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About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (Dec. 3, 1897)
Exeyrocifgsdddsf Roman von Josef Treumamh (21. Fusswuan Miß Gteylock legte mir nun schmei chelnd die Hand aus die Schuster link bat: »Nicht wohr, Polly, Sie kommen nach der Kirche, um meiner Trauung beizuwohneni Bedenken Sie nur, wie ernstlich ich es wünsche, da ich dei: Bei ronet mitbringe, um meine Bitte zu unterstützen! Jch kann Jlmen Der sichern,« fügte sie lächelnd hinzu, »das; ich keine meiner anderen Freunde oztf diese Weise auszeichnete.«, Wie sie so in ihrer Schönh-It nnd ihrem Glücke dastand, brannte ich Vor Verlangen, sie in meine Arme zu schließen und an mein Herz zu orLieleir wie in den Tagen, da wir Beide lleine Straßenvagabunden waren. Sie war meine Schwester, ich liebte sie zärtlich, und dennoch sollte sie es niemals, nie mals erfahren, das Geheimniß sollte in meiner Brust verschlossen bleiben und mit mir sterben. . « »Ich werde in der Kirche erscheinen, um Jhrer Trauung beizuwohiien,« stammelte ich. »Ich danke Jhneiix ich wünsche Jhnen und Sir Getocse viel Glück und Freude!« Nach einigen weiteren Bein-klugen verließen sie den Gasthof. Bald nach dem sie fortgefahren, tam eine Kiste mit meiner Adresse non Gretilrck Woods an. Jch öffnete sie und fand ein Kleid von glänzendem Seidenzeug, einen eleganten Mantel, einen Pariser Hut, feine Spitzen, Handschuhe, Bän der, soivie ein liebevolles Billet von Miß Greyloel, worin sie mich hat« tiefe Geschenke von ihr anzunehmen und sie bei ihrer Trauung zu tragen. Mevcy Poole zuckte die Achseln, Dattor Van dine aber beobachtete völliges Syll schtveigen. Ach, ich wußte nur zu wohl, daß es außer mir noch Jeman den gab, der die Abreise der schönen Braut tief betrauern würdet An einein bitter-kalten Abmd wurde : der Doktor zu einem tranten Fischer in der Nachbarschaft von Blajpurt geirr fen, nach einem einsamen Orte treiihin über gefrorenen Bächen und Salzwie sen. Bandine war den 1anieii Tag« l im Sattel gewesen und satte sich eben . erst zu Tische gesetzt, um sein Abend- E brod einzunehmen, als der Bote lam. »Hm!« sagte der Arzt, indem er sich; von der noch unberührten Mahlzeit er hob und seinen Ueberzieher anzog; ,,es ist augenscheinlich ein dringend: r Fall-; Jch muß auf der Stelle sort. Heben Sie das Essen für iiiich au-, Misz Poolel Jch werde in einer ctisrde zurück sein.« Mit diesen Jorteri eilte er in die eisige Nacht hinaus. i t i l Eine Stunde verging und der Dri- » tor kehrte nicht zurück. Zwei, tiei « Stunden verstrichen und noch iniiner ließ er sich nicht sehen. Mercy Poole legte die Katzen in ihre l Korbe und schielte sich dann an, zu Bette zu gehen. »Ohne Zweile fand der Doktor den Mann so trank, das; er beschloß, die ganze Nacht bei ihn· zu bleiben,« waren ihre letzten Werte »Riegeln Sie die Thiir zu, Pollu, und gehen Sie auch zu Beile!« Wenn ich an die gefrorene Fenster fcheibe hauchte, so konnte iit sehen, daß der Schnee draußen in wilden Wirbeln umherslog. Der Wind lieulie und stöhnte um den alten Gasthof, dass Schild iiber der Hauf-thut iiszte in L seinen Angeln. Mit schaiirigeni Dröhnen schlugen die Wogen aii den Strand. Es war eine schreckliche Nacht, und wie ich so in den S:urni und die Dunkelheit hinaiissblidte, konnte ich Mercy Pooles Erklärung von dem langen Ausbleiben des Dot tors teinen Glauben scheut-tm Schlim rne Ahnungen quälten mich. Jch strengte meine Augen aus dassleiiiieiste an, vermochte aber keine Spur i on ihm zu entdecken. Die Straßen ion B lad port waren dde und verlassen; tie Lichter in denHäusern waren eilesa(n. Es war beinahe Mitternacht, Wind und Schnee waren die alleinigen Hei ren der Stadt. Jch hüllte mich in meme Irdnniten Kleider Und zündete eine Laterne an. Jm Gasthof lag bereits Lille-H in tiefem Schlummer. Geräuschloz verlxefi ich das Haus und machte mich ans ten Weg, Doktor Vandine aufznsnchn Der schneidende Wind durchkaltete mich bis aufs Mart; der Schnee Laßt belte in blendenden Walten Durch die Luft. Da ich noch sehr schwach i.c.r, so vermochte ich anfangs nu« lnnnsain vorwärts zu kommen; der Zinn- li nahm mir den Athem und iosui mich hin und her. Mein Entschluß wantte indessen nicht; ich drückte meine La terne fest an den Leib nnd eilte fort, so schnell ich es vermochte Bald hatte ich die Stadt hinter mir und lief aus der Landstraße www Jn der Nähe vernahm ich den dumpfen Wellenschlag des Mee:«5. Rings unt mich her lagen die öden gest-»Hm Salztviesenx meine Ohren vernahmen keinen anderen Laut als das T:«ben des Sturmes, kein Lin)t:tr.:.«;- nls de: meiner Laterne durchdrang das Dun kel der Nacht. Plötzlich hielt ich ist meinem Lan inne. Was mußte er Von nzix denlrni Welches Recht hatte ic«-, .hn nassnchen zu gehen, blos weil er Ieicht zur sesigk sedten Zeit in den Gasthof zurücksc Iedrt wars War es nicht unziemlnh unmädchenhast gehandelt? eh war im Zweifel, ob ich Iveiter ge en oder meine Schritte zurück lenken sollte, als ich lauten Vusschlag vernahm, und tm nächsten Augenblick galoppirte ein —l Pferd an mir vorüber und verschwand bald auf dem nach der Stadt führen den Wege. Mein Herz pochte gewaltig. Das Licht meiner Laterne war voll auf das Thier gefallen, und ich hatte Doktor Bandwer Pferd erkannt. Es war jedoch ohne Reiter. Die Angst verlieh mir neue Kräfte. Gleich einem flüchtigen Reh eilte ich vorwärts und erhob meine Stimme so laut ich vermochte. ,,Doltor Vandine!« tief ich aus; »ich bin hier —- Polly! Hören Sie mich?! Antworten Sie doch! Wo sind Sie?!« s Es blieb indessen Alles um mich her till. Jch schritt iiber eine Brücke, die über einen Bach führte; und auf der ande ren Seite, an einer schwachen Biegung des Weges, fand ich ihn im Schnee lie gen. Die dichten Schneefloclen fielen auf ihn, und sein bleiches Gesicht starrte zum mitternächtlichen Himmel empor. i ) Jch stellte meine Laterne auf den Boden und lniete neben ihm nieder. Er lag wie todt da. Ich rief ihn beim Namen, allein er antwortete nicht. Zum Glück fand ich eine nein- Flasche Branntwein in derTasche seines Ueber ziehers. Jch legte seinen Kon auf meinen Schooß und goß ihm einige Tropfen von dem feurigen Getränke in den Mund, dann zog ich ihm dieHand fchuhe von seinen eisigen Händen und rieb diese in meinen eigenen. Endlich schlug er die Augen auf und blickte mir in’s Gesicht. »Großer Gott!« stöhnte er. »Bist Du es, Polly?« ,,Ja,« antwortete ich; »lann ich Jhnen beim Aufstehen behilflich fein ?« Er machte einen Versuch, sich von der Erde zu erheben, fiel aber hilflos wieder zurück. »Mein Pferd strau chelte und fiel mit mir — fiel auf mich,« sagte er mit schwacher Stimme. »Ich glaubte schon, daß ich hier erfrie ren müßte. Was bringt Dich aber hierher, mein armes Kind?« »Ich fürchtete, daß Jhnen etwas zu gestoßen sein möchte,« stammelte ich, »weil Sie nicht nach dem Gasthof zu rücklamen. So beschloß ich denn, Sie aufzufuchen.« »Gott segne Dich, Pollh! Was fan gen wir aber jetzt an? Jch tann mich nicht rühren, alle Knochen in meinem Leibe scheinen gebrochen zu fein. Eine Strecke weit von hier —— an der Land straße — wirst Du ein Haus fin den —« Die Stimme versagte ihm. Von seinen Schmerzen und der Kälte über mannt, fiel er bewußtlos zurück. Das Haus-, von dem er sprach, be fand sich eine halbe englische Meile jen seits- der Brücke. Bald stand ich dort, klopfte mit einem Stein an die Thiir und rief laut um Hilfe. Zum Gliiel fiir den unglücklichen Mann, den ich auf der schneebedeclten Erbe zurückge lassen hatte, war Beistand zur Hand. Starke Männer trugen Doktor Vandine nach dem Gasthofe, und die Jnfassen des Hauses standen auf, um ihm die nöthige Hilfe zu leisten. »Er hat einen doppelten Veinbruch; erlitten,« sagte Mercy Poole. »Wel-s chesz Unheil haben wir wohl zunächst : j zu r:«.oarten, Polln?« s Ach, ich hatte teine Ahnung von dem · Unglück, das bereits an die Thur klopfte! —- — i 28.napitei. Judexnikche ! Der Tag, an dem Ethel Greyloet’ « mit Sir Gervase getraut werden sollte, war endlich getommen. Es war ein klarer, talter Decembermorgen. Arn stallhelle Schnee- und Eisfäden wan den sich wie Guirlanden um die laub tosen Aeste der Bäume; meilenweit hin funtelten die gesrorenen Salzwiesen wie mit Diamanten bestreut; schau-— mend brachen sich die Wellen des Mee: » res an dem vereinsamten Strande. s Jn ihrer Kammer in der ,,.statzen Herberge« stand Polly, die namenlose Waise, in dem neuen Kleide, das Misz , Grenlock ihr geschickt hatte. Es war eine schwarzseidene Robe und paßte der schlanten Gestalt des Mädchens wie angegossen. Kragen und Aermel - waren reich mit seinen Spitzen besetzt, . und ein Bouquet von gelben Niarfschal Mel-Rosen prangte vorn am Hals. Lange Handschuhe verhüllten die Schwielen an Polly’s Händen, und ihr glänzend schwarzes Haar war in rei chen Flechten arrangirt. Sie hatte in ihrem Leben noch nie ein elegantes T Kleid besessen, und es war daher nicht zu verwundern, dasz sie sich jetzt mit sprachlosern Erstaunen betrachtete, dasz sie ihr eigenes Bild, das der lleine Spiegel zuriickwars, tauin wieder er kannte. Merch Poole öffnete die Thiir und trat herein. Einen Augenblick betrach tete sie das Mädchen schweigend vom Kopf bis zu den Füßen, dann sagte sie trocken: ,,Kleider machen Leute, Polly. Die Greyloetg haben eine Kutsche ge schickt, um Sie nach der Kirche bringen zu lassen — das Fuhrwert wartet vor dem Hause, Doktor Vandine wünscht i Sie noch zu sehen, ehe Sie gehen. Er « ist diesen Morgen sehr fieberhaft. Die Dottoren zeigen, wie ich sehe, instranb « betten ebenso wenig Geduld wie andere Leute. Der arme Mensch! Es ist kein Geheimnisz, daß er Miß Greylock liebte.« s Polln’s Gesicht nahm einen trauri gen Ausdruck an. «Ja,« stammelte sie und begab sich nach der Stube hins ab, in der Dr. Dick mit seinem ebro· chenen Bein sich unruhig aus einem Schmerzenslager wälzte. Waren es die physischen Schmerzen, oder war es der Gedante. daß Ethel Grehlock aus l— tmmer fiir ihn verloren war, was ihn so unruhig machte? Gott allein war Zeuge des Kampfes, der in diesem Augenblick in ihm vorging. Bei Polly’s Anblick leuchteten indes sen die Augen des Kranken hell auf »Wunder aller Wunder!« rief er. »Welche Verwandlung ist das. Das ist ja eine neue Auflage des Märchens vom Aschenbrödelt Meiner Treu’, Pollh, so hübsch habe ich Dich noch nie gesehen! Jch vermag taum meinen Augen zu trauen.« Polly war noch nie zuvor bewundert worden; eine tiefe Berlegenheit be mächtigte sich ihrer plötzlich. »Wie finden Sie das Kleid?« stammelte sie, indem sie die glänzenden Falten mit ihren behandschuhten Fingern glättete. Vandine betrachtete sie aufmerksam; sie erschien ihm wie ausgewechselt Zum ersten Mal sah er, daß ihre Au gen einen prächtigen Schnitt hatten, daß sie den Teint einer Spanierin be saß, und das; eine Fürstin sie um ihr Haar hätte beneiden können. »Das Kleid?« wiederholte er. »Gewiß, es ist hübsch. Du kommst mir so verän dert vor, daß ich Dich gar nicht mehr kenne, Pollh. Aber bin ich denn die ganze Zeit blind gewesen? Du wirst also Miß Grehlocks Trauung beiwoh nen? Ach!« seufzte er, »wie mein elendes Bein mich heute schmerzt! Nun geh’, mein Kind, und weide Deine Au gen an all’ der Pracht und Herrlichkeit — und« fügte er stöhnend hinzu, überbringe der Braut meine Gratula tion nnd sage ihr, daß ich ihr alles Glück auf Erden wünsche. Sir Ger vase ist ein Prächtiger Mensch, es steckt Muth in ihm. Ja, bei Gott, er ist ebenso ihrer würdig, wie sie seiner würdig ist!« Pollh setzte nun ihren neuen Pari ser Hut auf und warf den schönen Kaschmirshawl über ihre Schultern, worauf sie dem Doktor »guten Mor gen« wünschte; wenige Augenblicke daran hatte sie ihren Platz »s. er Frutsche eingenommen. Sie tam sich in der That selbst vor wie Aschenbrö del auf dem Wege zum Ball. Die Kirche, ein altes graues Ge bäude, befand sich nur wenige hundert Schritte von der Hauptstraße von Blaclport entfernt. Ungewöhnliches Leben und Gedränge herrschten an die sem Morgen in dem sonst so stillen Gotteshause. Eine ganze Reihe präch tiaer Equipagen war bereits vorgefah ren. Das Jnnere des heiligen Gebäu des war auf das Luxuriöseste mit Blu men geschmückt. Große Guirlanden wanden sich um die Säulen und um die Kanzel; riesige Bouquets von Orchideen, Myrthen, Orangenbliithen, Jasmim Wachskameliem duftenden Tuberosen und Königslilien schmück ten den Altar und füllten den Tauf stein. Ganze Schnaren elegant gekleideter Damen und Herren, eingeladene Gäste, hatten bereits die vorderen Sitze einge noninien. Die strahlenden Toiletten, die kostbaren Fächer, das Blitzen der Juwelen, das Hin- und Herhuschen der Kirchendiener mit Hochzeitsbän dern in den Knopslöchern, alle diese Dinge erfchreckten und berwirrtens Polly. Sie wählte sich einen Sitz in der Nähe des Einganges aus, wo siel Alles sehen konnte, ohne gesehen zu werden; inmitten einer solchen Ver sammlung tani die namenlose Waise sich wie ein gemeineg Unkraut unter I kostbaren Treibhauspflanzen vor. Endlich schlug die zu der feierrlichen Cerenionie festgesetzte Stunde. Der Geistliche stand in seinem weißen Or nat bereits vor dem Altare. Sir Ger i vase und sein Trauzeuge waren an ihrem Platze; allein die Braut und ihre Angehörigen waren noch nicht er schienen. Alle Gesichter waren der Thiir zugewandt, alle Ohren gespitth um die Anlunft der Braut zu verneh- I men. Pollh neigte das Haupt und fliisterte ein leises Gebet siir dag künftige Glück der Braut, die sie nur vor Gott ihrer Schwester zu nennen wagte. Plötzlich setzte sich Jemand neben ihr nieder. Als Pollh die Augen wieder aufschlug, erblickte sie die dicke Gestalt und das dunkle pockennarbige Gesicht Hannah Johnson5. Sie fuhr betroffen zurück. Welcher Zufall hatte diese ihr in tiefster Seele verhaßte Kreatur in ihre unmittelbare Nähe gebracht? Die Beiden blickten einander einen Augenblick scharf an; doch schon im nächsten Moment wand tcn sich die Blicke aller Anwesenden der Thiir zu. Die Braut und ihre Ange hörigen betraten das Gotteshaus und schritten langsam und feierlich dem Al tar zu. Heiße Thränen rollten über Bollw Wangen nieder. Da war Mifz Pamela in grünem Atlafitleid und einem Hut mit grauen Straußenfedern. Da war Godfrey Grenloch stolz, triumphirend und mit minder ftrengern Gefichtsausdruck als gewöhnlich Da hinlte Jris Greylock in einem Kleid von fchwerem Sammet, mit Spitzen undDiamanten geschmückt, auffnllend gepudert, herbei —- jenes Weib, das für Polly der Inbegriff aller Falschheit und Gewissenlofigkeit war. Da waren die hübschen, lächeln den Brautjungfern in rahmfarbenen Kleidern; und da war, alle Anderen an Schönheit überftrahlend, Ethkx Grehlock in einem prächtigen Braut lleid von einer Wolke venetianifcher Spitzen eingehiillt, mitDianiantfternen die ihren durchsichtigen Schleier an ihr Haar befestigten, und Orangenbliithen, die ihren Buöen fchmückten —- fast überirdifch in i rer Schönheit und der Pracht ihrer goldenen Locken, die ihr ·im weißenOrnat eingenommen. Durch Haupt umwallten — sie, die Schwester Polly’s, die als kleines Kind mit die ser in der Harmony-Alley gelebt und gelitten und deren Verlust das ältere Mädchen lange, lange Jahre hindurch tief betrauert hatte. Ach! Polly hatte nur zu gut ge wußt, daß die Lebenspfade, die in dein alten Miethshause parallel gelaufen waren, einander nach diesem Tage nie wieder begegnen würden. Sie erblickte ihren Liebling zum letzten Mal. Man ging neuern Glücke, neuer Herrlichkeit in der alten Welt drüben entgegen, während Polln fest entschlossen war, das Geheiinniß ihrer Schwester treu zu bewahren, Vandines edelmiithiges An erbieten anzunehmen, eine Schule zu besuchen und ihr Bestes zu thun, um irgend einen bescheidenen Platz im Le ben würdig zu füllen. Sie standen jetzt vor dem Altar und hatten ihre Plätze vor dem Geistlichen das gemalte Chorfenster fielen die Strahlen .der Morgensonne wie ein sichtbares Zeichen himmlischen Segens auf das Brautpaar. Jetzt begann der Geistliche mit feier licher Stimme: »Wir sind hier vor dem Angesicht Gottes und vor dem An gesicht dieser Zeugen versammelt, um diesen Mann und dieses Weib in heili ger Ehe zu vereinigen. Wenn irgend Jemand eine Ursache weiß, warum diese Zwei nicht ehelich zusammen kommen können, so spreche er jetzt oder enthalte sich nachher jeg licher Einrede!« Hannah Johnson erhob sich von ihrem Sitze und eilte durch das Schiff der Kirche dem Altar zu. Grimmiger Haß und hämischer Triumph sprachen aus ihren Zügen. Jhre Stunde war endlich gekommen. «Hc1lt!« rief sie mit lauter Stimme. »Halt! Jch er hebe Einrede!« ; Wäre ein Donnerkeil plötzlich unter« die Versammelten gefallen, so hätte die Bestiirzung nicht größer sein können. Jris Greylock stieß einen wilden Schrei aus. ,,Rcde nicht!« sagte sie mit flehnder Stimme, indem sie ihre Hände ausstrectte, wie um die Worte ihrerDienerin zurückzudrängen. ,,Um’5« Himmels willen, rede nicht, Hannah!·'I »Die Tage meines Gehorsams sind vorüber, Madame,« antwortete Han nah Johnfon trotzig. »Ich will reden, und alle diese feinen Leute sollen mich hören. Die Wahrheit hätte schon längst an den Tag kommen sollen. Die Zwei sollen nicht zum Ehestand verei nigt werden, wenigstens nicht, bis Sir Gervase Greylock weiß, wen er zu hei rathen im Begriffe ist. Das Mädchen an seiner Seite —- ich schwöre es hier vor Gott! —— hat keinen Schatten von Anrecht auf den Namen, den sie trägt. Robert Greylocks Tochter starb alr Säugling, und diese Kreatur hier wurde aus dem Abschaum einer großen Stadt — ja, buchstäblich aus der Gosse — aufgelesen und fiir Godfrey Greylocks Enkelin ausgegeben. Jch, weiß, wag ich sage, denn ich selbst habe sie vor ungefähr fünfzehn Jahren einer alten, betrunkenen Hexe, die sich ihre Großmutter nannte, abgetauft.« Hannah Johnfon hatte ihre Rache « schon vor Wochen geplant. Sie sprach - die verhängnißvollen Worte langsam und nachdrucksvoll und ließ sie wie Bomben mitten unter die aristokrati sche Versammlung fallen. Alle An wesenden standen wie versteinert. Polly war von ihrem Sitze ausgefahren hatte sich aber unentschlossen wieder ge setzt; ihr Gesicht war afchgrau vor Be stürzung. »Hätten Sie nur in jener Nacht aus der Terrasse auf meine Worte hören wollen,« fuhr Hannah Johnson zum Bräutigam gewandt fort, »so würden Sie diese Thatsachen schon früher er fahren haben. Es ist Jhre eigene Schuld, daf; Sie von ein paar Weibern genarrt wurden. Um sich dag Geld der Grehloctg zu sichern, sah Roberts Wittwe sich genöthigt, ein Kind zu fin den, das die Stelle ihres eigenen tod ten Fiindes annehmen konnte. Es war um die Zeit, als sie Jhnen die Briefe schrieb, Madame,« sagte sie mit einem Blick auf Miß Pamela, die starr wie eine Statue dastand. »Wir waren fast mittellos. Wir fanden dieses kleine Mädchen auf der Straße bet telnd; sie hatte blonde Haare und blaue Augen, gerade wie Robert Greis lock, und war hiibsch genug, um die Herzen aller harten, alten Groszväter in der Welt auszuthauen. Jch ver folgte ihre Spur bis zu einem elenden Miethshaus, wo sie niit einer Schwe ster und einer alten Hexe wohnte, die die beiden Kinder unter ihrer Obhut hatte, gab der Alten hundert Doltarg —- von Jhrem Gelde, Madame und nahm das Kind mit fort. Anfangs machte uns die Kleine nicht wenig Verdruß, denn Tag und Nacht schrie sie nach ihrer Schwester, obgleich wir sie schlugen und mit narkotischen Mitteln betäubten. Endlich wurde sie trank; wir fürchteten schon, daß sie sterben würde, allein sie hatte ein zciheg Leben, und als sie sich wieder erholte, schien sie die Vergangenheit vergessen zu haben. Wohl verlangte sie hin und wieder nach ihrer Schwester Polly; allein die Schläge, die sie von mir er hielt, kurirten sie bald gänzlich von die ser Unart. Wir fanden sie sehr talentvoll und gelehrig. Sie fand sich ohne Mühe in die Rolle, die sie zu spielen hatte, und nun brachte Mrs. Iris sie nach Guy lock Woods und stellte sie Godfrey Greylock als seine Erbin, als das Kind seines todten Sohnes, vor. Hahaha!« Godfrey Grehlock taumelte und mußte sich an dem Altargitter festhal ten; kein Auge hatte jemals einen sol chen Ausdruck in seinem Gesicht wahr genommen, wie in diesem Moment. »Es ist eine Lüge!« schrie er mit heisfrer Stimme. »Das Weib ist toll.« « ,,0fragen Sie doch Jhre Schwieger tochter, ob es eine Lüge it,« höhnte Hannah Johnson mit einem Blick auf Mrs. Iris-, die vor Schrecken an allen Gliedern bebend das Gesicht in ihrem Spitzentaschentuch verbarg. ,,Sieht sie wohl aus, als ob es eine Lüge wäre?« Godsrey Grehlock ergriff die Wittwe seines Sohnes ungestiim beim Arm und rief: »Reden Sie! Bin ich alle diese Jahre hindurch Jhr Narr gewe sen? Reden Sie! Jst die Geschichte wahr oder falsch?« Jris sah, daß Alles verloren, daß das Ende ihrer niederträchtigen Pläne und Lügen gekommen war. Sie machte daher keinen Versuch zu leugnen, sondern sagte: »Es ist wahr. Warum sollte ich es jetzt noch in Abrede stellen? Sie allein sind Schuld da ran, Godfrey Greylock, Sie haben mich dazu getrieben. Jch war dem Hunger tode nahe; wie konnte ich ohne das Kind hoffen, von Ihnen eine Unter stützung zu erhalten? Unglücllicher weise war meine eigene Tochter schon Jahre vorher gestorben.« »« a, sie ließ sie sterbend zurück, als sie mit Arthur Kcnyon durchbrannte,« ergriff Hannah Johnson schadensroh wieder das Wort. »Sobald die Bei den von Robert Greylocks Selbstmord Kunde erhielten, heiratheten sie einan der. Bald daraus trat ich in Mrs. Kenyons Dienst. Sie führte ein Hun deleben mit ihrem zweiten Manne. Sie brachten sein ganzes Vermögen und ihren eigenen Erwerb mit einan der durch. Endlich ließen sie sich in einer westlichen Stadt scheiden, und Jedes ging nun feinen eigenen Weg.« 2 ,,Berrätherin!« schrie Mrs. Iris-. I »Jetzt hast Du Alles gesagt; es bleibt nichts mehr zu verheimlichen übrig!« » Godfrey Greylock stand einen Au genblick still, wie um seine Kräfte zu : sammeln, um diesem vernichtenden ? Schlag die Stirne zu bieten; dann sah ; man ihn wanken und eine Hand aus strecken — die Braut stieß einen ent setzlichen Schrei aus, den ersten und ; einzigen, der von ihren Lippen kam, und der Gebieter von Greylock Woods ; fiel, ohne einen Laut von sich zu geben, ; nieder und blieb, das Gesicht dem Bo den zugewandt, regungslos liegen. Sir Geroase ließ die Hand seiner Braut los und eilte mit dem Geist lichen herbei, um den Gefallenen auf zuheben. Nie sollten diese stolzen Au gen wieder imZorne erblitzem nie soll ten srch diese strengen Lippen wieder öffnen. Wie zum Hohn fiel das Lichts des gemalten Fensters auf sein geister- - hafteg Gesicht. Der Schlagfluß, jener heimtiickische Feind, der wie ein Blitz auf sein Opfer fällt, hatte fein Werk rasch und gründlich gethan. Alles war vorüber; regungslos, stumm, todt lag Godfrey Grehlock in den Armen Derer, die ihn aufgehoben hatten. Eine furchtbare Verwirrung ent stand nun. Die hochzeitlich geschmückte Kirche war in einen Tempel des Todes verwandelt. Iris Greyloci stieß einen hyfterischen Schrei aus, klammerte sich an Sir Gervafe und ries: »Oh, Sie lassen mich doch nicht im Stiche! Sie wer den doch nicht dulden, daß ich auf die Straße gesetzt werde, um zu verhun gern!« Miß Pamela’s Jammergeschrei war herzzerreißend Unlvilltiirlichstrectte die geisterhaft blasse Braut die Arme aus, um ihrer alten Großtante zu Hilfe zu kommen; diese machte eine abwehrende Bewegung und murmelte: »Nein, nein! Komm’ mir nicht irr-lie! Riihre mich nicht an! Du hast ihn ge tödtet! Du bist seine Mörderin!« Ethel Greylock wankte, wie von ei nem Schlag getroffen. Sie blickte ihre Tante, deren Abgott sie seit Jah ren gewesen war, einen Augenblick fle hentlich an; dann wandte sie sich schnell wie der Blitz von dem Altar totg, vor dem an diesem Tage keine Hochzeitsge liibde ausgetauscht werden sollten, und eilte mit Entsetzen durch die Menge und der Thiir zu. Noch ehe sie diese erreichte« sprang Pollh von ihrem Sitz auf und inn: schlang sie mit ihren Armen. »Es war meine Absicht,« schluchzte die treue Schwester, »mich niemals Ju erkennen zu geben; obwohl ich Sie von Anfang an kannte. Und nun, meine liebe, theure Nan, kennst Du mich wirklich nicht Deine Schwester?« Ethel Grehlock achtete in ihrer Gee lenaual der ausgestreckten Arme Pollhs nicht; sie erkannte nicht einmal das Mädchen, das ihr Leben gerettet hatte und der Name, den sie als tleinksstind geführt, klang wie ein fremder Ton in ihre Ohren. »Nein, ich kenne Sie nicht,« antwortete sie heiser, »ich habe keine Schwester.« Mit diesen Worten schob sie Pollh bei Seite und eilte durch das Portal hinaus auf die Straße, die von einer Menge neugieriger Gasser angefüllt war. Unmittelbar vor der Kirche hielt eine Kutsche von Greylock Monds-. Ethel näherte sich ihr und gab dem Bedienten auf dem Bock ein Zeichen. Er sprang rasch herunter nnd öffnete den Schlag. Jahre mich so schnell wie möglich nach dem Herrenhause!« befahl sie mit heiserer Stimme. Sodann Eifeg sie ein und zog den seidenen Vorh:.ikg über das Fenster der Kutsche herab. Als Polly, die nachgefolgt me, kik Tbiir der Kirche erreichte, floan die Pferde bereits die Straße hinaus. —,---.-. —.....-—-..—..- s ...-.-.—. --—-.. , Jetzt kamen auch die Hochzeitsng aus der Kirche. Aus jedem Gests war Bestiirzung zu lesen,Niern.1i Tv s schien an die Braut zu denken s— X falsche Kreatur die von einem gewi senlosen Weibe auf der Gasse aufgel sen und schändlicher Weise dem arist tratischen, alten Greylock als seit rechtmäßige Erbi n vorgestellt wotde war Sie stürzten alle in die Kni« schen, uns-. so rasch wie möglich hinwek zukommen von einem Orte, wo sta hochzeitlicher Freude der Tod an de Altar getreten trat Jeder schien übe-s dies begierig, den Seinigen zu Hau« die schreckliche Neuigkeit mitzutheilei H« Polly vermochte sich nur mit Müh dein Gedränge zu entziehen. Sie haii den Befehl vernommen, den Ethel der Kutscher gab, und machte sich nun ei lia auf den Weg nach der Villa. Nan qehörte jetzt wieder ihr an. All ihre vornehmenFreunde hatten sich voi ihr abgewandt; selbst der Baronet hat te keinen Versuch gemacht, sie zurück zuhalten, als sie aus der Kirche eilte Allerdings war er so von dem todtei Godfrey Greylock und der jammerndei Jris in Anspruch genommen, daß e« die Flucht seiner Braut wohl kaun bemerkt hatte. So mußte denn Pollt selbst ihrer geliebten Nan nacheilet und sie in dieser Stunde der Verzweif lung und Seelenqual zu trösten su chen. F Sie schlug den kürzesten Weg über . die gefrorenen Salzwiesen ein. Nie i war ihr der Pfad so unendlich lang l Votgekoinmen Sie flog mit der Ge-? schwindigkeit eines Vogels iiber den schlüpfrigenGrnnd dahin, und dennoch war es ihr, als käme sie gar nicht von « der Stelle. Endlich tauchte der brau- s ne Thurm des Herrenhauses von ihren t Augen auf. Sie stürzte in das Haus, wo die Dienstboten sich bereits in· Gruppen versammelt hatten und sich flüsternd mit einander unterhielten,als’ hätten sie geahnt, daß sich ein großes- ; Unglück zugetragen habe. Die alte « Hopkins eilte ihr entgegen. —- ..th sie. hier?« leuchte Polly. »Ja, sie ist hier — wenn Sie Miß Ethel meinen,« antwortete die alte Haushälterin verwirrt und unzusani-’ menhängend. »Was ist vorgefallen?« Können Sie es uns sagen? Sie kam vor einigen Minuten wie ein Geist leer eingestürzt; kein Bräutigam, keiit Großpapa, Niemand lvar bei ihr. Sie fah entsetzlich aus und wollte auf keine Frage Antwort geben, sondern slosg die Treppe hinauf und schloß sich in ihrem Zimmer ein. Jch pochte seither Unab lässig an die Tbiir und bat und sieh-Hex doch umsonst, ich erhielt keine Antsost Mein Gott, reden Sie! Jst der Ba-« ronet gestorben oder fortgelaufen? Hat dieTrauung stattgefunden oder nicht-e« »Die Trauung hat nicht stattgefun den,« antwortete Pollh. »Es hats-m » sich schreckliche Dinge zugetragen, Nits Hopkins — die schlimmsten, die Sie - sich vorstellen können. Allein kommen . ; Sie mit mir, kommen Sie! Sie muß die Thijr öffnen, muß mit uns reden —- sie ist in Verzweiflung sie wird sich ein Leid antl)1n..« »Gerechter Himmel! Was ist denn vorgefallen3« rief die alte Hopiiiis. »Es fand eine Unterbrechung der Ceremonie statt. Godfrey Greylock fiel todt nieder. Sagen Sie den. "Dienstboten, daß sie das Hochzeits friihstüct wegräijmen, und sich auf den Empfang der Leiche ihres Herrn ver bereiten sollen.« Mit diesen Worten flog Polly die Treppe hinauf und pochte leise an Ethels Thür. »Oesfnen Sie, Miß Greylock!« bat-« sie mit zitternder Stimme; sie wagte es nicht, sie abermals ,,Schwester« zu nennen. Kein Laut ließ sich von innen ver nehmen. Bitterlich weinend riesPollyt »Wind meine theure Miß! Sie werden nicht verstoßen oder verlassen sein. Es ist ja nicht Jhr Werk —- Sie wenigstens sind unschuldig. Oeffnen Sie· einer Freundin, die Sie liebt, die Thur!«' »Kh Gott! Sollte sie ihrem Leben ein Ende gemacht haben?« rief die alte Hoplins besorgt. »Ich- habe schon drin solchen Dingen gehört· —— Hier ist ein Glas Wein siir Sie, Misz Greylock ; Sie müssen schwach und erschdlpft sein. Oeffnen Sie der alten Hoplins die Thür.« Sie lauschten, doch keine Antwort, keine Bewegung war zu vernehmen. Die Thiir war fest Verschlossen, und eine tödtliche Stille herrschte in dem Zimmer. Plötzlich vernahm sie Fußtritte hin ter fich. Polly wandte sich um und er blickte Sir Gervase Grel)lock: sie warf ihm einen vorwurfgvollen Blick zu, al lein keine Bewegung seines Gesichts verrieth, was in ihm vorging. »Wo ist sie?« fragte er. Die Haushalterin deutete aus die Thür und sagte: »Da drinnen, Sir. Sie will aber weder antworten, noch aufmachen. Jch fürchte, sie hat sich ein Leid gethan.« Der Baronet riittelte heftig an der Tbür und rief: ,,Mach auf, Ethel!" Sie blieb indessen gegen seine Stim me ebenso taub, wie gegen die Stim men der Anderen. »Deine Freunde find hier, Ethel — komm herauS!« rief er. Sie kam nicht und antwortete auch nicht. »Das geht nicht mit rechten Dingen zu,« sagte der Baronet. Fortsetzung folgt.) AAA ffv —- D·a s E r ite. »Hat Jhr Baby chon seinen Namen sprechen geh-th rischgeadelter Financier: »Nein, aber das »von« tann’s schon sagen.«