Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, December 17, 1897, Sonntags-Blatt., Image 14

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    Wie Piraten.
see-Roman von William Clakle RussclL
(11 Fortsetzung.)
»Ja ich bin 5,« lächelte diese ihm zu.
« »ich hing, Margaret Mansel, leibhaf
" M und lebendig «
Jetzt schritt Matthews auf sie zu.
»Also nicht Jhr Geistl« rief er, des
Mädchens Hand ergreifend »Bei Gott,
L. es geschehen doch noch Wunder! Sie
hier an Bord dieser Brigg!« Und sich
» an den Commander wendend, setzte er
" hinzu: ,,Fast will mir nun alles, was
hinter uns liegt, wie ein schlimmer
T; Traum erscheinen!«
»Ich habe herzliches Mitgefiihl für
« Sie,« sagte Boldock. »Aus Ihrer An
wesenheit hier schließe ich, daß die Pi
raten im Besitz der Bart sind."
» »Heute früh über-fielen sie uns, und
1 zwangen uns alle, in die Boote zu ge
· Wie aber tamen Sie hierher,
M Mansel?«
Die junge Dame beantwortete die
stage mit wenigen Worten.
« »Was ist aus den andern gewor
«den?« forschte die Dame.
»Das weiß ich nicht. Wir waren
gnsammen vier Boote Eine Weile
lieben wir bei einander, dann segelte
Poole auf einmal leewärts davon und
sie andern folgten ihm. Sie mögen
wohl ein Fahrzeug gesehen haben.«
»Die Damen hat sicherlich Capitän
«- Venson unter seineObhut genommen-«
bemerkte Miß Mansel.
»Capitän Benson ist todt,« entgeg
nete Matthews VU Apf.
« »O Gott! Haben sie ihn ermor det?«
Das glaube ich nicht. Ehe ich ins
Boot ging, fragte ich den langen Kerl,
den Trollop, was aus dem Sdiff
geworden wäre. »Der ist todt, « satte
et. Jch sah ihm in die Augen. »Er
yschossen « sagte ich, ,,nicht wahr?'
«Nein, Mr Maithewå,« antwortete
er; »als ich ihm eröffnete, daß das
« Schiff nunmehr in unsrer Gewalt sei
da traf ihn der Schlag, und er fiel
todt nieder auf den Teppich seiner Ca
jiitr. Das ist die Wahrheit, ich schwo
It te es Jhnen bei dem allmächtigen
Gott« Er rief dies in beinahe wil
Dem Ernst, und ich glaube ihm· Bei
Capitiin Benson konnte man sich eines
Folchsen jähen Endes wohl versehen. «
Der Commander nickte. »Habe ihn
gelannt,'« sagte er. »He-Ue einen tur
zen hals und Feuer in den Adern.
War ein tüchtiger Seemann. Gott
hab’ ihn selig.'«
»Was denten die Zehn mit der
«Queen« zu beginnen?« fragte Miß
Maner nachdem sie dem Andenken
des alten Benson einen Seufzer ge
" weiht.
»Wer mag das wissen?« versetzte
-Matthews. »Was ich zuletzt von ihr
sah, war, daß sie unter oollen Segeln
nach Süd - Südwest dadoniief.«
»Sie kann kaum aus Sieht sein,«
meinte Boldock, unwillkürlich in der
angegebenen Richtung auf-spähend.
Matthews schüttelte trübsinnia den
Kopf. »Sie ist ein Klippen ein-Schnell
segler,« sagte er. »Diese Brigg holt
sie nicht ein. Was in aller Welt aber
veranlaßte die Schurken, Sie über
Bord zu werfen, Miß P«tanfel"?«
Sie erzählte ihm nun ausführlich
die ganze Geschichte; er hörte ihr nie
dergeschlagen zu.
»Die Schuld trifft den Schiffer!"
sries er dann, heftia ausbrechend. »Er
hatte Grund genug, den Kerlen zu
mißtrauem warum ließ er sie nicht in
Eisen legen? Alle an Bord, Passa
iete wie Matrosen, hätten zu ihm ge
anden, wenn die Spitzbuben bei der
Ankunft in London darüber Beschwer
de geführt hätten! Jch bin um all
mein Hab und Gut gekommen, ich habe
verloren, was niemals, niemals wieder
ersetzt werden kann!«
»Auch mir geht es so,« sagte dieMIß
traurig.
Das Herz des armen Steuermannes
war so voll, daß Voldock sich wunderte,
ihn nicht in Thriinen ausbrechen zu se
hen. Er hätte ihn deswegen nicht ge
rinaer aefchiitit
»Mr. Matthews,« nahm der Corn
mander das Wort, »Sie sind erschöpft.
Sie brauchen eine Erfrischung und
dann Ruhe. Folgen Sie mir in die
Eaxiite.««»
sc —
Er schritt voran, nachdem er Mr.
Hardy noch beauftragt hatte, auf Mist
Mansel zu achten.
Unten angelangt, setzte Matthekvs
sich nieder und stützte den Kopf in die
Hände. Boldock reichte ihm ein Glas
Wein, das er mit einem Dankeswort
annahm.
»Ich habe im Boot darüber nachge
dacht,«« sagte der Steuermann, nach
dem er getrunken hatte, »und meine
Ansicht ist durch das, was Miß Man
sel gehört hat, bestätigt worden« Die
Banditen werden irgend ein Eiland in
einer abgelegenen Gegend anlaufen,
dort das Geld an Land schaffen und
dann das Schiff vernichten. Die Bri
gantine, von der sie redeten, wird sie
entweder schon an Ort und Stelle cr
warten, oder bald daselbst eintreffen,
Um das Gold an Bord zu nehmen.
Dabei wird es Argwohn, Mißgunst
und Streit geben, und vielleicht schnei
den sie einander die Hälse ab.«
Der Confnander krollte die Augen
Mz als iinne er ies nur sehnlichst
W und wiinschen.
»Ein ungeheure-: Schatz,« schloß der
steuermanw »Zweimalhundertund
: Wgtaufead Pfund Sterling in ge
W, nnaemänztem Golde-—Nug
Ud Stank Ich möchte ver
zweifeln, wenn ich daran denke, wie die
Verfchwörung sich unter unsern Au
gen vollziehen konnte, und wir alle so
blind — und Benson so blind!«
Tief ausstöbnend schlug er sich mit
der Faust vor die Stirn.
15. Capitei.
D a s G o l d.
. Die »Queen« rauschte unter vollen
Segeln und leicht nach Lee übergeneigt
- durch die von der Morgensonne be
; strahlte, frisch bewegte Fluch. Hinter
’ iyr m weiter Ferne, war ein might-n
; tender Puntt sichtbar —- eins der
; Boote. Fünf Glasenschläge waren fo
; eben verklungen; die Uhr war halb sie
i ben.
I Die Zehn hatten die lange vorher
J festgesetzten Rollen nunmehr unter sich
! vertheilt. An des alten Benson Stelle
; marschirte der Hauptmann Trollop
; auf demAchterdeck, allerdings nicht wie
. ein Seemann, sondern wie ein Soldat.
» Mr. Walter Shannon stand in Hemd
; ärmeln am Ruder, und das schnurge
; rade Kielwasser bewies, daß er treff
splich zu steuern verstand. Jn der Tbur
J der Kombiise lehnte Mr. Peter Jodns
« son; er plauderte mit Mr. Paul Han
- ten und Mr. Alexander Burn. Er
stand nur in Hernd und Beintleidern
und hatte die Aerrnel aufgestreist; der
Rauch aus dem Schornstein kräuselte
lustig nach Lee hinaus über die See.
Peter Johnson war der Koch dsr
,,Queen« und hatte sein Amt in aller
Form angetreten, indem er Feuer an
machte, die Kessel mit Wasser füllte
und die Vorbereitungen zum Früh
mabl traf.
Zwei der Matrosen waren an Bord
zurückbehalten worden, William und
der Däne Harm. Sie hatten sich, wenn
auch widerwillig, der Gewalt gefügt
und drückten sich nun finster und mür
risch beim Anterspill herum.
Meisters-, Davenire und Weston har
ten sich dem auf dem Achterdeck prom
nirenden Trollop angeschlossen.
»Ich bin mir noch immer nicht recht
klar darüber, aus welchem Grunde
jene beiden Matrosen an Bord bleiben
mußten,'« sagte der Ersten, zu Trollop
gewendet.
»Hirnknel!« brummte Davenire·
»Wie oft ist das schon besprochen wor
deut«
»Vielleicht in meiner Abwesenheit,«
versetzte Masters »Ueberbaupt bat es
Euch von Anfang an beliebt, mich über
vieles im Ungewissen zu lassen, nxkckt
und auch Burn. Jbr habt Grbeirnniiie
vor uns, das ist nicht kameradschast:
lich unsd wider die Verabredung.«
»Seht richtig,« sagte Daoenire ta?:.
»Aber um so besser für Sie, Masters.«
»Hören Sie zu, Masters,« begann
Trollop, den jungen Mann, dessen
Antlitz von Unmuth geröthet war, von
der Seite ansehend; »Sie wissen doch,
daß wir ankern müssen, wenn der »Ri
val«, die Brigantinc, bei unserem Ein
treffen bei der Jnsel nicht zur Stelle
ist. Da sind hundert Dinge möglich,
die ihre Ankunft verzögern können.
Ferner kann es sich ereignen, daß wir
uleiebsarne Begegnungen haben, viel
leicht mit einem Walfischfiinger, oder
einem von seinem Fiurse verschlagenen
Passagierschiffe. oder gar mit einem
amerikanischen Kriegsfabrzeug Es
sann uns aber unmöglich daran liegen,
uns ausfragen zu lassen. Finden wir
die Vrigantine nicht vor, dann rnusz
das Gold sogleich an Land geschafft
werden. Selbstverständlich wird Je
der von uns dabei sein wollen, denn
wir sind keine Busenfreunde und
trauen einander nur so weit, als wir
uns sehen.«
»Habaha!« lachte Weston.
»Hahaba!« lachte auch Davenire.
»Wenn wir nun aber alle Mann an
Land geben,« fuhr Trollop fort, »dann
muß das Schiff inzwischen doch be
wacht werden, und dazu haben wir die
beiden Mate-osen zurückbehalten.«
»Und hernach?« forschte Mafters.
»Kein Mensch kann in die Zukunft
blicken, Sam,« sagte Davenire.
»Hernach geben wir wieder an Bord
und halten uns in der Nachbarschaft
der Insel, bis die Brigantine tommt,«
antwortete Trollop. Dann blieb er
stehen, als fiele ihm plötzlich etwas ein.
»Bei George!« rief er. »Wir haben
den alten Benson ganz vergessen!«
»Mir keine Ceremonie,« brummte
Davenirr.
.,Er war ein braver Seemann," sag
te Trollop. »Das Meer wird sein
Grab und das Aufplätfchern des- Was
sers sein Requiem sein.«
,,Geben wir ihm seinen Cylindet
mit auf die Reise?« lachte Weston.
Mafters wandte sich unwillig ab
und ging nach hinten, wo er sich neben
Shannon stellte und auf den Compafz
schaute. »
»Daß wir den Laffen mit in unser
Unternehmen gezogen haben, war ein
dummer Streich,« arollte Daoenire.
»Der hat nämlich ein Herz. Jch glau
be, er trauert um Miß ManfeL Wäre
ein Berrnth möglich, er käme von sei
ner Seite.«
»Er soll nicht landen, wo ich lande,«
versetzte Trsollop. »Nehmet! Sie die
Angele enheit mit dem alten Benfon
in die Zank-, Davenire, damit wir das
noch vor dem Frühstück hinter uns ha
den-«
Capitän Benson lag noch so da, wie
sie ihn verlassen hatten. Er schlief den
Schlaf, den nichts mehr stören kann.
Davenire, Wefton und hantey traten
in die Kajüte. Sie standen und sahen
hernieder auf das bleiche Antlitz das
weiße haar und die regnn Blofe Ge
stalt. Dantey erschauerte, faßte me
chanisch in seinen schwarzen Bart und
drehte sich um.
»Ich wollte, Sie hätten mich damit
verschont, Dadenire,« sagte er, und
plötzlich eilte er hinaus.
»Der hat seine Leber im auftralis
schen Busch gelassen, « murmelte Davi
nire achselzuckend. »Wir schaffen’s
! auch allein.«
i Sie nahmen die Leiche aus dem
Bett und legten sie aus ein zu diesem
Zweck mitgebrachtes Stück Segeltuiti.
T Zwanzig Minuten später erschienen sie
mit ihrer Bürde an Deck.
»Was gibt’s da? gröhlte Caldwell
von der Back her.
J »Ein Packet fiir Poseidon,« rief Da
venire zurück. »Wollen Sie die Bestei
« lung übernehmen?« l
»Bei Sankt Peter!« sagte Harry der
Däne zu seinem Gefährten William,
der neben ihm an der Tbiir des Logis
« lebnte. da brinaen sie den todten Cam
; tän! Und der große Spitzbube treibt
« noch Spott mit seinem Leichnam! Jch
könnte ihm mein Messer in den Wanst
; stoßen!«
»Will uns Niemand helfen, dem
Schiffer den letzten Dienst zu erwei
serr?« rief Dasenire iiIer das Deck.
,·Gewifz,« antwortete Burn von der
Galerie des Achterdecks herab. »Aber
etwas mehr Ernst und Feierlichteit
wäre doch wohl am Platze; wenigsten-J
sollte man den Hut abnehmen und
schweigen, wenn er bestattet wird. Der
Verstorbene war Capitän dieses Schif
fes und ein ganzer Mann.«
»So kommen Sie her und überneh
men Sie die Sache an meiner Stelle,«
entgegnete Davenire mit einem basier
fiillten Blick auf de: Sprecher. Damit
stng e: die Backbordtreppe zum Achter
deck hinauf.
Burn sprang die Stufen aus der
andern Seite hinab. Er warf feinen
Hut zur Seite, Weston aber blieb be
deckt. Von vorn ber kamen die beiden
Mattosen berzstgeeilt.
»Ist das der Capitän?« fragte
Harm.
»Ja,« antwortete Wesion, und er
und Burn hoben die Leiche aus. Tcr
Däne zog die Kappe ab und William
folgte seinem Beispiel. ’
» »Ich glaub» Sie haben recht
Burn," murmelte Weston und entblöss- H
te nun auch den Kopf, ein gleiches tha
ten verschiedene der umstehenden Zu-«
schauer. Davenire und Caldwell be
hielten trotzig die Hiite aus, ebenso
Sbannon am Ruder.
Sie reden dei. todten Schiffer uder
die Reelingiund ließen ihn in dasMeer
,72,leiten, das ihn mit dumpfem Auskun
ichen begrüßte. Capitän Benson’3
; Stätte auf Erden war leer . . . .
- Eine halbe Stunde später setzten die
Zehn sich gleichmiithig und in bester
Laune im Salon an die von Weston
und Burn hergerichtete Frühstückstu
fet. Schiffe wie die »Queen'« pflegen
mit dem feineren Proviant fiir die Ca
jiite stets auf das reichlichste aus-geru
stet zu sein, um allen Anforderungen
der Passagiere genügen zu können. Di.
Vorrathstan«.mer dck Bart befand sich
im hinternSchissåsraum im sogenann
ten La,zarett; gegenwärtig aber la-«
I noch keine Veranlassung vor, dieses-.
« Raum aufzus uchen, da des Stewardv
Pantrn mit Speisen und Getränt n
noch oollaus versehen war. Trollop
! hatte Bensons "latz eingenommenf
Peter Johnson saß in Mr. Mattderrc
; Stuhl Davenire, der Backbordwache
s zugetheilt, war zur Aufsicht des Schif
i fes an Deck aeblieben. Die beiden MI
E trosen saßen i« der Kombiise und
I schwelgten in Kaffee gebratenemSpeck
und weißem Schiffsbrot aus der Ca
jüte
»Ist das nicht gut genugt« schmau
zelte William.
H »Ja," sagte Harry iauend. »Ich
i
i
i
I
möchte zwar nicht für anderer Leute
Spitzbubenstreiche an den Galgen som
men, aber jeden Morgen gebratenen
Speck zum Fr»iihstiick, das könnte mir
schon gefallenf
»Wir sind keine Seeräuber, wenn
wir jetzt auch Seeräubern dienen müs
sen,« meinte William. »Ich werde mir
; um das, was hernach kommt, nicht den
I Kopf zerbrechen. Was geht es uns an
wer das Commando an Bord hat? Bei
Benfon gab’s keinen gebratenen Speck.
E Bei diesen hier gibt’s Speck und gute
. Bezahlung obendrein —- so ist's uns
versprochen. Außerdem können wie
nichts ändern, wenn wir auch woll
i ten.«
--«--.- . -.· -. --
Z Hat-eh beschäftigte sich mit feinem
Speck und schwieg; man konnte ihm je
doch ansehen, daß er mit Williacnsz
Auffassung fo ,iemlich einverstanden
war.
Jm Salon tcfelte man inzwischen
fürstlich, wobei manches Lob für den
« Koch, Mk. Peter Johnfon, abfiel.
»Hören Sie, Hankey,« tief Mafters
vom unteren Ende der Tafel her, »Sie
» sind ja wohl in diesen Meeresgegenden
bekannt?'«
»Nun, und wenns« entgegnete Han
keh.
»Meinen Sie, daß die Damen in
den Booten Aussicht haben, bald von
des Weges kommenden Schiffen aufge
nommen zu werden?«
»Das gehört nicht hierhee,« fiel
Trollop barsch ein. »Sobald wit mit
dem Frühstück fertig sind, dann wollen
wir das Gold holen und hierher in die
Cajiite schaffen.«
»Btavo!« tief Shannon mit vollem
Munde. -
»Bei-stauen wir's wieder, nachdem
wiss uns angesehen haben?« fragte
West-on.
»Ja, aber nicht wo es jetzt liegt«
»Und wo liegt ei feitW
»Im Raum beim Großmast.«
»Angenommen also, es lage da,«
T versetzte Westen, »soll es dann hernach
nicht wieder dort verwahrt werden?"
»Angenomrnen, es läge da —? wie
derholte Trollop gedehnt und mit ei
nem grimmigen Blick aus Weston.
»Nun, angenommen, es läge nicht
da, wenn Jhnen das besser gesällt,«
entgegnete dieser ruhig.
Trollop sah ihn noch einmal durch
bohrend an und fuhr dann fort:
»Ich schlage vor, wir verstauen das
Gold in einer dieser Kammern.« !
»Tagean erhebe ich Einspruch!« s
sagte Westorr. !
Weshatbe Was fürchten Siee «!
fragte Hantey spöttisch.
»Ich fürchte, das-, auf uns alle Zehn
kein Verlaß ist. Soll ich etwa auch
dafür noch verantwortlich sein?« Und
Weston erhob die rechte Hand und
machte damit Gebärden des Sägens,
Bohrens u. s. w.
»Was das anbelangt,« versetzte
Trollop, »so ist das Gold an dem einen
Ort ebenso unsicher aufgehoben, wie
an dem andern, vorausgesetzt daß wir
die Hallunten sind, für die Weston uns
zu halten scheint.«
»Es handelt sich hier nicht um eine
Kleinigkeit. entgegnete Westen, »und
e erscheint mir doch wünschenswert-H
daß wir uns nach Beendigung der
Reise unter gegenseitiger Hochachtung
und Dankbarkeit zu trennen vermögen
Jedenfalls hat Trollop ebrenhaft ge-I
handelt, als er die Wagschale mit ans
Bord brachte, so daß sich später Nie-« J
mand siir übervnrtbeilt halten kann
Wenn aber die Goldtisten in einer die
ser Kammern unrergebracht werden.
wer kann dasür einitehem daß ich nicht
in einer stillen Nacht mich mit Laterne
und Werkzeugen in diese selbige Kant
mer einschließe und znir met-r von dem
Gold zueigne, als Ttollcp mir zuzu
wiegen get-entt?«
»Sie besitzen unser bolleZVertraucrs,
Patrick,« sagte Lita steer
»Gentlernen« nnym Trollop da
Wort, »für alles w as- ich thue, babe ic;
meine Gründe« im Jnteresje von unser
aller Wohl. Lassen Sie Feuer ar.
Bord ausbrechen, lassen Sie uns eine
der hundertGefahren zustoßen, die ein«
Fahrt in diesen nur unvollkommen be
l
l
rannten Getviissern mir sich bringen«
kann, so dasz wir das- Schisf schnell
verlassen inussen, dunn,West-on, ist das-:
Gold hier —« er deutete mit dem Dau
men über die Schulter nach den Kau
mertbiiren —— »der der Hand und bald
in’5 Boot geschafft. So schnell wi:
uns selber retten, retten wir dann aud,
das Gold und erreichen damit auch in:
Falle höchster Notl; noch den Zweck, der
allein uns hier an Bord sührte.«
Weston schwieg.
»Und wer bewokrt den Schlüssel
zur Goldtarnmer fragte Peter Joha
son.
»Der Mann arti Ruder. Der Ab
lösende erhält jedesmal den Schlüssel
eingebändig1,« andeutete Trollop.
»Seht gut,« nickte Slxannom
Masterg erhob skch.
,,Zunächst, dachte ich, müssen tote
uns überzeugen, ob Peole, der zweite
Steuermann, unserm Freunde Hantey
auch keinen Bären ausgebunden bat,"
sagte er, »und ob das Gold auch wirt
lich an Bord ist.«
Damit ging er binaus an Deck. Alle
andern folgten ihm, Ttollop kühl und
würdevoll. Mittschisss angelangt, ge
bot er, die Deckel der Großlucie abzu
nehmen. Alle drängten sich herzu und
schauten in den geöffneten Raum hin
ab. Die Wollballen reichten nicht bis
unter das Deck, t,toischen ihnen und
den Decksballen konnte ein Mann ge
bückt stehen. Davenice, Hanley, Tros
lop und einige andre sprangen hinab.
Der Shast des Großmastesz war durch
einen aus neuen, srarien Planken her
. gestellten, iastenartigen Berschlag ver
deckt. haniey stieß einen Jubeltuf
aus.
»Hurrahl« schrie er. »Genau so
wiePoole es mir beschrieben hail Aexte
her, wir müssen den Kasten ausbre
cheg!«
, - - - - · «
Trollop kam herzu; es war duntet
hier unten, da die Lutenöffnung gegen
zwölf Fuß weit entfernt lag· Weston
; und Caldwell schafften Aexte, Beile,
s einen schweren Hammer und andere
Werkzeuge herbei, und Davenire und
Hankey machten sich an die Arbeit.
Mehr als zwei Mann konnten des be
engten Platzes wegen dabei nicht ange
stellt werden. Der zu sprengende Be
hälter war außerordentlich scst; die
s Bretter hatten die Stätte von Das
planken, und das Ganze war mehrfach
von eisernen Schienen umllamrnert.
Während das Holzwerl unter den
gewaltigen Axtschlägen trachte und
splitterte, standen die unthätigen Ge
nossen aus den Wollballen unter der
Lulenöfsnung und warteten mit ge
spanntester Aufmerksamkeit aus das
Ergebniß. Sie warteten lange, lange.
Endlich gab die vordere Wand des
Vorschlages nach und der ganz er
schöpfte Davenire ris, die letzten Plan
ken weg. hanken steckte den Kopf in
die gähnende Oeffnung. Er gewahrte
eine Anzahl auf einander gepackter Ki
sten; der ganze Stapel war mit Ketten
verschnürt.
Auf seinen Ruf kamen die übrigen
herbei. Die Freude der Männer beim
Anblick der Kisten war unbeschreiblich.
Enthielten sie doch ein großes Vermö
en sür jeden von ihnen. Jenes Gold,
in Münze umgeseht sicherte allen ein
behagliches Dasein; seht gab es siir sie
reine Arbeit mehr, Ietzt brauchten sie
nicht mehr zu graben und holz zu fäl
len, nicht mehr auf elenden Winsel
bithnen hinter qualmenden Lampen
jämmerliche Rollen zu spielen, nicht
mehr vor dem Mast zur See fahre-, .
nicht mehr mit Karten und Würfeln
zu betrügen, nicht mehr im Kampfe «
ums Dasein zu jenen Mitteln zu grei
fen, die gegen die Gesetze verstießen,
das Gewissen belasteten und denSchlaf
mit schrecklichen Träumen erfüllten —
Erfahrungen, von denen jeder der zehn
Gentlemen reichlich zu erzählen wußte. ;
Sie betrachteten die Kisten und
klopften mit den Knöcheln daran.
»Hart wie Gold,'« sagte Trollop.
»Die Ketten müssen durchgefeilt wer
den.«
Haniey sprang an Deck hinauf,
rannte in dasMatrofenlogis, entnahm
der Wertzeugliste des Zimmermanrs
zwei große Feilen und kehrte damit in
den Raum zurück. Gleich darauf wur- s
de das quielende Knirschen des Eisenä «
vernehmbar. Die Arbeit war mühse- ;
lig und schritt nur langsam vorwärts.
Alle lösten einander ab dabei. Trollnp s
begab sich in den Salon und sah nach
der Uhr. Es fehlten noch fiinf Minu
ten an zwölf. Er holte den Sextanten
des verstorbenen Capitiins und ging
damit auf das Achterdect. wo der Ma
trose William am Ruder stand.
Der Hauptmann mußte Uebung in
dergleichen Dingen haben, denn er
handhabte das Jnstrumet mit der SI
cherheit eines Navigators von Beruf.
Als er dasBesteck ausgerechnet und da
durch erfabren batte, wo das Schiff
sich gegenwärtig befand, verfügte er
sich wieder zur Großlulr. Hier hatte
man inzwischen das Durchfeilen der
Ketten beendet. Die Arbeit in dem
beißen, dumpfiaen Schiffsraum war
seor anstrengend gewefem wirs. Pra
coct hätte in den verwilderten, erhitz
ten, bef11delten, nur mit Hemd und
Hosen bekleideten Gestalten die Genue
men nicht wiederkrknnnt, die zu Ben
sons Zeiten so titlzl und gesitiegelt und
elegant mit ihr an derselben Tafel ge
sessen. Jetzt sahen sie aus, als kämen
sie unmittelbar aus«- dem australischcn
Busch. »
»Sollen wir die Kisten an Deck
bringen?" fragte Davenite.
,,Wieviel sind’s?« entgegnete Trol
lop.
Achtzehn Stück, große nnd kleine;
jeder von uns hat sie dreimal gezahlt«
»Gut. Heran damit.«
Die Kisten wurden aus dem Raum
geschafft und nack) Trollops Anwei
sung auf demAchterdeck neben dem hin
teren Qberlichtfenster niedergeset;t.
Hantey brachte Hammer und Summ
eisen aus der Zimntermannsliste h-rbei
und machte sich an das Oeffnen der er
sten derselben. Seine neun Genossen
standen um ihn herum.
Auf ihren Gesichtern spiegelten sie';
jetzt alle niedrigen Empfindungen und
Leidenschaften, deren die Menschenm
tur fähig ist. Es war, als ob ein sa
tanischer Zauber von diesen Goldtiiten
aus-gehe und die in jedem der Männer
schlummernde Vestie erweckt habe; al
les, was auf diesem und jenem der Ge
sichter bisher noch eine höhere Veranla
gnng angedeutet hatte, war verschwun
den, nichts war geblieben, als das
Charakterzeichen thierischer Gier und
Brutalitiit.
Hantey führte feine Werkzeuge mit
Meisterschqu Die eisernen Bänder
fielen, der Deckel hob sich, und die Zu
schauer brachen in ein Triumphgebriill
aus. Es war mancher unter ihnen, der
nicht erst lange hinzuschauen brauchte,
um zu erkennen, wag ein Nugget sei.
Keiner aber unterfing sich, den Jnhalt
des gerüttelt vollen Rastens anzuriih
ren; derselbe bestand aus Stücken uno
Stückchen des kostbaren Erzes, stumpf
bleichgelb von Farbe, eher abgetropftee,
trockener Seife gleichend, als dem edlm
Metall, das in den Goldmünzen blitzt
und als Schmuck auf weißen Armen
suntelt.
«Sehen Sie jenen großen Klumpen,
jCaldwell?« sagte Masters. »Wieviel
; Mord-thaten liefken sich damit wohl be
; zahlen?«
F »Zum Teufel mit Ihnen und Jhrem
z Moralisiren!« antwortete der schwarze
? Mann, die blutunterlaufenen Augen
l langsam gegen den Frager rollend.
! ,,Wieviel laschen Feuerwasser
! könnte man da ür taufen, Sampson?"
i sagte Weston lachend zu Muster-L
»Das ist die Frage, die Sie doch wohl
; am meisten«inte-ressi«rt.««
; »Zunageln, Vaniey," gebot Trak
s lop. »Dann die folgende.«
; Eine Kiste nach der andern wurde
J geöffnet, untersucht und sorgfältig wie
1 der verschlossen. Jede war bis zum
« Rande mit Nuggets oder Goldstaub
» angefüllt. Man mußte weit zurück
’ schauen in den Annalen der Seeräube
» rei. um einen annähernd reichen Fang
; verzeichnet zu finden. Nur eine Be
ideutlichteit hatte die Sache —- die
. Beute befand sich noch auf einem zer
; brechlichen Schiffe, nur durch wenige
s Planken von der unermeßlichen Tiefe
! geschieden; und der Ocean ist so un
s zuverlässig: unwillkürlich hob Trot
i lop die Augen und musterte loindwärks
! den Horizont.
! Als der letzte Kasten wieder zugesta
I gelt war, iranöportirte man den Schatz
i die Campanjetreppe hinunter und sta
» pelte ihn in der Kammer auf, die ehe
? mais Mr. Storr mit seiner Gattin in
negehabt hatte. Dann verschloß Trot- .
lop die Thür. s
»Nun, Gentlemen,« rief er, den ’
Schlüssel um den kleinen Finger
schwingend, »was mein Rath nicht gut?
Jm Moment der Gefahr ein Sprung
—- und das Gold ist geborgen. Dage
gen im Raum —- wie?«
»Sie haben immer recht, Trollop,«s
sagte Daniel-, die Wolle aus seinem
Bart zupfend. »Wenn nun aber die
Schlüssel der andern Kammern auch
passen?« ·
Sogleich machten die andern sich an
die Probe; die Schlüssel erwiesen sich
als sämmtlich einander ungleich, und
alles athmete auf
Masters hatte sich an dem Experi
ment nicht betheiligt. Er stand in sich
versunken am Fuße der Treppe.
»Wo weilen Jhre Gedanken?« fragte
Burn, an ihn herantretend
»Der Wind nimmt zu.« antwortete
der junge Mann; »ich dachte soeben an
die Damen in den Booten. Ob sie
wohl von einem Schiffe gesehen und
aufgenommen worden sindiim
16.Capitel.
Der Zweikampf.
Es war eine lustige Tafelrunde im
Salon der ,,Queen«. Nur zwei von
den Zehn verharrten an Decl —- Trot
lop, um das Schiff nicht aus den Au
gen zu lassen, und Caldwell, der am
Nuder stand.
Davenire nahm Trollops Stuhl ein.
Caldwells Abwesenheit schien von tei
nem schmerzlich empfunden zu werden«
Masters allein schien aus irgend einem
Grunde niedergedrückt zu sein.
»Warum so melancholisch, Sams«
rief Hantey dem jungen Manne zu,
nachdem bereits mehrere Flaschcn
Champagner die Runde gemacht hatten
und die Unterhaltung allseitig laut
und fröhlich geworden war. »Man
sollte fast meinen, daß Sie ein gelieb
tes Wesen im Busch zurückgelassen hät
ten-«
Masters zuckte stumm die Achseln.
»Sam quält sich mit Sorgen über
das Schicksal der Frauen in den Boo
ten,« sagte Burn. »Er fürchtet für sie
bei diesem zunehmenden Seegange.«
»Was hat Lljiastch sich um die Wei
ber zu Lämmer-ji« rief Davenire, def
fen Gesicht vom Wein getöthet war.
»Früher mag er ja ein ganz hübscher
Mensch aewesen sein. die Flasche aber
hat von seiner Schonheit nicht mehr
viel übrig gelassen. Die Weibsleute
fragen schon längst nichts mehr nach
ihm, er braucht sich daher auch ihret
wegen nicht mehr das Herz schwer zu
machen.«
Masters sah den Sprecher an und
spielte schweigend mit seinem Glase.
Dann stand er plötzlich auf und ging
hinaus-.
-. -·. · —
Die Unterhaltung im Salon wurde
. immer lärinender; Gläser llangen und
. zertlirrten, die Chamagnerpfropsen
» tnallten immer häufiger, und ab und
J zu stimmte einer der Zecher ein Lied an.
Caldwell wurde von dem Matrosen
3 William abgelöst; er höndigte diesem
den Schlüssel der Schatztammer ein
und stieg die Campanjetreppe hinab.
Masters kam auf das Achterdeck, wo
nach einiger Zeit auch Davenire er
schien. Unten sang der ganze Chor ein
Schifferlied.
»Unser heutiger Goldsund scheint
auf Jhre Stimmung teinen Einfluß zu
üben, Masters," fing Davenire an.
»Ich möchte Jhnen aber den freund
schastlichen Rath geben, sich selber und
auch uns andern nicht unnütz die
Laune zu verderben. Jene Weiber
können Jhnen doch so gleichgiltig sein,
wie u:1å·-.«
»Jeder hat seine eignen Auffassun
gen, 'entgegnete der junge Mann, in
dem er sich an die Reeling lehnte, »und
was meine Stimmung anbelangt, lo
gestehe ich Jhnen nicht das Recht zu.
darüber Bemerkungen zu machen, um
so weniger, als Sie und Caldwell und
noch einige andre mir und auch Burn
gegenüber gewisse Geheimnisse haben,
die ich noch nicht ergründen konnte, de
ren Vorhandensein mich aber tränken
und beleidigen muß, da wir alle hier
den gleichen Strang ziehen und daher
auch das gleiche Vertrauen verdienen.
Wollen Sie das- bestreiten?«
,,Beftreiten?'« lachte Davenire fin
ster· »Meinen Sie, daß ich mich vor
Jhnen fürchte?«
»Sie weichen mir aus,« suhr Ma
sterg gereizt fort. »Es besteht ein Ge
heimniß, das inan mir verbirgt. Man
hat, wenn ich mich näherte, vorher mit
Eifer gesührte Geipräche plötzlich abge
brochen. Dasselbe sagt Burn, der
auch bei solcher Gelegenheit den Namen
der Miß Mantel gehört haben will.
Davenire, ich frage Sie als ein Mann
den andern, was verbirgt man vor
uns? Handelt es sich um die Art des
Berschwindens jener armen jungen
Daniel Wissen Sie darum?"
»O
- «M«-’«Nx- —
- -N-—-- -
s »Zum Venrer!" rces der Vune wno
s ausbrausend. »Lassen Sie mich damit
s in Ruhe! Gehen Sie hinunter und
Zsragen Sie Caldwell nach der Ge
schichte, dessen Gewissen ist nicht st:
zart wie das andrer Leute — Tod und
Teufel sage ich! Jch will nicht mehr
daran erinnert sein!'«
Masterg war bleich geworden.
»Es war verabredet worden und
jeder hatte Versprechen müssen, daß sein
Blut vergossen, tein Mord begangen
werden sollte,« sagte er sesi und schnei
dend. »Aus Jhren Worten aber scheint
hervorzugehen -—-—'«
»Was-Z« ries Davenire, dunlelroth
von Wein und Zorn, die gewaltigen
Arme über der breiten Brust verschrän
tend und sich wie ein schwankender
Thurm dicht vor den andern hinstel
lend.
Fortsetzung solat.)
-.
—- Die Litcte, welche die
Todten hinterlassen, ist ost viet größer
Filå die, welche sie bei Lebzeiten ausse
t.
(