— cH-empeltiel.ni)en. Ein Lebengbild - on Ant. Andrea Jhr Köpfchen erinnerte an die lieb lichen blonden Englein des genialen Klosterbruders Fra Angelika Es nahm alle Herzen für sich ein. Selbst die rü den Schulbuben respektirten es, so weit sie es sahen. Dann aber schrieen sie hinter der kleine Mile her: »Humpel sielzchen heiß ich, viele Wunder weiß ich« —- und so weiter in dem alten Singsang ,,Humpelstel.zchens.« Das Engelslöpschen saß nämlich aus zwei hohen Schultern, die einen Höcker bildeten, und die zierlichen Fäßchen, die das arme Kind trugen, hildeten den Abschluß zweier Beinchen, ungleich schiefer noch als die Schultern. Jhre schwarzäuaige Vase Erna hatte den Spitznamen vom Schulhof mit nach Hause ebrachi; so war et auch hier an dem inde hängen geblieben. Ohne Empfindlichleit ließ Käte ihn sich gefallen, denn auch der große Kon rad aus der zweiten Classe nannte sie so; das war aber der einzige, der ihr nie etwas zu leide that. Jm Winter, wenn die Schulkinder mit ihrem Hand xchlitten den Hiillerberg herunterwa ten, Erna eine der ersten, und sie frie rend zusah, weil sie sich nicht auf die steile Bahn wagte, dann nahm Konrad sich ihrer an. »Komm her, humpelstelzchem du sollst auch «’was von dem Vergnügen haben.« sagte er. Voll Verwunderung schaute sie zu dem großen Jungen aus. Er überragte sie alle; die einzige, die sich mit ihm messen konnte, war allen falls Erna. Wie ihre, so glühten auch seine Wangen vor innerem Feuer in der kalten Winterlust, und ihre Augen hlitzten und strahlten wie seine vorLust und Freude an der herrlichenSchlitten fahrt. Wer sieh aber um Humpelstelz chen liimmerte, das war Konrad al lein. Das arme Kind bebte vor Kälte, Angst und Wonne, wenn er sie aus sei nen Handschlitten setzte, sie den Berg hinauf schleppte und ihr mit Piissen nach rechts und linlsPlatz aus der glat ten Bahn machte. »Nun halt’ dich aber fest!« Gleich daraus slo der Schlitten den Berg hinunter, daß Humpelstelzehen Hören und Sehen verging. Sie dachte jedesmal, es wäre ihrLetztes, und wenn sie nachher zur Besinnung gekommen war, freute sie sich auf das nächsteMaL Wenn Konrad sie grad hinunter in ei nen Aharund gestoßen hätte, würde sie sich vorher auch noch gefreut haben Einmal half er dem Schlitten zu start nach. Humpelstelzchen schlug mit ihm topsiiber in den Schnee. Der Athem ging ihr aus. Als sie ihn wie derfand, hielt Konrad sie bei den Schultern und klopfte ihr den Schnee von den Kleidern. »Das ging ein bißchen zu toll!« sag te er gutmuthia »Na, im Schnee liegt siehs- nicht iihel, wa5?« Jhre schmale Brust arbeitete kampf hast: ,,f’lch-—-tann—hloß noch——leine Luft —- tricgeni« »J, das wird schon werden! Nimm ’mal ’ne Handvoll Schnee in den Mund —- da! Das hilft.« Es half wirklich. Seitdem war ihr Vertrauen zu Konrad-Z Heilmittel-i unerschiitterlich. Zum Frühjahr kam Konrad ans das Ghmnasium, und in dem Ackerbiirger städtchen hörte und sah man lange nichts von ihm. Erha, die drei Jahre iilter war als ihre arme, kleine Base. entwuchs bald der Schule, und die El tern gaben sie zu ihrer seineren Aus bildung auf ein Jahr nach Stargard. Als sie heimkehrte, war sie ein »Frau lein« —- daS schönste weit und breit obenein. Was hatte sie nicht inzwischen von der Welt aeseheni Auch Konrad war sie begegnet —- hiiusig, denn er besuchte mit ihr dieselbe Tanzstundr. Nächstens wollte er sein Abiturienten examen machen und dann in Berlin Medic-in studiren. »Er läßt auch »Dumpelstelzchen« grüßen!« schloß Erna lachend. »Dante,« sagte Käte mit ihrem zirpenden Stimmchen und errötbete zart. Sie stickte Namen in die seinen Battisttücher einer Frau von Soundso —- ihrer besten Kunbin Denn Hum pelstelzchen war jetzt fünfzehn Jahre alt und galt für erwachsen, obgleich sie nicht größer war als vor sechs Jahren. Sie betrieb Weißsticlen als ein Die-: schöft. Die Leute sagten, sie hätte »Ta. lent« dazu. Wie stolz war sie gewesen« als sie die ersten zehn Mart - selbst verdient —-- der guten Tante in die Hand legen tonnte. Der Onkel· der Herr Steuereinnehmer, war ganz ge rührt. »Das erste, was unser Humpelstelz chen verdient hat, gehört bahinl« sagte er und steckte das kleine Goldstück in Kät« tleine Sparbtichse. Später wurde es der Tante ein willkommener Zuschuß. Erna’ö Ausbildung mit anzstunde, Haut-arbeiten und etwas Französisch hatte viel Geld gekostet, und ihre Bedürfnisse zu Hause verrin gerten sich nicht. Sie gehörte jetzt zur »Gesellschast«, denn sie verkehrte mit der Tochter des Apothelers und trat dem Jungfrauenverein bei. Für ihr Le ben gern wäre auch Käte ’mal mitge gangen — besonders vor Weihnachten, wenn die »Jungfrauen« sich in der er sten Classe der Schule versammelten, um für bie Bescheerung der Armen zu nähen und zu stricken, während die jün geren Lehrer abwechselnd Missionsge schichten oder etwas aus dem »Töchter album« vorlasen. Aber Crna sagte: »Du bist zu jung, Mite. Unter siebzehn wird keine in unseren Verein aufge nommen —- außerdem, du reichst ja nicht über den Tisch hinweg.« Leider hatte das arme Kind wenig Aussicht, je größer zu werden! Um Fastnacht herum gab es einen Ball, den Erna als ihren ersten mitma chen durfte. Zwei Wochen vorher näh ten alle an ihrem neuen Staat — am sleißigsten Humpelstelzchem der es am slinisten von der Hand ging. Als der Berg von rosa Tarlatan ausgepufft auf dem Tische lag und die gute Tante seufzend berechnete, wie viel Erna’s Ballileid im ganzen kostete, söhnte Röte sich endgültig mit ihrer Kleinheit aus. Einen letzten entsagen iden Blick wars sie auf Ernas hobe, ) schöne Gestalt, dann calculirte sie: »Ein wahres Glück! Wenn ich ’mal aus einen Ball gehe, wird es nicht dieHälste kosten.« Nicht einen Fetzen von der rosa ane lief-, sie umkommen. Sie liebte bunte Sachen. Kein Cigarrenbiindchen, kein Schleifchen oder Spiychen ging im Hause verloren. Jn dem Winkel des Zimmer-T das Erna mit ihr theilte, stand ein Kästchen mit Käte’s Raritä ten. Aus einer Cigarrenkifte vom On kel hatte sie es sich mittels leererZwirn rollen, Stanniol und Reclamebildchen, die sie Gott weiß wo gesammelt hatte, hergestellt: es war ein wahres-Schmuck stiict siir die Stube geworden. Fehlte ’mal jemand ein Handschuhtnopf, ein Schleifchem ein Flicken zum Ausbes fern, ein Fädchen bunter Seide oder Wolle, brauchte er sich nur an Hambu I stelzchen zu wenden: sie konnte mit al lem autwartem Erna sc h in ihrer Pracht von rosa Tarlatan und gelben (,eugrosen selber wie eine schöne, frisch erbliihte dunkle Rose aus. Käte’g Augen konnten sich l nicht satt an ihr schen. Eben nähte sie snoch eine rosa Schleife an ihren Fä t eher, als es klingelte. Die Tante öffnete. Ein großer, junger Herr, einen pracht l vollen Blumenstrauß in der Hand, i iiberraschte sie mit der Frage: »Ist Fräulein Erna fertig?« »Herr — Konrad! Sie sind es? Ich l hätte Sie nicht wieder erkannt. Treten Sie nur ein! Wollen Sie auch aus den Ball?« «Freilich. Jch bin schon herüber ge kommen. Fräulein Erna hatte mir er laubt, sie abzuholen.« . Die Frau Steuereinnehmer wußt: nichts davon ; sie fand auch nicht Zeit, sich darüber zu wundern. denn Erna erschien, lächelnd und strahlend, einen rosigen Schimmer aus ihrem jungen Antlitz. »Ich dachte nicht, dasz du Ernst ma chen würdest, Konrad!« sagte sie mun ter. Hinter ibr stand Kate, so klein und , glanzkoH, daf; der junge Mann sie erst i i E nicht bemerkte. . »F das ist ja —- Stelzchen!« ries er ’dann und berschluckte gutmiithig das häßliche Vorwort. »Noch eben so blond und klein wie damals. Guten Abend! «Wir brauchen nicht erst Briiderschaft » zu machen, wie? Erna redete mich näm lich in der Tanzstunde mit »Herr« und »L-te« an.« Er schiittelte ihr so derb die Händ chen, daf; es ihr weh that; aber sie lä Zchelte selia und hob sicb aus die Fuß spitzen, um ihm in die Augen zu sehe:i. JDie hingen aber unverwandt an Er naS bliikender Schönheit, das; er nichts : c skseres merkte —s-— am wenigsten den I feuchten, dunklen Schimmer in stät-XI s Blias Die Anderen waren fort, da stand die arme Kleine allein, noch immer wie im Traume: der ,,Prinz« hatte seine »Prin,zessin« geholt! Wie schön war das gewesen —- besonders als er ihr die Blumen gereicht und Erna ihr glü hendes Gesicht darin versteckt hatte. Was hätte sie nicht darum gegeben, die beiden tanzen zu sehen! Dann dachte sie:-,,Wenn ich ’mal zu einem Feste gehe, ich würde weißen Tarlatan tragen und einen blauen Kornblumenkranz.« Die ganze Nacht dauerte der Traum. Sie sah sich selbst in einem weißen Kleide und Konrad reichte ihr einen ; Strauß von blauenKornblumen. Erna schwebte als rosa Woike über ihrem Haupte; aber sie stieg höher und wurde « immer dunkler: zuletzt war sie nur noch ein schwarzer Punkt an dem lichten Traumhimmel « Den erträumten blauen Kornblns « mentranz bekam sie schon den nächsten ; Sommer; aber anstatt des weißen « Tarlatantleides mußte sie sich mit ei ’ nein verwaschenen, blaupunltirtenBat tistkleidchen aus Ertrag Tanzstundens . Periode abfinden. Sie machte es sich zu I recht mit einer blauseidenen Gürtel schleife: es sah sehr hübsch aus -——— be sonders bei Abend. Den Tag über ftickte sie an dein letzten Dutzend von Erna’5 Aussteuer, denn der jungeCon I ditor, Herr Welscher, wollte sobald als f möglich eine Frau in sein Haus haben. »Es war ein unverhofftes Glück für F Erna, daß die Wahl des reichen Man Hnes aus sie gefallen war: die Eltern ; konnten es nicht genug preisen. Trotz " dem war es nicht ohne Thränen abge angen. Erna erklärte rund heraus, » aß sie sich nicht viel aus herrn Wel « cher mache: ein Anderer —- hier fielen hre Thriinen —- wäre ihr lieber. Nie mand fragte, wer dieser »Andere« wä re, und Erna war verständig genug, den Eltern leinen Widerstand zu lei sten. Sie bat sich nur bis zum nächsten Morgen Bedenkzeit aus. · Diesen Abend, als sie zu Bett gegan en war, und der Mond hell in il,r enster schien, konnte sie nicht schla en. »—— Stelzchen!« rief sie leise nach dem anderen Bett hinüber, und dann bekam sie Herzllopfen ovrSchreck. Der Name war ihr entschlüpft in der Erinnerung an Konrad, die sich ihr mächti aufdrängte. Der Mondschein war l uld daran. Jm Mondschein — allerdings im Winter, und der Schnee flimmerte auf den stillen Straßen — hatte er sie damals gefragt, ob sie ihn lieb hätte. Er hielt dabei ihre Hand umschlossen, und der Mond lächelte von gern klaren Abendhimtnel auf sie nie er. - Was sie antwortete, machte ihn ganz glücklich. Er sprach immer stürmischer ans sie ein, und zuletzt, ob sie auf ihn warten wollte, bis er seine Cariere ge macht und sie als sein Weib heimführen könnte. Sie sagte «ja«. Lieber Zim mel, das sind Tanzstundenereig isse, die nimmt man doch nicht ernst! Kon rad freilich dachte anders-. Er tam auf eine Nacht nach Hause, um sie auf den ersten Ball zu führen. Diesen Abend hatte sie ihn sehr lieb gehabt. Irgend tvie hatte er es möglich gemacht, ihr ei nen Kuß zu rauben. Er nannte sie heimlich: »Meine Braut!« — cihr Ge sicht brannte bei diesen Erinnerun en. Würde ihr auch niemand diesen uß ansehen, wenn sie mit Herrn Welscher vor dem Altar stände?« »Schläfst du nicht, Erna?« »Ach — ich kann nicht. Du?« , --«Jch auch nicht,« zirpte Käte. »Ich «muß immer an dich und Herrn Wei scher denken.« » »Komm ein bißchen zu mir ins Bett, Ia ?« Dann, als die arme kleine Vase sich neben ihr einnestelte, seufzte sie: »Ich habe eigentlich keine Lust zum Heira then; ich bin noch so jung.« »Dann sage es nur gleich Herrn Welscher, « rieth die Kleine. s »Er will aber nicht warten,« wandte . Erna ein J »Mag er sich eine andere suchen, Erncheni Du bist viel zu hübsch für ihn, und interess.ren thust du dich ja nicht für ihn,« meinte Käte unschuldig. . Erna seufzte von neuem; plötzlich ; machte sie ibrem Herzen Lust: »Warum » ist bloß Konrad so erpicht, Medicin zu t studiren?« ! »O — das- ist doch viel besser als Kaufmann oder Co .ditor zu sein,« ent gegnete Käte alt!lsig. »Wenn ich ein Mann wäre, mischte ich nichts anderes als Medicin scudiren.« »Und wenn du kein Vermögen hät test, könntest du wer weiß wie lange nicht heirathen.« Käte sah nicht ein, warum sie das sollte. Sie würde überhaupt nicht hei rathen als Arzt, sondern immer nur Kranke gesund machen und Leidenden helfen. »Wenn du aber ein Mädchen lieb test, das auf dich warten sollte?« fragte Erna weinerlich. »Ja — dann müßte sie es thun, bis ich so weit wäre. « s ,,.)lch, das gebt nicht, ein Mädchen von 27 oder 28 Jahren ist eine altei Jungfer,« entgegnete Erna unmuthig. » »Thut nichts! Jch hätte sie desto lie- ; ber Sie wäre es ja um meinetwillen geworden.« Aber Erna wollte nichts davon wiss J sen. Sie verstand sich besser auf dais Leben und auf die Männer: ein altes. ’ verbliihtesMädchen nimmt teiner gern! Sie drückte das Gesicht in ihr Kissen, und halb jammernd halb arollend legte sie ihr Geständniß in Humpelstelzcheng zitternde Seele nief-r. Mit keinem Laut wurde sie unterbrochen, denn die arme Ftleine wurde von ihren eigene Gedanken fast erdrückt. Vor allem tiefs, dieser eine nicht von ihr ab: »Wenn ich es wäre, die er liebte, hundert Jahre würde ich auf ihn warten, und wenn er mich dann nicht möchte, weil ich Jst-i zu alt und häßlich wäre, würde iols noch immer glücklich se3n, daß ich auf ihn habe warten dürfen!« Zu Erna sagte sie eindringlich: »Jetzt darfst du den Conditor nicht hei rathen! Du hast Konrad dein Wort ge geben. Jhr seid verlobt.« « behrung hinter sich zu haben. War »Ich kann doch den Eltern nicht un geDhorsam werden!« wandte Erna ein. Die lachen mich aug mit dieser Tand1 stundenverlobung.« Jn Wahrheit be einflußte der Wohlstand des Conditors i sie mehr als ihr tindlicheg Pslichtge s siihl. So lange sie denken lonnte war ; sie an ein tnappeg Auskommen und das i Rechnen mit Psennigen gewöhnt. Jetzt eröffnete sich ibr die Aussicht, aus dem ’ Vollen zu schöpfen —- Geld ausgeben i zu dürfen, ohne das Gespenst der Ent das nicht ein Glück wie jedes andere? Die Liebe allein genügte ihr nicht siir ein ganzes Leben. So weinte sie sich· zwischen Vernunft und Gefühl in den Schlaf, und den nächsten Morgen gab : sie Herrn Welscher ihr Jawort · . . Jn der guten Stube lag Ernas Brauttleid zur Schau — fchimmernder weißer Atlas, und dazu der lange, daf tige Schleier! Herr Welscher hatte bei des aus Berlin schicken lassen. Er wollte, daß seine Braut wie eine »Ko nigin« aussähe. Humvelstelzchen be trachtete die Pracht mit einem Gemisch von Entzücken und Scheu: sie war die Verwirklichung des schönsten Mär chens. Der glänzendeStofs erschien aus Mondschein getrebtt Si: träumte nichts davon. Endlich der Polterabend. Es gab so viel zu thun, daß niemand be trachtete, wie erschöpft Humpelstelzchen aussah. Sie hatte sich beim Sticlen wohl zu sehr angestrengt. Als sie gegen Abend Erna beim An tleiden behilflich war, bekam sie einen Schwindel. Die Tante lief herbei. Kät k chen sollte zu Beet gehen Morgen wäre ? dann alles wieder gut. Allerdings scha !,de dasz das arme Ding nichts von dem großartigen Polterabend hätte! Dieser fand mit der Hochzeit in dem ersten Hotel der Stadt statt. « ,,Thu’ mir das nicht an, daß du an meinem hochzeitstage trank bist, Stelzchen!« sagte Erna. »So was er lebst du nicht alle Tage. Und dann dein W——--, Koknblumenkranz und dein blauer Gürtel — sollen die umsonst gemacht worden sein?« Es lag ein gutmüthiger Spott in dieser Bemerkung, und Ema dachte dabei an ihr pompöses Braut tleid und den langen Blondenfchleier: die ganze Stadt bewunderte und benei dete sie morgen! Humpelstelzchen blieb allein zu Hause. Wie ausgestorbem so still war es rings umher. Sie hatte sich nieder leaen müssen; aber schlasen konnte sie nicht. Sie hatte das Fenster geöffnet, daß die linde Lust hereinströmte: ihr wurde das Athmen schwer. Der Mond schien herein. Es erinnerte sie anErna’s . Brautkleid. Und dabei dachte sie im merfort daran, daß Erna morgen dem armen Konrad auf ewig verloren ginge. »Ob er es weiß? Ob er sehr un glücklich darüber ist?« Diese Fragen quälten sie in einem fort, und ihr un schuldiges Herz quoll dabei über vor Mitleid und Liede für den Jugend freund. Gegen Morgen wurde e-; im Hause lebendig. Erna iam herein, abgespannt, bleich, zerlnittert. Zum letzten Mal sollte sie jetzt in ihrem Mädchenstübchen schlafen. »Bist du schon wach, Stelzchen?« »Ja-« Sie mochte nicht verrathen, dasz sie die ganze Nacht kein Auge ge schlossen hatte. Erna warf den welken Strausz von ihrer Brust auf den T: sch und dieHaar nadeln aus ihrer Haar. i ,,Jch habe greuliche Kopfschmerzen!« Pldk lich platzte sie ;:kaus: »Ich bi n außer mir i:b«,c die TattlosigL eit! l Denke dir, Konrad ist hier. Apothelers Jlse hat ihn gesehen. Jm Grunde sollte ich mich nicht darüber ärgern: eg turirt , mich ein fijr allemal von der alten Tanzstundendummbeit!« Nach ein Paar-I Stunden Schlaf hatte sie ihren Aerger verzcssen Jn dem wei ! ßen Brautsiaat sah sie königlich aus Als sie vor dem großen Spiegel stand, sagte sie es sich selbst E' wag bleich rrar s sie. Das paßt «e zu der Lilihrtenlrone und : dem zarten Schleier. Und wäh:.nd der « entzüdte Bräutigam ihr den Braut » strauß brachte Und ihr sagte, wie schön « sie sei, stand Humpclstelzchen in ihrem Wintelchen in der gemeinsamen Stube und setzte Vor dem tleinen Spiegelschei ben ihren Kornblumei.kranz aus. Es waren echte. Sie hatte sie den Sonntag vorher selbst gepflückt Sie fand ihn sehr schön. Er paßte zu ihrem blonden Haar und der schneeweißen Stirn, die der Spiegelscherben ihr zeigte. Colett drehte sie das Kbpschen hin und her. Dann wurde sie glühendroth vor Scham über ihre Eitelkeit und ver steckte das Spiegelglas in ihre Schub lade. i Mit vier anderen jungen Mädchen, l die von der Ehre, als Brautjiin,fern l zu figuriren, ausgeschlossen waren weil sie nicht zu de Ersten der gesell i schastlichen Rangnrdnung zählten Ifuhr stät- zur Kirche. Man schob sie in s den Wagen der ohneh« m der lenre w ir —- Viel Platz brauchte sie nicht. Die letzte war sie auch beim Aue-steigen Als sie ganz allein den gewebten Lauf-: r be trat, rer vo: n Wagen bis nach ter iirt le reich,te sentte sie züchtig die Augen, den.c sie hatte dass Gefühl, von aller Welt begasft zu werden. Sie schämte sich, an diesem Tage eine so bevorzugte Rolle zu spielen, während Hunderte draußen standen, die nichts von der vornehmen Hochzeit hatten. »Humpelsielzchen!« rief vlsötzlich ein-: freche Stinme aus der Menge der Zu schauer zu beiden Seit-n. ttlatschk Der Liinssnel hatte eine Ohrfeige weg, das-, er nicht wußte, wie ihm aeschah. Fläte schlug die Augen auf. Jhr Gesichtchen brannte —- nicht vor Entriistung, son dern weil sie einer-. jungen Mann ge wahrte, der einen Auaenblicl Alle über ragte und dann verschwunden war. Jn der Kirche fand sie nur noch einen Stehplatz, ganz im Hintergrunde Das Gedränge war so gron daß sie nur hin und wieder einen Schimmer von dem weißen Atlaglleide der Braut er haschte. Um so aufmerksamer lauschte sie auf die Stimme deg Predigers. Ein-: große Angst bemächtigte sich ihrer. Gleich wurde jetzt Erna das heilige »Ja« abgefragi. Und Konrad war hier —— vielleicht in dem Gedränge in der Airchel Wenn er es hörte? Oder wenn Erna sich im letzten Augenblick aus ihr Herz befänne und »Nein« sag te? Da war es plötzlich still -—— nur ei nen Athemzng lang. Dann die tiefe, etwas grobe Stimme des Bräutigams: »Ja«. Humpelstelzchens Herz stockte: Ein Hauch — ein Laut! Hatte Erna »Ja« gesagt? Rein Zweifel tfin Ge räuscb erhob sich. Die Orgel spielte. Das junge Ehepaar, von den nächsten Anoehörigen gefolgt, verließ die Kirche. Eine Weile noch dauerte die laute Be wegung rings Umher, dann lichtete sich das Gedränge; die Kirche wurde leer. Sie allein war zurückgeblieben-Doch nein! Nicht weit von ihr im Hinter grunde an einem Pfeiler stand Konrad — größer noch als sonst: aber er sah leichenblaß aus; seine Arme hingen schlaff heruntc««:; seine Fäuste waren ge ballt, und über seine Wangen rollten dicke Thränm Plötlich fuhr er auf. Etwas Wei ches, Zartes berührte seine heißeRechte. Ein freundliches Stimmchen slüsterte seinen Namen. Verstört wandte et sich und schaute in Humpelstelzchens blaue Engelsaugem voll von Erbarmen und Milde. »Du bist es — Käthchen?« Sie nickte. Ein Lächeln verklärte ihr Kindergesichtchen, und während ihre Thränen es feuchteten, war sie über die Maßen glücklich, daß sie mit ihm wei nen durfte. Jhr Hä:idchen umfaßt, stand er eine Weile schweigend. Etwas ; von dem Frieden ihrer Seele drang in . den Sturm der seinen, und währendl s seine Tbränen gleich Feuer darin s s brannten, fielen die des armen Kindes s ! wie Thautropfen hinein. I s Er schaute auf die Stelle vor demt Altar, wo die Braut gestanden hatte.l Blumen lagen auf der Erde, und grüne I Zweige —- halb welk, zertreten. Fast ] ! sab es aus, als hätte ein Bearäbnisz stattgefunden, und ein Sarg wäre eben ’ hin-ausgetragen worden. Ein Seufzer] hob sich aus der Brust des jungenMan- - ries: für ihn war es in der That ein! Begräbniß gewesen. Er hatte seine erste Liebe begraben und — seine JU- s gend . . . . Diesem Sommer folgte ein anderer, und als der Winter wiederkam, zog man Humpelftelzchen das lang ersehnte weiße Kleid an. Es war zwar nur eins von grobemMull, aber es bedeckte keusch ihre schiefen Schultern und ihre hin kenden Fäßchen, so daß sie wie ein schlummerndes blondes Englein aus sah. Jm Schlummer lag sie auch, und das Kinderlächeln auf ihrem erstarrten Antlitz sagte, daß der lange Todes schlaf ihr keine bösen Träume brachte. Erna, deren Schönheit schon stark welkte kam mit einem Körbchen Treib hausblumem darunter ein paar Myr-( tenzweige. Die steckte sie der Entschla senen in das blonde Haar, und dabei weinte sie unaufhörlich. Nicht, weil der ; Verlust sie schmerzte — das arme kleine I Ding war ja im Himmel am bestens aufgehoben — sondern weil sie des Tas-— « ges gedachte, da «- die Myrte im Haar I trug, und weil alte, ferne Erinnerun- F i gen sie quälten. Sie hatte Konrad ge sehen. Auf der Straße war sie ihxn bis-I gesittet; er hatte den Hut gezogen-ru- i hig, gleichgültig wie vor dem ersten be- I sten Fremden. — l In der Stille des sinkenden Winter-« taaes wurde Ekmxnpelitelzchen ins Ger gebtttet Der Schnee fiel in großen, weichen Flocken auf das kleine Gefolge und ans den schwarzen Sarg: das war, I als ob tausend Engel ihn umfchwebtens und mit ihren weißen Flügeln Zweck-I ten. I Der Abend brach herein, und dcrj Schnee-full hörte auf. Still lag das: Städtchen in der zunehmenden Dun kelheit. Nur noch ein Paar Stimmen, das Geräusch eines Wagens! Auch diese verstummten, und in dem tiefen, feierlich-en Sch· sigen zwischen Himmel und Erde versank die Erinnerung an das kleine, freundliche Leben, das hier erlojchrn war. Dann blitzte der Mond mit breitem Strahl durch das Gewölk. Ein Leuch ten aing über die weiße Erde und das frische Grab — auf welches Konrad, der iunae Ins. missi» einen Kranz nie derlente Einen Auaenblick träumte er in die flimmernde Winternacht hinein: ,,k.)lrmes, liebes Humpelitelzchent Hätte Deine schöne Seele in dem entiückendeti stifrrser der anderen gewohnt-Ach siänke jetst nicht hier mit einem vor der Zeit entbliitterten .L«er,7,en.« »O - Zins der Hirn-Ze. Von sinnt Hamsuir Ich tam die tiarl Johannstrasie hin aufgegangen Ta steht der :;eitung«3: junge an der irrte bei lsiiiiitherks Rou ditorei nnd ruft den ,,Vitin«.i« aus-. tssr sagte immer nur die Worte: ,,-liaui’n Ee doch d’n Vitiiig!« sich bliitte mich iliin ziiriiit und dach te: du konntest ihm ioohl einen Zehner geben, dadurch wirst du nicht armer. lind ich faßte wirklich in die Tasche nach dein Neldstiiet Wahr-end ich aber die -s:.ande in der Tasche habe, sticht mich die alte Lebeiisztlugbeit, und ich sage zu inir:es3 hilst nicht-J, einein Menschen etwas zu schenken; eg denioralisirt n· s. in. Ich ging bis zur Universität und dann denselben Weg wieder zurück. Ta hore ich wieder die Stimme desZ Zeitiingstungen (5·r streitet sich mt ein paar betrunlenen Seeleiiten mit klltiitieti auf dem Koiis um eine Num mer des »Viting,« die sie ihm zerrissen hatten, iind die Matrosen wollten die »;e1·rissene Nummer nicht bezahlen. To begann der Junge zu weinen. Eo gehe ich denn zu ihnen hin und höre-, wie es ziisansinenhiingh ich sage daraus bestimmt zu den Matrosen, das; e: natürlich ihre Pflicht ware, zu besahlen. Aber das her nichts, sie lachten mich aus. Nun habe ich einmal eine große runde Echlibgnadel bekommen, die nach allem Moglichen aussieht; sie ist so gros3, daß sie sogar beinahe siir ein Polizeisehild oder ein geheimes ;),ei: chen irgend einer Art gehalten werden lann, iiiib diese Nabel trage ich stan dig auf der linken Brust unter dein Matt. Als nun diese beiden betrunke nen Matrosen sich init der zerrissenen Vitiiignuimiier belustigteii und sich weigerii, zu zahlen, kommt inir plötz lich der Einfall, dreist zu sein; ich wende inich den Taugenichtsen zit, öffne den Rock und zeige stumm ans meine merkwürdige Schlipsnadei. Wir sehen einander einen Augenblick au; dann sage ich ganz kalt und be stimmt: Wollen Sie niin bezahlen, oder wollen Sie mir solgenW Tag hals. Der »Viting« wurde be zahlt. nnd ivir vier «.l)tenscheiitinder, die sich um das Blatt gestrktten hat ten, gingen Jeder seines Lsegegz der Junge trocknete seine Augen nnd ging strasiani. wahrend ich die Ka« Johann straize hinab ging. Am Posthause tehre ich ir« .«der unt iind gehe noch einmal die S: stisze hin aus. Meine Gedanken tejchastigten sich immer mit deni Zeitungejungen Jch dachte: du haft dem kleinen As zu seinem Gelde verhelfen, er ist ? natürlich dankbar dafür und wird di nicht mehr anrufen, wenn du vorb-« trimmstt aber ich hatte mich nerrechns Er machte keinen Unterschied zwisch« mir nnd irgend einem Anderen, er hi mir die Zeitung hin und tagte möchte den ,,Viting« kaufen. · Jchging stumm nnd getränkt t. ihm vorbei. Ich hatte mich bitter itnn getäuscht; es war natürlich nå ein richtiger, elende-r, Strni;e11Jenmä» der schcnrÄ Tabak« ranchic nnd sei , .- «. WILL-On Iss s -·:;« I »e-itieiihett« »verlor,« wenn er eiz « schlechte Geusur darin hatte. Kuå s und gut, es war ein echter kleins.»»";f Epihbiibe, mit dein ich zu thun bis s kommen hatte. Ich war recht ärge« , lich auf ihn als ich weiterging urs- » fühlte bei mir iin Stillen, daß ich ih nach Verdienst behandelt hatte, wen ich ihm den Zehner nicht gab. Nun fehlte nur, daß er mich no zum dritten Mal anrief. Jch gehe auf dem Rückwege so nat wie möglich an ihm vorbei; augen blicklich richtet er sich auf, starrt mi gerade in’s Gesicht, hebt sein Zei ; tungspait in die Hohe nnd sagt, al Z wenn zwischen uns nichts vorgefalle ware: i ,,Kaiif’n Se doch d’n Vikingl« « Nun gab ich einem überaus dummet Einfall nach; ich zog einen Fünfzige aus der Tasche- hielt ihn dem Jungei « dicht unter die Nase und ließ ihn zwi s schen die Sprossen desZ Eisenrostes hin , abfallen, auf deni er stand. Jch hatt dieses kaum gethan, so nahm ich einer zweiten Fünfziger aus-«- der Tasche, zeigt ihm auch diesen und ließ ihn denselbei Weg nehmen. »Bitte sehr,« sagte ich schadensroh » »hol’ sie Dir nun da unten, Du klei- s ner Teufel, und lasse mich in Ruhel« - Derkliost war gefroren und es be- s reitete mir eine Befriedigung zu sehen, i wie mein illagegeist an den Sprossen s kraxzen und sich plagen mußte, um « hingelangen zu touneu. Seine Finger blieben hier und da an dein kalten tsisen hangen. Jeh sah auch, daß et an dem einen Handgelent eine Wunde bekam: aber er arbeitete mit gleichem Eifer fort, un! zu den zwei Fünfzigern hingelangen zu können, Endlich lann er den einen Silberling unten fassen. »Na hab’ ich einenl« sagt er ganz glücklich. Er sieht mich an, ob es mein Ernst ist, das; er dieses Geld behalten darf, all’ dieses (E;eid! Und da ich nichts » sage, behiilt er eis und macht Anstalt, Hauch den andern Fiinfziger hinaufzu ;li;«-leu. irr iiresit abermals die Hand E in den Spalt hinunter und beginnt ’seiiie vFinger nach dem kleinen Schatz « auszustrecken- Seiu Eifer ist groß - artig, er versucht sich hier uiid da längs E der Lefiiiui:g, er st eitt in seiner Hülf ; lvsigteit sogar die Zunge aus-, als wenn ; dass etwa-J helseii könnte. isiidlich faszt er in feine Tasche hinein und bringt ein uerrrsftetes Federniesser " « zum Vorschein, stiit dem er zu stochern beginnt. irr-· hilt es zwischen zwei Fingern und streckt es mich dein Fünf iiger hinunter. Langtam und vorsich - tig iiilirt er die Munze weiter und wei i ter nach der Tlltauer und der Oeffnung zu. Ich harte ihn sagen: »Jetzt dauerte nicht mehr lang’!« Ich sah mich uni. Eine ganz-: Menge Menschen stand umher und beobachtete den Jungen und mich. Ta drehte ich mich sahliiigizi auf dein Absatz herum und ging meine-J Weges-. Aber eine Stunde spiiter ging ich wieder die Karl Johannstrafze hinauf und suchte nach demselben Jungen. Er war nirgend-J mehr zu sehen. Ich hielt ein Ziiieislironenstiick in der Hand und suchte eine ganze Weile nach ihm, ich wollte mich mit ihm vergleichen und ihm noch ein paar Fausthandschuhe geben. Na— er wiirde sich vielleicht auch für das Geld Tabat gekauft ha ben oder, wenn er von der richtigen Sorte war, es vielleicht sogar vertruns : ten haben; es war Sünde, ihm etwas - zu geben. " Mit diesen Gedanken ging ich nach » Hause. Aber nun heute habe ich wieder an den -’eitiiiigs·iiii en denken iuiissen. U . . M-.-————— Das Glück. ! Von Richard Zoozmann Es huscht das Glück Von Thiir zu Thür, Klopft zaghaft an: »wer öffnet Init? Der Frobe lärmt ini frohen Kreis, Und hort nicht, wie eg klopft so leis. Der Trübe feufztt ich lafz nicht ein, Nur neue Trübsal wird es sein. Der Reiche wähnt, es Poch’ die Noth, Der Kranke bang-t, es sei der Tod. Denn nirgends wird ihm aufgemacht. Der Dümmste öffnet just die Thür Dalacht dasGliim »Ich bleib bei dir!«« s-.-— i i i I i I Schon will das Glück enteilen sacht, i —Vorfchlagzur Güte.Ge legenheitsdichter: «Wissen der Herr Professor nicht eine originelle Todes art fiir den Helden meiner Tragödie?« — Professor: »Lassen Sie ihn Jhre Dichtung lesen und ihn sich darüber zu Tode lach-en.« — Frauenbosheii. Haus herr: »Wen- geben wir der alten Co kette Wanda bei unser’m Souper zum TischnachbarZ —- Gattin: »Den Amts richter — dem hat sie gestern, als sie als Zeugin vorgeladen wac, ihr Alter nennen müssen!«