Wein —- so bin ich zu
stiedenl«
Der Wirth ist es auch.
»Ihr müßt Euch nur ordentlich zu
sammen richten! Die Sache ist näm
lich die: —— daß ich sehr feines Publi
tnin habe."
»Ja, Herr Wirth, so sein, als ein
armeriterl wie ich nur aussehen tann.«
Der hochzejtssaal ist wirklich
prachtvoll decorirt. Die Wände ent
lang Festons aus grünem Laub und·
rothen Rosen, die auch die Bilder Ih
rer Masestäten des Königs und der
Königin umschlingen. Jn der Mitte
der Wand ein Herz aus rothem Glanz
papier mit dem aufgetlebten Gold
monogramm des Brautpaares.
Der Tisch ist gedeckt — in den
Flaschen schillert der Wein, der weiße
süße und der heimtiiclifche rothe. Die
Torten prangen inmitten der Tafel.
Die Hochzeitsgäste sind mit einem veri
tablen Tusch begrüßt worden und ha
ben sich nach mancherlei Hin-und-her
endgültig niederlassen.
Graf Zdento mit seinen beiden
Collegen ist auf einer Staffel neben der
Tbür gerade gegenüber der Braut
postirt.
Das Essen beginnt —- und haupt
sächlich das Trinken. Toaste werden
ausgebracht und beantwortet, mit »
mehr oder minder distreten Anspielun
gen auf das junge Ehegliick des frisch
gebackenen Paares. Lachen und Wi-»
pern Tellergellapper und Gläserllk r
ren vermengt sich mit der lustigen
Musik der Kapelle deenko macht seine
Sache brav. Schier unermüdlich
streicht er über die Saiten und läßt
nebenbei die schwarzen funkelnden Au
gen über die Hochzeitsgesellschaft glei
ten Der Braut hat selbst Myrthen
f bliith und Brautschleier keinen Hauch
» von Poesie und Zsartleit geben können.
. Jhr Gesicht glüht in den ge sündesten
z Farben, auch der Appetit ist befrie
; digend.
! Dem jungen Ehemann leuchtet das
J Glück aus den Augen. Er trinkt viel,
spricht laut und hat ein stereotypeg,
- breites Lachen um die Lippen.
Links neben ihm sitzen Schwieger
» dater und seine Mutter.
Lauter unintercfsante Kleinstadt
physiognomien.
; Dann hat Zdenko unter den Braut
jungfern eine erblickt· Auf der bleibt
sein Blick haften. Sie ist noch sehr
jung —- laum sechzehn Jahr. Ein
- wenig blaß, schlank, mit rothen, lachen
; den Lippen. Entzückend ist das tade!
» lose Qual ihre-s- Gefichtcheng, das alth
» blonde wellige Haar, die klare, habe
Stirne mit den fein gezeichneteu
Brauen. Entzückend die ganze Er
scheinung des thaufrischen Kindes.
Sie trägt ein rosenrotheg Fileid, uru
dcn Hals ein goldeneg Kettchen. Die
Handschuhe hat sie abgestreift, die ge
pufften Acrmel eiitblöszten ihre runden
Arme.
Sie schaut ihn unwillkürlich aus
hellen, scharfen Augen an, und ihre
Blicke treffen sich. Ein rosiger Schein
überfliegt ihre Wangen, und sie wendet
sich zu ihrem Cadalier ab.
»Wer ist das junge Fräulein dort?'
fragt Zdento in der nächsten Pause den
Czimbaltnog (Ci)n1belschläger).
»Welche? Die, welche nächst der
Braut und neben dem Sohne des Be
z zirtsvorftandes sitz-is Das ist die Olga
i Miric. Ein stolzes, schönes Fräulein!
« Was schaust du denn, Bruder- —- Die
« ist nicht für unser einen geboren!«
»Spielen wir!«
Graf Zdento runzelte vie Stirne.
Wie kann sich der schmutzige Luuip uns
terstehen, von diesem Engel zu spre
chent Die tihampagnerpfropfen flie
gen an die Decke ——-- der Bräutigam
hat den Priniaö t)erangewintt, der nu.1
hinter der Braut steht.
Aus eigener Machtvolltommenhcit
tritt er dann zu Olga. Er beugt sich zu
ihr herab und siedelt ganz leise dac
! alte Lied: »Es-ils ist szst tut-)- nur
: u nur-»Ist (,,Nur ein einzig schönes
Mädchen trägt die Welt«) —,—-. Die
- kleinen Ohren haben sich purpurroth
gefärbt, und langsam wendet sie than
das Gesichtchen zu. Da haben sie sich
- zum zweiten Mal in die Augen ge
schaut und einen jener ernsthaftm
Blickegewechselt, die manchmal ein
T Menschenschicksal entscheiden.
Zdento richtet sich aus. Chtnbel und
Basz schweigen. Siegreich überti.sut
die tlingcnde Geige den Lärm der
schwatzenden Gäste und macht sie ver
stummen. Er spielt und schaut und
schaut und sieht nur sie und findet
Melodien, die er nie gekannt und
Töne, wie er selbst sie nie gehört. Das
tleine Instrument wird unter seiner
Hand veredt und erzählt von den lan-«
gen, einsamen Abenden, von der Sehn
sucht des Herzens, von der mühsamen
Wanderung, bis es ausjauchzt: »Ge
funden!«
Eine minutenlange Pause folgt.
Die Philister rundum haben es gefühlt,
daß sie Zeugen des ungestümen Aug
bruchs einer Künstlerseele gewesen.
Ein stürmischer Applauö und dann
die Ruse: »Csardas, Csardas!«
Braut und Bräutigam treten zum
Tanze an, die Brautjungsern mit den
J Kranzelherren.
i
i
Als der Sohn des Vorstandes Olga
umfaßt, schwillt Zdentos Ader, er faßt
seine Voiline wie im Krampse und s ur
rend springt eine Saite. Dann be
zähmt er sich und vertritt aetreulich bis
l
zuin Morgengrauen seinen todten Vor
gänger. s
Das junge Ehepaar ist verschwun
den, die Gäste, mit ihnenOlga und ihre
Eltern, sind nach Hause gegangen. Der
Czimbalmos und der Baßgeiger thun
sich an den Resten von Champagner
gütlich.
Zdenko wandert in die Felder. Der
Thau liegt aus Busch und Raine«.1.
Dife Vöglein erwachen, die Sonne geht
au —
Das Herz ist ihm voll freudiger Ge
danken! Die Lust wandelt ihn an, zu
dem Bürgermeister Miric hinzugehen
und als Zdento Kovalszty um Olaa
anzuhalten. Nur einen Augenblick
lang denkt er so.
Als er heimkehrt, sieht er sich alle
Häuser an. Hinter welchen der Je
schlossenen Jalousien sie wohl schläft?
Der Viehhirt treibt die Kühe aus.
Den hält Zdenlo an. »Wo wohnt «ec
Büraermeister?«
»Dort!« Der Junge zeigt mit den
Peitschenstiel auf ein einstöckiges Haus.
»Dort oben, im ersten Stock!«
It- x It· It
Sonntag drauf geben die Musikan
ten ein Concert im Bräuhausgarten zu
Gunsten der trauernden Hinterbliebe
nen des seligen Primas.
Die Creme von Marinovci ist er
schienen. Olga allein mit ihrer Mut
ter, denn der Herr Bürgermeister ist
zu irgend einer Commission avgereist.
Das Publikum hört aufmerksamer
als gewöhnlich zu. Sie sitzen an lan
gen Tischen — auf schmalen Holzhau
ken und trinken Kassee und Bier.
Eine Stimme ruft: »Der Vrimas
soll Solo spielen!«
Alle wiederholen: «Solo, Primas!«
Zdenlo tritt vor und spielt —- dann
nimmt er einen Teller und geht ein
sammeln.
»Für die Wittwe Erös Palis!« bit
tet er mit abgezogenem Hut. Tie
Spenden fallen tlirrend in den Teller.
»Für die Wittwe Erös Palis!«
Olga legt ihm eine Münze hin Und
sagt dann leise, halb unbewußt:
»Das ist für die Wittwe Palis —
und für Sie?«
»Für mich jene Rose, die Sie im
Gürtel tragen, Fräulein Olga!«
Sie legt die rothetliose auf das Gelt-.
»Sie haben ein goldeneg Herz, gnä
viges Fräulein!« sagt Zdenko laut und
verneigt sich tief vor ihr. Als- er den
Teller dem Cynibelschläger iibergievt,
liegt statt der Rose ein »Hunderter«
daraus· Wer ihn aespendet, weiß nic
niand —- alg Zdento allein.
Sie haben sich seither oft gesehen.
Vor der Kirche wartet er auf sie und
bei ihrer Haugtlfiir. Jmmer streift ihn
ein scheuer Blick aus den heilgraucsi
Augen. Zdento ist selig ——- so selig »Die
man ist — wenn man sich so recht von
Herzen verliebt hat.
Er liebt —- cr liebt dieses süße, her
zige Geschöpfchen!
Und Olgat
Abend ist’s. Ein weichen kühler
commerabend Es ist deinatxe elf U1,r.
Olga steht unbeweglich an dein offenen
Fenster ihres Zinntierche115. Wartet
sie auf irgend etwas-.- Alle Abend vor
her erklang von der Ferne weigenspiel
Zdentog Gruß an sie! Was diese
kleine Geige ihr nicht alles tlagt —
dnrch die stille Utaaitl Was sie tur
nicht alles ktagt von Herzeleid und
Stuminer und Weh! Die eine kleine
Melodie, die toie ein Eltefrain innner
wiederkehrt, die fuinsnt ihr tagsiitser
ini Kopf herum nnd laßt sie nichts du«-:
ken — alg das eine s - cctsred.ictie: das;
sie ihn liebt! Das eine Schreckliche
daß er ein Musikant ist! Dass eine
Herrliche — daß er sie --— daß sie ion
liebt! Sie zuckt zusammen! Da er
klingt es wieder —-- aber so natje —- so
nahe — dicht unter ihrem Fenster!
Scheu schaut sie nach der Thür. Ader
niemand kann ihn hören! Die Eltern
schlafen in einem Gassenzitnmer, durch
einen langen Gang von ihr getrennt.
Auf der Gartenseite ist sie allein.
Wie sie singt —— die Violin’! Olkga
drückt die Hände gegen die Ohren «
als wollt sie nichts mehr hören. Und
doch hört sie ihn! Und wenn sie flüch
ten würde bis an’s Weltende « diese
Klänge verfolgten sie...! Ah, er
singt! Sie läßt die Hände niederglei
ten und horcht athemlog seinem Liede:
,,Oeffne dein Fensterlein,
Oeffne dein Lädchetn
Schent mir ein Rosmareim
Blondlockig Mädchen,
Still und geheiinnißvoll,
WeiPs niemand merken soll.
Vollmond am Himmelsthor
Lugt aus den Wolken vor
Nach dir mein Kind.
Zeig mir dein Angesicht;
Denn sieh, er plaudert’s nicht,
Zeig dich geschwind!«
Zu Zdentos Füßen fällt etwas nie
der.
Es ist ein Zweiglein, daran ein Zet
telchen gebunden ist. Jm Mondenlicht ;
liest er die Worte: f
»Gute Nachtt«
Gehorsam erhebt er sich von dem
Bäntchen unter Olgas Fenster und
geht« Leichten Sprunges setzt er über
den Gartenzaun und verschwindet in
den Feldern. -
Olga aber kniet vor ihrem Bette
und drückt das heiße Gesicht in die
Polster, um ihr Schluchzen zu ersticken.
It- slc -:«
Heute sitzt sie wieder zitternd am
Bettrand. Das Fenster steht weit of
fen. Der Mond scheint so theilneh
mend hinein, als thäte sie ihm leid ob
ihrer kindischen Fragen: ,,Witd er
kommen? Ach du lieber, barmherzi
ger Gott! Warum kommt er? Warum
nimmt er den Schlummer meiner
Nächte — die Ruhe meiner Tages«
Gestern ist sie ihm begegnet. Sie war
stehen geblieben —- sie weiß selbst nicht
—- wie sie es aus der Kehle heraus
wiirgte: »Spielt nicht mehr unter mei
nem Fenster, Zdenkot"
Da sah er sie an! Wie kann in
einemMenschenauge solch’ eine schmerz
liche Frage brennen?
»Verbietet Jhr’g? Verjagt Jhr
mich?«
Und sie sagte: »Nein, und floh.
Sie liebt ihn doch? Wird er koni
nun?
Er ist gekommen. Ein Paar trau
rige Mollaccorde, die langsam in eine
sehnsüchtige Melodie übergehen, dann
mit gedämpfter, vibrirender Stimme:
»Leise athmet Blüth’ und Blatt
Jn dem stillen Garten,
Sprich, wie lang, mein blondes Lieb,
Soll ich deiner warten?
Und wie lang vor’m Fensterlein
Werd ich stehen müssen?
Wann, mein blondgelocktes Lieb,
Wann werd’ ich dich küssen?«
»Quäl mich nicht! Quäl mich nichtt«
flüstert Olga.
Zdento hält inne, als erwarte er
Antwort.
Er steht nun ihrem Fenster gegen
über im Schatten. Noch einmal hebt
er an. So leise und fanft, als spielten
Geisterhände:
»Aus deinen sanften Träumen weckt
Dich meine Weise,
Sie loctt wie eine Wasserfrau
So leise·
Bang fragt und ruft die Nachtigall,
Wo’5 Hälmchen bliebe,
Und schluchzt und jauchzt das alte Lied
Der Liebet
Komm du zu mir, mein süßes Kind!
Es glühn die Sterne!
Ich sagte dir’5, wie ich dich lieb’,
So gerne.
Aus deinen sanften Träumen weckt
Dich meine Weise
Es lockt wie eine Wasserfrau
So leise
Die Liebe l«
Der letzte Ton ist verhallt. So still
ist’S — so traumhaft still, daß man
wähnt, die fallenden Rosenblätter zu
hören.
Da knarrt die Hausthür. Olga
kommt langsam — zögernd näher, bis
sie vor Zdenko stehen bleibt. Er sieht
sie fragend an und ficht die hellen
Thränen, die ihr über die Wangen
rollen
Dann blickt auch sie plötzlich auf und
läuft zurück in’5 Haus. Er aber geht
wieder traurig seiner Wege-.
Siebenmal hat er seitdem vor ihrem
Fenster gesungen, und tein Laut ver
rieth, daf; sie ihn höre. Er hat vor
der Kirchthtir gelaucrt, und — sie kam
nicht. Endlich hat er sich ein Herz ge
faßt und ist am hellen Tage stunden
lang auf dem Eckftein gegenüber ihrem
Hause gesessen. Sie zeigte sich nicht.
Am »kleinen Frauentag«, da er wie
der einporblickt, merkt er oben am
Simsen einen Neltenbnsch mit unge
brochenen Bliitten — das alte Zeichen,
dan die Liebe sich ergeben! —— Nachts
zittern seine Melodien wieder aus den
Graf Zdenlog Brautfahrt —— F)———5
Büschen zu ihr Und bebend und verlan
gend die Worte:
»Mein süßes Kind, laß das Zagen,
Und lafz des Bangen-: herbe Lust!
Hat dir die Stunde erst geschlagen,
Dann kommst du doch! Du mußt, du
mußt !
Wie eine lang verirrte Taube
Drückst du dich still an meine Brust,
Mein holdes Liebchen, glaube, glaube,
Die Liebe ruft! Du mußt, du mußt!«
Auf einmal, eh’ er’g gedacht, steht
sie vor ihm —- wie damals: die hellen
Thranen in den Augen. Er breitet die
Arme aus, und sie sinkt ihm schluchzend
an’s Herz. Er hat den rothen Mund
geküßt und die Thränen getrocknet.
Und niemand hat es gesehen als die
großäugigen Himmelslichter oben am
Firmarnent.
Manche Nacht sind sie in dem bus
tenden Garten gesessen — glücklich und
wunschlos — wie im Märchenland.
Sie haben sich alles gesagt und alles
gefragt, was man in solchen Stunden
—
zu sagen und zu fragen pflegt, unsd ya
ben’s doch nicht ergründet — warum,
wann und wie die Liebe kam.
»Wann ich weiter wandern muß,
Olga?«
»Dann gehe ich mit dir!«
»Ich bin arm und heimathlos, Ol
ga ?«
»An deinem Herzen ist mein-e Hei
math — ich liebe dich, Zdenko!«
So ist’s beschlossene Sache.
Sie kommt des Abends herunter
und trägt in der Hand ein« Ränzchen
mit einigen ihrer Habseligkeiten. Die
packt er in seinen Tornister, und sie ge
hen Hand in Hand Von dannen.
Sie schaut kein einziges Mal zurück
So wandern sie fürbaß die ganze
Nacht. Wenn sie müde werden, rasten
sie am Straßenrain. Als- sie um die
ach-te Morgenstund’ in Kostelice an
kommen, steht oor dem Wirthshaus ein
Viereraug
Auf dem Bocke thront der alte Jozo
in der gräflich Kovalszky’sch-en Livree.
Er ist ausnahmsweise Kutscher.
Zdenko tritt mit abgezogenem Hute
zu ihm heran:
»Guter Freund, Jhr fahrt doch mit
leerem Wagen zurück? Könnt Ihr
uns nicht mitnehmen?«
,,Gräfliche Gnaden . . . !"
Da trifft ihn ein vernichten-der Blick
aus Zdentos Augen.
Der alte Jozo sinkt in sich zusam
men, macht ein blödes Gesicht unI
murmelt irgend etwas Unverstand
liches.
Zdenko nnd Olga setzen sich in den
Fond der Kalesche, und fort geht’s wie
der Wind.
Wenn ne nch turchtet, braucht er sie
nur anzusehen. Keine Spur der Reue
über das Geschehene ist in ihrem Ge
sichtchen zu lesen. Sie schwelgt In dem
Gefühle einer reinen, mächtigen Liebe.
Und wenn ihre Liebe nicht wäre,
müßte sie erwachen bei jedem Drucke
seiner Hand.
Jozo ist diskrei. Er wendet keinen
Blick von seinen vier Braunen, die zu
fühlen scheinen, wen sie fahren. Sie
kauen an den Gebissen und zerren vor
Ungeduld den alten Jozo schier vom
Bock herunter-. Haben auch lange ge
nug geruht.
Der Wagen saust — vorüber an den
Stoppelfeldern des Herbstes in die
sonnige Welt hinein, und Olga fragt
nicht, wohin eS gehe. Nur wenn sie
durch ein Dorf kommen, schmiegt sie
sich ängstlich an den Entführer, daß
man sie nicht erkenne.
»Wir werden uns ein kleines Häus
chen tausen,« sagt Zdenko.
»Ja. Mit einem kleinen Garten !«
«;3"a. Und darin muß eine Bank
sein l«
»Ja. Ganz wie die bei uns in Ma
rinovci.«
»Ja. Und du wirst daran sitzen,
Olg·.1.«
»Ja. Und du neben mir, Zdenko!«
Gegen Mittag ist das Schloß »r
reicht.
Die weiten Flügel des Thores öff
nen sich Jozo fährt im knirschenden
Ries vor.
«-,«-.nto verläßt den Wagen und
Leu Lilga herang. Tief verbeugen sidh
die Diener. Zdenko schreitet so sicher
ur-. d selbstbewußt die teppichbelegte
Treppe hinan —- als — sei er hier zu
Hause
C r fragt nicht und redet nicht.
Olga schaut und schaut — und
kann nicht klug werden aus all’ dem
Erlebten
chnto führt sie in ein Zimmer und
l;eikzt sie warten. Ihr ist «- sie weiß
nicht wie. Was soll das alles? Die
Fenster sind weit offen, und aus dem
Bart fluthet der volle Sonnenschein
herein. Sie ist auf-gesprungen und
möchte denken M möchte sich alles er
klären . . .
Als Zdenko wieder eintritt, ist aus
dem wandernden Musikanten der Graf
Zeudalgzky in Sinoting und weifzer
siravatte geworden. Der läßt den
fremden Herrn rufen, der eben ange
kommen. Es ist der Bürgermeister
; Mirie aus Marinovci . ..
Die drei lachen und weinen und er
zahlen in einem Athenizuge und sind
unbeschreiblich glücklich.
Herr Miric kann sein Erstaunen
nicht genu- schildern, das er empfun
den, als von dein Grafen Zdenkso Ko
valszkh heute früh ein Brief kam, er —
der Miric —- solle ihm unverzüglich
die Ehre seines Besuches schenken. Er
ist gleich weggesahren und hatte gar
nicht beniertt,dasi — Olga nicht da sei!
Und Olaa küßt ihren Bräutigam
und flüstert ihm zu: »Ich hab’ dich doch
gerade so lieb, als wenn du ein wirkli
« cher Primas wärest!«
Er lacht!
Die Geschichte schließt wie ein Mär
chen: Wenn sie nicht gestorben sind —
leben sie noch heute.
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Um rotoe Blumentöpfe
aufzufrischen, verwende man
Steinroth mit Wasser und reibe damit
die gut gereinigten Töpfe ein.