Treylocti Wooda Roman oon Joses Treus-mitn. (14. Fortsetzung) »Oh!« stammelte Polly, ,,eine Blon dinet Jn allen Romanen,die ich gelesen habe, ist es immer die blonde Schön heit, die ihrer Rebenbuhlerin den Lieb haber wegschnappt; sind Sie — sind Sie schon lange mit ihr bekannt?« Die jungen Steeles waren der Bon bons wegen einander in die Haare ge rathen; sie machten einen entsetzlichen Lärm; allein weder Dick noch Polly achteten darauf. ,,Gerade seit einer Woche,« antwor tete der junge Doctorx »und ich gebe Dir mein Wort darauf, daß ich wäh rend dieser Zeit unaussprechliche Qua len erduldet habe. Sie ist mein Him mel und meine Hölle; ich tann nur noch an sie denten und dennoch ist mir jeder Gedanke eine Folter·« »Weiß sie darum?« fragte Polly mit matter, heiserer Stimme, als cob das Leben in ihr erstürbe, während ihre Stirn noch immer an die Fensterscheibe gedrückt war. »Ob sie es weiß? — Nach einer Be Ianntschast von nur einer Woche? Jch denke wohl nicht« »Nun, warum verzweifeln Sie bann?« »Mein Gott! Sie ist schon so gut wie verlobt —- mit einein englischen Baronet, einem Verwandten ihrer Fa milie. Welche chance hat wohl ein armer Yankee - Doktor neben einem solchen Nebenbuhler? Der Henker hole ihn!« Polly schwieg lange; vielleicht war es die hoffnungslosigkeit Dicks. was ihr den Mund verschloß. Endlich sagte sie mit leiser, aber fester Stimme: »Wer die Dame auch sein mag, Doctor, Sie sind ihr ebenbürtig. Und wer ihr Freier auch sein mag, sie kann, sie wird nicht grausam gegen Sie feint« »Diese Worte klingen sehr schmei chelhaft, Pollh," erwiderte Diek lä chelnd; »aber Du hast eine viel zu hohe Meinung von mir. Jch bin vollkom men überzeugt« daß sie sehr grausam - gegen mich sein wird, wenn ich Narr genug bin, ihr Gelegenheit dazu zu ge ben; kommt es aber dazu, so wüßte ich nicht, wie ich das Leben ertragen sollte.« »Oh!« rief Pollh, ,,oh, wie leid thun Sie inir.« »Du gutes, braves Kind!« versetzte Dick, gerührt von ihrem Tone. »Komm nun, ich will Dich nicht weiter mit inei nen Sorgen quälen; laß uns nun von Dir selbst reden. Beim Himmel! Du wirst immer schwächer und hagerer! Polly, dieses Leben ist zu hart sitt Dich. Kommt Dir der Aufenthalt in des Doktors Hause nicht sehr eintönig vor?« »Allerdings,« erwiderte sie zögernd. »Sage mir doch, hat man noch nie von Lohn mit Dir gesprochen Z« »Nein,'« stainmelte Pollu Er vergaß einen Augenblick sein eigenes Weh über die Entrüstung, die sich seiner bemächtigte. »Das geht denn doch über Alles! Neun Jahre lang bist Du die Sklavin dieser Familie gewesen und hast nichts dafür erhalten alsDein kärgliches Brod und Tante Emilicns abgelegte Kleider! Diese Menschen haben nicht den geringsten Begriff von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Pollhl Es ist Zeit, daß wir Deiner Sklaverei ein Ende machen; Du be darsst einer Veränderung undDu sollst sie haben!« Polly sah so wehmüthig und flehend zu Dick auf, daß sein Herz bei dem An blick der verlassenenWaise weich wurde. »Dies ist die einzige Heimath die ich je hatte,« antwortete sie; »was würde aus mir werden« wenn ich sie verließe?« Diek Vandines Gesicht nahm einen ernsten Ausdruck an. «Pollh, ich tann Dir etwas bieten," sagte er; »es ist allerdings nicht viel, doch ist es weit besser als die endlose, unbezahlte Skla venarbeit in diesem Hause. Hier wür dest Du eine Leiche sein, ehe Du Dein zwanzigstes Jahr erreichtest. Was denkst Du davon, diese Stadt gegen einen Landort wie — wie —— Btackport zu vertauschen?« ,,Blackport?« leuchte sie, »der Ort, wo Sie wohnen?« ,,Ja,« antwortete er mit gutmiithi gem Lachen. »Du wirst dort Sonnen schein in Hülle und Fülle, sowie auch gesunde Seeluft finden, gerade die Dinge, deren Du am meisten bedarfst. eh logite in einem altmodischeu Gast-« of, der von einer sonderbaren, aber höchst achtungswerthen Frau gehalten wird. Vor zwei oder drei Tagen hörte ich zufällig Miß Poole sagen, daß sie eines Mädchens bedürfe, um den Gä sten aufzuwarten, ihr beim Nähen be-: hilflich zu sein und dergleichen. Wie ich bemerkte, ist die Stelle keine glän zende, jedenfalls aber toeit besser als die jetzige. Wenn es Dir recht ist, so iannst Du mich noch heute Abend nach der Herberge begleiten; ich selbst bringe Dich dahin, mein armes Rind. Merch Poole wird Dich gut behandeln und Dir Deinen redlich verdienten Lohn zahlen. Die Arbeit kann nicht hatt fein. denn der Gasthof ist nie über füllt.« Wenn Dick dem Mädchen die glän zendste, luxuriöseste Stellung angebo ten hätte, fo hätte ihre Ueberraschung, ihr Staunen nicht größer sein können. Mit ihm zu gehen, unter einem Dache mit ihm zu wohnen, ihn tä lich zu sehen, Lohn zu erhalten und ch eine kleine Summe zu ersparen, damit sie eines Tages die Mittel hätte, die un vergessene Nan aufzusuchen —- ihr Glück war zu groß! Thränen liefen über ihre Wangen nieder. »Es ist Wehk, als ich zu glauben vermag,« flü sterte sie; »ich fürchte, die Steeles wer den mich nicht gehen lassen.« .,,Meinst Du?« erwiderte Dr. Van dme lachend; ,,iiberlaß das mir, Polly! Alles, was Du zu thun hast« ist, Deine Siebensachen zusammenzupacken und Dich in Bereitschast zu halten, noch heute Abend mit nach Blackport abzu reisen.« Ein Kampf mit den Verwandten war unvermeidlich, alleinDick war ent schlossen, ihn männlich für die Waise durchzukämpfen. Was zwischen dem jungen Ar i and den Steeles verhandelt wurde, uhr Polly nie; sie erhielt nur den Auftrag, ihre Sachen zu packen, eilte nach ihrer Dachkammet und begann, ihre wenigen irdischen Besitzthiimer in ein Köfferchen zu leaen, das man ihr zur Verfügung gestellt. Sie war im Begr:ise, die enge Straße, die lärinende Kinderschaar und die endlose, unbezahlte Sile-Jenae beit hinter sich zu lassen, doch ach! nseht das- Weh ihres Herzen-I- —— nicht die ewige Sehnsucht und Verzweiflung, von der sie schon so lange gefoltert war. Diesen Gefühlen lonnte sie nicht entrinnen; sie sank vor ihrem Bette auf die Kniee nnd schluchzte, als ob ihr das Herz brechen wollte-. 19 K a p i t e l. Sie hatte ihn einen Dummiops ge nannt, ihn insultirt, für einen Krämer : von Blackport gehalten und draußen I im Platzregen stehen lassen, während er ihr Pferd hielt. Und es war der Ba ronet —- ihr englischer Freier! Kein Wunder, daß ihr fein Gesicht. fo bekannt vorgekommen war; befasz ihr Großvater doch mindestens ein hal bes Dutzend Photographien von ihm· Sie war stumm vor Aerger und Ver-— druß über sich selbst. Zum Glück ver rieth er durch keine Miene, daß er ihre Bekanntschaft bereits gemacht hatte, sondern begrüßte sie wie eine völlig Fremde. »Willkommen im Yankees land und in unserer Eremitage!« stam melte sie endlich mit tiefem Erröthen. »Ich danke Jhnenz ich habe mich schon lanae auf das Vergnügen dieses Augenblicks gefreut. Endlich wird mir das Glück zu Theil, meine schöne Cou sine, von der ich schon so viel gehört habe, zu erblicken« »Wie steif und förmlich!« dachte Ethel bei sich selbst, »wenn er mir nur nicht zu langweilig ist.« »Sir Gervase ist nicht zu Fremden, sondern zu Verwandten gekommen,« sagte Godfren Grehloek; »wir müssen ihm zeigen, daf; die Gaftfreundschaft der neuen Welt durch die der alten nicht übertroffen werden kann; wir leben nicht ganz und gar wie Ereniiten hier.« Der junge Aristokrat warf lächelnd ein, daß man sich eine solche Einsiedelei wohl gefallen lassen könnte. Sobald sich eine Gelegenheit dazu bot, begann tithel den Engländer mit kritischer Aufmerksamkeit zu betrach ten. Er erschien ihr ganz und gar wie gewöhnliche Sterbliche: ziemlich hiibsch von Person, war er in seinen Manier.n einfach und durchaus nicht affektirt; er sprach wenig, seine Augen aber verrie then eine scharfe Beobachtungegaben »Dies ist nicht der Mann,« dachte sie, »dem man mit einer Falschheit im Her zen oder einer Lüge auf den Lippen cntgegentreten möchte-« ' Verschiedene Gäste aus den Hotels und Villen von Blackport speiften an diesem Tage in Godfreh Grehlods Haufe. Auch Dr. Vandine befand sich unter den Eingeladenen. Er hatte noch keine Ahnung von der Ankunft des-Wa ronets, bis er den Salon betrat und von Miß Pamela den Gästen vorge stellt wurde. Der joviale gutmüthige Dick wurde plötzlich fteif und kalt wie ein Stein; das Wesen und Benehmen des Baro nets jedoch flößte ihm bald wieder Be ruhigung ein. Seinem Aussehen nach hätte dieser Pair leicht fiir einen La denbesitzer von Blaekport oder fiir ir gend einen anderen anspruchslosen amerikanischen Gentleman gehalten werden können. »Nun, darf ich gratuliren?« flüsterte Vandine mit betrübter Miene Ethrl zu »Es ist durchaus keine Eile noth wendig,« antwortete sie trocken. Bei Tische erhielt Dr. Dick zu seiner unaussprechlichen Freude seinen Platz neben der schönen tkrbin angewiesen. Die Laune des Augenblicks gab dem Mädchen ein. ihren Tischnachbar mit außerordentlicher Artigleit zu behan deln. Nie war sie ihm so freundlich, so aninuthig erschienen. Jhr träume risches Lächeln, das ihren Haaren ent strönrende Varsüm, die graziösen Be wegungen ihres Halses und ihrer mit Juwelen bedeckten Finger bezauberten und verwirrten ihn vollständig. Sie war sich des Unheils, das sie stiftete, entweder nicht bewußt, oder innerlich zu sehr erregt, um darauf zu achten. Godsren Grehlock blickte unwirsch drein, Misz Pacnela wart ihrer Nichte besorgte Blicke zu; Sir Gervase aber, der sich mit seinem Wirthe ruhia über englische Politil unterhielt, widmete seiner lchönen republilanischen Cousine wenig Beachtuna: augenscheinlich war es ihm völlig gleichailtig, an wen sie ihre Artigteiten berschwendete. »Bah!«« dachte Ethel, indem sie ihn verstohlen beobachtete, ,,er hat einen guten Appetit, aber kein Gefühl; er ist wie alle Anderen seiner Familie —-« langsam, schwerfällig, conventionell. Er ist nach Amerila gekommen, uml Geld zu heirathen, um den sinlenden Wohlstand der englischen Greylocks mit dem Reichthum des amerikanischen Zweiges der Familie wieder aufzu bauen; es ist eine Convenienzehe, was er sucht — nichts weiter; sein Herz gird nie um eines Weibes willen bre en.« Auf der anderen Seite des jungen Doktors saß ein invalider Richter aus einem der Hotc!s, der ihn mit endlosen Fragen über alle möglichen und un möglichenKranlheiten und Krankheits Symptome belästigte. Vandine, der sich lieber mit seiner schönenNachbarln unterhielt, sagte end lich ungeduldig: »Mein werther Herr, Sie gefährden nur Ihre Verdauung, wenn Sie bei Tisch von solchen Din gen reden· Sie verweiten zu viel bei Jhren Beschwerden; denken Sie nicht so viel an diese; manche Krankheit ver danlt iknen Ursprung einzig und allein der Einbildung.« Dann wandte er sich zu Ethcl und fliisterte ihr leise zu: ..Dieser Mann ist mit fix-en Jdeen voll gepfropft; der Himmel helfe ihm und Allen seinesgleichen« Ethels Gesicht nahm schließlich einen ernsten Ausdruck an. ,,Fixe Jdeen?« erwiderte sie mit leiser Stimme; »ich kann dieses Wort nie vernehmen, ohne mich eines ernsten Anfalls dieser Art zu erinnern, mit dem ich selbst behaftet war; ich litt selbst einst,obwohl in ganz verschiedener Weise, an diesem wesen losen Uebel.« »Sie?« rief Vandine. » a,« antwortete sie lächelnd; »doch dürfen Sie nicht etwa glauben, daß ich mit Hypochondrie behaftet war. Meine Schwäche war ganz eigenthiimlicher Art. Als ich noch ein kleines KindJ war, sagt Mama, hatte ich eine Krank- . heit und war lange Zeit von Fieber phantasien heimgesucht Die Bilder, die sich während jener Periode meines armen Koper bemächtigten, dieGesich ter, die ich in meinem Delirium er blickte, quälten mich später noch Jahre lang, wie Erinnerungen an wirkliche Dinge-« ,,Seltsam!« »Nicht wahr? Als Arzt wissen Sie sich die Sache vielleicht zu erklären. Da war besonders eine Gestalt, die mich wie ein häßliches Gespenst der Nacht meine ganze Kindheit hindurch ver folgte. Es war eine in Lumpen geklei dete alte Hexe mit drohend geschwun genem Krückstoch eine unheimliche Kreatur, deren graues Haar in wirren Strähnen um ihr Gesicht hing, und deren Auge in boshaster Wuth fun kelte; sie schien mich beständig zu ver: solgen.« »Es ist klar, daß Sie nicht völlig von Ihrer Krankheit genesen waren,« entgegnete Dr. Dick; »Jhre Phantasien entsprangen einem krankhaften Zu stande des Gehirns-Z« »Wahrscheinlich; doch erschien mir Alles so wirklich, so ganz wie Dinge, die ich einst gesehen und gekannt hatte!« fuhr Ethel träumerisch fort. »Da war ein zerbrochener Stuhl und ein kahles, schmutzigeg Zimmer, in dem ich von der Hexe gefangen gehalten wurde, und andere häßliche Dinge, die ich jetzt vergessen habe. Da war auch ein Engel, der neben mir wandelte und mich tröstete und küßte; doch merkwür diger Weise war mein Engel stets in Lumpen getleidet, anstatt in schöne, weiße Kleider.« ,,Zogen Ihre Verwandten keinen Arzt zu Rathe?« fragte Dr. Dick. Ethel antwortete mit bitterem Lä cheln: »Nein; Mama turirte mich mit tels einer anderen Methode. Es wurde mir streng verboten, mit irgend Je mandem über diese Gespenster meiner Fieberphantasien zu sprechen. Unge horsam trug mir Ziichtigungen ein; ich wurde zum Schweigen und zur Ver gessenheit geztvungen. Dies war Ma mas Methode, jenen Ideen zu begeg nen, und sie erwies sich als erfolgreich. Nach einiger Zeit erschien mir die Hexe und der Engel und alle die anderen Dinge unbestimmt, wie in Nebel ge hüllt und schwanden endlich wie Phan tome dahin.« Das Diner war zu Ende. Als Ethel sich nach dein Salon begab, schob die alte Hoptins ihr ein Billet in die Hand. Es enthielt die Worte: »Wie ich höre, ist Sir Gervase angekommen; ich wün sche morgen bei Dir zu speisen und meine Bekanntschaft mit ihm zu erneu ern; verschafse Deiner armen Mama die nothwendige Einladung von ven Manne, der Dir nichts versagt, wie ab stoßend er auch gegen Andere sein mag. Noch nie hatte Iris ihren Fuß in das Hurenhaus gesetzt. Was Godsreh Greylocl wohl zu einer solchen Bitte fa gen würde? Die Zeit war indessen giinstig Um ihren Gwßveter in guter Laune zu versetzen, entsaltete Ethel alle ihre Liebenswiirdigleit und Unter-: haltungseiabe in dem Salon; sie tvar so freundlich geaen Dr. Dick, daß er wieder neue Hoffnung zu schöpfen bei oann; sie ergötzte alle Anwesenden mit ihrem Gesang und Spiel: sie unter hielt sich in der zwanglosesten und an muthiasten Weise mit Jedem, ausge nomnen dem Vatonet, dessen Gleich giltiateitihrer Kälte nichts nachgab. Unter allen Gästen war er der Einzige, auf den ihre Schönheit und Anmuth keinen Eindruck »in machen schienen. J Nachdem die Gesellschaft sich Vekah.- s schiedet hatte, näherte sich Ethel mits schwerem Herzen, aber lächelndem Ge sicht ihrem Großvater Hier bot sich ihr eine vortreffliche Gelegenheit, ihm ihre Liebe zu Regnault zu gestehen, ihn urn Verzeihung zu bitten und seine Einwilligung zu ihrer Verbinduna mit dem Manne ihrer Wahl zu erstehen; allein Ethel kann-even wollte nicht sprechen; ihre Lippen vermochten kein Wort über den Gegenstand, der ihrem Herzen am nächsten lag, hervorzubrin gen. Nach einigem Zögern begann sie: »Ich komme mit einer Bitte, Groß papa.« »Sie ist Dir gewährt, mein Kind," antwortete der alte Herr. Nun trug sie deannfch ihrer Mut ter nach einer Einladung auf den fol genden Tag vor. Godfrey Greylocls Stirn zog sich zwar in Falten; nach lurzer Ueberles gung sagte er indessen: »Nun sei-« es; um Deinetwillen will ich Deine Mutter an meinem Tische empfangen. Tante Pamcla soll die Einladung schreiben, und Du tannft sie morgen friih nach der RoseiiWilla hinübersenden.« Nun folgte die Bitte Um die weite ren fiinftaufend Dollars das Jahr. Ethel trng diese f:an:::ielnd vor, denn sie selbst fiihlte das- Ungebiihrliche einer solchen Forderung. »Sie thut wohl daran, Dich zu ihrer Fürsprecherin zu machen,« sagte Gov fren Grenlock mit bitterem Lächeln; »sie ist habgierig und verschwenderisch, und doch —- wiederum Deinethalben — sie soll haben, was sie verlangt. Ob sie wohl weiß, wie viel sie Dir zu verdan ken hat? Sage ihr, daß ihr Einkom men verdoppelt ist, und vergiß nicht, ihr begreiflich zu machen; daß sie Dir dafür zu Danl verpflichtet if ·« Mit thränendenAugen schlang Ethel ihre Arme um seinen Hals und drückte ; ihre frische, junge Wange an seine alte, » verwitterte; »Du bist zu gütig gegen uns Beide, Großpapa —- zu gütig!« sagte sie schluchzend; »wir sind bei Weitem nicht so dankbar gegen Dich, wie wir sein sollten!« Mit diesen Wor ten verließ sie ihn und begab sich nach ihren eigenen Zimmern. Das Frühstück wurde am folgenden Morgen auf der breiten,kühlen Piazza, mittensmter den tropischen Pflanzen, eingenommen. Ethel nickte Sir Ger vase zu, als er, mit dem Hüte in der Hand, die Stufen heraufschritt und seinen Platz am Tische einnahm. Er kam eben von einer Morgenpromenade im Part zurück. Er erwiderte ihren Gruß höflich und unterhielt sich dann ausschließlich mit Godfreh Greylock und Miß Paniela. Nach dem Frühstück wurden Pferde vorgeführt und der Gebieter von Gren lock Woods erhob sich mit seinem Gast und s er Enkelin zu einem Morgen ritt. Orin Reitknecht folgte ihnen in respektvoller Ferne. Sie ritten durch den kühlen grünen Pakt und kamen endlich zu einer mit wilden Reben umranltcn Pforte. Der Reitlnecht stieg ab, öffnete sie und die kleine Kavalpade galoppirte auf d". sandige Landstraße hinaus, die zu dem halbmondförmigen Strand hinab führte. Ethel streichelte ,,Sultanas Mähne und dachte an ihren Ritt vom vorher gehenden Tage. Ob Sir Gervase wohl auch daran dachte? Sie warf ihm einen ungeduldigen, forschenden Blick zu. Nein, er unterhielt sich mit Godfreh Greylock. Was für einMann war daz? War er wirklich mit der Absicht, sie zu freien, nach Amerika ge kommen? »Wie, wenn meine Be fürchtungen überhaupt grundlog wä ren?" dachte Ethel, indem sie sichMühe gab, das Lachen zu unterdrücken. So lange er bei seinem gegenwärtigen Be nehmen gegen sie verharrte, hatte sie allerdings keine Ursache, sich zu benu ruhigen. So ritten sie durch das- alte Städt chen und längs des silbernen Halb monds zurück zur heißen, sandigen Landstraße Plötzlich galoppirte Godfreh Gren lock, der über das Schweigen und die gegenseitige Zurückhaltung seiner En telin und des Baronets verftimmt ge worden, mit dem Reitknecht voraus-. Ethel befand sich nun allein mitSir Gervasr. ,,Darf ich fragen, wie lange Sie schon in Blactport waren, als wir uns gestern begegneten?« fragte sie endlich mit eisigein Tone. »Seit dem Abend zuvor,« antwor tete er ruhig, »ich tam mit einem ver späteten Zuge an und logirte mich für die Nacht in einem Hotel ein.« »Sie hätten mir sagen können, wer Sie waren,« meinte Ethel verdrießlich· Ein sartastischeg Lächeln spielte um seine Mundwintel, doch antwortete er ernst: »Unter den eigenthümlichen Umständen, unter denen wir uns be gegneten, hatte ich nicht den Muth dazu.« »Was dachten Sie wohl von mir?« fuhr sie fort. »Doch nein; Sie brau chen mir nichts zu sagen! Entschuldi aen Sie - Großpapa hat sich ja un sichtbar gemacht; ich muß ihn einho len.« Sie gab »Sultana« die Peitsche und galoppirte davon. Der Baronet folgte ihr nach. Sie hatte eine Stelle erreicht, wo die Landstraße eine Curve um ein sum psiges Stück Marschland beschrieb. Wiederum gab sie ,,Sultana« die Peitsche, und die Stute sprang von dem sicheren, festen Grund in die Marsch hinab, über die sie mit der Ge schwindigkeit eines Vogels hinflog. Der Baronet zögerte keinen Augen blick, zu folgen. Doch hatte der Sprung bei ihm ein unerwartetess Re ! sultat. Das Pferd, das er ritt, war weit schwerer als »Sultana« und auch sein eigenes Körpergewicht war ziem lich bedeutend. Mitten aus der Wiese blickte Ethel Jzurück und sah ihren Cousin im Schlamm festsiecken ——- das Pferd, das » ihn trug, war bis zum Sattelgurt im Morast versunken. Statt umzuletilcn und ihm zu Hilfe zu tonuuem ocser ihm auch nur einen Ausweg anzudeu ten, brach die Erbin von Greylcsck Woods in ein schallendes Gelächter aus und sprengte davon. Bald hatte sie die rebenumrantte Pforte erreicht, und wenige Minuten später befand sie sich- im Hurenhaus ,,Wo ist der Baronet, mein Kind?« fragte Grehlock, der eben erst zurückge tehrt war. »Ich ließ ihn im Marsch zurück,« antwortete Ethel; ,,er steckt fest im Morast und kann weder vorwärts noch rückwärts; Du wirst wohl thun,Groß papa, Jemanden abzuschicken, um ihn herauszufischenz es ist ein nasser und unangenehmer Platz für so viel Rang und Würde.« Glücklicherweise war Sir Gervase im Stande gewesen, sich selbst aus dem Sumpf herauszuarbeitem allein er kam ärgerlich und übler Laune,über und über mit Koth und Schlamm be deckt, nach dem Herrenhause zurück. Die stolze Erbin von Greylock Woods hatte ihm einen schlimmen Streich gespielt. Doch siehe, als die Klingel das Signal zum Gabelfrüh stück gab, tam sie, schneeweisz gekleidet, die lange Treppe herab und sah so hold und unschuldig aus, daß sein Un wille aus der Stelle dahinschwand. Sie ging stracks auf ihn zu und reichte ihm die Hand mit den Worten: »Ver zeihen Sie mir, lieber Cousin; ich schä me mich wirklich meiner Ungezogen heit.« »Von Herzen gerne,« erwiderte er, , indem er ihre Hand mit Wärme drückte. »Es war sehr, sehr unartig von mir!« ,,Reden wir nicht weiter mehr da von.« Beim Diner erschien Iris Greylock zum ersten Mal im Herrenhaus und setzte damit ihrem Sieg über Godfrey die Krone auf. Pünktlich zur festge setzten Zeit hinlte sie in den Salon, in Seide und Brokat gehüllt, mit blitzen- ! den Diamanten in den Ohren, an den ? Fingern und am Busen, während ihre dunklen Locken ihr hübsches blasses Gesicht umwallten. Godfrey Grehlocl und Miß Pamela empfingen sie kalt, aber höflich. »Wie freut eg mich,« sagte Jris, zu der Letzteren gewandt, ,,nach so vielen Jahren unsere alte Bekanntschaft zu erneuern! Sie haben indessen sehr ge altert; ich würde Sie kaum wieder er kannt haben, wenn ich Ihnen anders wo begegnet wäre.« Dann wendete Sie sich mit einer zierlichen Verbeugung zu Godfrey und sagte mit halb ironischem Lächeln: »Mein theurer Herr Schwiegervater-, ich bin überglücklich, die Friedenspfeife mit Jhnen rauchen zu dürfen. Doch nun. wo ist denn mein Reisegefährte?« Mit kokettem Lächeln hinkte sie zum Baronet, der ihr herzlich die Hand drückte. »Ach, Sir Gervase,« rief sie: ,,nie werde ich jene angenehmen Tage zur See Veraessen; Ethel weiß es be reits, wie gütig und aufmerksam Sie auf dem Dampser gegen mich waren; allein ich habe es noch nicht verges: sen, daß Sie meines Geplauders miide wurden und mich so plötzlich am Lan dunasplatze verließen Keine Ent schuldigung! Zur Strafe dafür sollen Sie heute sehr artig und aufmerksam gegen mich sein.« »Das wird ein Vergnügen, keine Strafe für mich sein,« antwortete er galant. Iris benahm sich kokett wie ein Mädchen von 16 Jahren. Bei Tische erhielt sie die Unterhaltung fast allein im Gange· Godfrey Greylock und Miß Pamela beobachteten sie mit stil ler Verachtung· Sir Gervase behan delte sie wie ein verhätscheltes Kind· Ethel sprach wenig während der Mahlzeit; beängstigende Gedanken raubten ihr den Appetit. Wenn Reg nault jetzt plötzlich unter der Thiir er schiene, was sollte sie thun? —-— Was hatte sie zu thun gelobt? Sollte sie ausstehen, mit ihm gehen und Allem, wag ihr so lieb und theuer war, fiir immer den Rücken kehren? War es nicht an der Zeit« daß sie ihrem Groß vater ihr Herz öffnete? »Heute nicht,« sagte sie zu sich selbst, vor dem bloßen Gedanken zurückfchreckend, »und mor gen auch nicht: ich habe in der That keine Veranlassung, mich in der Sache tu überstiirzen.« Als die Gesetlschast stets vom Tische erhob, flüsterte Jris hinter ihrem At lasfiieher Etbel die Worte zu: »Besten Dank für die weiteren fünftausend Dollarg; ich kann damit einiae meiner Schulden tilgen. Aber pfui! Es scheint knir, als ob Großpava’5 Pläne zu Wasser werden sollten, Du und der Baronet, Jhr kommt mir wie zwei in entgegengesetzten Richtungen dahin schwiinmende Eisberge vor; haßt Jhr denn einander so sehr?« Bevor Jris ihre Pony Equipage bestieg, saate sie noch triumphirend zu ihrer Tochter: »Ich werde wiederkom men, so oft es mir beliebt.« So end-te der zweite Tag seit der Anlunst des Baroneth Am dritten und vierten Tage nö thigte Reqenwetter Jedermann, zu Hause zu bleiben. Aus Rücksicht für ihren Großvater sang und spielteEthel und gab sich alle Mühe, dem Gaste den Aufenthalt möglichst angenehm zu machen. Während dieser kurzen, aber zahl reichen Beaegnungen unter vier Augen machte Ethel einiae Cntdeckunas-". Der Englander war ein vorzüalicher Mu sitlennerx er hatte den Continert unt-, den Orient durchreist, hatte als Frei williger in Afghanistan und Sii afrita getämpft und hatte Ehren unti Narben mit nach der Heimath zurück , gebracht Er war ein Held, und wenrxs T er auch zurückhaltend erschien, sr wußte er doch fließend und mit Ver-LET ständniß über eine Menge interessan- ; ter Dinge zu sprechen. Sie fand in « ihm einen vortrefflichen Gesellschafter , an den regnerischen Nachmittagen, ans denen der Bart in Nebel gehüllt war - und Holzfeus n den Kaminen dek» Herrenhauses casselten; sie fing end- - lich sogar an, ihn mit Stolz und Ist-« wunderung zu betrachten. Am Nachmittag des vierten Tages « ereignete sich ein Zwischenfall Der · Regen ergoß sich in Strömen herab; der Wind segte heulend die Alleen auf und nieder. Godfrey Greylock hatte - den Baronet mit nach dem Billard ztmmer genommen, und Ethel wan derte unmuthig imSalon hin und her; sie wünschte, daß Sir Gervase zurück komnien und mit ihr plaudern möchte, denn sie fühlte sich gelangweilt. Plötzlich ging die Thür aus, und Dr. Bandine trat herein; er hatte Miß Pamela, die mit einem Ansalle von . Neuralgie behaftet war und ihr Zim mer hütete, einen ärztlichen Besuch ab gestattet. »Wie gütig Sie sind, Doctor, daß Sie an mich denken!« sagte Ethel mit « bezauberndem Lächeln; ,,an einem sol chen Tage darf man sich glücklich schätzen, irgend Jemanden zu sehen.« Dr. Dicks Gesicht wurde merklich länger. »Wann denke ich nicht an Sie?!« , rief er aug; ,,keine Stunde, keinen Aus z genblick lang verliere ich Sie aus mei nen Gedanken!« Ethel ergriff eine Feue2·,zange und beschäftigte sich damit, die brennenden . Holztlötze in dem offenen Kamin zu« rütteln. Das ist wahrhaftig mehr ais ich bewiene,« antwortete sie lachend, allein mit erröthenden Wangen; »ich sollte eigentlich meine arme. Tante Pamela unterhalten, anstatt meine Zeit hier mit Nichtgthun zu vergeuden; allein sie duldet mich nie um sich, wenn sie ; einen Anfall von Neuralgie hat. Re J genwetter ist siir die Bewohner von iGrehlock Woods etwas Schreckliches-; j wir sollten in dieser Einsamkeit be ständigen Sonnenschein haben« i l l t l t l t I Dr. Dicl nciherte sich ihr. Sie warf die Feuerzange weg und machte sich mit den chinesischen Vasen auf dem Kamingesims zu schaffen. »Wo ist Jhr englischer Liebhaber?« « sagte er. »Sie meinen wohl Sir GcrvaseZ Ek « ist nicht mein Liebhaber,« antwortete sie; doch schon im nächsten Augenblick J bereute sie ihre Worte. » Das Blut kochte wie flüssige Lava - in Vnndineg Adern und heraus platz , ten seine Worte mit leidenschaftlicher « Gewalt: »Gott sei Dank! Nun denn, da Sir Gervase mir nicht im Wege steht, sehe ich nicht ein, warum ich. länger schwei gen sollte. So lassen Sie mich Jhnen denn gestehen, daß ich Sie liebe! Jch wäre ein Feigling wenn ich weniger sagte -—— wenn ich ein Dutzend Zungen hätte, könnte ich Jhnen nicht mehr sa gen!« Ethel lehnte sich erschrocken an das Kamingesims. Nichts konnte ihr un willkomtnener sein als diese Erklä rang ,,E·Z thut mir leid um Sie, Doktor Vandine,« antwortete sie traurig; »allein ich kann Ihnen nichts als Er widerung für Jhre Liebe bieten — nicht einmal Hoffnung« Plötzlich ging dem armen jungen Dnctor ein Licht auf. - - »Ich verstehe,« stöhnte er; »Sie lie ben einen Anderen?« »Ja-« « schluchzte sie; »Gott helfe mit —- ja! Wer hatte die Thüre geöffnet? Wer stand auf der Schwelle? Ethels Herz pochte gewaltig und drohte dann still zu stehen. Dr. Dick ergriss seinen tht und schoß mit Blitzeseile an dem Endringling vorüber, zur Thiir und zum Hause hinaus. Sir Gervase blickte Ethel an. »Verzeihen Sie mir, wenn ich Sie störte,« sagte er mit gesuchter Höflich keit, »ich glaubte, Sie wären allein.« Er hatte Alles gehört. »Es ist keine Störung —— durchaus teine,« antwortete sie mit glühenden Wangen, worauf sie, von einem uner klärlichen Schrecken erariffen, ilnn den Rücken wandte und plötzlich das Zim mer verließ Der siinfte Tag nach der Ankunft des Baronetg war Sonntag; Jeder mann begab sich zur Kirche. Der sechste Tag war Zeuge großartiger Vorbereitungen im Hause und um das Haus her Am Abend des siebenten sand ein Ball statt, der erste, der seit vielen Jahren in Greylock Woods ge aeben wurde. CFortsetzung solgt.) —- - .—-———-— -«-- A u s V o r s i ch t. »Sagen Sie mir, warum nur der Commercien mtli seine alterndc Gemahlin mit Brillanten so unsinnig beh"ängt?« -—— »Wie heißt unsinnig? Wann er. läßt die Brillanten im Schmucktasten, kön nen sie ihm gestohlen werden, feine Sarah wird ihm auch mit die Brillan ten nicht gestohlen.« . Raffinirte Annonce. Ich habe mich hierfelbst als Arzt nie dergelassen. Dr. med. Roswitha Hasentleim Sprechftunden 10——12. H, jeden Mittwoch Nachmittag für leichte Kranke Kaiser und Kuchen gratit.