Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, October 22, 1897, Sonntags-Blatt., Image 9

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Sonntags - IT
Betlage des »Anzeiger und Herolds
q-»
J. P. Wiudolph, Herausgeber
Grund Island, Nebr» den 22. Oktober 1897
—
No. 7, Jahrgang 18.
Zwei Brüder-.
Deutsctxsslmerilanische Erzählung, von W.
v. Schierbrnnd.
Es ist sonderbar, wie verschieden in
Allem oft die Söhne derselben Eltern
sind. Aber solche Fälle sind zahlreich
»genug, daß wahrscheinlich ein Jeder
'sich auf dergleichen erinnern kann.
Walter und Paul Mündner waren
solche Brüder. Jhr Vater stammte
aus Deutschland und hatte sich im
westlichen Texas eine Ranch getauft,.
woselbst er eine lange Reihe von Jah- ?
ten wie ein Einsiedler, fern von allens
Zeichen der Cultur, und nur daraqu
bedacht, die Ranch allmählig in blü
henden Zustand zu bringen und seine
- zahlreiche Familie einst in Wohlstand
uriickzulafsen, lebte. Mündner war
.- indeß ein Mann von Bildung —- einer
s jener deutschen ,,lateinifchen Farrner,«
wie deren heute noch im weiten Gebiet
der Vereinigten Staaten hie und da
anzutreffen sind, und die geistige Iso
lirung, die er sich selbst auferlegt hatte
" nnd die er mit eiserner Consequenz
durchzusehen wußte, fiel ihm doch, am,
meisten aber in den ersten zehn Jahren
recht schwer. Damals hatte er sich
angewöhnt, in seinen Briesen in die
Heimath von seiner Besitzung im rau
hen, wüsten Texas, wo nur Cowbohs
und Jndianer manchmal etwas Ab
wechselung in die Seenerie brachten,
als seinen Patmos zu sprechen. Und
bei allen handgreiflichen Nealitäten
seines einsamen und rauhen Lebens
blieb der Mann doch ein dedealist sein
ganzes Leben lang. Die s reiheit, die
Unabhängigkeit in politischer Hinsicht,
ein Leben srei von allen Heucheleien
und Conoentionalitäten des europäi
schen Continents, das hatte er gesucht
hier im fernen Westen Ameritas, und
das, so betonte er immer wieder, wenn
« ihm die Erinnerung an eine glückliche
Jugendzeit und an die goldenen Tage
seiner Burschenherrlichteit in der Seele
auftauchten, hatte er auch wirklich ge
funden. Freilich. gestand er sich ins
geheim, hatte er damit noch nicht das
Glück gefunden-. Sein Weib, die
Tochter eines Pächter-s in der ostpreus
szischen Heimath, war ein geduldiges,
starkes Wesen, die nie den Muth verlor
und sich ganz wohl fühlte auf ihrem
eigenen Grund und Boden, wo die
Wiege ihrer Kinder stand.
Dem Vater nach war der älteste
Sohn gerathen; Walter barg auch im
Grunde seines Herzens denselben un
auslöschlichen Jdealismus, dieselbe
stählerne Willenstrast, dasselbe starke
Pflichtgefühl, das den Vater auszeich
nete. llnermiidlich lernte er — ..... Abends
strengte er seinen jugendlichen Verstand
aufs Aeuszerste an, um soviel Kennt
nisse wie möglich zu sammeln, und da
bei war er schon als Knabe die ver
läßlichite Stütze auf der Rauch, der
tiihnste Reiter, der beste Schütze der
Umgegend. Paul, der zweite Knabe,
war ganz das Gegentheil. Doch von
ihm später. Mit 18 Jahren war Wal
ter, der zum schlankem lräftigen Jüng
ling herangewachsen, im Stande, die
strenge Ausnahmepriisung in West
Point zu bestehen. Denn sein höchster
Wunsch war von jeher gewesen, in die
Bundesarmee einzutreten und als
tüchtiger foicier sich seinem Vater
lande in den künftigen Kämpfen mit
den Jndianern nützlich zu erweisen.
Es blieben noch genug Kinder aus der
Ranch zurück, sagte er. Einige Jahre
später, als er Lieutenant im 8. Caval
lerie - Regiment geworden war, zeich
nete er sich auch schon mehrfach bei ei
nem Winterfeldzug gegen einen räube
rischen Stamm der Apaches aus, der
die Reservation verlassen und Tod und
Verderben bis zur mexitanischen
Grenze hin verbreitet hatte. Walter
liebte seinen Beruf, trotzdem er be
schwerlich und wenig lohnend war, auf
enthusiastische Weise, und sein Ruf als
tüchtiger und tapferer Soldat stand
bald bombensest. Mit 25 war er schon
zum Grade eines Ersten Lieutenants
avaneirt und halte mehrmals ehren
volle Wunden davongetragen.
I I s
Da besuchte er seine Eltern aus der
Rauch und fand seinen jüngeren Bru
der Paul in ziemlich verwahrlostem
Zustand. Paul tlagte über das öde,
einförmige Leben aus der Rauch, und
Vater und Mutter klagten wieder über
ihn, daß er träge, eitel und zu Nichts
zu gebrauchen sei. Walter, der acht
Jahre älter war, nahm den Burschen
vor, und aus PauPs Drängen ber
svrach er, sich seiner anzunehmen und
ihm eine Existenz in der Armee zu er
obern. Jn der kleinen Garnisons
stadt, die mit dem Fort verbunden
war. wo Walter sich befand, steckte er
ihn in die beste Schule und ertheilte
ihm außerdem noch selbst Privatunter
richt, um ihn lo fiir West Point vorzu
bereiten, denn er sand Paul’s geistige
Fähigkeiten sehr vernachlässigt. Aber
der ältere Bruder hatte von Anfang an
die größten Schwierigkeiten mit dem
Jüngeren. Allerdings besaß Paul,
wie fein Brut-er, eine ausgesprochene
natürliche Gabe tiir jede Art von tör
perlicher Uebung, und tn Fort Hut-chin
son war er unter den Damen bald be
kannt als der eleganteste Tänzer und
der seurigste Courmacher, und unter
den Männern als ein vorzüglicher Rei
ter, Schütze« Jäger Und Schwimmer.
Dabei hatte ihm die Natur auch noch
besonders bevorzugt in seinem Amse
ren. denn er war entschieden ein sehr
stattlicher, hübscher Jüngling. Indes
sen war ihm jede anstrengende geistige
Thätigteit zuwider, und er hatte weder
Pflichtgefühl noch sonstige ernste Tu
genden. Es war mit Noth, daß end
lich Walter seinen Bruder, der aus
Bermittelun desselben Congreßmjt
glieds eine acanz in West Point er
halten hatte, in die Militäracademie
ausnehmen lassen konnte, und auch
s während der Studienjahre daselbst
s zeichnete er sich durch ungewöhnliche
s Trägheit aus, obwohl er trotz alledem
J zu den beliebtesten Cadetten zählte,
denn sein Wesen und seine äußeren
I Vorzüge waren eben zu bestechend
s Walter selbst hatte, trotz aller Eharal
: terfehler seines jüngeren Bruders-, die
! seinemScharsblick natürlich am wenig
i
sten entgangen waren, eine beinahe
Franthaste Zuneigung, eine beinahe
mütterliche Zärtlichkeit sür ihn gefaßt,
- und von seinem Gehalte wandte er,
- bis Paul endlich seine Ernennung als
» Osfiecier erhielt, mehr siir den Bru
der als für sich selbst aus.
Als Paul nun endlich seine Ernen
nung hatte und in dasselbe Regiment
mit seinem Bruder lam, da bestrebte
sich Walter wieder, wie er’kz schon vor
Jahren gethan, einen tüchtigen und
geschickten Menschen aus ihn zu ma
chen. Aber Paul wollte von dieser
brüderlichen Bevormundung nichts
wissen. Er war jetzt erwachsen, um
halbe Kopfesliinge größer als der Ael
tere, und da die Dankbarkeit nicht zu
seinen Vorzügen gehörte, so wies er
jeden Rath, jede Ermahnung mit
Spott und Hohn zurück. Er zog es
vor, der gesellschaftliche ,,Löwe« des
Regiments zu sein, den jungen Damen
sänimtlich die Köpfe zu verdrehen, und
seine übrige Freizeit auf angenehme
Weise zu verbringen. Nur wenn er
wieder einmal im Pater mehr Geld
auf Parole verloren hatte, als er sein
nannte, lam er zu Walter und bat um
Hülfe. Und dieses wurde ihm von
dem gutmüthigen Bruder auch jedes
mal gewährt. Es tamen Monate vor,
während der Walter namentlich von
»in-Hi tin-k« und Maissladen lebte,
nur um die Spielschnlden seines leicht
sertigen jüngeren Bruders bezahlen zu
können. Wenn er dann aber dein
Letzteren ernst in’g Gewissen zu spre
chen versuchte, so lachte dieser nur aus
seine halb freche, halb liebenswürdige
Manier und vertröstete seinen Bruder
aus die Zukunft. »Ich bin nun ’nial
so, Du mußt mich eben nehmen wie ich
bin. Später, wenn ich in die Jahre
komme, werde ich schon vernünftiger
werden« So sprach er dann, und aus
diese Weise waren zwei Jahre vergan
gen.
.- sss st
Oft schon hatt: Paul geklagt iiber
das langweilige Garnisonleben, und
hatte den Wunsch betont, den Krieg
auch endlich einmal im Ernstfalle ten
nen zu lernen. »Dann wirst Du sehen,
Bruder, daß ich den richtigen Stoff in
mir habe,« hatte er wiederholt bei sol
chen Gelegenheiten bemerkt Und sein
Bruder hatte ihn dann ernst angeblich
hatte den Kopf etwas zweifelnd ge
schüttelt und hatte nur erwidert: »Ich
will’g hoffen, Paul, ich willUZ hoffen,
zur Ehre unseres Nainen5.«
Und nun war endlich die Gelegenheit
nett-innrem Die Apaches hatten sich
wieder einmal auf den Krieggpsad be
geben. Den directen Anlaß zu ihrer
Erhebung hatten natürlich die Betrü
gereien der Jndianer - Contractoren
gegeben, die zu viel Sand in das ge
lieferte Mehl und zuviel Shoddy in
die gelieferten Wolldecten gethan hat
ten. Und jetzt hausten die rothen Teu
fel wieder wie es ihre Väter schon vor
ihnen gethan « der unschuldige An
siedler, der Nancher und der friedliche
Bürger wurden beraubt und ermordet,
und Ontel San« Soldaten mußten
gegen die rothhäutigen Hallunten in’5
Feld rücken. Eine Schaar der Jn
dianer hatte sich. wie die Aundschaster
ermittelten, nach dein westlichen Texas
geschlagen, wo sie in San Geronimo
County, demselben wo die Mündners
Rauch lag, wie die leibhaftigen Sa
tanstinder hausten. Und dem De
tachement, das unter Major Kimberley
dorthin den Jndianern nachfolgte,
wurden auch die beiden Brüder mitge
geben.
Dies war aber die Gelegenheit, aus
die Paul so lange gewartet hatte, um
sich Lorbeeren zu holen. Galt es doch,
die Heimstätte der Eltern zu schützen
und die Niedermehelung Unschuldiger
zu ahnden. Und Paul suhrte während
der ersten 50 Meilen, die zu Pferd bei
glühendem Sonnenbrand zurückgelegt
wurden. noch die heftigsten Reden und
sehnte sieh darauf, mit dtn Apachen
Ahtechnuna zu halten. Sein Bruder.
der ruhige, eiserne Walten der den
Jndianertrieg kannte, sagte nicht viel,
sondern that nur seine Schuldigteit in
vollem Umfange. Und als die Truppe
in die Gegend lam, wo die Jndianer
sengend und brennend gehaust hatten,
als man die rauchenden Trümmer ein
geäscherter Gebäude sah und die grau
sam verstümmelten Leichen der Ermor
deten, da war wieder Paul derjenige,
der sich vor Wuth und Kampfeseiser
nicht lassen konnte, während die älte
ren, erfahrenen Officiere nur schwei
gend und mit düsterern Feuer in den
Augen die Stirn runzelten. Aber der
nächste Tag verging und der nächste,
und von den rothen Unholden war nir
aends eine Spur zu entdecken. Sie
waren wie vom Erdboden geblasen.
Und endlich mußte sich Major Rim
berley schweren Herzens entscheiden,
den Befehl zum Rückweg nach dem
Fort zu geben, denn man hatte augen
scheinlich die Spur verloren. So
ging’g denn mißmuthig und langsam
wieder zurück. Und als man nur noch
einen tnappen Tagesmarsch bis zum
Fort hatte und Abends bei Sonnen
untergang sich gerade anschickte, einen
Enavaß zu durchreiten, um jenseits
desselben auf günstigerern Terrain pag
Lager siir die Nacht aufzuschlagen, da
waren plötzlich die Jndianer da. Zu
beiden Seiten der steilen Abhange wa
ren sie, geborgen hinter Bäumen nnd
Felsblöckem und die erste stunde, die
die Truppen von ihrer Nähe hatten,
war ein Kugelregem der auf sie herab
saufte und drei der-Krieger leblos hin
streckte.
Es war dunkel, und die einzige Rei
tnng, wie Maer Kimberley ganz rich
tig bemerkte. war darin, im Engpaß
zu bleiben. Deckun zu suchen, und bis
zum Anbruch des Tageslichts sich pas
siv zu verhalten, das Feuer von oben
nur sparsam zu erwidern. Diese An
ordnungen wurden auch bestens- aus
geführt, und die Officiere und alten
llnterosficiere schritten vorsichtig das
Terrain ab, um den Befehlen des
Commandirenden Nachdrucl zu verlei
hen. Plötzlich kam einer dieser Pa
trouillen, die ans Walter, einem jün
geren Osficier und dem alten Sergeans
ten Muldoon bestand, auf den jüngsten
Lieutenant, aus Paul. Es war kein
Zweifel möglich. Alle drei hatten sit-I
zur selben Zeit erblickt. Der junge
Mann lag der Länge nach hinter einen
umgesallenen Baumstamm auf der
Erde ausgestreckt; ein oorspringendeg
Felgstiiit schiitzte ihn gegen die Ge
schosse von oben, aber die wahnsinnigste
Furcht sprach sich doch aus in den
jugendlich-hübschen Zügen, die er mit
der Hand halb berdeckt hatte, um den
Schrecken nicht sehen zu müssen.
Walter erbleichte bis an die Haar
wurzeln und einen Moment schwankte
seine kräftige Gestalt Sein Kamerad,
der jüngere Officier, wandte sich schnell
um, als habe er nichts gesehen, und der
alte Sergeant blictte nur schnell auf
seinen Vorgesetzten, um dessen Mei
nung aus den Au en zu lesen. Aber
Walter zögerte nicht einen Moment.
Mit zwei Schritten stand er an der
Seite des Feiglings. Er legte ihm die
Hand auf die Schulter und sagte in
ruhigem, militärischen Tone: ,,Lieute
nant Mündnen melden Sie sich sofort
bei dem Commandirendcn, Major
Kimberlen Jch werde über Ihren Fall
Bericht erstatten.«
Damit wandte er sich ab und ging
die 100 Yade lange Strecke des Enge
passe-H wieder zurück, wo er den Major
aetasfen hatte, und dem machte er feine
Meldung in festem Tone. Aber dann
trat er hervor, mitten in den Pfad, der
den Engpafz durchschnitt, wo das
Mondlicht strahlte, und blitzschnell
hatte er sein weißes Taschentnch her
ausgenommen und es über die Brust
ausgebreitet Und die Aparhen da
oben hinter ihren Schlupftvinteln sahen
diese Scheibe deutlich im Silberlichte
des Mondes glänzen, und eineSecunde
später erschollen gleichzeitig 4 Schüsse.
Zwei davon hätten schon genügt, denn
mit zerschmettertem Kopfe Und durch
schossener Brust fiel Walter Mündner
vorwärts auf die Steine.
Die Ehre des Namens war gerettet
—- R i ch t i g e k. ,,A.: »Was sagst
Du zu dem aestrigen Benefizadend des
Schauspielers S?« —— B.: »Ach, das
cvar ein ——— Maiefizabend.«
-—- Verschnnppt. Gast tim
nisch): »Von welchem alten Gaul rührt
denn dieses Beefsteak her?« —-— Wirth
(eilig): »Bitte seht, das ist sogar ein
Fällen gewesen!«
s—-- Ein Verfolgter. «Jl)re
Schwiegermutter verfolgt Sie wohl
auf Schritt und Tritt?« »Ich sag’ JO
nen, wenn ich in einen Abgrund fiele
—- die stürzte sich mir nach!«
—- J m The a te r· Herr: »Bitte,
ersuchen Sie Jhre Frau, den Hut ab
zunehmen, da ich nicht auf die Bühne
sehen kannt« —- Gatte: »Erfuchen Sie
sie selbst, ich trau’ micht nicht!«
Yeporterpliantafla
Von Wilh. Rullmann.
Das war wirstlich eine ganz merk
würdige Geschichte. Eines Tages er
schien nämlich in der ,,Leuchte von
Vernunft« eine von John Stewart,dem
Editor, gezeichnete Notiz, die folgen
dermaßen lautete:
»Wir bedauern es aufrichtig, daß
unser vollständig nach seinem Werthe
geschätzter Redaktionscollege War-d
seine Beziehungen zu unserem Blatte
gelöst bat und wir geben zugleich der
Hoffnung Ausdruck, daß dieser ehren
werthe Herr recht bald eine seinen
Talenten entsprechende Stellung als
Kohlenbrenuer, Stiefelputzers, Kamm
feger oder Bahndammausbohrer sin
den möge.«
An demselben Vormittag, an dem
diese Notiz in der »Leuchte der Ver
nunft« erschien, begab sich der Editor
in das Reporterizimmer seines Jour
nals, wo er die beiden Hauptreporter,
die Herren Richard Lowe und Harry
Harrisson, bereits bei der Aribeit fand.
Sie waren damit beschäftigt, einen
Brand zu beschreiben, der in der Nacht
ein Haus- in Detroit eingeäschert hatte
und während Harry Harrison die
Entstehng und den Verlan der
Feuersbrunst schilderte, war Richard
Lowe, dessen Stärke die pbantasievolle
Ausschmiickung der Thatfachen war,
die Aufgabe zugefallen, die Episode
von deo Rettung eines schlafenden
Kindes zu schildern, das ein braver
Feuerwebrmann von Detroit, dessen
Bescheidenheit sich die Nennung sei
nes Namens ernstlich verbeten hatte,
mitten aus den Flammen herausgeholt
hatte.
»Meine Herren«, sagte der Editor
hier· zu seinen beiden Mitarbeitern, in
dem er, wie es seine Gewohnheit war,
mit raschen Schritten im Zimmer auf
und abging, »Sie wissen, daß nach dem
so schmählichen Verduften dieses Lum
pen Ward die Stelle des Politikers im
Büreau meines Blatteg zu besetzen ist.
Nun wohl, meine Herren, ich babe be
schlossen, diese Stelle, die mit einem
monatlichen Einkommen von 1()0Dol
lars dotirt ist, einem von Jhnen bei
den zuzuweisen«. . .
Die Here-en Richard Lowe und Har
ry Harrison erhoben den Kopf etwa-E
und richteten die Blicke mit dem
Ausdruae begreiflicher Neugierde auf
ilsren Chef, der folgendermaßen fort
fuho: «
»Jarool)l, meine Herren, einem von
Ihnen beiden und zwar Demjenigen.
der mir tiinrxn einer rStunde, also bis
11 Uhr, eine Lokalnotiz liefert, die
geeignet ist, in Detroit einiges Aufse
hen zu machen Denn bei einem Jour
nalisten kommt es nicht blos darauf
an, etwas Gutes zu liefern, daH dem
Geschmeide der Lesen zusagt, er muß
auch die Gabe besitzen, dass Gute rasch
zu liefern und sich den Augenblick
dienstbar zu machen. Also binnen ei
ner Stunde, bis 11 Uhr! Und nun
machen Sie sich an die Arbeit!«
Als der brave John Stewart wie
der derschwunden war, sahen sich die
beiden jungen Leute an und lächelten.
Mr. Lowe ziindete sich eine Eigarette
an und nalidem er eine Zeit lang sin-v
nend den Manch mit seinen Blicken
Verfolgt baue-, der durch das offene
Fenster seinen USE-g in dass Freie
fand, sdxrksb er r.:si:) die folgenden Zei
len nieder
»Ja-J wieisknxste ExirenamitteL
tsin Senior-im das ««,u oiel Durst
hatte.
Ein Hut-) in der t,5·rdc.
»Tai teirtsaniste ZdrexxgniittcL disk
Illig-is iibertriss:, mai- menschlicher
Zitkarssinn und tssriintntnaggeist aus
diesem Gebiete geschaffen, ist das von
unserem Mitbiirger Charleg Bldom
erinndene und nach ihin benannte
Blnomit, dessen Voriiiae tiirzlich in
unserem Blatte nach Gebiihr gewürdigt
wurden. Als Beweis dafür diene sol
gende wahrhafte Geschichte, die sich vor
einigen Tagen an derlttrairiie du Chien,
wo an der neuen Bahn Sprengarbeisi
ten vorgenommen werden, sugetragcn
haben soll. Der Bauunternehnier
hatte einige Fässer Blooinit in einer
tirdhöhle verborgen, aber eines- Tages
lief-, ein Arbeiter die Thiire offen ste
hen, die zu diesetn Verftecke führt, nnd
ein Schwein, das gerade des Weges
kann leckte an einein offenftehenden
Fasse ; und da dieses flüssige Spreng:
mittel dem vielleicht Syrup beige
mischt ist? —— die Eigenschaft hat, sehr
fiisz zu schmecken, so trank es sich
schließlich voll. Hieran gerieth es in
einen Stall, in dem ungefähr vierszig
dem Unternehmer gehörige Pferde
standen. Das Schwein trieb sich zwi
schen den Beinen der Gäule umher,
bis eins derselben ihm einen tüchtigen
Schlag mit dem Huse des rechten Hin
terfußes versetzte. Jnfolge dieer ge
waltsamen Anftoßes ging die Geschichte .
los, das Schwein explodirte und weder
von ihm noch von den Pferden hat
man jemals auch nur ein Stückchen er
blickt. Wo fich der Stall befand, da ift
jetzt ein ungeheures Loch in der Erde
Von 100 Yards Umfang und 50 Yards
Tiefe.«
,,Sehn gut«, fagte Mr. Stewart, als
er diesen Bericht über die Wirkung des
Vloomit gelesen hatte. »Nun werden
wir sehen, was Harry Harrifon uns
liefern wird. Wo bleibt er denn, der
kleine Harrison? Er hat nur noch
zwanzig Minuten Zeit.«
Der- kleine Harry Harrifon faß um
diese Zeit noch immer an feinem
Schreibpult und kaute an feinen Nä
geln, wie es feine Gewohnheit war,
wenn er etwas zu schreiben hatte und
wenn ihm nichts-« Gefcheidtes einfallen
wollte. Wie follte er c-« anfangen, um
als Sieger aus dieser Concurrenz her
vorzugehen? Wie sollte er überbieten,
was die Einbildungskraft und die
jourinalistifche Fixigteit seines Collegen f
so schnell zu Papier gebracht hatte N
Er sann nach und fand nichts. Undj
doch, wenn ihm eine gütige Laune des i
Schicksals diefe wohldotirte Stelle in
den Schooß werfen würde, dann hatte»
er ja, was er brauchte, um ein Weib
und allenfalls auch noch ein Paar Kin- -
der zu ernähren; dann konnte er vor
den Vatev feiner geliebten Kitty treten
und -..«.. —-,.
Da sah er auf einmal das süße liebe
Kind vor seiner träumenden Seele, wie
sie ihm die Hand zum Abschied reichte,
mit einem gar traurigen Blick, und wie
er doch lächeln innsxte, als er in ihrem
blonden Haar die blaue Feder be
merkte, die dort von ihrem Hute zu
rückgeblieben war. Und dann dachte
er an die harten Worte. mit denen ihn
turz vorher Thomas Slater, der Va
ter der schönen Kitty, abgewiesen hat
te: »Was- haben Sie, ein junger
Mann, dev noch nichts hat, der Toch
ter eine-J Mannes zu bieten, der bald
nichts- mehr haben wird?« Ja, ja.
Papa Slater ging es nicht zum Besten,
denn das Bier, das er braute, wollte
Niemand trinken, und die Garten
wirthschaft »Zur schönen Aussicht«,
die er im Foijhsahr eröffnet hatte,
zählte wohl einige hundert Bänke und
Stühle, aber das Unglück war, daß
Niemand darauf Platz nehmen wollte.
An Alles dies dachte Harry Ham
son in diesem Augenblick. Und immer
und immer wieder hatte er dasselbe
Bild vor sich: das reizende rsosige Ge
sichtchen von schön Kitty, das jetzt et
was bleicher war, als- gewöhnlich, und
die blauen Augen, in denen eine Thra
ne schimmerte, und das blonde Haar
mit der» blauen Feder. . .
Und dann tam auf einmal etwas,
überraschend wie Humor der Verzweif
lung, und mit fliegender Hast schrieb
er folgende Zeilen nieder
Das schönste Mädchen.
Kitty mit der blauen Feder.
Der Traum eines Neporter«s.
»Wenn der wohlgeneigte Leser das
schönste Mädchen im Lande sehen will,
das zugleich die größte Merkwürdigkeit
unserer Stadt ist, so suche er gegen
Abend, wenn die Arbeit des Tages ge
than ist, den Biergarten »Zur- schönen
Aussicht« auf, wo Mr. Slater das von
ihm selbst aebraute Standard - Bier
verzapft. Mr. Slater nennt das
schönste Mädchen, die blonde Kitih,
sein eigen, das zugleich die größte
IJLerslwiirdigteit unserer Stadt ist.
Denn der Natur hat eg gefallen, dieses
holde achtzehnzährige Kind nicht nur
mit allein Reizen des Leibes und der»
Seele zu schmücken, sie bat auch in ei
ver ihrer Lannen, welche die Wissen-«
sxltaft zu ergründen nnd die Poesie zu
deuten Vermag, ibr wunderlicheg Spiel i
mit diesem Mädchenloxs getrieben, den i
sie auch mit soviel Lieblichkeit ge
schmückt l):1t. Auf dein Scheitel deg
selben entfaltet sich nämlich an jedem
Morgen, sobald die Sonne ihre Kraft
übt, mitten aug dein Gewirre der
blonden Löckchen ei::e zarte flaumarti
ge Feder, deren Gran bei fortschreiten
dem Tageilicht bellere Farben an
nimmt und um die Mittagiszeit in ein
ziemlich dunkle-«- Blau übergeht. Ge
gen Abend bleicht die Feder wieder nnd
sobald die Sonne untergegangen ist,
löst sie sich aus und fällt von dem schö
nen Haupte ab, auf dem sie eine so
seltsame Zierde bildet. Die größtens
dieserFedei-n,von denen man schon eine i
stattliche Anzahl gesammelt hat, sind
einen, die kleinsten ungefähr einen hal
ben Zoll groß. Wie loir hören, tref
sen morgen zwei Mitglieder des New
Yorker Wissenschastlichen Clubs hier
ein, um diese ganz einzige und gerade
zu beispiellose Merkwürdigkeit unserer
Stadt zu besichtigen.« «
»Hm!« meinte der» Editor, als er
das Elaborat des Herrn Harrison ge
lesen hatte. »Nicht übel! Aber man
wird sagen, daß in der »Leuehte der
Vernunft« eine faustdieke Lüge zu le
sen war.«
Es wäre nicht die ersste —.dachte
Harry Harrison, aber er hütete sich es
zu sagen. Er sagte überhaupt nichts,
sondern er deutete auf die letzte Zeile
der Uebevschrift seiner Notiz. wo zu
lesen war: »Der Traum eines Bevor
ters«.
»Ah so!« sagte der Editor. »Sie ha
ben das Alles nur geträumt! Und der
Leser wivd das übersehen, wie ich es
übersehen habe. Nicht übel! Oh, Sie
sind ein geriebener Bursche, kleiner
Harry!« -
Am anderen Morgen erschien in der
»Leuchte den Vernunft« die Notiz über
das Schwein, das den übermäßigen
Genuß von Bloomit mit seinem Leben
zu bezahlen hatte und das noch 40
Pferde mit sich in das Verderben riß.
Man sprach ziemlich viel über den selt
samen Vorfall, aber man hielt ihn
nicht siir eine Thatsache, sondern für
die Erfindung eines rellamebedürfti
gen Fabrikanten, und so blieb die er
wartete Wirkung aus. Von der
,,Leuchte der Vernunft« wurden nur
etwa 80 Eremplare mehr als gewöhn
lich abgesetzt; immerhin ein Erfolg,
der sich jedoch in bescheidenen Grenzen
hielt.
Ganz anders war die Wirkung,
welche die kleine Geschichte von dem
»Mädchen mit der blauen Feder« hatte.
Sie fiel wie eine Bombe unter das
Publikum und richtete besonders in
den Köpfen der Frauen, aber auch un
ter der männlichen Jugend die stärk
sten Verheerungen an. Ein junges
hübsches Mädchen, dem jeden Tag eine
blaue Feder auf dem Kopfe wuchs, die
am Abend wieder abfiel, wie ein wel
leg Blatt, —— hatte man je so etwas
gehört?
Aber ob wohl die Geschichte auch
wahrscheinlich, — fragte man sich
Nun, man konnte sich ja durch den Au
genschein überzeugen. Und am Nach
mittag pilgerte Alles nach dem Bier
garten des Brauers Thomas Slater
und man beeilte sich, früh genug hin
zukommen, ehe noch die Feder abgefal
len war. Aber die schöne Kitty war
nicht zu sehen, denn sie wars krant uuid
laa zu Bette. Und so oft man den
Vater nach seinem Töchterchen fragte
und sich nach der Größe erkundigte,
welche die Feder des Tages erreicht
hatte, brummte Thomas Slater vor
sich hin: »Dummes Zeug! Sind die
Leute denn alle verrückt?« Am nächsten
Taae aber, als er sah, daß sein Gar
ten wieder mit Gästen gefüllt war, gab
Ir ausweichende Antworten und erklär
te mit einem Seufzer, daß sein Töch
terchen »in den Federn« stecke, weil sie
krank sei.
Aber bald genug kam der Tag, an
deni die schöne Kitty wieder gesund
wurde. Denn nun war Folgendes ge
schehen: die Nummer der »Leuchte der
Vernunft«, in welcher die Notiz von
dem Mädchen mit der blauen Feder
erschienen war, hatte reißenden Absatz
gesunden und in Folge dessen hatte
Haer Harrison die Stelle des Politi
ters in der Redaction dieses Blattes
erhalten. Und nun konnte der kleine
Harry als ein Mann mit gutem und
sicherem Einkommen vor den Vatev
der Geliebten tret-: und um die Hand
der Tochter bitten, die ihm auch nicht
versagt wurde. Jn der »Leuchte der
Vernunft« aber erischien eines Tages
eine Notiz, welche den Leser darüber
aufklärte, daß es sich ja, wie auch
satan aus der Ueberschrift zu ersehen
sei, bei jener Notiz über das Mäd
chen mit der blauen Feder um den
Traum eines Reporters gehandelt
habe. . .
——————.-.—·—-—·
Gekränkter Ehrgeiz.
»Fräu1’n Doctorin, i thät schön bitten
um a Bissl wagt« »Da haben Sie!
Im Uebrigen, schämen Sie sich, zu bei
teln!« -- »So, schön! Dög wär’ der
Dank dafür, daß mir, dö weiblichen
Fechten eigentlich die Anregung zur
Frauenemancipation ’geben hab’n!«
--- V r o t; i g. Bewerben «Hat Sie
Jhre Fräulein Tochter nicht auf mei
nen Antraa vorbereitet?« Bankier:
»Was braucht se mich vorzubereiten . . .
so viel tleineg Geld habe ich immer im
Hause!«
s-- Jm Reftaurant. Gast:
»Das Vcefsteat ist aber heute so zart
nnd fein . . Wirth (knurrend):
,,«)"tatiirlich, und ich kann mich hier ab
quiilen « — der Schasgtopf von Kellner
lxat die Vortionen verwechselt!«
AnspruchsvolL Erster
Gauner: »Na, Ede, Du hast det Steh
len wohl janz usfjejeben?« Zweiter
Gauner: «Nee, iek warte man bloß, bis
det neue Gefängniß fertig is —- Det
alte ig mir zu fchäbigt«
s-- Beim Schopf gefaßt.
Onkel: »Wenn Du in diesem Jahr
Dein Eramcn machst, bezahle ich alle
Deine Schuld-ent« Neffe: »Nun, dann
purnpe mir mal gleich hundert Mart . .
Du kannst sie Dir ja später zurück
gebeut«
---- L i e b e v o l l. ..Denk Dir nur
liebes Frauchem bin plötzlich atmet
Mann geworden! Ruinirtt Alles ver
loren! Was sagst Du zu dieser
SchreckengnachrichtK«-— »Hm-vor der
Hochzeit wäre sie mir auch lieber gewe
ien.«