Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, December 10, 1897, Sonntags-Blatt., Image 10

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    Izeiser nd Herold.
I. sitt-lei, bereut-eben
Stand Island, Nebr.
Landwiethkmastlleheh
DieBienenim Winter.
Um Bienen im Freien zu überwin
- macht man aus Brettern einen
" - m, in welchen der Bienenstock ge
t wird. Dieser Kasten wird so
ß gemacht, daß mit Ausnahme des
s-.dens der Zwischenraum zwischen
sten und Bienenstock überall wenig
- s 12 Zoll beträgt. Der Deckel des
.s ens muß wasserdicht und so einge
Uchiet sein, daß er leicht abgenommen
rden kann. Auch muß derselbe
Ei aus dein Kasten liegen, so daß
i egenwasser leicht abläust. Hat
W den Bienenstock in den Kasten ge
t,so werden die Zwischenraum an
-- Seiten herum mit Spreu (Kass)
«"gesiillt. Das Aussüllen muß mit
Wgsalt ausgeführt werden; die
teu muß vollkommen trocken sein
, d ringsum fest eingedrückt werden.
Itan kann statt der Spreu auch Häck
l verwenden, doch verdient Spreu den
bezug. Den oberen Raum zwischen
ienenstock und Kastendeckel füllt man
it langem Stroh aus. Den Boden
» s Kastens belegt man mit einer dop
lpelten Lage Baupappe — bonum-s
pape r —. Jn sehr kalten Gegenden
dürfte es sich empfehlen, den Kasten
aus doppelten Brettern, zwischen denen
»sich überall eine Lage Baupappe besin
" det, herzustellen. Um eine gleich
- mäßige Temperatur im Bienenstock zu
befördern, wird in dem Kasten eine
leerne Röhre, die etwa 6 Zoll un Ge
viert mißt, so angebracht, daß sie im
Mem vom Flugloche des Bienen
es ausgeht und außerhalb des
stettertastens mündet. Die äußere
Mündung dieser Röhre kann mit
Drahtgeflecht gegen das Eindringen
der Mäuse geschüst werden. Die
i« Mündung wird ostwärts gestellt
: hat der Bienenstand eine gegen
T Wind und Sturm geschätzte Lage, so
sann man in der eben beschriebenen
IT« Weise, wenn sonst alles in Ordnung
ist, die Bienen auch in kalten Gegen
; den erfolgreich überwintern. Ver
f schwiegen soll aber nicht werden, daß
» bei ausnahmsweise strenger Kälte die
Bienen bei der beschriebenen Ueberwin
» terungsmethode mancherorts schon zu
Grunde gingen.
« « Die oben angegebene Verpaaung m
Getreidespreu sollte in Gegenden mit
j strengen Wintern etwa gegen Mitte
November ausgeführt werden. Etwa
gegen Ende April kann Kasten und
Spreu entfernt werden. Der genaue
Zeitpunkt richtet sich nach ähnlichen
I Verhältnissen und besonderen Umstän
« den und muß dem Ermessen des Bie
nenvaters anheimgestellt werden.
Einfahren der Fohlen.
Es ist-höchst empfehlenswerth, das
Fohlen zum ersten Male mit einem äl
teren, ruhigen Pferde zusammen zu
1spannen, besonders wenn das junge
Thier feurig und muthig ist. Hierbei
ist das Fohlen einen Tag an der lin
ken, den anderen Tag an der rechten
Seite anzuspannen. Es hat dies den
Bortheib daß das Thier sich besser an
das Gebiß und nicht den Kopf nach der
einen Seite zu tragen sich gewöhnt und
mit der Deichsel an jeder Seitenn
traut wird. Nachdem das Fohlen in
dieser Weise 10——14 Tage gefahren,
an den Weg gewöhnt, im Wenden, Zu
kiicktreten und Halten handlich gewor
den ist und die Bedeutung der Zurufe
kennen gelernt hat, spanne man es
allein in eine Gabeldeichsel, gebrauche
jedoch die ersten Male die Vorsicht, ei
nen gut passenden, das Thier nicht er
schreckenden Schlagriemen, der nicht
abgleiten tann, zu benutzen. Läßt
man die nöthige Vorsicht außer Acht,
fo kann der Riemen mehr Schaden an
richten als New-.
p- s- s
Man versuche nicht die ersten Male
zu weit zu fahren. Gewöhnlich ist die
ersten paar Tage eine Meile besser, als
zwei Meilen. Das eigene Urtheil des
Besitzers ist hier ebenso nöthig, als in
der anderen Zeit der Entwickelung ei
nes Fehlens. Indessen kann als sicher
angenommen werden, wenn man ein
Fahlen dreimal täglich für eine Fahrt
von einer Meile, wenigstens während
seiner Entwickelung anspannt, bessere
Erfolge erzielt werden. als wenn täg
lich nur eine Fahrt va- drei Meilen
Unterbrechung gefahren werden.
Es muß auch sorgfältig vermieden
werde-n, das Fohlen so lange im Ge
schirr Zu lassen, bis es ermüdet ist.
Ei ist bedeutend besser, ez wieder in
den Stall zu bringen, so lange es noch
sei Kräften ist. Man wird wohl
etwas Sehr Zeit gebrauchen, um das
Fehlen anzulehrery aber das Resultat
wird den itverlust und die Geduld
durch ein fser eingebrochenei Fohlen
« - mit kräftigem herzen und besserem
·- sthern rechtfertigen
sp Schweinemast
Bei der Bedeutun , welche die Mä
stnng der Schweine rir viele Gegenden
- unseres Landes hat, dürfte es ange
setzt sein« auf einige hierbei besonders
Richtige Punkte aufmerksam zu ma
Dle Thiere sollten unbedingt in
« Stalle Iehalten werden; in Re
nnd die e drcküßen
ter- » k- M in sicherlich
M MU- Der
W teil-rund
—
kalt. mit guter Ventilation versehen
sein. In einem zu kalten Stalle ver
zehren die Schweine mehr Nahrun
ohne daß dadurch dieFett- und leis -
produktion entsprechend e eigert
wird, weil die TFriiszere Futermenge
zur vermehrten ärmeerzeugung und
zum Stoffumsatze gebraucht wird.
Dagegen fressen in einem zu warmen
Stalle die Thiere zu wenig und neh
men infolgedessen auch wenig zu. Aus
dem Vorstehenden ergiebt sich- daß man
bei einer ungeeigneten Stalltemperatur
viel Futter verschwenden, bei der rich
tigen Temperatur dagegen sehr an
Futter sparen kann. Um die Freszlust
zu erhalten oder zu reizen, empfiehlt es
sich, jedem Schweine täglich, etwa zwei
Hände voll gesalzenen Hafers zu geben.
Der Hafer ist zwei.Tage s o in ein
Gefäß zu legen, daß zwischen jede Lage
Körner eine dünne Schicht Salz auf
gestreut wird, darüber kommt nach dem
Eint-rücken mit den Händen ein wenig
Wasser. Zu beachten ist. daß der Ha
fer tüchtig gequillt, und daß das Ge
fäß nicht ganz mit Dafer und Salz
angefüllt werden dars.
Da die Schweine bekanntlich sehr
hastig fressen und dann oft ungenü
gend kauen, so muß man ihnen das
Futter in so zubereiteter Form geben«
daß sie zum Kauen gezwungen werden,
damit das Futter innig mit Speichel
gemengi und somit leichter verdaut
wird. Durch dünnes, wässerigcs
Futter wird das Schwein gezwungen,
mehr Wasser auszunehmen als ihm
dienlich ist, denn durch vermehrte Was -
serzufuhr wird der Magensaft zu sehr
verdünnt und in seiner Wirkung abge
schwächt. Wo der Mais in Aehren
gefüttert wird. sind die Thiere zum
Abschäien und langsamen Fressen-ge
zwungen. Kartoffeln sollten nur ge
kocht gefiittert werden; wird Kleie ge
geben, so sollte dieselbe stets mit hei
ßem Wasser augebrüht werden; ebenso
alle Spreu. Wo man nicht gerade eine
besonders vortheilhafte Berwerthung
von Speckschweinen — Laub-m —
hat und deshalb auf die Produktion
von sehr fetten Schweinen angewiesen
ist« berücksichtige man, daß heutzutage
der Geschmack des Publikums durch
wachsenes Schweinefleisch meistens
dem fetten vorzieht. Bei schnellwach
senden Schweinen mit leichtem Körper
bau —- wie etwa die Bertshires —- be
ginnt man die Mast, sobald die Fertel
entwöhnt sind. Bei einem Futter von
Mager- oder Buttermilch mit leichte
rem Körnerfutter — Hafer und Rog
genschrot —- zu Anfang und später
Magermilch und Hafer oder Roggen
mit Mais ergibt ein solches Schwein
nach sieben bis acht Monaten von etwa
175——200 Pfund Lebensgewicht und
vorzüglich durchwachsenem Fleisch.
Grund- undKallfutter für
Hühner.
Da die Hühner keine Zähne haben,
so zermalen sie die Körner im Magen
zwischen kleinen Steinen u. s. w.; soll
das Geflügel die ihm gereichie Nah
rung deshalb gehörig verdauen, so ist
es nöthig, daß die Thiere kleine Steine,
Stand-, Grit-, Sand und dergleichen
aufnehmen können. Haben die Thiere
freien Auslauf, so fehlt es ihnen daran
in der Regel nicht-, werden sie aber auf
einen engen Raum beschränkt, oder ift
im Winter der Boden gefroren oder
mit Schnee bedeckt, so muß der Geflü
gelzüchter für die erwähnten Beförde
rungsrnittel einer esunden Verdauung
Sorge tragen. Isie bereits erwähnt,
findet bei dem Geflügel lein Kauen
statt; die Nahrungsmittel werden ein
J fach verschlungen und gelangen ganz in
; den Bordermagen, dann in den eigent
s lichen Magen. Dieser hat harre Sei
I tenmusleln, welche mit Hülfe der ver
! fchluclten Sandtörner und Steinchen
E die Nahrung zermalmen und inSpeise
k drei verwandeln, der dann in den
Darm befördert wird.
Kalt ifi detn Geflügel zum Aufbau
; des Knochengerüstes von wesentlichem
T Nutzen. Den jungen Thieren sind be
sonders Futtermitteh welche die Kno
chenbildung befördern, geradezu nn
enthehrlich. — ,
Sollen die Leaehennen Eier legen, fo ·
! ist ihnen zur Bildung der Eierfchalen
der Kall wiederum Bedürfniß. Man
verforgt die Hennen daher nit zer
ftampften Muschel- oder Aufterscha
len, Kallfchuit und dergleichen.
Eine Perlmutter - Knopffabril kam
auf den guten Gedanken die Abfällel
der an Kalt fehr reichen Muschelfchalen
zu mahlen zur Verwendung für Ge
flügelziichter. Eine Sorte, fein wiel
Nachmehl, eignet fich vortrefflich zurj
Vermengung mit dem Breifutter ganz;
junger Thiere, zwecks Beförderung der
:Ausbildung der Knochen l
» Eine zweite, weniger feine Sorte;
« wird bei Leaehennen den doppeltenl
Zweck erfüllen, das Material zuk Bit-l
dung der Einfchalen zu liefern und die!
Verdauung zu befördern. Zwei grölH
lich zerileinette Sorten werden als
Reibfcheiben Her harten Magenmusleln
des Geflügels vortreffliche Dienste lei
ften in der Bereitung des Speisebreiz.
von dem oben die Rede war.
Je- saeede der verdamme-.
St. Peterzburg, s. Nod
Erfchreckend groß ift die Zahl derer,
die zur Ansiedelung oder zur Zwangs
arbeiten den Bergwerlen nach Sibirien ,
verfchickt werden. Gewöhnlich treten
sie ihre lange Reife im Frühjahr und
ital-her fte an. Aus allen Theilen
Ruhm-VI öffnen sich alsdann die Ge
fängni e, und die Bedauern-werthen
zum Jranspoet n ihren
Wage-ern Uns den oh
m
nern der großen Städte den furchtba«
ren Anblick zu ersparen, werden die
«Berschickten« schon am sriihen Mor
gen aus den Gesängnissen abgeholt
und durch wenig belebte Straßen unter
starker Militiir - Estorte nach den
Bahnhöfen geführt. Wer aber einmal
einem solchen Zuge begegnet ist, tann
den derabellemmenden Eindruck im Le
ben nicht wieder vergessen. Die Mör
der sind durch schwere Ketten an hän
den und Füßen paarweise mit einan
der verbunden. Vielen ist Sünde und
Verbrechen schon auf die Stirne ge
schrieben, Andere sehen trank und zer
inirfcht aus. Auch den leichter Verirr
theilten, die in die entfernteren Gegen
den Sibiriens zur Ansiedlung der
schiclt werden, ist nicht wohl szu Muthe,
denn sie werden nach menschlicher Vor
aussicht europäischen Boden nie wieder
betreten. Den Beschluß des Zuges
bildet eine Reihe von Wagen für die
Weiber und Kinder. Unter denFrauen
befinden sich nicht nur Verbrecherinnen,
sondern auch solche, die mit der Fami
lie ihren verurtheilten Männern in die
Verbannung folgen. Dagegen hat die
Regierung nichts einzuwenden, sie be
fördert diese Frauen vielmehr gleich
falls auf Staats-kosten nach Sibirien.
Die vornehmen Verbrecher genießen
öfters insofern eine Bevorzugung, als
es ihnen gestattet ist« auf eigene Kosten,
aber unter polizeilicher Bedeckung ihre
neue Oeimath aufzufuchen. Solchen
Leuten ergeht es in Sibirien durchaus
nicht so schlecht, wie sie es verdienen.
Aus Nachrichten, die hin und wieder
THE-er sie nach Rußland kommen, ersieht
man vielmehr, daß sie sich häufig in der
Verhnnung ganz wohl fühlen. Die
Beguterten unter ihnen machen häufig
»ein Haus« und erfreuen sich eines
regen Verkehrs, den sie meistentheils
freilich mit Gleichgesinnten, häufig
aber auch mit anständigen Leuten pfle
gen können. Die nur zur Ansiedlung
Verschidten beschäftigen sich häufig mit
coinmerziellen Unternehmungen, die
dort recht einträglich sind. Den ge
bildeten, schweren Verbrechern macht
man das Leben, wenn sie sich muster
haft aufführen, auch in jeder Hinsicht
leichter. Trotzdem so mancher von
ihnen die Qualen in den Bergwerten
als Zwanggarbeiter kennen lernen soll,
gelingt es ihm, eine Anstellung in den
dortigen Bureaux zu erlangen, wo er
mit Schreibereien beschäftigt wird,
während Ingenieure als Zeichner in
technischen Bureaux Verwendet werden.
Der seiner Zeit so großes Aufsehen er:
regende Held eines Mordprozesses,
Gardelieutenant Landsberg welcher
seinen Wohlthäter, einen Wirtlichen
Staatsratn, sowie denen Kochm er
mordete, um sein stottes Leben weiter
führen zu können, arbeitet nun schon
seit 18 Jahren als tüchtiger Beamter
in einer Kanzlei, während Staatsratb
Juchanzew, der Millionendieb, sein
Handelsgeschäst ersolgreich bethätigt
und auch zum Präsidenten eines gesel
ligen Clubs gewählt wurde.
Den Zweck, das Land mehr zu bevöl
lern, hat die Regierung durch die Ver
schietungen unstreitig erreicht; doch hat
sie damit nicht gerade erquicktiche Zu
stände geschaffen. Das empfinden de
sonders die Urbewohner von Sibirien.
Denn die Verbrecher - Colonien ver
resten moralisch dieses von der Natur
theilweise reich bedachte Land. Abge
sehen don den immensen Schätzen, die
das Jnnere der Erde dort birgt, ist
vorzüglich terSijden Sibirien’3 tlima
tisch von hohem Werthe und wird nicht
umsonst das asiatische Jtalien genannt.
Wenn erst die große Eisenbahn voll
ständig fertig gestellt ist, so daß man
Sibirien statt in drei Wochen in sieben
Tagen erreichen tann und man sich nach
zehn Tagen schon in der Mandschurei
befindet, dann wird man sür Ansiedler
nicht mehr Sorge zu tragen haben,
sicherlich werden sie sich nicht aus der
Zahl der Verbrecher retrutiren. Gibt
rien sträubt sich bereits entschieden, letz
tere auszunehmen, und petitionirt viel
leicht nicht umsonst bei der Regierung,
damit diese es endlich mit diesem Im
port :A«r«titel verschone. Die rnssij
sche Justizoerwoltung wendet dieser
Frage dauernd ihre Aufmerksamkeit
zu. Vermutblich wird die Insel Sa
chalin alH Wohnort der schweren Ver
drecher auch in Zukunft weiter bestehen.
Das verderbliche Nimm dem die mei
sten Europäer schnell unterliegen, lann
aus sreiwillige Ansiedler keine Zugtrast
üben. Wenn man bedenkt, dass, auf
jener Jnsel 4000 Mörder verbannt
sind, ungereclxnet die Zahl schwerer
Diebe und anderer Verbrecher, so bietet
ein ständiger Aufenthalt, auch abge
sehen vom Klima, sür andere Menschen
wenig Verloctendes. Ungefähr 400L
Verbrecher sind bereits oerbeirathet ge
wesen, ehe sie nach Sachalin kamen,
700 Frauen sind ihren Männern in die
Berbannung gesolgt· Unverheirathete
Männer giebt es dort 3000 und JBU
ledige Frauen, sodaß aus eine Frau
einandzwanzig Heiraths - Candidaten
kommen. Der größte Procentsatz der
Berschickten fällt aus Personen grie
chisch - orthodoxer Consession, und
zwar 70 Procent, daraus folgen die
Moharnedanet mit 15 Procent, dann
die Römisch-Katholischen mit 10 Pro
cent. Die Arbeitszeit dauert im Win
ter sieben und im Sommer els Stun
den. Länger kann es in jenem lMinn
bei der Arbeit Niemand aushalten
Ganz bedeutend ist besonders der Ex
port fasten-tobten er beträgt 40 Mil
lionen Mlo pro ahe. Dass die aus
Sachalin be chästt ten Beamten aller
Uessorti der "ltnt mäßig hohe Gehäl
ter erhalten, darf nicht Wunder neb
men.s tdoeh Niemand rne sein Le
m« si- - Sei-r ern-. with-it
W u W
—
Qte Meere-Indus Oasen «
Der neuerliche Tonfltet zwilchen dem
deutschen Reich und der fernen Jnfels
vevublit lenkt wieder einmal die Auf
mertfarnleit auf hayti und die Zu
ftände in diesem Negerftaat. Das von
Otto Arendt herausgegebene «Deutfche
Wochenblatt« in Berlin hatte seinerzeit
aus der Feder eines wohlinformirien
Mitarbeiters das Wert eines Englän
ders, Sir Spenfer S. Jahn, »Unyti,
or- tbes Block Repudllc«, besprochen
und eine Reihe von interessanten und
lehvreichen Thatfachen daraus mitge
theilt, die fiir die richtige Beurtheilung ;
des Landes und feiner Bewohner von l
Wichtigkeit find. Sir Spenfer St. I
John war in hayti durch eine Reihe!
von Jahren General - Eonful und Mi- «
nifter - Resident der englifchen Regie- f
rung. Er hat mehr als vierzig Jahre
inmitten favhiger Rassen verschiedener
Art gelebt, davon zwölf Jahre in
näherem Verkehr mit den Bewohnern
von Hayti. mit allen Ständen und al
len Schattirungen der Hautfarbr. Zum
Theil ift er in freundschaftliche Bezie
hungen zu ihnen getreten, nachdem er
feine Laufbahn dort unter Sir Jamez
Vroote begonnen, deffen weichherzige
Menschenfreundlichkeit ihm von jeher
jedes Rassenoorurtheil abgewöhnt hat
te. Aber um fo gründlicher hat er die
fes Bolt tennen gelernt und ist zu der
Ueberzeugung gelangt, daß es fich un
fähig zur Selbftregierung erwiesen hat
und einer Herrschaft der weißen Raffe
bediirftig ift
Die Einzelheiten dieser rückläufigen
Entwickelung darzulegen, ift der Ge
genftand des Buches von St. John.
Er beginnt mit der Entwickelung des
volitifchen Zuftandes von Hayti. wie
dirfelbe feit der Losreifzung vonFrant
reich sich gestaltet hat. Es ist eine feli
fame Erscheinung, daß an der Spitze
Der Bewegung zur Befreiung der far
bigen Bevölkerung Hansss von der
franzöFicksen Herrfchaft eine Person
lichteit steht, welche einen mächtigen
Eontraft bildet zu der ganzen darauf
folgenden Geschichte der schwarzen Re
puhlil. Selhet ein Neger und ein frei
gewordener Sklave, ift Touffaini
LOuverture ein Jdeal dessen, was aus
der Negerraffe im Einzelnen an
menschlicher Bortrefflichteit hervorge
ben tann.
Die Regierung von Vayri ist oer
Form nach republikanisch, in der That
eine Militärdespotie, weil alle öffent
liche Gewalt in den Händen des Präsi
denten vereinigt ist. Der Präsident
führt die Gesetze aus oder läßt sie un
beachtet, je nach seinem Belieben. Es
gibt allerdings Staatssecretiire, einen
Senat, ein Haus deo Volksvertreterz
aber seit lange besitzen die Staatssecre
täre leinen anderen Einfluß in ihren
Departements, als daß sie den Willen
des Staatsoberhauptes gleich einfachen
Untergebenen zu reaistriren haben; der
Senat war immer eine sehr bescheidene
Röte-ersäuft während das Haus der
Vollsoeriieter, so ost es Zeichen von
Unabhängigkeit gab, sosorc aufgelöst
und eine geiiiaiae Kammer dasiir an
die Stelle gesetzt wurde.
Die Verfassungsurlunde, ein Ah
tlatsch jener zahllosen Verfassungåuri
tunden, welche in europiiischen und
außereuropiiischen Ländern seit der
.,(Trtläruna der Menschenrechte« ers
lassen und beschworen worden sind, ist
selber nur ein Spott auf die wirllichen
Zustände dieses halbwilden Landes.
Artilel 16 verbürgt die persönliche
Freiheit, ohne dasz jemals unter irgend
einern Regimente dieser Grundsatz be
achtet worden wäre; der lleinste Be
amte hält sich vielmehr siir berechtigt,
Jeden nach seiner Willkür in’5 Ge
sängnisz zu werfen. Artilel 24 schasst
die Todesstrase sür politische Verbre
chen ah; aheo durch den chronischen
Bürgertrieg ist es gerade die Politik,
welche Mon und Todtschlag zur stän
digen Waffe der Parteien macht. Doch
einzelne Versassungsartilel sind Wahr
heit geworden. Artikel 26 gewährt
Freiheit der Religionäiibuna —- diese
Freiheit ist namentlich den Neligionen
von Jnner - Afrita zu Statten gelom
men, wie wir sehen werden. Artikel 6
schließt die Weißen vom Grundeigen
thum aus und zwar nicht blos aus dem
Papier-.
cin vernünftiger Mensch, der von
politischen Dingen etwas versteht, wird
sich darüber wundern, daf-v die Experi
mente mit radicalen Versassunaen nach
französischer Schablone bei einem Ne
uen-volle das sich ans der Sklaverei
losqeriisen bat, einen ähnlichen Verlauf
nehmen. Uebers das Gegentheil allein
könnte er sich wundern. Unter viel
aiinstiaeren Umständen sind die Ver-—
suche meist nnaiinstia gennq arise-ewi
ten. Eorruvte Gerichtåhöse, diebische
Polizei u. s. w. —- uni das zu beobach
ten, braucht man nicht bis zu den
Schwarzen jenseits des Oceans zu ge
hen. Jn der That lieaen die merkwür
diasten Ergebnisse dieses Cxperimentg
auf einem anderen Gebiete. Und sie
sind von größeren Tragweite. Es han
delt sich unt den Rückfall in die niedrta
sten Stufen der Barbarei welcher die
Folge der uneingeschränkten Freiheit
im Laufe von wenigen Menschenaltern
gewesen ist.
Cis ist allaemein bekannt, daß der
.Katser« Spule-inne ein treuer Anhän
aer, daß der General Therlon e ein
hoher Priester des Baudoux - ätzen
dienstes war Der Präsident Salnave
wollte im Anfange die Stirn-nun der
Gebildeten gewinnen und hielt si
her- zuriick von dem Götzendiensi. Da
erQdirckexellbevewärstz Sie-Kann since-UT das
S a i rg egei IM)
new Um kehrt-. wendete its-I —
—
Jus Abnglaubtn oder in dem Wunsche, »
die Boltsmassen zu gewinnen -— an
einen wohlbekannten Priester der Sekte,
der in der Nähe der hauptstadt lebte,
und nnterzog sich allen vorschriftsmä
ßigen Ceremonien. Ev badete in dem
Blute von Ziegen, machte den Priestern
und Priesterinnen ansehnliche Ge
schenke, feierte dann ein Gelage mit den
anwesenden Gläubigen, das in schänd
lichen Ausschweifungen sich tagelang
hinzvg, bis endlich selbst die eiserne
Natur des Mannes zusammenbrach
Als dennoch das Glück des Bürgerme
ges dem Präsidenten ungünstig blieb,
befragte er abermals den Priester, wel
chev darauf bestand, daß er jetzt sich der
höchsten Ceremonie unterwerfen müsse,
daß nämlich die Ziege ohne Hörner ge
schlachtet werden müsse und er mit
ihrem Blute gesalbt werde. Es ist
wahrscheinlich, daß Salnave nachgab,
obwohl die wenigen anständigen Leute,
die ihm anhingen, das bestritten haben.
Zur Erklärung des Ausdruckes der
»Ziege ohne Hörner« diene Folgendes-:
Es gibt zweierlei Secten, welche dem
Baudoux - Götzendienste anhängen.
Die Einen genießen blos das Fleisch
und Blut von weißen Hühnern und
malellosen weißen Ziegen bei ihren Ce
remonien; die Anderen verlangen bei
ihren großen Ceremonien nach dem
Fleisch und Blut der »Ziege ohne Hör
ner«, das heißt — menschliche Opfer.
Es ist ein merkwürdiger Zug der Men
schennaiur, daß diese Cannibalen einen
Euphemismus brauchen müssen, um
ihre Opfer zu bezeichnen (wie die Jn
sulanev des Stillen Oceans dafür den
Ausdruck des ,,langen Schweines« ha
ben).
Als Hayti noch eine stanzijsiiche Co
lonie war, blühte der Baudouxdienst,
aber es sehlt eine zuverlässige Erwäh
nung menschlicher Opser in den uns
überkommenen Schilderungen. »Bau
doux" (an der afritanischen Küste lau
tet die Bezeichnun »Bodun«, in unse
ren Südsiaaten » oodoo«) bedeutet ein
allmächtiges und iibernatiirliches We
sen, von welchem alle Ereignisse in die
ser Welt abhängen. Dieses Wesen ist
die nichtgistige Schlange. Sie kennt
die chgangenheit. die Gegenwart und
die Zukunft, theilt diese Gabe einem
Großpriester mit, den die Gläubigen
erwählen, und nach mehr einer Groß
priesterin, welche durch die Liebe des
Großpriesiers zu diesem Range em
porgehoben worden ist. Diese beiden
sind, so lange sie leben, die Häupter
der großen Familie dev Vandoux
Gläubigen, und sie haben Ansprüche
aus deren schrantenlosen Gehorsam
» Sie entscheiden darüber, ob die heilige
Schlange einen neuen Genossen in die
« Gemeinde ausnehmen will, sie schreiben
» die Pflichten den Genossen vor, sie em
pfangen die Gaben, welche die Gottheit
als ihren Tribut erwartet. Aus Grund
dieses Systems von absoluter Herr
« schast und blindem Gehovsam versam
melt sich die Gemeinde zu festen Ter
minen, in den Formen, welche von
Asriia wahrscheinlich mit herüber ge
bracht sind.
Nicht in dem Verhältniss des zähen
Voltsaberglaubens gegenüber dem os
siciell angenommenen Christenihum
liegt das Absonderliche der Zustände
von Hanti, sondern darin liegt es, dasz
der alte Aberglaube zurückgesiihrst hat
bis zu einer Stufe der Barbarei, welche
auch bei der Betrachtung afritanischer
Negerstämme immer als die niedrigste
Stufe bestialischer Rohheit erichienen
. ist. Während nämlich die eine der bei
den Vaudoux - Sekten aus Hanti sich
mit Thiewpsern begniigt, ist durch eine
erdrückende Masse von Zeugnissen sest
; gestellt, daß die andere Secte den Men
schenopsern und dem Genusse des Men
schenslejsches ergebenmisi.L
spie- «, a
Use Lclllpcx UEV UUUUUUZ - Ell-sca
dienstes (»Humfort« genannt) sind in
jedem Bezirke ron anti zu finden
Nur selten gelingt eg, die Missethaten
dieses Götzendienstes zur öffentlichen
Verfolgung zu bringen. Denn weil
der Aberglaube tief im Volke wurzelt
und die rohe Defpotie des «Präsiden
ten« oder »Kaisers« von Hayti den
Volksinstinlten nicht entgegentreten
will, vielmehr denselben schmeichelt,
um durch sie getragen zu werden — so
muß ein System von Lügen und Ver
heimlichungen es versuchen, sich mit der
öffentlichen Meinung der gebildeten
Welt abzufinden. Indessen als Oeff
rard Präsident war, einer der wenigen
tüchtigen und intelligenten Machthaber,
die Havti besessen, tam es in der That
zu einer gerichtlichen Untersuchung de
ren standalöse Ergebnisse Aufsehen er
regten, zunächst bei den in Hayti be
glaubigten Vertretern civilisirter Staa
ten. So hat damals (1864) der engli
sche General - Consul tagelang der
Gerichtssihung beigewohnt und einen
Fall kennen gelernt, der typisch ist für
zahlreiche andere Fälle. Derselbe ver
hielt sich also:
Zu Ende des Jahres 1863 wurde
ein 12jähriges Mädchen in Abwesenheit
ihrer Mutter entfähri. Auf deren
Nachfrage theilte ihr ein Priester der
Seete mit, daß der Geist des Wassers
ihr Kind zu sich genommen habe und
daß es ihr bald wieder zurückgegeben
werden würde. Die Mutter glaubte
das oder schien es zu glauben und
brannte auf Empfehlung des Priesters
Kerzen vor dem Altar, damit ihr Kind
bald zurücklehrr. So sagte die Mut
ter vor Gericht aus; »die-v Niemand,
zweifelte daran, das-z sie besser unter
richtet war über dok- Schiclsal ihres
Kindes und dasz sie nur aus Furcht vor
den Priestern ihr bessere- Wissen ver
barg. n der That versammelte sich
am Sy sterabend eine große Gesell
« schalt in dem hause einer Verwandten
—
des Kindes; hier wurde dieses hinge
bracht, nachdem es vier Tage gebunden
gelegen hatte; die Kleine ahnte, was
man mit ihr vorhatte, sie schrie entset
lich, wurde aber bald daran verhindert.
Ein Priester und ihre Tante würgterr
und ersiickten sie. Darauf reichte die
Tante dem Priester das Messer; dieser
schnitt damit den Kopf ab und die
übrigen Anverwandten fingen das Blut
in einem Topfe auf. Das Fleisch
wurde darauf von den Knochen ge
schnitten und in große hölzerne Schüs
seln gelegt. Hierauf ging man zu ei
ner Procession üben, der Kopf des
Opfers wurde vorangetragen und ein
religiöserGesang dazu gesungen. Dann
begab man sich in die Wohnung der
Tante, welche das Fleisch des Kindes
mit Congobohnen tochte, während der
Kopf zur Bereitung der Suppe diente.
Bei dieser Zubereitung wurde eins der
anwesenden Weibev von grausigem Ap
petit ergriffen und schnitt —- wie sie
nachmals vor Gericht offen eingestands
—- von der Handfläche des Kindes ein
Stück Fleisch ab und aß es roh. Die
leckersten Stücke, so sagte sie mit Grin
sen aus, sind die inneren Stücke der
Hand und des Beines. Als das Ko
chen fertig war, wurden Schüsseln mit
dem gekochten Menschenfleisch herum
gereicht und Alle nahmen davon. Die
Nacht wurde so mit Eisen, Trinken,
Tanzen und Ausschweifungen zuge
bracht.
Deo Fall, der hier geschildert ist,
reicht um fast ein Menschenalter zurück
von der Gegenwart. Aber die Beweise
liegen zu Tage, daß sich heute nichts
geändert hat, dasz solche Fälle nicht zu
« den Seltenheiten gehören, daß sie viel
; leicht häufiger geworden sind als frü
« her unter dem Einflusse der nichts
- nutzigen Regierungen der neuesten Zeit.
Auch ist es nicht der Zusammenhang
mit dem religiösen Aberglauben allein;
es ist augenscheinlich ein ganz profaner
Geschmack an dem Genusse von Men
schensleisch in dem Volke verbreitet,
trotz des Firnisses der französischen Ci
vilisation, mit welchem sie prunten,
und des Namens der ,,lateinischen
Rasse«, mit dem sie sich zieren. Die
! Zeitungen von Hayti selbst liefern be
ständig die Beispiele. Das Beste an
dieser Barbarei ist, daß wenigstens der
»M0niti-m- 0i’sis-is«l« von Hahti sich
bemüht, dieWahrheit zu bestreiten, dasz
also, wenn schon die Regierung nicht
s die Macht hat, den Thatsachen Einhalt
- zu thun, sie doch anerkennt, daß sie sich
j derselben zu schämen hat
j Sir Spenser St. John ist denn
; auch um seines Buches willen von Sei
i ten dieser Kreise lebhaft angegriffen
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k man nicht wider-legen können. Der
! .. . s- situi- « disk-»F
? Anthonh Froude, welchen nach dem er
sten Erscheinen von St. John s Buche
eine Reise nach Westindien machte, ist
; ihm zu Hilfe gekommen, theils durch
- die Ermittelungen, die er an Ort und
Stelle gemacht, theils durch die allge
meinen politischen Folgerungen, die er
im Geiste Carlyle’s an diese Experi
- mente in der demokratischen Freiheit
geknüpft hat. Daß ein Mann in der
- Stellung eines britischen Geschäftstä
gers, sagt Freude, es wagen sollte, Be
hauptunan auszustellen, deren Grund
losigleit ihn moralisch vernichten müß
te, erschien in hohem Grade unwahr
scheinlich. Andererseits erschien mir
der Jnhalt jener Behauptungen gar zu
ungeheuerlich, und ich wollte, als ich
nach Westindien hinausreiste, daran
nicht glauben. »Ich konnte nicht glau
ben, daß in einem Lande« wo die stan
zösische Sprache gesprochen wird, too es
Kathedralen und Kirchen und Priester
und Missionäre ibt, solch’ ein entseks
licher Götzendien t wirklich habe wieder
ausleben können. Indessen alle Nach
sorschungen, welche ich bei amerikani
schen und anderen Beamten die in
Hayti gewesen waren, hatte anstellen
können, hestatigten den Bericht St.
T’John s. Jch sand kaum einen Einsi
E gen ver daran zweifelte.a
Es ist unmöglich, daran zu zwei
feln, sagt Froude an einer anderen
Stelle seines Wertes-. Ein Missionär
versicherte mir, dasz ein Fall der Art
«erst kürzlich zu seiner persönlichen
Kenntniß lam. Vor einigen Jahren
versetzte man die Leute, welche dieser
Scheußlichteiten sich schuldig gemacht,
in Anllagezustand und bestrafte sie;
jetzt läßt man sie laufen, weil eine Ver
folgung und Uebersiihrung des Ver
brechers die Bestätigung der öffentli
chen Schande des Landes in sich schlie
ßen würde. Man bestraft dafiir lieber
die Männer, welche in der Presse von
Hayti ausnahmsweise den Muth ha
ben, der Wahrheit die Ehre zu geben.
Der bessere Theil der Bevölkerung
schämt sich des Zustandes, in welchen
das Land gesunken ist; einsichtige und
wohlgesinnte Persönlichkeiten würden
gern die Franzosen zurüclrufen, utn
die Ordnung im Lande wiederherzu
stellen. Da dies nicht geht« schicken ste
wenigstens ihre Kinder nach Frankreich
zur Erziehung und gehen selber dahin.
Niemand lann die Zukunft der
schwavzenRepublil voraussagen, meint
Froude; aber der gegenwärti e Zu
stand der Dinge lann nicht fort uern
aus einer Insel, welche so nahe an der
Küste der Ver. Staaten liegt. Wenn
die Union jeder europäischen Nation
verbietet, hier zu interveniren, so
wird sie selben interveniren müssen.
Wenn sie das Mormonenthum fiir ei
nen unerträglichen Schandfleck auf
ihrem Ehrenschilde hält, so wird sie auf
irgend einem We e dem Teufelsdlenst
nnd dem Canni alenthmn ein Ende
bereiten müssen.
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