Sonntags — Platt. Muwdksxsszkigkmw J. . Windolph, Herausgeber pf- , sf « J Gmnd Island, Nebr» den th. November 1897. l No. 12, Jahrgang 18. L Beichte. Von Jane Genandticlaine. »Wenn ich nur verstehen könnte, Asta, wag für ein Vergnügen es sein kann —" »Karten zu spielen, Nelly?« fragt die junge Frau des Hauses-, die mit ihrem Gast im Salon allein geblieben war, während die Herren sich in das Zimmer des Hausherrn retteten, und sie sah lächelnd zur Thür, durch die sie eben verschwunden waren. »Mein Mann sagt""immer, daß er so gern mit dir spricht, und doch ist er kaum zur Thiir herein, so sitzt er auch schon am Spieltisch. Jch werde ihn auszanten.« »Nein, thu’ das nicht, Nelly. Jch kenne sie. Es lohnt nicht der Mühe. Aber es thut mir leid, daß du den gan zen Abend mit mir allein sitzen sollst. Hätte ich daran gedacht, würde ich Ge sellschaft eingeladen haben.« »Aber Astat Jch bin doch zu dir getommem Wir haben jetzt ohnehin nicht oft Gelegenheit, miteinander zu sprechen.'« »Nein, nicht oft. Und je seltener man sich trifft, desto weniger hat man einander zu sagen, besonders wenn man, wie wir, so eng befreundet war.« Sie saßen eine Weile stumm in den großen Fauteuils am Tische, wo eine niedrige Lampe ihren gedänipften Schein durch einen Spitzenschirm aus strahlte. »Was?« wiederholte die andere. »Aber Asta, warum ist es jetzt nicht ebenso?" Die Frau des Hauses legte dieHand arbeit fort und sah mit einem geban lenvollen Blick in das Zimmer. »Mein Mann behauptet, wir können die Freundschaft nicht so auffassen wie die Männer,« begann dann Nelly wie der, die ebenfalls die Sticlerei aus den Schoosz hatte sinken lassen. ,,Dazu fehlt uns eine Eigenschaft, die ganz zind gar männlich ist: die Ritterlich eit.« »Da hat er unrecht," sagte die junge Hausfrau streitlustig energisch, mit einem Zurückwerfen ihres dnntlen Kopfes. Und ohne daran zu denken, erhob sie sich » hoch, elastisch, mit ei nem weißen, ausdrucksvollen Gesicht in dem glatten Rahmen glänzenden, blan schwarzen Haares. Das Haar der anderen, der Frau Nelly, schimmerte rothblond und fiel in eigenwilligen Locken über Stirn und den weißen Nacken, der weich und schmal war wie die ganze Gestalt· Beide waren nicht über die Dreißig, aber die Blonde sah ganz besonders jung aus, wenn sie lächelte wie in die sem Augenblick. »Ach, Afta,« sagte sie, »wie dir das ähnlich sieht, es so zu nehmen!'« »Es verdrießt mich. Sobald von uns die Rede ist, sprechen sie sich mit einer Sicherheit aus, als handelte es sich um die allereinfachste Sache. Jch habe noch nie einen Mann getroffen, iung oder alt, der nicht glaubte, mehr über mein Geschlecht zu wissen als ich selbs Und da die andere lachte, fuhr Asta fort: »Ja, ist es nicht wahr, habe ich nicht recht? Es ist ebenso unmög lich für uns-, sie zu begreifen, wie um gelehrtz wir sprechen nicht dieselbe Sprache-« »Aber Asta!« »Ist es möglich, daß du dies nie em pfunden hast?« »Es ist wahr, daß ein Rassenunter schied vorhanden ist —« »Ja, ein Rassenhaß. Er verbirgt sich zuweilen, aber er ist doch da latent wie Wärme in kaltem Wasser.« Sie setzte sich an den Tisch: »Warum sind sie so zufrieden dort drinnen, glaubst du? Darum, weil sie beisam men sind. Die meisten Männer süh len sich nur miteinander wol)l!« »Ich dioputire ost mit Georg,« sagte die blonde Nelly mit ihrer leisen weichen Stimme. »Er behauptet, daß die Frauen von Natur aus Feindinnen seien.« »Das ist falsch. Wir sind im Ge gentheil natürliche Verbiindete.« Die Blonde lachte. ,,Dente an den kleinlichen Neid der Frau gegen die Frau, den Mangel an Kameradschast lichteit, an Loyalitiit. Es ist selten, daß die Freundschast eine große Rolle in unserem Leben spielt.« , ,,Ob es selten ist, weiß ich nicht; ich weiß nur, daß es bei mir so war.« »Bei dir, Asta?« » a.« Ein Paar duntelblauer Au gen heftete sich lange und ernst aus ein Paar heller. »Ich war deine Freundin. Nicht so, wie man es im allgemeinen ist s— obersliichlich und leicht, mit ei nem Dutzend zu gleicher Zeit. Jch war deine Freundin. Jch tann wohl sagen, daß-du die Einzige warst, die auf mich Eindruck machte. Jch hatte ia lange, bevor wir uns trafen, von dir sprechen hören. Jch hatte dich mir groß und stolz und sicher dargestellt, und nun warst du klein und weich, mit deinem langen, lichten, blonden Haar. Es war etwas so Poetisches über dir —- damals. Nest-. . . . Ich freute mich mehr darüber, daß du gefeiert warst, als ich mich gefreut hätte, wenn es mir selbst gegolten,-und als ich endlich zwei Worte mit dir wechseln konnte, da war ich verzweifelt —- ich fühlte, dafz ich die fchrecklichstenDummbeiten gefagt hatte. Jch weiß nicht, ob ich nicht die Gelegen heit benützte, zu fragen, wie du iiber ein Jenseits dächtes .« . Die Freundin lachte. »Ich fühlte mich gleich zu dir hingezogen, Afta,« sagte sie. »Aber als du dann eine Zeit in unsererStadt bliebst und wir uns tref fen und sprechen konnten —- welches Glück! Jch war umhergeg.:.ngeu und hatte mir in aller Stille Fragen ge stellt, und nun hörte ich dieselben Fra gen von deinen Lippen, aber llarer und viel ruhiger. Alles bei dir war Ruhe und Klarheit, du tleine Nelly mit dei nen achtzehn Jahren. Erinnerft du dich an unsere Gespräche, die in’-z Un endliche fortgesetzt wurden, an unsere Gelieimnisse, unsere Träume und meine grenzenlose Bewunderung alles dessen, das du thateft und fagteft? Und unfere Brieer Entsinnst du dich unferer langen Brieer Jch las die deinen mit einem Entzücken, von dem du dir kaum einen Begriff machen kannst. Nelly, in der Freundschaft wie in der Liebe ift immer einer, der mehr, und einer« der weniger giebt; einer, der glücklicher ift als der andere; hier war ich es. Du batisft fo viele, die zu dir auffahen « ich war nur eine unter ibnen.« ,,Liebfte Afta!« »Ach, Nelly, du kannst dir keinen Begriff davon machen, was du -—- da mals —- fiir mich bedeutetest. Selbst tonnte ich nicht so weit überlegen, daß zweimal zwei vier ist. Jch hatte die aanze blinde Naivität eines Fetischean beterd. Erinnerft du dich, dafz du mich dein Gewissen nanntest, erinnerst du dich, wie weh es mir that, wenn du etwas gesagt oder gethan hattest, das ich nicht billigen konnte. Alles sollte bei dir hoch über jedem Angriff stehen. Niemand sollte bei dir das Geringte zu tadeln finden —— nicht einmal ich. Aber wer mich gehört hätte dich ansschelten, der wiirde mich fiir deine strengste Wi dersacherin gehalten haben . .. Ach, Nelly, ich mochte es nicht, daß du totett warst, mochte es nicht« daß du dich auf iraend einen Flirt einließest, und doch war es meine große Freude, wenn du mir deine kleinen Romane erzählteft. Selbst hatte ich keine. Jch stellte mir kaum die Möglichkeit vor, welche zu haben. Jch machte mir nie etwas aus den Leuten. Jch lebte nur durch dich, nnd nur durch dich fah ich die Außen welt. Jch tannte mich selbst nicht, und du kanntest mich noch weniger, du abn test nicht« wozu ich im Stande war. Fieine von uns ahnte, daf; das diimmste aller dummen Intermezzon alles würde zerstören können, was in meiner Freundschaft fiir dich gut und ehrlich war. Aber was auch nachher gekom men sein cnag ——s vergessen werde ich sie nie. So, wie ich mich dir anvertrauen kannte, habe ich mich nie einem Men schen anvertrauen tönnen· Wir waren ja Frauen, geboren, dasselbe zu ver stehen, dasselbe zu denken, dasselbe zu fühlen. Mit Männern zu sprechen — das ist etwas anderes. Man hat da nie das Gefühl, daß man auf derselben Basis steht, daß der Ausgangspunkt der gleiche ist. Man empfindet nicht diese unbeschreibliche Ueber-einstim mung, diese Ruhe, die nichts ersetzen kann. Es ist nur Unruhe, Kampf und iirregung —- ein reißender Strom, in dem man mit Händen und Füßen lämrsen muß, oder untergehen. Wenn cr uns nicht getrennt hätte, würde viel leicht alles noch unverändert sein — du weißt, ich meine Karl —-« ,,.siarl Dahlmann?« »Ja, Nelly, du erinnerst dich, daß ich ihn bei deinen Verwandten traf, aber gewiß fiel es dir nie auf, daß er sich im Anfang sehr artig gegen mich zeigte. Du hattest genug mit all denen zu thun, die dich umschwärmten, und ich glaube, daß man mich ein- für allemal unter die einrangirt hatte, denen Nie mand den Hof macht.« »Das war deine eigene Schuld, Asta ——" »Vielleicht. Das Spiel lag mir nicht. Die halben Gefühle und das kleine Interesse, all das Schwebende, Unbestimmbare konnte mir immer nur so wenig sagen. Jch wollte gern in die vollen Saiten greifen, siehst du, und fo etwas rächt sich. Meine unverzeihliche Dummheit war, daß ich Karl Dahi« mann ernst nahm. Wenn ich jetzt an seine glatte, lächelnde Artigleit denke, an den unverlößlichen Blick seiner grauen Augen, an feine ganze fade Oberslächlichleit als Künstler, dann frage ich mich selbst, wie es nur mög lich war, daß er jemals Eindruck aus mich machen konnte. Aber er hatte mir einmal etwas über meinen maleriss schen Teint gesagt, und mit diesem banalen Leim ließ ich mich fangen. Jch versichere dich, ich war so anspruchslos, daß ich mir nie vorstellte, es ließe sich siibcrhaupt etwas über mein Aussehen sagen. Denke dir, Nelly, es war der t« erste Mann, der mich je ausgezeichnet hatte, und ich war zwanzig Jahre alt. Was Wunder, daß ich mich fangen ließ, was Wunder, daß ich mir eine große, noch unentdeckte Welt hinter die ser fade lächelnden Maske vorstellte. Jch vertraute dir gewiß damals meine Träume an, und das war vielleicht die Ursache, daß du anfingst, ihn mit Jn teresse zu betrachten.« »Vielleicht, Asta, ich weiß es nicht...« »Das genügte, damit ich nicht mehr für ihn vorhanden war. Er saß bald so tief in deinem feinen Netz gefangen wie vielleicht in keinem anderen zuvor. Aber ich glaube, daß ihr einander ge genseitig verwirrtet, ihr, die ihr beide mit der Erfahrung so vieler Siege zu rechnen hattet. Wenigstens habe ich dich nie so unruhig und so wenig sicher deiner Macht gesehen. Du batest mich sogar, zu versuchen, ihn auszuforschcn —- wie grausam ein Weib oft gegen das andere ist, dumm und blind, so wie man grausam gegen sich selbst sein kann. »Bist du wirklich entzückt von ihm?« fragte ich, und du antworteteft »ia.« Jch weiß nicht, was ich bei dei ner Antwort fühlte, aber im Dunkel meines Herzens war mir. als hättest san « er un tsnxtrges Unrecht gethan. Sjiaieoe nicht, daß ich jetzt so denke, aiser ich hatte ihn einen kurzen Augen blick ile niein Glück betrachtet, als uxein Eigenthum, meinen Traum — und nun nahmst du ihn mir . . »Asta, das dachte ich ja nie, das wußte ich nie —« »Ich weiß. lind er ahnte es auch nicht« Eines Abends, als-er mich nack, Hause begleitete — wir waren beide bei deinen Verwandten gewesen, und ich alaube, du hattest ihn noch mehr als gewöhnlich aus dieFolterbank gespannt ——- sprach er von dir und fragte, ob ich wohl glaubte, daß er Hoffnung habe. Dass Herz wurde ganz kalt und hart in mir. Ich antwortete: nein —- nein, das glaubte ich nicht. Jch machte ihm klar, daß, wenn er euch beiden einen beinlichen Augenblick ersparen wollte, er seine Gefühle nicht gestehen solltet Denn es wäre dir nie eingefallen, ihn ernst zu nehmen! Jch wußte, daß ich grausam war, aber eg that mir wohl — o, ich genoß diesen Augenblick! Er verließ mich still und vernichtet, und ein Paar Tage daraus reiste er ab. — Siebst du, zu so etwas war ich fähig. Jch habe es dir nie gesagt. So nach und nachbegann ich mich von dir zu rückzuzieben Du hast dir mein Beneh men wohl nie recht ertlären können meine Verschlossenheit und meine stets wachsende Ftiihle, aber ich hatte dcch noch einen Tropfen ehrliches Blut in den Adern. Jch konnte nicht fortfah ren, deine Freundin zu sein, nachdem ich dich betrogen hatte.« »Aber Asta, ich machte mir nicht all zuviel ang ihm. Jch dersichere dich — eJ war bei mir mehr eine Laune.« »Das weiß ich, und ich habe es nie bereut, daß ich ihn verhinderte, mit dir zu sprechen. Nicht das ist es, siehst du, nicht dag, aber ich habe dein Vertrauen getäuscht. Es muß so wenig an mir gewesen sein, daß ich mich einer solchen Niedrigkeit schuldig machen konnte. Und warum? Aus welchen Motiven ? Wenn ich ihn wenigstens geliebt hätte« aber das that ich nicht. Lieben? Ja, wußte damals nicht, was das war. Erst einige Jahre später lernte ich in Kampf und Furcht die Liebe kennen. Wie der böse Gedanke damals eine solche Macht über mich hatte gewinnen können, weist ich nicht, aber ich habe die Schuld tief empfunden, und grausamer hat kein Biißer sich gegeißelt, als ich mich quälte bei dem Gedanken an die sade Geclenhastigkeit des Mannes und die Hohlheit des Gefühls, das mich dazu trieb, einen Treubruch an dir, der Freundin, zu begehen. Er ist mir heute gleichgiltiger als der Teppich unter meinen Füßen —- dich nur be daure ich verloren zu haben — dicht« »Aber du hast mich nicht verloren, Asta. Wir sind nur auseinander ge kommen, und wir können uns wieder sinden.« »So, wie ehemals, nie mehr, Nelli)! Nicht, weil ich dich heut nicht ebenso hoch schätzen kann wie früher, nein, siehst du, ich habe den Glauben an mich verloren. Das Gefühl, das ich ver rathen habe, hat seinen Zauber siir mich eingebüßt. Du bietest mir deine Freundschaft, wie man dem Durstigen ein Glas Wasser bietet, aber dn kennst die Säuren, von denen so wenig genügt s-- beinahe ein nichts damit der Trunk den Geschmack davon abnimmt. Ich habe einmal einen solchen Tropfen Bitterkeit in den Becher gegossen, und das werde· ich immer fühlen. Man kann sehlen und kann es wieder gut machen, aber eines giebt es, das man nie darf ——-- das ist: unehrlich sein! — Es hat Jahre gewahrt« Nelln, bevor ich mich in rreinen eigenen Augen wie der erheben konnte, und ich bewahre stets als meine schlimmste Qual tief in meinem Herzen ein Mißtraucn gegen mich selbst. Giebt es etwas in meinem Leben, das ich glänzend und fleckenlos bewahren wollte, io ist es die Erinne rung an deine Freundschaft, die das Beste war, was meine Jugend hattet denn ich baute sie aus allem auf, was an Streben und Glauben in mir war Jetzt kann ich mich nicht einmal dar über freuen. Ietzt ift auch das verdun kelt. Du weißt, es giebt schwache Au gen, »die nur Flecken sehen, wenn sie in die Sonne fchauen.« Solch ein schwa ches Auge ist meine Seele ...« Vom Zimmer des Hausherrn hörte man-das Geräusch von Stühlen, die vom Tische fortgeschoben wurden, und indem die junge Hausfrau sich erhob, um zu ihren Gästen hineinzugehen, legte sie fiir einen Augenblick die Hand auf den Arm der Freundin und sagte kurz, mit einem unbestimmten Lächeln, das etwas in ihrem Blicke hart und glänzend werden ließ: »Nun habe ich meine Beichte abgelegt, Nelly, und du kannst deinem Georg recht geben s Frauen verstehen sich nicht auf Freund schaft.« .. zartnerner Manna Von H. Hierh Klopfenden Herzens, voller Erwar tung näherte ich mich dem Schulthore. Heute sollte ich nächst dem Exarnen die Feuerprobe bestehen und zum ersten Male unterrichtent Der Hauptlehrer, ein alter Herr mit strengen Gesichtsziigen, leitete mich in meine Klasse und sagte trocken: »So, hier sind die siebenzig Kinder, die Sie unter-richten sollen. Zweiter Jahrgang, alle fleißig, in bester Digcivlim sorgen Sie, daß es so bleibt!« Wie eine Centnerlast fielen diese Worte auf mich. »Sorgen Sie!« — ja, wie denn? »Hier sind drei Listen, welche Sie sehr pünktlich zu führen haben«, fuhr er fort. Unendlich hilflos sah ich ihn an; das schien ein wenig zu erweichen. ,,Sollten Sie etwas nicht wissen, so dürfen Sie sich sruhig an mich wen den«, sagte er am Auigange Jch hing meine Garderobe an einen zufällig aus der Wand ragenden Na gel, an allen Gliedern zitternd« Wie ein Wunderthier starrten mich hundertvierzig Augen an, und wie eben aus den Wollen gefallen kam ich mir vor. Jch set-te mich würdevoll hinter das Pult und überlegte. Sollte ich anfangen: »Un«oorbereitet wie ich mich habe, ist eS mir dennoch ein Ver gnügen ——« Da öffnete sich die Thüre nnd ein junger Herr mit klugem, lustigeni Ge sicht stellte sich mir als College Klein vor. »Ich habe diese Klasse zuletzt aus hilföweise bei der meinigen unterrich tet«, sagte er ertlärend »Ach bitte womit soll ich nur an fangen?« stanimelte ich rathlog »Ich habe noch nie unterrichtet.« Er sah mich mitleidig lächelnd an. ,,Sel)en Sie doch dort den Stunden planl Gewiß ist zuerst Religion, und hier diese Liste zeigt, welche Geschichte an der Reihe ist.« Es war der «barn:her3ige Same-— riter«, gottlob, das lannte ich tust-wen dig. Aber schon war das murmelnd-e cle räusch meiner dilasie zu einem regel rechten Speltatel geworden. Der Collegc rief: »Aus — zwei ---—— still!« lud röllsgste Liuhe herrschte. Bewundernd san ih ikn an. Aha, so wurde das gexxtcthtE U an lautete dieGlorie,ui:d ·«·,:-:rr.itleinid itttc sich an, zu gel;.en Er sitien ioirtli a) ein net ter, galanter Usiens h »1 sein. In der Thüre b: ugte er sich ein wenig herab und sagte läch: lnd dicht vor mir: »Nun machen Sie bloß nicht ein Ge sicht, wie wenn ihnen die ga ize Pet er silie verhagelt ware, Fräulein Dor mann! Das ist alles gar nicht so schlimm! Ziommen Sie nur jede Stunde fragen, oder schielen Sie ein Kind, so oft Sie wollen. Jch werde das richtige Augiunftsbureau wer den!« Da tauchte gerade das Gesicht des-« Hauptlehrerg vor mir aus. Seine Au gen schienen mich zu verschlingen, sprühten Feuer der Entrüstung Aber ich verschwand schnell in mei ner Klasse. Die erste Stunde ging leidlich hin. Jch erzählte die Ge schichte, übersetzte sie vielfach in s täg liche Leben, und die Kinder hörten gespannt zu. Nur meine Fragen konn ten sie schlecht beantworten, sie waren viel zu schwer. Dennoch athmete ich aus, als es neun Uhr schlug. Kaum sprangen meine Kinder lustig davon, als auch schon mein Vorgesetz ter erschien. Er Hatte die Lippen zusammenge preßt, betrachtete mich einige Augen« blicke zornig und sagte dann: »Mein Fräulein, ich muß Ihnen entschieden bemerken, hm hm, ier räusve rte sich), dasz in meiner Schule durchaus kein Verkehr zwischen den Damen und Her ren besteht. Jch werde das nicht dul den, schon um der großen Madchen willen, die in der ersten Klasse sind! » Hm, hm, ich bedaure, Ihnen das schon J jetzt bemerken zu müssen, aber es schien mir nöthig zu sein!« Damit wandte er sich fort. Jch fühlte, daß ich todtenblaß wur de, ich krampfte die Hände zusammen vor Empörung und Zorn. Aber die lKehle war mir wie zugeschniirt, ich brachte lein einziges Wort hervor. Er schien das auch durchaus nicht zu erwarten und ging. Gerade wollte ich beginnen, mich in einem mächtigen Thränenstrom zu ba den, da kam wieder mein freundlicher Nachbar. »Lieber Himmel, Sie sehen ja aus, als ob es zur Schlachtbank ginge«, rief er lustig. Dann näher tretend sagte er: »Sie haben Kummer, ist Ih nen etwas begegnet? Darf ich’s nicht wissen?« »Der Hauptlehrer —« preßte ich her vor. ,,Ach, um diesen alten Bärbeifz wer den Sie sich doch nicht grämen?! Dammes Zeug, wir thun alle unsere Pflicht, damit bastal Aber Grobheiten brauchen Sie nicht zu dulden, sollte er es wagen, dann vertrauen Sie es mir nur an. Bitte, seien Sie doch nicht mehr traurig.« »Ach nein«, antwortete ich, »nur mufz ich Sie leider wegen ihm bitten, mich nicht mehr zu besuchen. Er ist iehr mißirauisch.« ,,f-,-iillt mir nicht ein, dann ist es die höchste Zeit, dafz ich ihm diese üble Eiaenfchaft a«baewöhne«, versetzte ruhn. Wieder gab er mir einige An weisungen betreffs der folgenden Re chen- und Deutschstunde, um dann in seine Klasse zu gehen. Ich fing also schon mal an, das Einmaleins zu überhören. Statt nun das Interesse allgemein zu erhalten, ließ ich bloß ein Kind der Reihe nach aufsagen. Die andern lang weilten sich und singen an Allotria zu treiben· Jch verbat, drohte, — es half nichts. Plötzlich rief ich, dann eine allgemeine Stille erwartend: »Wer spricht da?« Diese Worte waren das Signal zu einem Höllenlärin »Die Schulten war es!« »Oooo, wie die Grün liigt, die Schäfer hat gesprochcn!« Sechs andere -riefen: Auuu, oooo, Fräulein, sie sel « ber schwatzt immer, sie sagte, ihre wei sze Schiirzte —-«' Während dessen be theuerten zwanzig andere ihre Un schuld. »Was«, schrieen die übrigen, »die erste Bank malt Männer —-—« »O gelogen, die zweite wirft mit Mäusen von TaschentüchernLR —- — Schon wurden drohende Fäuste ge schwenkt, natürlich von künftigen Va terlandsoertheidigern, während sich das ,,zarie Geschlecht« an den Haaren zerrte —- — Entsetzt starrte ich auf die entfessel te, wilde Scham. Verzweifelt setzte ich mich wieder auf meinen bedrohten Thron. »Was thun?« sprach Zeus. Jn einer Sekunde, in welcher der Lärm mäßi ger war, schoß mir ein rettender Ge J dante durch den Kopf. f ,,Eins ——s zwei —— stillt« rief ich tu rzab »So, wer sich noch einmal l Das half Go ttlob, die Geister, die sich heim ifbefchworen, fingen an, s.») i wieder zur Ruhe zu begeben. Eben wollte ich mich Von dem Aben teuer erholen, da tlopftte es. Auch das noch! Jch öffnete, und eine Arbeiter frau lam kampfesmuthig auf mich zu, stemnite die drallen Arme in die Sei ten, holte Athem im Vorrath und fchrie: »Hören Se mal, Frölleim dat Sie mich unser Annelen blau un braun geschlagen haben, dat is janz unver schämt von Ihnen! Un so ohne Jrundt Sie find ja ein jriißlich stren ges Frauenzimmer! Jch werde Jhnen aii’5 Jericht anzeigeii, dat Sie tufchen müssen, dat werde ich! Meinen Sie )elleielt, iiseil wir arme Leute find, wir lassen uns nialtrattiren"t« Eine Fluth von Schinipfworten er goß sich »der mich. Jch sprach bestürzt f von »Jrrthum, Verwechfelung«, lie tlJeuerte,daß ich ,,noch nie einen Schlag gethaii«, —- umfonft, ihr Redeftroiu irar nicht zu unterbrechen. Jch schlug die Thüre zu und hörte noch eine zeitlang ihre kreifchende ? Stimme durch den weiten Flur schal len. Na, die Collegen mußten einen famofen Begriff von mir kriegen! Na tiitlich war durch den Zivifcheiifall die Disciplin wieder völlig verloren ge gangen, und meine verzweifelten Be mühungen wurden erft durch die Glocke unterbrochen Als ich allein war, faul ich halbtodt ;vor Aufregung und Anstrengung in ; eine Bank. Schon wieder klopfte es. Mein s c »iimmel, konnte man sich auch nicht ei l neii Augenblick eilte len- Der Haupt lebe-m mein Freund, wünschte mich sämmtlichen Collegen und Colleginnen oorzustellen. Die Herren schien ich armes Wurm zu dauern, sie empfingen mich freund lich und achtungsvolL die Damen schnippisch, und eine, die sich aus Herrn Klein Hoffnungen machte, meinte ma ti: iös: Sie scheinen sich schon ganz schön hier einzuleben —- — Alle brachen in ein schallendes Ge lächter aus, in das auch der Hauptw rer hserzhaft einstimmte. Jch wäre am liebsten in die Erde gesunken! Nun kam noch die dritte, die letzte Stunde Eben lief; ich die geistreichen Bemerkungen über das Rind lesen, da erschien wieder Herr Klein. Eilig trat er auf mich zu und flü sterte: ,,Crs.i;reclen Sie nicht, Fräulein. Gleich kommt in alle Klassen die stät tische Schuioeputation Seien Sie nur ruhig und muthig, die werden doch ein sehen, daß Sie am ersten Tage nicht gleich Auszerordentliches leisten kön nen!« Fort war er. Jch dachte, mich trifft der Schlag! Wahrhaftig da war schon wieder dies ominöse Klopfeni und herein tra ten im Gänsemarschs sämmtliche sechs Würdenträger der Stadt. Jch glaube, ich stand da wie weiland Loch Wein Ich war wie betäubt. Aber die laute· salbungsvolle Stim me des Paftorg, den ich zum Glück von Kind auf kannte, weckte mich zum Be wußtfein. »Ach Kind, hm, Fräulein«, verbes serte er fich, »Sie sind hier? Nun, dass freut mich, freut mich sehr! Natürlich wird Jhre kleine Schaar doch fleißig nnd artig sein?« Jch nickte bloß. »Das wollen wir denn einmal se hen«, sagte bedächtig vortretend der Schulinspektor, und die anderen Her-; ren nickt en einstimmig. Hyl ehend sah ich den Pastor an »Ich bin heute Morgen zum ersten Male, h· :,er kenne die Kinder gar nicht Er fiihl te ein menschliches Rühren nnd warf dem Collegen einen Blick zu. »So so, na, da werde ich mal an fc ngcn « lind meine Kinder lasen die unum Tijfilichcn Thatsachen vom Rindz schnurrten das Einmaleins wie ei» «Lidch,en sagten prompt die Ceschichtei und Gedichte auf b»Ei das geht ja recht schön«, meint rPfarrer. Plötzlich ließ sich de gchulinspelton der ein sehr spöttisches Gesicht gezogen, vernehmen: »Nun fruz aen Sie da; erste Lefestiick mal ab Fräulein« Ach Gott, das sollte mein Verver den sein! ,itternd, mit dem Mith der Ver-; zweiflung stieg ich hinter das Pult: stand ich dort, in meines »Nichts durchbohrendem Gefühle Schor öffnete ich den Mund, da —- schlug di, Uhr, — elf glockenhelle, erlösendj Su-tii·cfe! »Es wird zu spät«, beeilte sich der Paftor zu versicheer und die sechgk Würdenträger zogen ab, wie sie ge. kommen! »Leise einpacken, anziehen, adiek Kifnder!« hatte ich noch die Kraft ziz W en lind diese ließen sich das nicht zweic mal sagen! »Gott sei Dank, endlich allein«. stöhnte ich dann matt, siiitzte de, Stopf aufs Pult und schloß die Aus gen. Kaum waren drei Minuten vergay gen, da hörte ich wieder dies- diskrek Klopfen, das ich schon kannte, ur( eben erschien Herr Klein. Lebhaft un« lachend trat er vor mich hin und sqz mir in die Augen. »Wissen Sie, w-» ran Sie mich eben erinnertenZ An e nen Witz eines Lehrers vom Land Der saß M Zittaas auch so vorm Pu und schlies, und sämmtliche Kind mit ihm Ta trat der Schulinspektck ein und sah sich verwundert um. D Lehrer erhob sieh und sagte: »Wir hcs ten Tenkiibung, Herr Jnspektoy ng Deniu bung!« Il· If I ? Nach einem Vierteljahre war mei Beriretungsstelle erledigt; da falls Herr Klein dem Hauptlehrer dasWP sultat unserer Denlübung: Hertha Dormann ! Fritz Klein ! Verlobte. r I — An der Schmiere. Sche« J spielen »An dieser Stelle hier habe . ; mich in dem neuen Stücke zu erfck«« ; skcu.« Dikettekx ,,,,Ja natüxtichz ? l unseren Einnahmen können wir I den Luqu- eines Schusseg nicht erli, ! ben, Sie werden sich erfiechen.« " ; ZeitgeisL Frau: Ah Ellknnm Du kriegst ja eine ganz bli Nase von dem vielen Saufenl« Ma, « »Das will ich ja gerade; die Mc « wollen jetzt alles violett haben und muß ich als Modell mit dem Zeitk voran ichreiien.«