Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, November 12, 1897, Sonntags-Blatt., Image 12

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    —
giescheitert
such einer Episode aus der Besiedelungss
zeit tu Texas, von W. v. Schlechten-n
Fünszig Jahre ist eigentlich nur eine
kleine Spanne Zeit, und do wie fern
von den heutigen Tagen lieg die Be
Hedelung von Texas. Der »Er-one Star
State« wird er stolz genannt, und
seine ungeheure Ausdehnung die Mit
de seines Klimas und die Frucht-var
keit feines Bodens lassen mit Sicher
heit darauf schließen, daß einst Texas
zu den vollreichsten und wichtigsten
Staaten der großen Repnhlit gehören
wird. Heute auch schon gievt es blii
hende Städte und großen Reichthixm
dort, aber damals, als Texas sich von
Mexico losgerissen hatte, als es noch;
ein Gemeinwefen für sich bildete und:
Honston seine tühnen Freibcuter umi
sich versammelt hatte, da sah es an
ders aus in dem mächtigen Gehirn
Damals konnte man tagelang umher- -
streifen, ohne einer menschliche Seele
zu begegnen, ohne den Rauch eines
Feuers oder die Spuren menschlicher
Wohnungen zu erblicken. Um jene Zeit
auch war es. als in Deutschland, dcr
Gedanke genährt wurde. aus Texas ein
deutsches Land zu machen, das unter
dem Schutze des Reichs die überfäl
lende Bevölkerung vom Pegel bis zur
Mofel aufnehmen sollte und das, fern
von der Heimath, deutsche Art und
Sprache rein und unverfälscht erhalten
sollte. Heute gibt’s wohl Tausende
von Deutsch - Ameritanern, die von
all dem wenig oder gar nichts wissen,
und doch, damals, als der Mainzer
Adelsverein unter demVorsitze des da
maligen Herzogs von Nassau, jetzigen
Großherzogs von Luxemdurg seine
Thätigkeit zu entfalten begann, da
mals, sage ich, befand sich sogar der
Prinz von Preußen, nachmaliger Kai
ser Wilhelm, unter den Förderern des
Projects. Der Plan war ursprünglich
ein ganz einfacher, nämlich so viele
deutsche Auswanderer nach Tean zu
senden und sich dort ansiedeln zu las
sen, daß die Deutschen im Laufe der
Zeit dort das Uebergewicht erlangen
und den Freistaat völlig beherrschen
könnten. Denn man darf nicht ver
gessen, daß über 9 Jahre lang Texas
unabhängig dastand, wohl der Nach
bar der Ver. Staaten war, aber die
sen selbst nicht angegliedert. Und
schon am 2. November 1839, also
mehr als 6 Jahre vor der Besitzergrei
sung durch die Ver. Staaten, segelte
die erste deutsche Colonie von 130 An
siedlern aus der Brigg .,North" nach
Texas ab. Diesen Vorläufern folgten
bald neue Schaaren Deutscher, und es
sah thatsächlich eine Zeitlang so aus,
als ob die Jdee, die dem Verein vorge
schwebt hatte, verwirklicht werden
sollte.
ti- A si
Urn jene Zeit war’s, im Frühling
des Jahres 1846, als ein abenteuer
lustiger junger Officin-. Max von
Palzow, den Entschluß faßte, sich eis
ner großen Schaar neuer Auswande:
rer anzuschließen, die in der Stätte
von 2,500 demnächst nach dem Hafen
von Lavacca, dem heutigen Jndianols
in Texas, abfuhren sollten und die,
unter Führung mehrerer hochgestellter
Mitglieder des besagtenColonisations
Vereins, auch bald darauf unter Se
gel gingen. Palzow hatte bei den
Ulanen gedient, war ein guter Reiter
Schütze und Sportsmann, und so er
schien ihm ein freies, wildes Leben in
Texas als der Inbegriff alles Wün
schenswerthen. Als zweiter Sohn
hatte er leine Aussicht, je die väterli-,
chen Aecker pflügen zu können, denn
sein älterer Bruder war im kräftigsten
Mannesalter und außerdem schon ver
heirathtet. Da er darauf bestand, so
nahm Max seinen jüngsten Bruder,
Rudolf, der soeben die Cadettenschule
absolvirt hatte, mit, obwohl die Mut
ter anfänglich diesen, ihren Liebling,
der nur gerade das 18. Lebensjahr er
reicht,durchaus nicht gehen lassen woll
te. Aber Rudolf selbst brannte aus das
neue, ungebundene Leben dort im ser
nen Südwesten des fremden Conn
nents, und so mußte schließlich die alte
Frau von Palzow, wenn auch mit in
nerem Widerstreben, nachgeben. Mit
Waisen aller Art wohl ausgerüstet
nnd mit ansehnlichen Geldmitteln ver
sehen, traten die zwei Brüder denn
auch die Reise auf dem Segelschisf in
Bremen an. Das Schiff war gedrängt
voll von Auswanderern, meistens
Handwerker oder Ackerbauer des west
lichen Deutschlands-, aber wenn auch
die Fahrt nur äußerst langsam von
Statten ging und auf die Dauer durch
aus nicht angenehm genannt werden
konnte, so waren doch Alle von der
Oeffnung beseelt, auf dem jungfräuli
chen Boden von Tean ihr Glück zu
sindem und indem man die Zukunft
dseutirte vergaß man die Unannehm
lichkeiten der Gegenwart. Zudem war
das Wetter während der ganzen lan
gen Fahrt ausnehmend schön und
günstig, so daß fast Niemand er
krankte. Jm Juni, an einem Tage
als die Sonne glänzend am Himmel
Sand nnd die blauen Wogen des Golf
meeres wie Azur blintten, landete die
ses Schiff, und noch am selben Tage
landeten auch die zwei anderen Fahr
zeuge, die ebenfalls deutsche Aus-wan
deter nach Tean geführt hatten.
Und von jener Stunde an begann
Ue Leidensgeschichte dieser Schaar von
hoffnansseeudigen Col-mästen Der
Mainzer Adel-derein, welcher diese
Leute aäe htnauzgeschickt hatte, war
III-IN is sträflich khöricht oder un
si- Its-Wis- Wiss-»Ein
ee diese 2500 Menschen, worunter
viele Weiber und Kinder, sogar eine
Anzahl Greise, ohne Geld nach Texas
gesandt hatte. Man hatte in Deutsch
land geglaubt, daß bei der Ankunft in
Lavacca die Führer der zwei deutschen
Colonienstädte Neu-Braunfels und
Friedrichsburg am Ufer bereit stehen
und die Ankömmlinge mit offenen Ar
men empfangen werde. Dies war in
deß eine völlige Veriennung der Um
stände, denn gerade um jene Zeit wa
, ren diese zwei Ansiedelungen selbst in
s größter Finanznoth. Außerdem brach
Jten die neuen Ansiedler auch weder
J Pferde noch Vieh mit, denn man hatte
sihnen gesagt, diese laufen in Teva
; wild herum.
is- k s
, So kam’s denn, daß bei der Lan
; dung die bunt zusammengewürfelie
Schaar einen öden, unwirthlichen
s Strand vor sich sah ohne eine mensch
s liche Seele, die ihnen Hilfe gebracht,
ihnen den Weg nach dem Inneren ge
zeigt oder ihnen ein Obdach hätte ge
währen können·
Was thun? Die kargen Lebens
mittel, die noch vorhanden. würden
kaum einige Tage reichen, und dann
drohte Tod und Verderben diesen Leu
ten, die beinahe so hilflos waren, als
ob sie in Sibirien anstatt in Tean
wären. Die beiden Brüder Palzow
zusammen mit einigen anderen riiftis
gen und praktischen Männern, worun
ter einige ehemalige Guts-besitzen tha:
ten sich zusammen und beschlossen der
unmittelbaren Noth dadurch abiuhet
sen, daß sie eine gross-:«,.:;d1arihie in
die Umgegend unternahmen. Alg
waidgerechte Männer gelang es ihnen
denn auch, viel Jaodbeute zu erlangen,
aber wo soviele leere Mägen warteten,
da genügte, wie sich bald herausstellte
selbst so reiche Beute nicht·
—
nurz entschlossen erboten sich nun
die beiden Brüder, als Abgesandte der
ganzen Schaar nach Neu - Braunfels
zu geben und dort die Hilfe der An
siedler zu erbitten. Eine Versamm
lung wurde berufen, in welcher diese
Sache besprochen und schließlich gebil
ligt wurde· Und so setzten sich dann
am nächsten Tage Max und Rudolf
von Palzow nebst einem Dritten, Frie
drich Horst mit Namen (einen ehemali
gen Förster aus Hessen), in Bewegung.
Sie waren beritten, da die beiden Pal
zows ihre Lieblingspferde aus der Hei
math mitgenommen hatten, aber trotz
dem war die Reise ein Wagestiick. Ei
ne Strecle von 150 Meilen durch un
wirtbliches, theilweise wüstes Gebiet
zurückzulegen, den Unbilden der Wit
terung und den Launen umherstreisen
der Jndianerhorden preisgegeben,ohne
Führer und getretenen Weg. das war
kein Kinderspiel. Aber es war das
Vernünstigste, das man thut-. konnte.
An den ersten zwei Tagen ging
Alles gut. Man fand trinlbares
Wasser und reichlich Wild, und das
Wetter ließ nichts zu wünschen übrig.
Aber dann verirrten sich die Drei, ge
riethen auf die ausgedörrte, wasserlose
Prairie, und 48 Stunden lang hatten;
sie alle Qualen des Durstes zu erlei-;
den. Wer sich einmal in ähnlicher La- !
ge befunden hat, der allein kann sichs
einen Begriff von den Leiden der Dreis
machen. Am Abend des zweiten Ta
ges, als die Sonne in tropischer Glutlst
berabsank, war Rudolf von Palzow,»
dessen zartes Alter nicht solchen Stra-H
pazen gewachsen war, im Deliriuni,:
und während seine beiden abgebärtew
ren Gefährten neben ihm schlafend im«
Grase lagen, rannte der seiner Sinne
nicht mehr mächtige Jüngling blind
lings in die Weite. Das Fieber mochte
ihm wohl, wie dies bei solchen vom
Durst Gepeinigten häufig vorkommt,
ein Trugbild vorgegautelt haben.
Vielleicht erblickte er Wasser in der
Ferne. Genug, als die anderen Zwei
bei Morgengrauen sich von ihrem bar
ten Lager erhoben, war der Jüngling
verschwunden. Seine Gebeine hat
man nie entdeckt. Drei Tage später
langten die Beiden, zu Steletten abge
magert, in Neu-Braunfels an und er
flehten hilfe und Beistand für die so
übel beratbene Schaar, die sie nahe
dem Meere gelassen. shalon der den
Tod seines innigst geliebten Bruders,
fiir den er sich die Schuld beimaß.
nicht verwinden konnte, ist ein Jahr
später bei einem Streiszug gegen räu
berische Modocs gefallen.
. «
I
Mittlerweile hatten die zurückge
bliebenen Auswanderer ihrerseits die
größten Leiden auszustehen Nicht
allein der Hunger und Durst quälte
sie, sondern auch Typhus und andere
ansteckende Krankheiten waren unter
ihnen ausgebrochen und decimirte ihre
Zahl. Es langte wohl Hilfe aus Neu
Braunsels an eine Woche später, aber
diese war nothwendigerweise völlig
ungenügend. Schließlich brach die
Schaar nothgedrungen zu Fuß nach
dem entfernten Neu - Braunfels aus,
und die Leiden, die diese Aermsten aus
ihrem langen Todesmarsche zu erdul
den hatten, spotten jeder Beschreibung
Es steht fest, dasz von den ursprüngli
chen 2,500 nur knapp 1,200 ihren Be
stimmungsort erreichten. Und« auch
von diesen ging die Mehrzahl während
der nächsten Monate zu Grunde.
So scheiterte im Jahre 1846 der
Plan, Tean zu einem deutschenStaaie
zu machen. Das Project war eins von
« vielen ähnlichen,die seitdem inDeutsch
land ausgeheckt worden sind und von
denen sast alle einen völligen Mißer
folg zu verzeichnen hatten, wenn der
selbe auch nie wieder so tra isch auc
gesallen ist wie der oben be chriebene
Zieherraschungem
Von Touan Obat.
Der herr Rath Bölle war böse, als
er zum Morgentassee lam.
Daran war Fritz, der Sohn. schuld,
der in Tiibingen Jura studirte. »Er
hätte wieder an Rheumatismus gelit
ten,« schrieb er, »das hätte ihn so lan
ge am Arbeiten gehindert und ihm so
große Auslagen verursacht. Papa
möchte doch so gut sein —- —--««
»Ach! Warum denn immer so viel
Milch in den Kaiseri« brummte Herr
Bölte seineFrau an, die, seiner schlech
ten Laune halber, ihm noch ausmert
samer seinen Morgentrunl zu bereiten
versuchte, als gewöhnlich.
»Aber, lieber Mann, sonst — s-"
Nerviis trommelte er mit den Fin
gern den Talt zum Sturm seiner Ge
danken auf den Tisch: »Warte mir den
tleinen, gelben Handlosser. Jch fahre
s morgen nach Tiibingen. Jch werde
selbst einmal nachsehen, was der thea
» ere Sohn treibt!«
I Wie eine Bombe platzte der Ent
. schluß in die friedliche Frühstücks
j itube. Mama Bölle war starr. Sie
» schaute ängstlich nach Tante Lenchen
« -· und diese noch ängstlicher nach ihr.
» »Der arme Fritz!« seufzte die Ma
H ma, als der Herr Rath mit großen
Schritten das Zimmer verlassen hatte,
; »der arme Fritz!«
. »Wie lann man einen trankenMew
schen so überfallen!« ereiferte sich die
Tantr.
»Er-wie er ganz hergestellt wäre,
würde er in’s Examen gehen, hat er
« doch geschrieben, weißt Du ——s in dem
letzten Brief, als wir ihm den Kran
tenwein schickten, und den Schinten!"
»Hm nicht der Herr Doltor neulich
gesagt, bei Lieschen-Z Krankheit, man
diirfe Krante nie überraschen?«
»Und Fritz ist io empfindlich!«
»Ich werde ihm telegraphiren!«
»Ja, thu’ dag- Lenchen!« -—-— — —
Fritz machte, als er das Telegramni
erhielt, ein Gesicht, wie der Bär, dern
der Holztlotz mit Honig aus die Nase
gefallen ist.
»Dann — und morgen schon-"
Er rieb sich die Augen.
Er war etwas spät ausgestanden.
tvie das so geht, wenn man ,,stiid«
nach Hause kommt. Aber da stand es
wirklich und wahrhaftig: »Papa
tommt morgen Dich überraschen.
Gute Besserung Lenchen.«
»Ei, das ist ja verteufelt!«
Er schob die Mütze übers Ohr. An
den Frühschoppen dachte er nicht mehr,
zu dem er eben geh-en wollte. ,,Eaca",
der Hund, schaute seinen Herrn ver
wundert von der Seite an, dann ließ
er den Schwanz hängen und legte sich
traurig wieder unter den Tisch.
»Herrgott! und die Bude! —— Eine
ehrsame. dücherbesäete Candidaten
Wohnung soll das sein, und ist so leer
wie mein Getdbeutel!'«
Fritz wars sich verzweifelt in einen
- Stuhl. ,Wedelnd lam der Hund unter
dem Tische hervor und legte das tluge
Haupt aus das Knie.
,,Durnnre Geschichte, Cara! Ver-—
dammt dumme Qschichte!«
An den Lippen tauend, starrte er
vor sich hin. Aus einmal sprang er
aus« schob die Mütze in den Nacken
und that mit der Reitpeitsche einen
Schlag aus den Tisch, daß der Staub
ans der grünen Tischdeete slog nnd der
Hund erschreckt einen Satz machte.
»Ach was! Hat nicht jener ,,ol1e
Rasse« sür seine Kaiserin in wenig
Wochen ganze Städte aus dem Nichts
hervorgezauberts Sind wir nicht
weiter in der Kultur? Soll ich nicht
diese Bude in eine Höhle des Fleißeg
umwandeln können zur Freude mei
nes Alten? —-- Hurrahi Cacat Jch
« hab’s!" »
Die Treppe hinunter ging es;
? tlitsch, tlaisels sausten die Lusthiebe
der Reitpeitsche. Fritz wandte sich
Izum Frühschoppen aus dem tiirzesten
i Wege. as gab eine ordentliche Aus
s regung, a s er den geplanten Ueber
, sall erzählte
»Was, Dein Alter?!'
i Manch« böses Gewissen dachte an
ähnliche Ueberraschungen.
»Und morgen schont«
Nun entwickette aber der lluge Can
didat Fritz Bölle seinen Plan.
«Natiirlich!"
.Freilich! So geht’s!«
E
,.Famog!« ,,P1)ramidal!« rief und
lachte Alles vurcseinanden
,,Dicllopf,« Der Korn-sonnen must
herkommen. Der wußte überall zu
helfen. Leise erhielt er seine Aufträge
Dann kam er zurück, beladen mit Bü
chern und Heftem
»Herr Völle, wohin soll ich?«
Alles nach meiner Wohnung, Diel
kops!«
»So sind die Rollen ausgetheilt
Und Alles wohlbestellt!«
sang der Chor der Füchse, wofür sie
wegen Schadensreude über die Verle
genheit eines »alten Hauses« »in die
Kanne klettern« oder, wie vernünftig
redende Menschen sagen würden, zur
Strafe trinken mußten.
Jn der Wohnung des Candidaten
Bölle aber herrschte den ganzen Mit
tag eine Geschäftigleil, als ob ein
hochgelahrteo Professor mit all' seinen
Schägen eingezogen wäre. Dami
schen Gesang und Pfeier und fröhli
ches Lachen —- wie es allerdings alte
Gelehrte laurn mehr an sich haben. —
Der Herr Rath schien nicht guter
Laune zu sein, als er am anderen
Morgen endlich vor der Wohnung set
net Soldan staat-. Warum hatte
—
aber in der Eisenbahn schon sich so
heftig in die zu haltende Straspredigt
hinein gedacht — denndasz die ganze
Geschichte mit dem ewigen Rheunw
tismus Schwindel war, stand bei ihm
fest, dafür war er ja auch Student ge
wesen! So heftig hatte er sich hinein
gedacht, daß er urplötzlich seinem Ge
genüber mit aller Kraft auf denSchen
tel schlug und zornig schrie: »Aus
) ist’s mit dem Studium! Ein Bauer
wirst Du!« Was natürlich eine unge
miithliche Auseinandersetzung zurFol
ge hatte. Dem Herrn Rath war das
unangenean gewesen, unangenehmer
aber war es ihm gewesen, sich den ver
lockenden Anpreisungen des Agenten
zu entwinden, der, als der Friede wie
der hergestellt war, ihn absolut bei sei
ner Gesellschaft versichern wollte
Nun zog er die KlingeL Aengstlich
beinahe schaute er iiber die goldene
Brille zu den verschlossenen Fenstern
empor.
»Ist der Herr Candidat Bölte zu
Hausei«
»Zu dienen, Herr sit-« Mit einem
Hustenansall, der ihr das Blut in die
Wangen trieb, besann sich das Dienst
mädchen noch rechtzeitig. Jn der
Freude, seinen Sohn wenigstens zu
Hause zu wissen, bemerkte der Herr
Rath die Verlegenheit nicht
»Hier, bitte!'·
»Dante schon!«
Richtig, da stand es an der Thiirr.
— Papa Bölle klopfte. — — Keine Ant
wori. —- Er klopfte wieder und zur-«
dritten Male. ——— Alle-Z still. TE
Thüre war verschlossen.
»Fritz!"
Mäuschenstill
; »Fritz! So öffne doch, ich bin ef-,
I Dein Vater!!"
Drinnen hörte man etwas wie ein
zorniges Brumsnrn, und das arger
kiche Knarren eines Itunlega
»Aber Fritz — «
»Las-,t mich in Ruij ich muß arbei
ten. Jhr wißt docik,dt1ß ich nich
mehr zum Friihschoppen tornmek«
hallte es aus dem Zimmer-.
»Wart, wau,« bestätigte der Hund.
»Na, kennst Du denn Deinen Vater
nicht mehr?'« TaJii klopfte Papa
Bölie nicht gar zart wider die Thüre.
»Laßt doch die alten Witze! Jeder-.
Morgen die gleiche Comiidie, wird
langweilig!'« tönte es von drinnen, da
bei rappelte es, wie wenn Bücher
durcheinander geworer würden.
,,Fritz, ich sage Dir —«
»Aa, was-P
Btc ·2.t)Utc ward yesitg ausgerissen
» Vater und Sohn standen sich aus der
s Schwelle gegenüber.
; Fritz spielte seine Rolle wie ein aus
gelernter Schauspielcr. Papa Ratt-,
aber vergaß über dieser Stank-hastig
teit und all den Büchern und Heften
und Papieren, die im Zimmer umher
» lagen und ordentlich nach Fleiß rochen,
f Strafpredigt und Aerger. Vater und
Sohn begrüßten sich erstaunt und
herzlich. Zimmer-, Bücher, Alles wurde
angesehen, Grüße auf-gerichtet, erzählt,
gebeichtet teinige tleine Schulden na
tiirlich!) und Absolution ertheilt.
Arm und Arm wanderten Vater
und Sohn fröhlich zum Frühschoppen.
Mittags durfte Fritz die Chargirten
seines Knirps in’5 Hotel laden. Papa
Bölte wurde lustig und jung im Kreise
der Jugend. Studentengeschichten
und Anetdoten erzählte er aus seiner
Zeit; lachte und stieß an: ,,Pwsit,
meine Herren! !!! War- macht sie das
alte Herz doch warm, die sonnige Jus
gend, mit ihrer Begeisterung und ih
rem Unsinn, mit dem sprudelndenBlut
und der schwirrenden Klinge —— »O
alte Burschenhertlich—-s-« da brach er
plötzlich ab und stellte das Glas aus
den Tisch. ·
»Alter Esel!« brummte er in .den
Bart. »Ich denke, es wird Zeit, zur
Bahn zu gehen!« meinte er dann.
Mama und Tante Lenchen erwarteten
ihn natürlich voller Angst. Darum
wollte er auch heute Abend wieder nach
Hause·
Fritz begleitete den Papa nach dem
Bahnhosr. Mit vielen Grüßen bela
den stieg der herr Rath in ein Coupe
und machte es sich bequem. Er war
tatest-ja -
,,;Ftttz, Du disk wo yt auch er was
iniide von dem ungewohnten Leben
heute. Lege Dich ein Stündchen schla
fen, dann tannst Du noch arbeiten
heute Abend. Leb« wohl! Schreibe
etwas öfter als in letzter Zeit. Nimm
Dich in Acht vor Ertaltung.«
Fröhlich verabschiedete sich Frid.
Der Papa schaute ihm nach: «Toch ein
ftrarnnier Junge!« inurmelte er. Dann
» breitete er seine Reisedecte aus und
legte das kleine Ohrtißchen zurecht in
! die Ecke des Polster-. Er wollte schla
sen.
Daraus wurde aber Nicht-.
,«hter, meine Herren! Aber schnellt«
Mit diesen Worten riß ein Schasfner
im Augenblicke, als der Zug sich in
Bewegung sehte, die Thüre aus.
Zwei junge Studenten stiegen ein,
grüßten, und warfen sich lachend auf
das Polster «
«Guten Abend!« erwiderte der Herr
Rath freundlich. Er war heute gut
gelaunt gegen Studenten Damit
lehnte er sich wieder in die Ecke, und
schloß die Augen.
»Sind die Guestphalen nicht auch
nach Reutlingen gesptitzt2« fragte der
Eine der Studenten.
«J Gott bewahrel« meinte der »An
dere. «Böltes Alter ist ja da und
hat sie zum Diner geladen. «
»Das scheint ja ein recht vorsichtig
Mhlter Papa zu seini«
—
! »und wie! War auch dabei vkk
IAlte und tennt den Rummell Du,
T den haben sie aber auf einen furchtba
ren Leim geleckt«
Und nun erzählte der Student fei
nem Kommilitonen die Vorbereitun
gen zum Eint-fange des erzürnten Va
ters, die ganze Comödie, haarklein,
breit nnd behaglich!
,,Großartig! Das ift ja brillant!'«
lachte der Andere.
Brillant fand der alte Herr Rath
diese Aufklärung nicht. Es ward ihm
ungefähr zu Muthe wie Einem, dem
man im süßeften Schlummer ein Stück
Eis in die Hand gedrückt hat. Am
liebsten wäre er dazwischen gefahren
und hätte seine Wuth an den Studen
ten ausgelafsem Aber er hielt an sich.
Nur der schnaubende Athem, der ge
preßt durch die Nase ging und sich an
hörte wie das Pfauchen einer Wild
tatze, verieth seine Erregung
Der Zug hielt·
.,R-Neutlingää!« riefen die Schaff
net.
Immer noch lachend über die »löst
liche« Geschichte stiegen die Studenten
aus.
»Schafsner!« rief der herr Rath,
»Schaffner! Wann geht der nächste
Zug nach Tiibingen zurück?«
»Jn zwei Stunden.«
Herr Bölte nahm Gepäck und Reise
deete, stieg aus und setzte sich- auf den
Zug wartend, in den Saal.
»O Du liebes Herrgöttle," schrie
das Dienstmädchen in Fritzens Woh
J n-ung, als sie auf das heftige Klingeln
;da5 Hausthor geöffnet hatte. Wie
T festgenagelt starrte sie der Gestalt nach,
die fchnaubend die Treppe hinauf
teuchte und bemerkte nicht, wie der
Talg der Kerze ihr in dicken, weißen
Thränen über das Kleid tropfte.
»So bringen Sie doch etwas Licht!«
tönte es zornig aug- dem dunkeln Zim
mer. Dazu hörte man das Poltern
eines umgeworfenen Stuhles, verhal
tenes Fluchen, das- nervöse Knirschen
einer mißhandelten Zündholzfchachtei.
Aengstlich zaudernd tam das Mäd
chen dem Befehle nach. Jni Zimmer
sah es allerdings anders aus, als am
Morgen. Biicher und Hefte ——-—- Alles
verschwunden! Ein einsamer Cigars
renstummel trauert-, halb verborgen
in seiner Asche, auf dem Tische. Aus
der offenstehenden Fiommodenschubla
de quollen einige alte Korpsbänder
heraus-, grinsend in bunten Farben.
Aus dem Schreibtisch gähnte eine um
geworfene leere Siaarrentiitr.
,,Lllso so sieht das Nest aus inWirl
lichleitk Na dröhnend fiel die
schwere Hand auf das Pult, dasz die
Cigarrenliste erschreckt ibr offenes
Maul schloß und lopsiiber aus den
Boden tollerte.
Puftend rannte der Herr Rath fort,
an dem ängstlichen Mädchen vorbei,
das sich in die Ecke gedrückt hatte und
wie zur Abwehr das Licht vorbielt.
Erst die zugeschmetterte Hausthüre
brachte sie wieder zu sich.
Herr Bölle ging direlt nach der
Kneipr.
»Ach trenn die lieben Eltern wüßten
Der Herren Söhne große Notb!«
ballte der Rundgesang.
»Ein Prosit den Söngern!«
»Fiducit!«
»Prost Volle, schließest Du Dich
morgen wieder eink«
»Du hast doch die Fenster ausge
macht in Deiner Bude, sonst be
tornmst Du Albdriiclen von der Bü
cherluft!«
,,Laszt gut sein! Es war mir
schwumrnerig zu Muth! Von morgen
ab wird aber gestrebt!«
«Uije der Paulus! Gratuliren zur
s Belehrung!«
Alles lachte und rief durcheinan
der. . .
»Herr Volle, Herr Böllel Eben
lornnxt Jhr Herr Papa zurückl« So
rief der Korpsdienm der jetzt athern
los die Treppe hinausgerannt kam.
Er wies mit der Hand so heftig gegen
den Gang, daß die Deckel von allen
jBiergläserrh die er brachte, erschreckt
iausgesprungen und der befreite Saft
) schäumend irn Bogen sich ergoß, »eben
s als ich. . .«
« Vollendete lonnte er nicht.
Aus der Schwelle stand der Herr
Rath! ·
Das feurige. »Im-ne- uster-P beim
Gelage des Belsazar lonnte kaum läh
mender gewitlt haben, als dies plötz
liche Erscheinen.
Es war still geworden aus der Inei
pe, mänschenstict Nur «Caca«, den
Hund, hörte man leise bellen im Träu
men: »Wu, Wu.«
Der herr Rath sprach nichts.
Auch Fritz nicht; aber er war aufge
standen und wankte wie ein Hyperm
sirter der Thüre zu.
Dann gingen sie weg, Vater und.
Sohn, ohne ein Wort zu spre-’
n.———-—-—
! Am andern Morgen saß der Herr
Rath wieder im Coupe, aber er setzte
sich nicht zum Schlaer zurecht. Er:
schaute zurn Fenster hinaus-, finster-»
und drohend wie ein Sturms-hat«
Er hatte auch mehr Gepiick bei sichs
wie gestern. Zwei große Har:dkoffer’
lagen in dem Netze über dem andern
Sitz.
Da saßen aber nicht die lustigen
Stube-en von gestern, sondern ein
! recht trübe dreindlickender junger
i Mann, das weiche Hütchen tief in die
j Stirne gedrückt Mechantsch zählte er
»die Telegraphenftangen, an denen der
Zug vorbeiraste und warf schüchtern
—
nur manchmal einen schnellen Blick
hinüber, die Stimmung des Vasets
zu ergründen. Das Baeometer aber
blieb unverändert —- Sturm und Ge
wittert
Fritz mußte siir dieses Semester zu
Hause studiren da brauchte er sich
nicht einzuschließen vor den Verfüh
rungen der Freunde — —- —-— »
Alles lachte am runden Tische zu T
alten Post«, als de: Herr Justmthh
Bölte die Geschichte beendigt tratst-.
Und er lachte mit.
Es saß sich hier gemüthliclxer cis- da
mals im Eisenbahneoupe.
-—---.-«s—
Ein Hindcntentniiff i
Von Tr. tiiudei.
Tief gelnicit saß Studiosusz Bier
mijrder auf seiner Bude. dichte Rauch- e
wollen entquollen seiner langen Pfeife j
" und wehmüthig schweisten seine feucht
schimmetnden Augen iiber die vier »
sast kahlen Wände. Einen Augenblick » s
blieben sie an dem offenstehenden« lee
ren Kleiderschranl haften —- ein tiefer
Seufzer entrang sieh seiner Brus. und , i
er machte feinen Gedanken in den I»
trosttosen Worten Lust: »Nichts mehr s
zum Versetzen und doch ist heute «rsi
der dreiundzwanzigste!« Nein, WH(
war nicht zum Aushalten, noch seht
Tage.... ohne einen lHeller bauten
Geldes aufzubringen, das ist mehr als X
ein Mensch und noch dazu eine dursrize »
Menschenlehle ertragen lann, selbst
wenn die Wirthin einen noch so tin-:
ralen ,,.Hauspump« eröffnete. Daben
wagen es noch die Manichiier, sich see-« (
- sönlich bei ihm nach dem Stande seiner
Finanzen zu erkundigen und selbfs ein ;
Gerichtsvollzieher hat sich gestern
blicken lassen! Sinnend stiitzt er scin
Haupt und läßt alle anpumpunisiiitsi
gen Freunde vor seinem geistigen An Je
Revue passiren Plötzlich hellen iicti Ei
seine Hüge aus nnd er durchmiszt it
großen Schritten sein Zimmer ,..lii di
rig« , murmelt er vor sich hin, Irr
lann helfen, muß ja schauderlsast
Draht hab-M Vor kurzem hatte er
in einer befreundeten Familie einen is
Plilister von jenseits der großen lisi itze
tennen gelernt, der an dem lusti ,e:i
Studenten aroszen Gefallen gefunden «
und dies unverkohlen zum Ausdruck
gebracht hat. Es war zwar nicht fein-,
Jemand nach so kurzem Bekanntscin i
bereits anzugriinden, aber Noth tesny
lein Gebot und in lanm zehn Ilsinntint
war ein tadelloser Brandbrief ier in.
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zinsei ignge Tage Dergingisn Um
wenig nngxncinien Träumen «::m" «
iel: Lag unser Freund in LUicirpxzeniV
Armen, als kräftig »in seine This Ie
tirpit wurde Unk- zugteich Pis, rich. eini
u Seiten geixiårte aber trot)«oeiii its-J
isssi annte T- sisnnie erscholl: »Ze: tssik
isicitriiger« . sinnig wie eine - ic-.«t«iis:
tnisciite unser Etuoiosug aus- Teix TI-:
den-, uni den Riegel von bez- Iiiir
speist-schieben, ieinui ikaite er isjizx Lt «:
nieder erreicht als euch s(«i«,«.«:.; «k-.«
Liiiieftri ger eintri: und nass«i).r.·..t1ksisxi
eixer Ltenriiiiun g init Der-. Worten ,..» : s. «
dert «.U-Iart« Einfiitzsk Das Hielt-s arti iz
Tisch .-",u ziiikien Er lernt iiioiti,; itzt-Ese
iicls jetzt Bieriniirtskr in feinexxi «L«.:«:,,
nnd Vor seinem geistiqen Auen l; Cis re
nil Den ersten Hersiensnii Heini-. . »Hi
ten, den er sich siir das Mein t.:.!i:-«:
Lnknte. Tod-U wag ist dag? Zieht er
lisespeniierf Zum zsoeiteinnnik ists t -
Hirn ·:ie Ztiiirrs nnd iserein tritt »s»
Oserichisxvoilzieiicr. Mit Der ins-:
Leuten eigenen tiieisteszseaethscirx i- sey
schaut er Die Situation tritt gti
Tiim zu und- Vetcgt die GeszeHDH —»
mit Vesctxlig Unser Freund Lin :«s:
is n: it leiden Lwertheg Bild. Zins-:
wollte er sich in das mehr ai« sei-? s
Geschick iiigen und den Mann Ork: Tiin
setzes bitten iinn wenigstens Fee-W
Theil zu beicissen, da schoß ptöiz iiin n
qenietler Gedanke durch seinen öiipi
«Halt,« ei es er dein GerichtR sin l! ,i-.
ier zu, ,,tvie können Sie fid: ni: ire ;
bem Gelde vergreifen ich habe iil.s-e:
Dentkmpsnng noch nicht auitiiri, Bri» i "
träger ich verweigere die Annal l:;n - III
(·ijeldeg.«
Verdutzt sehen sich Briesiriigei i: in
Gerichtövoiiz sie «er an, so etinaL :.-.r ils
neu in der Praxis doch noch nich. nor- T
gekommen Aber, trog half es! Tit-.
Posnnensch strich das Geld wie-Der eils,
versah die Anweisung init der Lie::s«r
tunq »«tlnnc«inne verweirer :t!« unk- Ist
Gewqu vcli jeher mußte griinnii.. ib
,;,iel;en, non Vierinördetg schabcnsroi .i
Lachen verfolgt. Kaum hatten iZIiL
iscisj Haus v;:"tgisen, ixg frisliiisit ·.·.-««e
Freund schnell in seine stleiiier. e-!i
zur Wohnung hinaus nnd sclsiiigz Dez
Tkiiii nach dein nineriinnisciten t
oniel ein. Dieser imr ausnigg«s .i..c
die sriiixe ;- ijr ina zwar etwa-: nee
mnnrseri nie iisrn aber Pic rinöriser id- -:i
lsirunb seine-.- Jtoinmeng aussehn-eiser
aesetrt i:,gtte stim nte er zuletzt ink. essen
seöiyliches Lachen aus vollem Lik .«I,en
ein und kaum siinszehn Minuten spei
ter verließ Viermörder feinen neuen
nyreund mit einein iooiiigeiijiejien «;’:..
temonnaie Er sorgte natüriich dafür.
daß sein genialer Knisi möglichst W is «»«
in Studentenireisen b: innnt iknine
und hatte einen die Genugthzn:::s.«, »Is
man seine Geriialitöt anerkannt
-—— Ein guter Grund. Mei
ster: »Was lausst denn, Stiman »s
Lehkbube: »Die Meisterin will mi
hau’n, sie hat l)eul’ wieder ihren Tag.«
— Be : fe i ne r t. »Hm Time
Tochter in der Stadtpensivn aucu kiiae
feine Bildung bekommen «?« »san«-:
lich, das ganze Haus hat sie schon Ia
mit angesteckt Früh-r wurde bei uns
gekocht und gebraten. jeßt wird alles
zubereitet«