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About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (Nov. 26, 1897)
Eneylmä gsoodg. Roman von Jofef Ttkumuntb (20. Fortfetzung.) 26. Kapitel. B e rt o b t. Das unvermuthete Zusammentref fen mit Sir Geroase benahm Ethel faft den Athem. Er sah so frisch und wet tergebräunt aus wie ein Krieger, der eben von einem siegreichen Feldzuge lzu rückkehrt. Die Zügel entfielen ihrer Hand. ,,Dies ist eine große Ueberra schung!" brachte sie mit Mühe her vor. »Ich ver.ieß den Westen vor einigen Tagen,« sagte er; ,,wijhrend ich inNetr Yort auf die Ankunft eines Gefährten unserer Partie wartete, der in Chicagc zurückgehalten worden war, hörte ich zufällig von Ihrer Krankheit. Jch konnte der Versuchung nicht wider stehen, nach Blactport zu kommen, um Ihnen mein Bedauern auszudrücken und meinen Verwandten, die ich wahr scheinlich nie wieder sehen werde, ein letztes Lebetvohl zu sagen. Morgen , gehe ich mit dem Dampfer nach Eng l land ab.« ; Sie reichte ihm die Hand, die er mit r Wärme ergriff. män» »Wie bleich Sie aussehen!« rief er it theilnehmendem Tone »Sie müssen in der That schwer gelitten haben. Ich hatte keine Ahnung von Jhrer Krankheit.« Sie athmete erleichtert auf. Er wußte also nichts von Regnault und , der Afsaire bei den Sal»-,gruben. Es war jetzt ihr einziger Wunsch, das-, er nichts davon erfahren möchte — we k nigsteng nicht, big er ihr für immer I Lebewohl gesagt hätte. Die Hunde sprangen noch immer » ungestiim an ihm empor. Sir Gervase nahm die Liebtosuns gen der Thiere mit traurigem Lächeln i hin. ,,Jhre Hunde haben mich in It- freundlichem Angedenken behalten, wie ich sehe, « sagte er. »Es ist angenehm, ; nach längerer Abwesenheit einen so . herzlichen Willtomm zu finden. Sind sSie völlig wiederhergestellt, Mist Gren s,loek? Und sind Jhr Großvater und nMis; Pamela wohl? Werde ich Sie im Hurenhaus treffen 7« Sie antwortete ihm ziemlich ruhig. I Das Blut war jetzt wieder in ihre Wangen zurückgetreten. Lancer setzte If sich von selbst wieder in Trab, und » »Sir Gervase schritt neben dem Wagen her, bis sie das Herrenhaus erreichten Auf dem Wege dahin redeten die Bei - den von gleichgiltigen Dingen. ' Godsrev Greyloek und Misz Pamela nahmen den Baronet mit offenen Ar men auf; er hatte teine Ursache, sich über einen srostigen Empfang zu be 21 klagen. Das alte Geschwisterer blickte indessen trüb drein, als Sir Gervase ankündigte, wie kurz sein Aufenthalt fein sollte. »Was!« rief Godsrey Grenloct. »Ist - is absolut nothwendig, dass Sie schon morgen» New York verlassen. « ,,Ja,« antwortete der Baronet ’ ruhig, »Zögerungen sind immer ge Jsiihrlich Jch bin jetzt schon seit Mo-’ aten von England abwesend, verschie- ; — ikene wichtige Gründe machen meine so- I ortige Rückkehr nothwendig« Jedermann vermied, von Ethels Krankheit zu reden. Den Alten wars nicht minder darum zu thun als EtheU selbst. dafz Gervase m völliger Unkunde - er die nach seiner Abreise vorgefalle- ; en Ereignisse bleiben sollte. Glück .icherweise stellte der Baronet keine» ragen; sein Benehmen war tadellos. b er seine Enttäuschung verschmerzt atte oder nicht, vermochte Niemand zu agen, sein Betragen gegen Ethel war sslich, ruhig und unbefangen. Jn fieberhafter Aufregung begab ich die junge Erbin nach ihrem Zim er, um Toilette für das Diner zu achen. .. - »Fünf Uhr!« sagte sie zu sich selbst, indem sie einen Vliet auf die tltxi warf; »und uui neun Uhr geht der Erwies-, «zug von Blnclport nach New Wort ab! ier Stunden! Jn diese turze Spanne ,eit muß ich alles lklliid drängen, das iir noch bleibt. Ich habe nur noch U« Minuten zu leben. Dann niaa kommen, was da will!« , Sie wählte ein Kleid aus schwarzem «tla5, niit Spitzen garnirt und eine Krause von gelben Spitzen, aus der ihr schneeweisxer Hals und ihr blasses-: Gesicht sich trsie eine Lilie aus ihren "ttern erhoben. Ihr goldneibesj bildete einen eigenthiiinlichen ( ontrast zu diesem dunlten Finstiinm — uhig und gefaßt begab sie sich in den peisesaal hinab: nur ihre leucht si n Augen verriethen ihre innere Erre Ung. s- as Diner verlies wie jede gewöhn iche Mahlzeit. Wir essen, trinken, achen und sprechen von gewöhnlichen Dingen, selbst wem unsere Herzen zu brechen drohen und jeder Augenblick das Ende unseres irdischen Glückes bringen mag. « Endlich erhob sich die lleine Gesell schast vorn Tische und begab sich nach Godsrey Greyloctg Bibliothet Wie schnell die Augenblicke verrannenl . Ethel hätte ausscheeien mögen iilier v Hiese erbarmungslose Flucht der Zeit. ald sollte die Kutsche vor der Thiir - ten, und dann hies-, es siir immer Und ewig Abschied nehmen. Ihr Herz erhob sich empört gegen das tlngluel, du« sie über sich selbst gebracht hatte. Oh der entschlichen Nothwendigleit, , "drend dieser schrecklichen Stunde zu lächeln, mit vek Gewißheit, daß sum ihre Freude aus Erden dahin spinden würdet Tante Pamela verfiel in einem der tiefen Fauteiiils, trotz der Anwesenheit des Baronets, in ein Schläschen. Zu gleicher Zeit verschwandGodfrey Gren lock plötzlich hinter einer Portierre am anderen Ende des Zimmers. Ethel befand sich jetzt mit Sie Gervase allein, denn Miß Pamela war in ihrem ge genwärtigen Zustande nicht zu rech nen. . Das junge Mädchen stand an eine Glasthiir gelehnt, die auf die Teerasse ging. Der Tag schwand rasch dahin; schon erhob sich der Mond über den Baumwipfeln; sein silbernes Licht fiel auf ihr schwarzes AtlaElleid und ihr goldenes Haar. Draußen lag die ganze Landschast in tiefem Schatten; drinnen Vertijndete das Ticken der Alabasteruhr aus dem Kaminsimg das rastlose Dahinschwinden der Augen blicke. Einem Träumenden gleich er hob sich Sir Gervase von seinemStuhle und näherte sich Ethei. Eine geheim nißvolle Macht zog ihn unwiderstehlich zu ihr hin. »Für alle Zeit nnd Ewigkeit,« sagte er, ,,möchte ich Jhr Bild festhalten, wie Sie jetzt vor mir stehen!« Sie machte eine plötzliche Bewegung, wobei eine Rose, die sie sich als einzi gen Schmuck an den Busen gesteckt hatte, auf den Boden fiel. Sie Gervase hob sie aus. , »Mit Ihrer Erlaubniß will ich diese Rose behalten,« fuhr er mit weicher Stimme fort. »Könrte ich wohl ein passenderes Andenken an Greylcck Woods mitnehmen als eine handvoll verweltter Blätter?« Ethel fühlte ihr Herz heftig schla gen. »Ich höre die Kutsche tommen,« sagte sie« indem sie durch die Scijeiben blickte. »Sie ist noch fern,« antwortete er. «Si!-d Sie in solcher E «e, mir Lebe wohl zu sagen? Jch zürnte Ihnen, als wir von einander schieden. EtheL Sie hatten ungerertte Bemerkungen fallen lassen —- erinnern Sie sich noch?« »Ja,« entgegnete die Erbin beklom men. »Ich zürnte anen und that mein Beit.s, Sie in den westlichen Wildnis fen zu vergessen,« fuhr er fort. »Gott weiß, wie vergeblich meine Bemühun gen waren! Jhr Bild folgte mir überall nach, ich erblickte es während der Nacht am Lagerfeuer, in den unge heuren Ginödem in den Tiefen der rie sigen Schluchten, beim hellen Tages licht und im Dun«:n ssnd Schweigen der Nacht. Und so brachte ich diesel ben Dinge wieder nach dem Often zu rück, die ich von hier mit fort nahm: eine Enttiiuschung, fiir die ich teinen Trost finden tann — eine todte Hoff nung, die mir die Zukunft leer und dunkel erscheinen läßi.« »Kamen Sie heute nach Blactport, um mir dies zu sage-i, Sir Gervase?« ,,Nein,« antwortete er bitter· »Was I tonnte mich veranlassen, Sie weiter zu ; quälen? Sie haben mir diese Worte s selbst abgerungen. Jch kam nach ! Blacsport, weil icfs es nicht vermeiden J konnte. Eine Gewalt so unwidersteh- I E lich wie der Tod, zog mich hierher, um s Sie noch einmal zu sehen.« ! s ,,.«Iie Kutsche kommt — sie ist hier!« ; f leuchte E,thel, als die Köpfe Der Pferde l unterhalb der Terrasse im ElJlondlicht auftauchten. Er streckte ihr seine Hand entgegen. »Dieses Mal,« sagte e. mit gebroche ner Stimme, »scheide ich wenigstens nicht mit Unwillen von Ihnen. Es war nicht Jhre Schuld, sondern mein Unglück, daß Sie mich nicht lieben konnten, Ethei. Geben Sie mir Ihre Hand —- nur einen Augenblick —- und nun leben Sie wohll« Der Druck, den ihre Nerven auszu halien hatten, war zu staxt gewesen. Als ihre Hand in der seinigen lag, schien die rnondhelle Terrasse zu ver schwinden und das Zimmer im Kreise vor ihr umher zu tr·rbeln. Sie nannte ihn noch einmal bei seinem Namen, dann schwand ihr das Bewußtsein. Als sie wieder zu s.ch ta1n, siihlte sie sich von starken Armen umschlungen; seine Küsse glühten wie Feuer aus ihren Wangen, und er rief: ,,(7kthel! Ethel Jst es möglich, dasz Sie mir doch gut sink. "« Sie verbaer ihr Gesicht an seiner Brust und schluchztn »Ich war Ihnen vom ersten Tage Ihrer Anlunft an gut. Aber glauben Sie nicht, daß ich Sie aus bloßem Muthwillen quälte. Jch will Ihnen nichts verhehlen, ich will Ihnen die ganze elende Wahrheit sagen, wie ich ne meinem ltlroszpapa sagte, und wenn Sie Alles wissen, werden Sie mich verachten.« Seine braune Wange lehnte sich an ihre weiß-. »Wie soll ich das verstehen?'« sragte er. »Mit-en Sie, Geroase,« stammelte sie, indem sie sich vesgeblich aus seiner Umarmung zu befreien suchte. Und nun theilte sie ihm Alles rnit, was der Leser bereits weisz Er hörte ihr schweigend und rnit großem Ernste zu; als sie endlich schwieg, driicite er sie noch inniger an sein Herz und oerse te zärtlich ,,Armes Kind! ie abscheulich Du gequält wurdestl Ach, warum theil test Du mir Dein Geheimniß nicht schon damals mit? Jch hätte Dir helfen, ich hätte Dir wenigstens einen Theil aller dieser schrecklichen Anfech tungen ersparen können. Es war die Thorheit eines Schulntiidchens. Ver giß es, Ethel; wir wollen nie wieder davon sprechen. Und so liebtest Du mich also schon, als Du mich weg-. schicktestk Wie blind ich war, wie dumm! Jetzt aber,« fuhr er freudig fort, ,,jetzt bin ich der glücklichste Mensch aus Erden, denn jetzt soll uns nichts mehr trennen!« Nach diesen Worten unterbrach nichts das Schweigen in der Bibliothek als das frohe Geflüster der Liebenden. Este Pferde draußen wurden ungedul ig. Das Stampfen ihrer Hufe weckte endlich Ethel aus ihren glücklichen Träumen. »-Ol)!« rief sie; »die Kutsche steht noch immer draußen. Wirst Du jetzt gehen?« »Ich denke nicht,« antwortete Sir Gervase lächelnd. »Ich muß Deines Großvaters Gastfreundschast noch etwas länger in Anspruch nehmen. Meine Pläne für die Zukunft sind jetzt ganz andere geworden. Jch werde nicht nach England zurückkehren, bis ich mein Weib mitnehmen kann. Du schuldest mir eine Entschädigung, Ethel, sür die Leiden, die ich in den beiden letzten Monaten ausgestanden habe; ich verlange sie in Gestalt einer baldigen Trauung.« Eine Hand zog in diesem Augenblick die Portiere zurück, undGodfrey Gren loct trat in das Zimmer. Er wun derte sich durchaus nicht darüber, das junge Paar in so trauter Umarmung zu finden, denn er hatte seine gutens Gründe gehabt, das Zimmer so plötz-« lich zu verlassen. Mis; Pamela schlief noch immer in ihrem Fauteuil; Sir Gervase aber führte Ethel ihremGroß vater entgegen. »Sie hat mir Alles mitgetheilt,« sagte er einfach, »und sie hat verspro chen, mein Weib zu werden.« Jrig Grenlcck tam am nächsten Tage von der Rosen-Villa, um ihrer Tochter zu gratuliren. Sie schlang ihre Arme um Ethel und bedeckte deren Antlitz mit Küssen. »Mein liebes Kindl« ries sie. »Welch’ unerwartete Wendung der Dinge! Jch bin unaussprechtich froh, das-, Du Deinen romantischen, schür lischen Regnault los geworden bist. Laß Dir diese Erfahrung eine Lehre sür Dein ganzes Leben sein, thörichtes Mädchen. Und s· 2n, wann wirst Du Deinen tadelloscn cFreier, den Baronet, heirathen? »Dein Großvater ließ mich diesen Morgen wissen, daß Alles ar rangirt sei.« Ethel nahm die Glückwiinsche ihrer Mutter unbefangen und ohne Errsthen hin. Ihr neues, plötzliches Glück hatte eine feierliche Stimmung in ihr er weckt. Sie war nahe daran gewesen, dieses Glück für immer zu verlieren, daß sie selbst jetzt kaum an dessen völ lige Sicherheit zu glauben wagte. »Ich soll den Baronet in der ersten Woche des December heirathen. Ma ma," antwortete sie leise. »Er wünscht, England noch vor den Weihnachtsseier tagen zu erreichen. Jst es nicht son derbar, das; ich nass« Allem, was vorge sallen ist, doch noch Lady Greylock wer den soll-Z« »Du bist der Position völlig gewach sen, mein Kind,« versicherte Jri5. »Diese englischen Heirathen werden jetzt bei amerikanischen Mädchen von guter Familie etwas Alltägliches. Jn der ersten Woche des Decembers!« suhr sie mit besorgter Miene fort. »Ich wollte, es wäre früher. Jch tann es nicht erwarten, Dein Glück für immer gesichert zu sehen.« Ethel wunderte sich im Geheimen, wag ihre Mutter diesen Morgen so sorgenvoll und alt aussehen machte. Nach einer Pause platzte Iris mit der Wahrheit heraus-. »Ich habe wied « einmal eine heftige Scene mit Hannah Johnson gehabt Vor einem halben Jahre verdoppelte ich ihren Lohn; heute hatte sie die Unber schämtheit, einen weiteren Aufschlag zu verlangen!" »Du hast sie doch sicherlich aus der Stelle entlassen?« fragte Ethel tro cken. Iris wars ihrer Tochter einen Sei tenbliet zu und at twortete dann: »Sei nicht albern, Ethelt Jch habe Dir wiederholt erklärt, daß ich Han nah nickt entbeh· «n kann. Ich inni; sie behalten, ich habe wirklich keine an dere Wahl. Du hast teinen Begriff von meinen Anfschtnngen Das Leben wird mir täglich i.·.ehr zur Last. Jch beneide Dich, weil Du bald weit von diesem Ort und von diesen Leuten fein tvir·t. Und Deine Aussichten! Wel ches Mädchen vermöchte fich glänzen dere zu «oiinschen? Godfrey Greyloet tann nicht mehr lange leben, nnd dann fällt sein ganzes Vermögen Dir zu. Ach, dann muß: Du auch an mich den ten, EtheU Du bist sicher unter einem glücklichen Stern geboren. Vergiß in dessen nie, daß Du Alles, selbst Deinen hochaeborenen englischen Gatten, mei nen klugen Mankvern zu verdanken hast.« »Ich werde es nicht vergessen, Ma ina.« antwortete Ethel lalt. Nach einer Pause fuhr Jris plötzlich fort: »Was ist aus Regnault geworden?« ,Wie sollte ich es wissen?« sagte Etdel betroffen »Wie? Hast Du seit jenem Stell dichein bei den Satzgruben nichts von ihm gehört?" »Nicht das Getingste.« »Nun, ich hoffe, er wird Dir keine weiteren Unannehmlichteiten bereiten; Du kannst dessen übrigens nicht so ganz sicher sein. Er ist ein Mensch ohne Herz oder Gewissen —- das heißt, er muß es sein, nach der Art und Weise zu schließen, wie er Dich behandelt at. Reanaultt Nur mit Abscheu und Grauen vermochte Ethel jetzt an ihn zu denken. Wohin mochte er wohl geflo hcn sein? Sie wußte es nicht und wünschte es auch nicht zu wissen. So viel war sicher, daß er keine Macht mehr besaß, ihr Schaden zuzufügen, seit sie sich ihrem Nächsten und Theuer sten anvertraut hatte. Sie war jetzt so von Liebe und Sorgfalt umgeben, daß er es sicherlich nie wagen würde, sich ihr wieder zu nähern. Die Herbsttage verflossen Ethel in ungetrübtem Glück. Die Wälder vrangten in so wundervoller Farben pracht, wie sie nur in -Amerika zu schauen ist« Kiihle Winde wehten über’s Land und vom reinsten Azur himmel strahlte die Sonne in mildem Glanze hernieder; ein goldiger Schim mer verklärte die ganze Landschaft, die Ethel mit ihrem Geliebten nach allen Richtungen hin durchwandelte. Er wich nie von ihrer Seite, während im Herrenhause Vorbereitungen zu einer Hochzeit getroffen wurden, wie in Blackport noch keine gefeiert worden Wat. Wahrlich, Ethel war glücklich in die sen Tagen! Jede Wolke war von ihremHorizont verschwunden; die Ver Igangenheit war vergessen, die Gegen J wart schien ihr ein Paradies, die Zu ? kunst blendete sie mit ihren goldenen Verheißungen. Doch, während sie sich ihrem Glücke ganz hingab, zog sich ein Sturm, schwärzer als Tod und Gra begnacht, über dem Haupte der nichts ahnenden Erbin von Greylock Woodg zusammen! Eine-Z Abends spät sagte Sir Ger vase seiner Braut zärtlich gute Nacht und schritt dann auf die Terrasse hin aus, um vor dem Schlafengehen noch eine Cigarre zu rauchen. Es war jetzt im November, und die Nacht war fro stig und kalt. Die laublosen Rasta nienbäume erhoben sich wie Stelette mitten unter den Tannen und Fichten. Das imposante Herrenhaus sah höher und dunkler aus als je. Fast schien es ihm, als ob das Haus und der Part den ihnen bevorstehenden Verlust ahn ten,und als ob sie sich darum schon jetzt in Trauer gehüllt hatten. Bald sollte fie ihn nach ihrer neuen Heimath iiber dem Meere begleiten uiid all’ den ver trauten Scenen ihrer Kindheit und Jugend Lebewohl sagen. ,,Sir Gervase Greylocl!« ließ sich plötzlich eine Stimme vernehmen. Die Gestalt eines Weibes-, in Hut und Shawl gehüllt, erschien am Ende der « Terrasse und schritt auf den Baronet zu. »Ich habe Jhnen Etwas zu sa gen,« fuhr sie mit geheimnißvoller Ge berde fort. Sir Gerbase warf seine Cigarre weg und fragte. »Wer sind Sie?« ,,(Line Freundin,« sagte die Frau. »Das ist gut, aber etwas unbe stimmt. Jsh muß Sie bitten, fich deut licher auszusprechen« Als er sich der Gestalt näherte, trat sie wie erschrocken einige Schritte zurück und stammelte: »Es thut nichts zur Sache, wer ich bin. Es genüge Ihnen zu wissen, daß ich Ihnen etwas non größter Wichtig teit mitzutheilen t; .be·« »Wen oder was betrifft Jhre Mit theiliing?« »Das Mädchen, das Sie zu heira then im Begriffe siiid — Miß Gren lock « Ah!« sagte der Varonet trocken. »Die Sache kommt mir viel zu geheim nisinoll vor. Ueber diesen Gegenstand kann ein Fremder mir schwerlich etwas zu sagen haben, wag ich zu hören wünsche.« »Seien Sie dessen nicht zu sicher, Sir.« Der Baronet wandte sich um und schickte sich an, nach dein Hause zurück zutehren. D.«« Weib lief ihm nach. Linden Sie, Sir! Seien Sie nicht gar zu stolz! Run, da Sie es durch aus wissen wollen, wer ich bin, so will ich Ihnen sagen, daß Sie mich schon frither gesehen haben, an Bord des Dampsers und in der Rosen Villa Ich gehöre zu Meg. Grenlocig Hauss halt.« Mit einigem Zögern schob sie ihre liaputze zurück. Der Baronet bliclte nun in Hannah Johnsong dunkles-, heimtiidischskz irje sicht. »Ich erinnere niich,« sagte er enc lich, »Sie sind Meg. Grenloitg Djene rin.« »Ja, so nennt man mich. Ich habe seit vielen Jahren bei tJers. Otrzyjoit gewohnt. Was ich iiber sie und Misz Ethel weiß, ist deg Wissens we·«tb.« Der Baronet blickt sie schars an. »Ich bin von Mutter und Tochter schlecht behandelt worden«, suhr sie fort; »ich hasse Beide. Ueberdieg sehe ich nicht gern einen Menschen blind lings in eine Falle gehen. Ich bin selbst eine Engländerin und kenne den Stolz solcher Männer wie Sie, Sir Gervase Greylock. Jch weiß, daß Sie lieber sterben als schmählich hintergam gen und mit Schande und Schmach überhäuft werden wollten. Neunten Sie daher meinen Rath an nnd ver-: lassen Sie Qrehlock Woods gleich mor gen! Kehren Sie mit dem ersten Dampfer nach England zurückl« Endlich begriff et den Sinn ihrer Worte. ' »Das ist genug,« sagte er streng. »Ich will nichts weiter von Ihnen bören.« »Sit, ich habe Jhnen eine lange Ge schichtemitzutheilenz Sie haben den Anfang noch nicht vernommen, und die Sache betrifft Sie näher als iraend ei nen Menschen. Lassen Sie mich da her fortfahren!« »Meine Silbe weiter!« rief er ener gisch. »Wagen Sie es nicht, Miß Greylocks Namen noch einmal in mei ner Gegenwart zu nennen! Ich ins-de Jhrer Herrin rathen, Ihnen etwas schärfer auf die Finger zu sehen, denn es ist klar, daß Sie keine vertrauens würdige Dienerin sind.« Hannah Johnson wurde wüthend. »Sie wollen also keine Warnung Von mir annehmen?« zischte sie. »Ganz bestimmt nicht,« entgegnete er mit kalter Verachtung. »So schwöre ich Ihnen, Sir Ger vase Grehlock,« rief sie wild, »dier die Stunde kommen wird, da Sie mich hören müssen, obSie wollen oder nicht! Der Tag Jhrer Trauung ist festgesetzt und Alles geht Ihnen nach Wunsch; doch merken Sie meine Worte: Nie, nie wird Ethel Grehlock Jhr Weib werden!« Mit dieser Drohung wandte sie ihm den Rücken und verschwand. 27. Kapitel. AusPolly’s Auf zeichnungen. « Der Winter stellte sich früh ein, ein echter strenger Neu - England - Win ter. Furchtbare Stürme wütheten an der Küste. Nacht um Nacht lag ich in meinem Zimmer in der »Katzen-Her berge« und hörte die Dachbalken stöh nen und die alten Fensterscheiben klir ren. Der Hasen von Blackport trsar von Eis bloctirt und eisbedeckte Schiffe segelten vorüber, ohne die Einfahrt zu versuchen. Schnee bedeckte die Salz wiesen und lag wie ein Bahrtuch über der Stadt, aus der seit dem Abgang der Sommergijste alles Leben gewichen War. Dr. Vandine war bei jedem Wind und Wetter aus Den Beinen. Seine Praxis hatte rasch zugenommen. Wo nur inBlackport und in den benachbar ten Dörsern Krankheits-stille vork» .:en, wurde nach ihm geschickt. Jrn Gast hof sahen wir ihn nur wenig; selbst wenn er zu Hause war, ließ er sich nur selten blicken, da er sich dann mit sei nen Büchern beschäftigte. Viellticht war es diese beständige, angestrsigte Thätigteit, was ihm ein so ernstes nnd veränderte-s Aussehen verlieh. Er tam mir in der That fast wie ein Fremder vor. Die Verletzungen, die ich durch Reg naults Dolch bei den Salzgrubm er-i halten hatte, machten mir noch imcr zur schaffe-e Jch nahm weder zu Fieischl - noch an Kräften zu und ich war oft ; sehr niedergeschlagen. , Eines Tages, während ich mit ekxnem Korb stohlen die Treppe hinauskeuchte, wurde ich plötzlich von Dr. Bandine eingeholt. irr riß mir den Korb aus der Hand, trug ihn selbst hinauf und brachte ihn nach dem Zimmer des Ga stes, für den er bestimmt war. »Ihr-e das nicht wieder, Pollh!« sagte er streng. »Willst Du denn, daß dieWunde in Deiner Seite wieder auf brechet Du darfst vorderhand keine schwere Arbeit verrichten. Mercy onle versprach mir, das; sie es nicht von Dir verlangen werde.« »Sie verlangt es auch nicht,« ant wortete ich. ,,Altein ich kann nicht vol len Lohn annehmen, ohne dafür zu ar beiten.« Mercn hatte mich siir die ganze Zeit, während ich in Greylock Woods trank darnieder lag, voll bezahlt — nicht ei nen Cent hat sie mir wn meinem Wo chenlohn abgezogen, und ich hielt dies fiir eine außerordentliche Großmuth denn Mercy hing sehr am Geld, und wenn sie auch ihre "-ienstboten gütig behandelte, so verlangte sie doch von ihnen die volle Arbeit, siir die sie be zahlt w«rden. »Laf3 gut sein, Polly,« sagte der Doktor. »Du sollst mir keine schwere Arbeit verrichten, wenn ich es verhin dern tann.- Jch habe die Sache mit Merch alsgeniachtz das heißt,« verbes serte er sich rasch, »sie weise, das; Du de Ruhe bedarfst, bis Du Deine sträfte wieder erlangt hast. Wenn Du so umher gehst und Dolchstiche in Empfang nirnnist, die fiir Andere be stimmt find, und auf diese Weise Zwei oder drei Monate Lohn verlierst, wie kannst Du Dir je Geld genug ersparen, uni die Suche nach Deiner verlorenen Schwester zu beginnen — nach der N«:n, von der ich Dich in der letzten Zeit nicht mehr sprechen hörte-)- Hat die Aufregung in Blackport sie endlich aus Deinem Gedächtnis; verbannt, Pollh?« Mein Herz pochte gewaltig. »Nein, o nein!«sta1nmelte ich. »Und Du hast Deinen Entschluß, sie zu suchen, noch nicht ausgegebenW Ich antwortete nicht. Jch dachte an das, was er über meinen Lohn gesagt hatte. Plötzlich wurde es mir klar, daß er die Ursache von Merch’s Gene rosität war, und daß er, nicht sie. mir meinen vollen Lohn für die beiden Mo nate bezahlt hatte. Außerdem hatte er sich absolut geweigert, für seine ärzt lichen Dienste auch nur einen Cent von mir anzunehmen. »Sie haben mich ost scharfsichtig ge nannt, Doktor Vandine,« sagte ich, »und ich bin es asich —— wenigstens scharfsichtig genug, um zu sehen, was Sie gethan haben — ich kann es nicht ertragen!« Er machte eine beleidigte Miene und erwiderte: »Rede mir keinen Unsinn, Pollhl Wies ich Dich . nicht in das Steele’sche Haus-, wo Du Dich fast zu Tode arbeiten mußtest? Und war ich es nicht, der Dich hierher rrs I) Blatt port brachte, wo der Dolch ei-«es Mör ders Dir beinahe den Garauxi machte? Sind das die Dinge. die Du nicht er traan kannst. Polly? Ari::es, thö richtes Kind! Its-s habe noch nie in meinem Leben etwas Rechtes fiir Dich gethan, Du hast so wenig Verbindlich lichkeiten gegen mich wie gegen den Mann im Mond. Doch- warte nurl« Sein Gesicht nahm plötzlich wieder den alten heiteren Ausdruck an. »Gott weiß es, Polll), ich hätte Dir längst schon gern zu einem besseren Stande verholfen; allein Thatsache ist es, daß ich noch nie fünf Dollars in der Tasche hatte, die ich ehrlich mein Eigen nen nen konnte. In letzter Zeit jedoch hat sich meine Lage bedeutend verbessert. Das wankelmijihige launische Glück, das so lange Zeit nur ein saueriöpfi ges Gesicht fiir mich hatte, lächelt mir jetzt auf das Liebenswiirdigste zu. Meine Aussichten gestalten sich in der That glänzend. Und jetzt haXe ich ei nen Plan für Dich, Polly. . Nach den Feiertagen, die jetzt bald herankom men, werde ich Dich von hier wegbrin gen und nach einer Schule schicken; ich habe bereits die nothwendigen Schritte gethan, um Dich im besten Damen Seminar des Staates unterzubrin gen.« Jch stand sprachlos vor Staunen. Er ließ mir indessen keine Zeit zurr Antworten, sondern fuhr fort: »Ich hatte dieses Projekt schon Zingst im Kopfe, konnte es aber bis jetzt nicht ausführen. Jch fühle, daß ich vollkom men berechtigt bin, Dich einem besseren Loose entgegenzufijhren Bis jetzt hast Du ein hartes Leben gehabt, Du armes Kind. Du sollst Dich nun aber zu einer Lehrerin oder einem ähnlichen Berufe heranbilden; um Deinen Stolz zu beschwichtigen, von dein Du eine übermäßige Portion besitzest, kannst Du mir das, was ich jetzt sitr Dich thun will, in zehn, zwanzig oder funf zig Jahen, wenn ich alt und arm bin und Du reich und noch immer jung, mit Zinsen zurückzahlen Sorge nun zunächst dafür, daß Du etwas Fleisch auf Deine Knochen und etwas Farbe in’s Gesicht betommst, Polly, und blicke hoffnungsvoll den besseren Tagen der Zukunft entgegen.« Jm nächsten Augenblick hörte ich ihn die Treppe hinabgehen Jch sank ne ben dem leeren Korb nieder, verbarg mein Gesicht in der Schürze und ließ meinen Thränen freien Laus. Ich snllte eine Schule besuchen —- Lehrerin 1verden! Der Ehrgeiz erwachte in mir. Das Lebf" zeigte sieh mir von seiner heiteren Seite. Ach, d cse Ans sicht war zu schön, um daran zu Izu ben! Tage vergingen. Er sp«:a;"; nicht wieder mit mir, er war nur selten ijfi Gasthof und kam blos« Itm zu essen ; und zu schlafen; allein er liehmir Bit j eher, und Merey fing an, mich mehr als ’ Gast denn als Dienerin zu behandeln. l Es war klar, dasz er ihr seine Pläne « in Bezug ans mich mitgetheilt hatte. i Mittlerweile herrschten Glijet und f Freude in Grenlock Woods. Wir er Ifuhren im Gasthof Alles, was-s dort ! vorging Mit nnaussprechlielkec T’"«-I:-:l ihre Gesundheit und ihren eftgilische Freier wieder erlangt hakt-e ixtxd Od. sie Sir Gervese heirathen und grit :l» » nach der alten Welt ziehen sollst-. s »Gott sei Dankt'· dachte ich, als is) ; Nae«fts in meinem Bette laigi und d:n s Sturmwind um den Gasthof heulen shijrte »Ihr Glück ist jetzt aesicheri. g Sie ist zwar die unschuldigeTheilhabe I rin an einem grossen Betrug, aber ist : sie erst dieGattin desBaronetEJ, so kann ! ihr kein Leid mehr widerfahren, denn s er liebt sie und wird sie ihr ganze-I Le s ben hindurch schützen und schirmen. .Obwphl ich sie vielleicht nie wieder I sehen darf, wird es doch meine höchste Freude sein, zu erfahren, dech1 sie mit . dem Manne ihrer Wahl aliietlieh lebt.« l Eines Morgens erschien meine J Schwester —— nein! so dars ich sie nicht nennen —-— erfassen die Erbin vor-Gren : lock Woods mit Sir Gervase in einem ’ vrächtigen Schlitten vor dem Gasthof. Die Beiden stiegen aus-, brtratcn das Haus und fragten nach mir. Jch eilte nach dem Empfangszimmct Da stand Mis; Greuloet, in Sammet s und tostbare Pelze gekleidet, und sal) » so schon und lieblich aug, daß ich un rrilltiirlich aus der Schwelle stehen blieb und sie mit stumme-c Bewunde rung betrachtete Kaum hatte sie mich erblickt. ais sie auf mich lzueilte, mich umarmte und mich auf beide Wangen iüßta J- Dann ergriff sie mich bei der Hand » und führte mich mit Thraneu in den Augen zu dem Baronet. ,,(Fte!«base!« « sagte sie, »das ist das gute, brave » Mädchen, dass sein eigenes Leben auf’s .Spiel setzte, um mir das meinige zu retten« Daß er nicht nur ein Edelmann, « sondern in der vollsten Bedeutung des Wortes ein edler Mann war, ersah ich · auf den ersten Blick. Er ergriff meine beidenHände, drückte sie freundlich und dankte mir mit einem einfachen Ernste, der mir zu Herzen ging. » »Meine liebe Polly,« sagte Ethel, " »ich komme, um Sie dringend zu bit « ten. meiner Trauung beizuwohnen. Blicken Sie nicht so erstaunt drein! Mein Glück würde nicht vollkommen sein, wenn Sie bei der Ceremonie nicht qugegen wären. Sir Gervase weiß, ! wie positiv meine Wünsche in diesem , Punkte sind.« ; Der Baronet erklärte mit ruhigem Lächeln: »Ich weiß es und ich tin züberzeugt, daß Deine edle Freundin, « der Du die Rettung Deines Lebens E verdankst, Dir diese Bitte nicht-abschla I gen wird. Jhre Gegenwart bei unse rer Trauung wird mich nicht nsxndet . freuen als Dich.« I tFortsetzung solgt.)