Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, November 12, 1897, Sonntags-Blatt., Image 13

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Das Contagium
Von Gabriele Renten
Nuhig lag das Meer, blaß- und sil
kaltrau Ein leichter Morgendunst
schwebte iiber dem Wasser. Schon
dlaute der Himmel und die siegende
Sonne wandelte die Milchsarbe des
Nebels zu matt schimmerndem Spal.
Lange, weiße Schaumstreisen zerron
nen am Ufer. Die Lust war leise und
still. Man hörte das murrende An
schlagen der Wellen am Quai.
Noch war die Promenade ziemlich
menschenleer. Eine alte Hölerin rich
tete ihren Stand. Jn ihrer Nähe be
wegte sich ein Weib mit schwarzem
Stirngelock und bronzegelber Haut —
wie ihrer manch Eine die Laune eines
Schicksals von südlichen Ufern nach
den nordischen Hasenstiidten verschleie
dert. Gleichgiliig sah sie der Handh
rin zu, wie diese ihre Apfelsinen und
ihr Johannisbrod aus den Körben
packte. Ein Kohlenwagen rasselte vor
über und ihm folgte ein Trupp Arbei
ter. Auch Mädchen, die sich gähnend
und ein wenig frostig zusammenschau:
ernd in ihre Geschäfte begaben, trip
pclten den Weg entlang. Dann lam
eine Dame mit einem Kinde an der
Hand.
Links breitete sich der Hafen. Dort
tauchten Maften nnd Schlote gespen
stisch aus den Dünsten auf. Die junge
Frau, die mit ihrem Töchterchcn aus
dem Quai wandelte, beobachtete, wie
die Umrisse immer deutlicher wurden,
wie man jetzt die weißen und rothen
Streifen um die kurzen schwarzen
Dampfer - Schornsteine unterscheiden
konnte und jetzt das Gespinnst der
Taue an den Nonen der Segelschisfe.
Ein großer Schooner löste sich aus
der Masse der anderen Fahrzeuge und
fuhr hinaus, langsam und vorsichtig
seinen Weg in den schmalen Wasser
straßen deg Hasens nehmend, bis er
freie Bahn gewann. Und nun zog er
wie eine aus Silber gewobene Erschei
nung stolz und ruhig ins Weite. .
»Da da — fährt dort Onkel
Fritz?« rief das Kind nnd zeigte fröh
lich mit dem Fingerchen auf die hohen
Masten. an denen die Segel sich bläh
ten und in der blauen Helle schneeig
glänzten.
»Willst Du still sein,« sliistertc die
junge Frau erröthend und blickte um
sich, ob Niemand den Ausruf der Klei
nen gehört habe. Sie nahm daSOperm
glas aus seinem Futteral, das ihr am
Riemen um die Schultern hing. Ihre
Finger zitterten. Sie hielt das Gleis
an die Augen und blickte hindurch.
Noch konnte sie nichts erkennen. Sie
richtete an den Schrauben.
Aus dem Verdeck deH Schooners be
wegten sich einzelne Leute der Mann
schast. Andere lehnten an der Brit
stung und blickten nach dem Lande zu
rück. Das Kind sprang ungeduldig
um seine Mutter her. »Ich tann Nie
mand sehen," ries es. »Mir Niemand.
O wie Schade! ng ist schon so weit
sort, das böse Schiff-«
»Ich sehe ihn,« sliisterte die junge
Frau. »Ich habe ihn gesunden! Er
steht am Steuerbord, wie er uns ge
sagt hat. Neben ihm dreht ein Ma
trose das Rad. Er hält ein Fernrohr
in der Hand —-——- er sucht uns, FOäthi!«
Hastig zog sie ihr weißes Battist
tüchlein und wehte hinaus zur Ferne.
Er hielt ja seinen Krimstecher in der
Hand —;- gewiß er konnte sie noch ent
decken« wie sie dort stand am äußersten
Rande des Qrtais, schlank und sein im
silbergrauen Mantel mit dem tleinen
Hütchen —-— mädchenhast und sraulich
zugleich mit ihrem niedlichen kleinen
M"dchen, das mit seinen Händchen
Ab chiedsgriisze wintte.
Und wieder hielt sie das Glas vor
die Augen —-- das tostbare, liebe Glas,
das ihr gestattete, ihn noch einmal zu
sehen——schars und deutlich: seine träf
tige Gestalt, die doch so hübsch und
elegant war ———- so elegant, als ginge
er zu einer Gesandtschast, statt als er
ster Steuermann aus ein Segelschisf,
hatte sie gedacht, als er Abschied nahm
—. Sein sriseheö, braunes Gesicht mit
den schelmischen Augen o hätte er
nur einen Moment das Fernrohr fort
gethan —- so tonnte sie seine Augen ja
nicht sehen . . . Aber ihr treuer Blick
war immer in ihrer Seelez
Er hatte ihr Kind so lieb — er hatte
fo reizend mit ihm zu spielen verftani
den -—— er war fo gut zu ihm gewesen
Das hatte ihr zuerst Vertrauen ame
ben. Er war nicht wie die Andern,
die sich bestrebten, mit Schmeicheleien
und zudrinalichen Huldigungen um
die junge Wittwe zu werben. ist war
ihr ein Freund gewesen und fiir die
Kleine wie ein Vater. Alle Nachmittag
um die Theeftunde war er in ihrem
stillen kleinen Salt-n erschienen, mit
ihr und Käthi zu plaudern. Seine
warme Herzlichkeih mit der er ihr
klagte, wie sie ihn lehre, in Zukunft
wieder heimwehlranl zu werden . . ..
---— Noch einmal lieben ----- noch
einmal hoffen dürfen . . . Es ift doch
süß, wenn man noch fo jung ift. Noch
einmal beginnen· tu leben . . .
Wie fein letzter Blick von dem Mun
de des Kindes zu ihren Lippen flog— «
wie fein letzter Handlufz brannte . . . .
Thriinen verdunkelten die Gläser.
Sie lonnte nichts mehr sehen.
»Und wenn ich wieder komme »s
tivkkss Jahr . . J -
— —- - Das Weib, dass bei der Höcke- .
rin gestanden, hatte sich langsam ge
nähert. Sie hatte ebenfalls hinausge
startt mit ihren schwarzen Augen auf
das Meer. Und dann-ruf die fremde
Dame mit dem Opernglas. Und wie
der auf das Meer und wieder auf das
X
Glas mit so einem gierigen Verlan
gen.
,,Madame?« fragte sie mit einer
Stimme, die sich zur Bescheidenheit
zwang, »Madame, wenn Sie es gütigst
gestatten wollten . . . Ein lautes
Schluchzen brach aug ihrer Kehle, sie
trocknete sich mit der Hand das fremd
artige, gelbe, schmerzverzogene Gesicht,
»wenn ich durch das Glas schauen
zdiirste?« brachte sie mühsam hervor,
mit dein Finger kindlich aus den heiß
begehrten Gegenstand weisend.
»O ja, gern,« sagte die junge Frau,
verwundert und befangen die andere
betrachtend —-— den dürftigen bunten
Shawl über den üppigen Formen, das
schwarze Spitzenseszchen über dem wil
den Geloct. Wie leidenschaftlich ihre
Hände das Glas umtrampsten — wie
ihre Lippen bebten und die Tbränen
aussogen, nnd sich plötzlich zu einem
· tvolliistig - seeligen Lachen öffneten.
Da hatte sie ihn gesunden -—- der
bei ihr gesessen, Abend sür Abend, in
der Kellerwirthschast, wo die Maiw
sen tauchten, spielten und ärmliche
Kost bekamen —-- er, der doch ein Herr
war, wie man gleich sehen konnte —
den sie bewunderte, weil er sich nie be
trant — über den sie staunte, weil er
teinen Lärm und teine Rausereien be
gann und nicht hinausgeworsen wer
den mußte, wie ihre anderen Gäste.
Der ihr rechnen und einrichten und
wirthschaften half mit der Klugheit
eines Mannes nnd der Treuherzigkeit
eines Feinde5, den sie liebte wie eine
Mutter und Geliebte zugleich, mit der
hündischen Ergebenheit einer Magd,
siir den sie ihre Sparpsennige opferte,
um das junge Leder-Mal an sich zu
fesseln durch dicke Aalsuppe und guten
Wein. Und der trotz seines seinen
Rocke-Z so wild und heftig lieben
konnte.
lech — wenn sie hier, wohin er sie
bestellt zum letzten Abschiedsgrus3, hät
te stehen miissen und so blind und er
geben nach dem sernen Schiffe starren.
. Mit einer leidenschaftlichen Bewegung
, driictte sie das Qpernglag an die Brust
Z und küßte eg.
Wehiniithig lächelnd sagte die Dame
an ihrer Seite: »Geben wir das Glas
auch dem Mädchen dort drüben, ihr
fährt wohl auch etwas Liebes davon.«
Atliemlos, gluthroth, war sie ange
lanfen getommen, den schwerenMartt
torb schleppend, und die Blicke ihrer
blauen Auan irrten berzweifelnd über
das Wasser, nach dein ferne und ferner
segelnden Fahrzeug, und sie hielt die
Hand als Schirm iiber die Brauen
und preszte dann troftlos die beiden
ileinen rothen Fäuste vor das Gesicht
und weinte.
,,Wollten Sie auch gern JhrenSchatz
noch einmal sehen?« rief die junge
Frau ihr zu. ,,Warten Sie, ich will
das Glas für Sie richten.« Aber sie
s wollte nur selbst noch einen Blick hin
durch thun. Das blonde Dienstmäd:
chen init dem weißen Häubchen über
Idem glattgestrichenen Scheitel tnirte
s verlegen stumm. Aber dann schrie sie
i
i
laut aus in kindlicher Freude.
Dort lehnte er am Steuerbord »
aleich alg sähe sie ihn dicht vor sich,
wie er Morgen fiir Morgen an der
! v«7—tras1,enecle auf sie gewartet hatte . . .
iL.«ei1 frohe Munterteit sie bethörte.
I der nicht grob sorderte wie die ande
F ren, sondern zart und giitig mit ihr
umging, wie ein Bruder, bis sie wil
lenlos war. O, der liebe, gute Mann.
In einem Jahr, wenn er wiederkom
inen würde. sollte sie sein Weibchen
heißen. Gläubig lächelte sie der Ferne
I entgegen, den Hoffnungen zu, die dort
« hinausfuhren, weiter ——— immer weiter
Das Opernglas wanderte zwischen
den Frauen hin und wieder. Und der
Mann am Steuer des Schoonerg
s blickte nach dem Strande und auf die
, drei Gestalten, die· dort so einträchtig
s bei einander standen. Wie gehor
s sain sie seiner Bitte gefolgt waren . . .
I Und er lächelte. Seine treuherzigen
I braunen Augen feuchtete die Rührung.
i Mit den Fingern wischte er eine Thra
! ne fort. Er hatte sie doch alle Drei
J sehr gern gehabt —- jede in ihrer Art.
Und dann wandte er sich um und ging
seiner Arbeit tin-Eh
J Ein ferner weißer Scheinen, ein zar
« tes Traumgebilde« verschwand das
.Schiss am Horizont. Die Frauen
l tauschten einen Gruß und wenn sie sich
wieder begegneten, lannten sie einan
der nicht mehr.
Das Obernglas hatte nichts verra
then.
--——---- — - --.
W i n t. Herr seiner heitathg
süchtigen alten 3’·.otette feinen Vetter
ovrstellend): »Hier stelle ich Jhnen mei;
nen Vetter doi - er heirathet aber
auch nicht!«
—----DerintelligenteWald
m a n n. »Daß mein Waldnmnn,« er
zählte türzlich Förster Glaubnicht am
Statnmtiich, »ein sehr intelligenter,
anstelliger und ternbegietigek Hund sei,
wußte ich längst, dennoch war ich nicht
wenig erstaunt, als das Vieh seit Ans
bkuch dek- Winters mit bewundctnS-i
werther Ausdnuet auf den Hinterfü
ßen Gehbersnche machte «—- und zwar
mit bestem Erfolge. Vergebens zer
brach ich mit indessen darüber denKopf,
was mein treuer Begleiter wohl vor
baben möqe. Votgestetn nun —- über
Nacht hatte es wieder einmal, wie so
oft in diesem Jahre, start gefchneit und
die weiße Decke lag fußhoch —- als ich
mich anschickte, ins Revier zu gehen,
und dem Hunde pfeife, was meinen
Sie wohl — kommt der Sapperments
tötet ganz fidel auf Schneeichuhen an
gegontett!« i
-«.
Waldestrauur.
Ein Märchen von A . H.
Lang bin ich umhergeirrt im tiefen
Waldesschattim habe die köstlich wür
zige Luft mit Wonne eingeathmet und
das Auge entzückt ausruhen lassen auf
dem lichten Grün der Buchen und
Eichen und den dunklen Schattentönen
der Tannen und Fichten. Und zwi
schen hindurch strahlt der tiefblaue
Himmel und die Sonne beleuchtet die
Krone der Bäume, daß es scheint, als
wären sie in lauteres Gold getaucht.
--—— Und welch’ ein Friede herrscht in
dieser Waldeinsamteitt Harmonisch
scheint Alles, wohin das Auge schaut,
und die Natur, in sich selbst gesättigt,
erweckt auch in der Menschenbrust ein
Gefühl der Ruhe und des stillen Frie
dens.
Hierher dringen sie nicht die kleinen
und großen Störungen und Sorgen
des täglichen Lebens und wenn sie das
Herz beschwerten und tvunddriickten,—ss
hier, --—- unter Gottes freiem Him
mel, im Schatten der alten, ehrwür
digen Bäume, umtost von dustigen
Lüften, tlopft es wieder leichter in der
Brust, die Sorgen wälzen sich ab
und erscheinen immer kleiner und klei
zier.
Gesegnet seist du, heilige Waldes
stille, Trösterin in so manchem Leid!
Leise legst du kühlenden Balsam auf
die Wunde, die ein müdes Menschen-i
tind, verborgen vor den Augen der
Welt, mit sich herumtriigt, -- -- und ent
liissest du den Trost- und Hilfesuchen
den auch nicht geheilt, so doch beruhigt
und ost versöhnt mit seinem Geschicke,
das zu tragen ihm fast atlzuschwer
düntte!
So recht in Gedanken versunken
gehe ich tiefer und tiefer in dag däm
mernde Waldesduntel hinein; da
schaue ich auf und sehe vor mir zwei
Bäume sich stolz erheben, die fest mit
einander verwachsen sind. Eine hohe
Fichte ist von einer Buche umschlungen
und der Anblick dieser sich innig um
artnenden Waldegtinder erweckt in mir
wunderbare Gefühle und einen leisen
Schauer vor den Geheimnissen der Na
tur· - Der Platz, auf dem die Bäume
standen,schien mir eine geweihte Stätte
zu sein.
Der Boden war gleich einem weichen
Teppich, mit dichtem Moos bedeckt,
das nirgends so üppig grünte, als ge
rade hier. Farrenträuter, so gies;
und prächtig, wie ich noch teine gesc
hen, breiteten ihre Blätter auf-; then
uinranlte die Bäume und die schönsten
und größten Glockenblumen wiegt-n
sich leise im Winde hin und her; vDie
Vergißmeinnicht, die ich pflückte, hat
ten ein solch leuchtendes Blau, wie ich
noch teineg gesehen und die Veilchen
dusteten löstlicher, als ich mich jemal
erinnern tonnte.
Das Plätzchen schien mit ganz be
sonderem Zauber ausgestattet und das
leise Plätschern des Waldbachg, der in
der Nähe vorbeirauschte, erhöhte noch
den reizvollen Eindruck.
Willenlog überließ ich mich dem stil
len Zauber des-; Orts, legte mich ans
Fuße der wunderbaren Bäume nieder
und schaute hinaus in ihre Winsel. die
sich regten und bewegten und niit ein:
ander kosten in bräutlichein Gliict. Wie
lange wohl hielten sich die Fichte nnd
Buche schon umschlungen, alles mit
einander theilend, Regen und Son
nenschein, Frühlingswonnem Gewit
terstijrme nnd Winterlältet O könnt
ich die Sprache des Windes verstehen
, und den Sang der gefiederten Wald
betvohner deuten, gewiß erführe ich da
eine so schöne Mär, als mir je eine er
zählt würde. Ferne Glockentöne drin
gen an mein Ohr, gleich leise verklin
genden Accordenz ich schließe die Au
gen und bald hat tieser Schlaf meine
Sinne umfangen.
Doch, was naht da in so seierlich
lautlosem Zuges Aus einer Bahre
ruht ein Schrein, über und über be
deckt mit Waldblumen. Vergißmein
nicht und Anemonen, Glockenblumen,
Erdbeerbliithen und Haidetraut, all’
diese zarten Waldtinder bedeckten den
Sarg. Prächtige Blätter der Farren
träuter und die schönsten Epheuran
ten liegen aus der Bahre, dazwischen
Tannengrlin und Eichenlanb Und
wer trug die geheimnißvolle Last still
und leise durch dag Waldesduntel?
Blumengeisier waren eg, ihren Fiel
chen entstiegen dustige, wunderbare
Mädchengestalten in junasrikrilicher,
unentiveihter Reine und Schönheit, so
zart und sein, daß tnir daLs Herz sast
stille stand vor andächtigein Schauen.
—- Alle trugen aus ihrem Haupte
Kränze non Waldblumen und ihre
durchsichtigen, lilientveißen Hände
umfchließen Tannenzweige. Sechs
Jungfrauen trugen die Bahre; stille
Trauer lag auf ihren schönen Zügen
und ein sansteg Klagelied ertönte von
ihren Lippen. Ein langer, nicht en
denwollender Zug von Blumcngeistern
schloß sich an und schwebte unhörbar
über den Boden· Der Sang der Vög
lein schien das wehmuthsvolle Lied
begleiten zu wollen, denn er klang ge
däinpst Und nicht so froh wie sonst;
die Käfer am Wege hielten still in ih
rem Laus; die Mücklein und Bienen
vergaßen zu summen und ein Reh, das
sliichtigen Fußes vorbeieilen wollte,
hemmte den Schritt und sah mit sei
nen tlugen, hellen Augen erstaunt
dem wunderbaren Treiben zu. Auch
das lustige Bächlein schien sein Rau
schen verlernt zu haben und die Bäu
me vergaßen das Wiegen und Schau
leln ihrer Zweige.
(
Alle schauten und lauschten und
wanderten sich über dag niemals Ge
sehene.
Weiter und immer tiefer in den
Wald hinein schien sich der Zug zu be
wegen; die Seene eilte ihrem Unter-s
gange zu und überhauchte Alles mit
rothgoldeneni Glanze. Nun kam das
Singen wieder näher, um dann gänz
lich zu verstummen. Der Zug war
dicht an meiner Seite stille gestanden
und die holden Bluniengeister stellten
die Bahre am Fusze der eninnigen
Bäume nieder.
Wer lag in dem Schrein, der jetzt
der Erde übergeben werden sollte?
War es der Geisterschwestern eine oder
vielleicht ein unglückliches Menschen
tinde dem ini Walde der letzte Lebens
hauch entflohen?
Viel Größeres war es, was hier im
tiefsten Schatten der Bäume, entrückt
jedem entweihenden Blick bestattet
werden sollte und haben mir die
Blumengeister das Geheimniß ver-;
traut. ;
Die Liebe wa: es, die reine, ideales
Liebe, die sie jetzt zu Grabe trugen.
Ruhelos war sie schon lange, lange
umhergeirrt, nirgend ein Plätzlein
findend, wo sie ungestört verweilen
könnte. Die Menschen hatten alle kein
Gefühl mehr für den holden Gast, der
in ihren Herzen Einlaß begehrte. Die
Einen hattenkeine Zeit, die Anderen
kein Verständniß, die Dritten keine
Lust. Alle hielten sie die Thüre zun:
Herzen fest verschlossen
Liebe, große, unverfälschte Liebe,
die Zwillinggschwester edelster Freund
schaft, die nicht fragt nach Geld und
Gut, nach Herkommen und Standes
unterschieden, die Liebe, wie sie Gott
selbst uns in die Brust gesenkt, eine
solche wirdjetztnichtmehr begehrt. Tas
zu ist der Zeitgeist zu aufgeklärt, da;
Leben und Arbeiten, Wirken und
Schaffen, Erringen und Vesitzen zuz
hastig; die Menschen sind zu niich »
terri, zu egoistisch und materiell ge-"
worden.
Wohl gievt es noch seltene rsiusnah
men, aber nur, um fiir die Mensck en
die ihr Herz Voll und ganz dem
geben, verderblich zu werden. Derl
Sturm des Lebens tnick tdie zartet
Blüthe ehe sie zur Entfaltung ge
langt
Jst es da ein Wunder, wenn die
Trägerin dieses göttlichen Gefühls
ihr schönes Haupt neigt und die Au
gen schließt, um sie nimmer zu öff
nen?
Da lag sie, die reine Himmelstoch
ter, in lichter Schöne, still und entseelt
inmitten der Blumen und beschattet
von uralten Bäumen.
Schnell durcheilte die Wundermär
das Reich der duftigen Waldgeister ;
die eilten alle herbei, benetzten mit ih
ren thauigen Thränen die sanft Ent
schlafene und trugen sie meist durch
den Wald, suchend und spähend nach
einem Platze, der wiirdig und heilig
genug ihnen schien das große Ge
heimniß des menschlichen Herzens zu
bergen.
Jn fernen Zeiten tritt wohl auch die
ideale Liebe wieder segenspendend ausJ
ihrem Grabe heraus, schön und holdf
und begliirtend Alle, die sich verlangend
ihr nahen.
Fiir immer kann sich das Menschen
lind nicht von dem Herrlichsten, was
der Schöpfer ihm als zarten Keim und
als einen Theil seines Selbst, in die
Brust gesenkt, abwenden; für immer
kann es die göttliche Empfindung nicht
ersticken, weil sie nicht paßt in seine,
selbstischen Pläne. :
Gewiß wird die Menschen in späte
rer Zeit das Verlangen nach einer gro
ßen Liebe wieder mächtig erfüllen, daß
sie das Herzensthor weit öffnen, um
der Neuerstandenen festlichen Einzug
zu bereiten. — Ob noch hier auf die
ser Erde, ob erst auf einem anderen
Stern? Jch weiß es nicht und auch die
Blumengeister schauten nicht so weit in
die Zulunft.
Lautlos hatten sie den Sarg der
Erde übergeben und den Platz mit un
zähligen Blumen überstreut. Dann
schwebten sie von dannen, den bräutlis
chen Bäumen die Hut vertrauend über
den kostbaren Schatz. -— »
Als ich wieder erwachte, lag tiefe
Dämmerung um mich, her, von ferne
ertönte einer Nachtigall tlagender Ge
sang, Gliihwiirnichen schwirrten hin
und her und ein liauilein ließ sein
heiseresS chreien hören; bangesUranen
überfiel mich.
Traum und Wirtlichteit konnte ich
nicht mehr unterscheiden und ich aths
mete erst freier, als ich die Lichtung
des Waldes erreicht hatte.
Ein freundliches Bäuerlein, das
müde von der Arbeit in seine be
scheidene Behausung heimkehrte, bot
mir zutraulich »gute Nacht«, die
Abendglocken läuteten und Ruhe und
ftiller Frieden waren um mich und in
mir. .
Olmchn
Das Weib besitzt zwei Waffen,
Die immer siegreich sind,
Die machen den stärksten Gegner,
Gefügsam wie ein Kind!
Und diese beiden Waffen,
Die jeder fühlen muß,
Sie beißen -—-— Männer zitteri!s—
Die Thräne und —— der Kuß.
--—·-.—
-—Das Bild desIdealsist
stets geschmeichelt.
i- - .-.-— .—- -.» —- —.-....·—
Der thmmerki iToni.
Eine Torsgeschichte von J. Richter.
Den Stummerl- Toni hatte man
ihn geheißen in dem steierifhen Dorfe
und seinen wahren Namen haben niir
die Wenigsten gekannt Der Juni
lonnt’ nie ein Geheim. i .ß aneinan
dern, er war stets oersch oicgen, weil
er überhaupt nicht zusprechen de:
mochte, und wie er in der Wiege lachte
und weinte, so brachte er aus gleiche
Weise in späteren Jahren seine Ge
fühle znm Ausdrucke Eis weinte,
wenn ihm sein Herz schwer wird und
er lachte, wenn er sich eint-me srencn
durfte. Letzteres tam freilich selten
vor.
Er war kaum ans den Windeln,
als seine Mutter im «-’-1r-:neiils:s.iih:ini
starb nnd das Stummer verwaist zu
riickließ·
Der Weghuber, der selber rni: Kir
dern reicher gesegnet war, IDE- ntit
Erdengiitern, und nur ein bescheidenes
Anwesen besaß, nahm den Tons ins
Haus und zog ihn .1ui.
Der Bub gedieh förderlich ganz
prächtig, und was er in seiner Jugend
erhoffen ließ, das ging in Erfi·llnng:
er wuchs zu einem kräftigen Knecht
heran, der die Kosten, die er bis-hier«
verursacht, mit Zinseszinsen c.tsa:l«ei:
ten konnte. Er liitnmerte sich nicht
darum, ob seine Herr-knient’ :hn be
lobten oder nicht, er that’z um des
Gehöstes wegen, auf dem er jskin Heim
gesunden, und zu dem er hielt, wie ein
getreuer Haus«-hund.
Eines Morgens mähte der Toni das
Wiesengras nahe am Ufer ·:. ri» Flussez
dessen schmutzig-gelbe Weilen nach km
letzten Regengüssen bis »Er den Holz
steg hinausschlugen nnd neben Dein
Felgblocke einen reißenden Wirbel dil
deten. Die Töchter vom Högelbauern,
die blonde MirzL ging List iiver den
Steg in’g Heu machen, Dis ihr der
Reihen von der Schulter i,:rab·i11.r:")te
und in den Fluß hinaasieL Das
Miidel haschte nach dem Griff dabei
verlor ex- das Gleichgewicht, und im
nächsten Moment lag die Mirzl im
Wasser Der Wirbel erfaßte sie, zog
sie in den Trichter hinab,1snd:·: ! are
um sie geschehen gewesen, .,thte si« nicht
-tnminerl - Toni an’5- Ufer n( t4seen
Der Bursche war ein incrjnger
Schwimmen und so durfte e: das-« ge
fährliche Waaniß unternehtnsm Alst
die Mirzl sich bald wieder erholt lind
die Augen aufgeschlagen hatte, stgte
sie ibrein Retter ein herzlicheg »Ver
aelth Gott« und ging ihrer Wege.
Eine Woche nachher gedachte lik- tcizm
mehr jenes Unsalleg und den Toni
hatte sie ganz vergessen. Dasiir ging
diesem die Dirn’ init den tksbcagen
nicht mehr aus dem Sinne.
« Von da ab kargte der Knecht nnd
sparte sich den Bissen vom Munde ab;
er wollte sich so viel Geld in seiner
Truhe aufsammeln, big er sich selber
eine Hütte kaufen, seinen eigenen Her
ariinden und dann vor die Ditn’ bin
treten konnte, nni ihr seine Hand an
zutragen Und ali- er ein Sijmmchen
eriibriat hatte, faßte er den Muth
und suchte die Mier auf, da sie gerate
iin Walde Laubstreu sammelte. Der
Toni konnte dem Mädel nicht sagen.
wie gern er es habe, er deutete aus sein
Herz nnd saltete bittend die Hande.
Die Dir-ne verstand, was er ivou1e,
lachte helllant aus und gab die Ant
wort: »Bist leicht überg’schnappt, das-,
D’ mi zum Weib begehrst? Halt’s
sein bei Dir, sonst spötteln mi die Bu
ben, daf; i’ ein’ Mann brauchen
tönnt’, der zu Allem still ig, was i’
thu’ und niach’. Und damit Du’g nur
weißt, tämst so wie so zu spät, denn
zu Michaeli macht der Bichler Hang
Hochzeit mit mir.«
Seither war der stumme Knecht
trübselig geworden und wich den
Weibsleuten aug, wo er nur konnte.
Die Mier wurde, wie sie’g angesagt
hatte, im Herbste die Bichlerbäuerin,
aber der Toni bekam sie nicht mehr zu
Gesicht und hörte weiter nichts von
ibr, als daß sie im Sommer daraus
mit einem frischen Buberl in die Kirche
zum «Vorgange« lam.
Es war einige Zeit später. Der
Knecht kehrte am Abend aus der Ar«
beit heim, als er Plötzlich den Halt-er
stier sah, der, wild geworden, aus-:
brach und neben dem Gartenzaun da-:
hinlief
Ein kleine-Z Knäblein klammerte sich
angstvoll an den Heckenwein und schrie
aus Leibegtriistem denn der Stier
rannte, den Schädel bis zur Erde ber
abgesenkt, gradaug aus die Hecte zu.
Der Stumme sprang rasch herbei und
saszte mit Riesenlrast das Thier bei
den Hörner-n. Es war ein verzweifel
ter Kampf; der Toni hatte einenStosz
in die linke Seite erhalten« dasz er vor
Schmerz die Zähne zusannnenbis3,
aber er richtete nicht weiter daraus und
liefi nicht ab, bis der Stier gebändigt
abzog und in das Anwesen, aus dem
er gesliichtet war, zurückging
Das Bubersl der Bichlerbäuerin kam
unbeschadet davon, aber dem Tani
ging eg an’"5 Leben. Zwei Tage spä
ter wurde er zu Grabe getragen, und
der Weghuber, der die Ersparnisse sei
neg linechteg geerbt, sorgte sur ein
pruntvolles Leichenbegiingniß. Den
Sarg schmückte ein Kranz aus Edel
weiß und Alpenrosen, den die Bichlers
bäuerin auf die Bahre gelegt kzatte .. .
»O - .- «-—- .—-—
—- Erster Gedanle. Fräu
lein: «Lieben Sie auch Turm, Herr
Spund?« Student: »Mit her gefüll
te, ia.«
DeargY«
» «:-.«LMSI:I I E
« Von Knut Damian
l Jch sah einst in einer Gesellschaft
junges Weib vor Liebe erbeben.
Augen waren da doppelt so blau r
so strahlend, als sonst. Sie vermo
ihre Empfindungen durchaus nicht
verbergen, obwohl sie ssonst kühl r
verständig über Alles nachzuden
s pflegte. Und ich kannte sie ja so g
—-—- sie war meine verlobte Braut.
Wen sie liebte? Welch« einsa
Sache! Mußte der junge Mann d
am Fenster, nebenbei bemerkt: St
des Hauses, wo wir beide zu Gaste
laden waren, mußte er in seiner gli
zenden Unisorm, mit seinen blitzeni
Augen und der Stimme eines Lön
nicht Glück haben beim schönen u s
wankelrniithigen Geschlechte? Himn
wie sie mit ihren blauen Augen die C
stalt desKriegers umspannte, jeder D
wegung seiner Hände, seines Gesteh
folgte, wie sie unruhig bald heite1 ,
Laune mit stiller Resignation aus-we
selte ! i
Und als wir gingen — es war dirs
mal später als sonst geworden — sa -
ich in gelassenem Ton:
»Das Wetter ist wirklich selten sck Z
den ganzen Tag über gewesen. H
Du Dich gut unterhalten?« -
Und da erwachte in mir das Bedü-»,J
niß, ihr auf halbem Weae entgegen-—
kommen. Jch zog den Verlobunger «
von meinem Finger, daß sie es ste
konnte und sagte:
»Sieh nur, Dein Rina ist mir d
Zu eng geworden: er dri ickt fortwi
rend Möchtest Du ihn nickt ein
weiter machen lassen?«
Mit nervöser Hast Griff sie nach d
blinkenden schlichten Reif und ind
sie ihn zu sich steckte, fliisterte sie:
»Ja, las-, iln mir: ich werde ihn a
ßer machen lassen!«
Darauf boten wir uns den G!
nacbtgrus;.
—-i- n
Erst einen Monat darauf hatte
Gelegenheit, meine Berloote in
Hauptstadt wiederzusehen. Jch wo
sie nach dem Ringe fragen, dachte de
aver, es sei -besser, damit noch zu w
ten. Es hat ja keine Eile, jagte
mir, und Du darfst ihr immerhin n .
einen Monat Zeit zugeben.
So wartete ich denn geduldig 1 «
als ich sie nach Ablauf der von mir
stimmten Frist wieder sah, fragte
nach dem Ringe.
Sie schlug den Blick nieder zur C
und sagte: »Das ist wahr —(-— der fiii
Jch hatte Unglrick damit, mußt
wissen. Ich hab’ ihn verlegt oder r
loren . .
Sie «, swieg zögernd und wartete« .
eine Antwort von meiner Seite. «
»Bist Du böse aus mich?« fragte
unruhig.
»Nein,« antwortete ich mit abget: «
detem Gesicht.
Wie von einem Alb befreit schien
aufzuathmen. Heiter sagte sie Le
wohl und ging davon. — —
Di- -k Tit
Ein Jahr war verflossen seith
Jch wandte mich der lieben Denn-II
stätte wieder zu. Mein Fuß aus«-litt
wohlbekannte Straßen und stille L
tenwege in den schatiigen Partaiilaa (
Da kommt sie mir entgekeir J -
Augen leuchten in tieferem Blau d- .
je, strahlend und zugleich verlangt
blickt sie mir in die Augen. Nur.
Mund ist groß und bleich geworden.
Sie ruft mir schon von Weitem
»Hier habe ich Deinen Ring, Deii
Verlobunggrinal Jch habe ihn gli
lich wiedergefunden, mein Gelieb«
und ließ ihn fiir Dich größer mache
Er wird Dich nicht mehr driicken!«
Jch blickte auf das verlassene BE
vor mir; die Bewegung ihres groß -
bleich-en Mundes schien mehr ein Gi
sen denn ein ehrliches Lächeln zu
deuten. Dann fiel mein Blick auf»
Ring. « -
»Ach siel1e,« sagte ich und sah ihre
in die Augen, »wir haben kein Gk
mit unserm Ring. Jetzt ist er a)
weit geworden!«
Jch reichte ihr den Goldreis zu«
und wandte mich ohne Gruß davon
4-.-—
— M a l i t i ö g. Backfisch «
seiner älteren Schwester, wellye irrl
nenmindzivanzig Jahre alt ble ,
»Aber Y.liinna, wenn Du durckz
nicht älter werden willst, l)ol’ ich S
ja ein!«
— Miszlnnqene Aus-re —
Gengdarin leiter Gauner contr«
rend): »Wie lnnuuen Sie dazu e
Revolber bei chi) zu tragen ?« Gau
»Den . . . den . . . vom Schleifen
ich ’n grub g’l,-olt!«
J in tFr i fe r. Fremder(
Rechnung prüfend): »Ein Beef
hätte icb gegessen . .. irren Sie sie
auch nicht-Z« Wirth: »Bewahre
habe noch zu meiner Frau gesagt »
bestellt der auch nicht wieder« !«"
Unsere Kinder. MI
lzur kleinen Hedlvig): »Du wirst r
lich alle Tage dummer, Hebt
Kleine Hedwig: »Macht nichts, M«
—-— einen Mann bekomme ich docl
wir haben ja Geld!«
Junge-DunbcvbnberM
ter zu entwöhneu ist fiir ei
mit mancherlei Nachtheilen berbm
da sich in der Regel bei den tls
Thierchen dann Verdauungsstöru
bemerkbar machen. Am besten geb
Die Jungen bei Ziegenmilch.,ba ., »
wenig zur Würmerbilduna beit
Kuhmilch, besonders ungekocht, il« ·
zu reichen, da hierdurch die Bei
rung der Würmer begünitt t , .
Dagegeu kann man gesuchte ils «
Oasertcoleini verfüttern. «
s
H