tDer Glutin-Gen Von G. P. Hat-um« Ezra Timmins war ein lrästiger Mann von 40 Jahren, der 15 Jahre in dem LHroßen Geschäfte von Ham, Baron, ard Fc Co. Buchhalter gewe sen war. Er hatte mit seiner Frau 10 Jahre in demselben hause in der Eddh Street gewohnt und hatte sich Geld gespart, denn seine Bedürfnisse waren mäßig, seineVergniigungen ein sach und seine Passionen gering. Seine Vergnügungen bestanden in einer ge legentlichen Whistpartie, bei der Frau Tinnnins stets sein Partner war. Doch er hatte auch Sorgen und zu diesen gehörte in erster Reihe eine maß lose Furcht vor Einbrechern, nnd eine dumpfe Angst, seine Nichte und Mün del, die hübsche Constanze Timmins, die einzige Person in seinem Hause, könne sich schließlich an einen unnühen Menschen wegwerfen und ihn heira then. Um sich vor Einbrechern zu schützen, hatte er eine Bekanntschaft mit einem Polizeibeamten angeknüpft, dem er für den Fall, daß es ihm gelänge, einen Cinbrecher bei der That zu ertappen, wahrhaft fürstliche Belohnungen in Aussicht gestellt hatte. Er hatte eine Alarmglocke in seinem Schlafzimmer und eine Bogelslinte, aus der Frau Timmins, aus Furcht, erskönne sich selber erfchießen, regelmäßig die Pa tronen herauszog. So manche schlaf lose Nacht schlich er im Dunkeln um sein Haus herum und suchte einen Eindringling, dessen Schritte er gehört zu haben glaubte. Er las alle Artikel in den Zeitungen, die von Einbrechern handelten, und überraschte seine Frau und Nichte durch seine Kenntniß der verschiedenen Einbeuchsmethoden. Er brachte sie zur Verzweiflung, wenn er ihnen tagtäglich zehnmal erklärte, er wäre vollständig darauf gefaßt, eines Morgens beim Erwachen das Haus ausgeraubt und Constanze ermordet zui finden. Constanze war ein liebenswürdiges Mädchen, die Tochter eines älteren Bruders von Ezra Timmins, der nach Jamaica gegangen, dort eine Pflan zung gekauft, das gelbe Fieber betom- · men und mit Hinterlassung eines aus gedehnten Besitzthums gestorben war Sie war etwas tolett und hatte einen ganzen Hofstaat von Anbetern, die ih-. rem Onkel oder ihrer Tante aber nur selten gefielen. Waren sie jung, so; sagte Onkel Ezra, sie wären »Grün-» linge« und sollten nicht ohne Kinder-« mädchen ausgehen; waren sie dagegen alt, so meinte er, sie gehören in dieT Altersversorgungs - Anstalt. Con« stanze lachte über diese Reden, und wenn ihr Onkel dem oder jenem das Haus verbot, so traf sie ihn einfach an derswo, wenn sie sich gerade siir ihn interessirte. Unter den wenigen Bewunderern, die man nicht gut dem Rindermädchen anvertrauen konnte, befand sich der Oberst Pitblado. Er hatte Constanze in einer kleinen Gesellschaft tennen ge lernt, und ihre Schönheit und Lebhas tigkeit hatten Eindruck auf ihn ge macht. Mit seiner gewöhnlichen Um sicht hatte er sich nach ihrem Vermögen erkundigt, und aus der Ausdauer, mit der er sich um ihre Gunst bewarb, lonnte man ersehen, daß das Resultat dieser Ertundigungen befriedigend ausgefallen war. Zu seinem Leidwesen lud ihn Con stanze nicht zu sich ein« sondern hat ihn vielmehr, augenblicklich nicht zu kom men. »Sie sehen, Oberst Pitblado,« sagte sie, »ich interessire mich siir Sie, und darum möchte ich Sie nicht verlieren. Mein Onkel aber, der sonst der beste Mensch von der Welt ist, hat eine Anti pathie gegen die Leute, die mir ihre Huldigungen darbringen. Jch bin überzeugt« wenn Sie in unser Haus kämen, er würde sich mit Jhnen zan ken, und mit unserer Bekanntschaft wäre es aus« Der Oberst schmollte, doch es ließ sich nichts dagegen machen. Das ein zige Zugeständnis, das Constanze machte, bestand darin, daß sie einmal in der Woche die Thür offen lassen wollte, nachdem ihr Onkel zu Bett ge gangen war. der Oberst tonnte dann hereinkommen und sich mit ihr ein paar Minuten in dem dunkeln Eß zimmer unterhalten. Der Oberst machte sich diefe Er laubniß zu Nutze und fo fafzen sie eines Abends in dem Vorzimmet Con ftanze erzählte eben mit leiser Stimme, welche furchtbare Angst ihr Ontel vor Einbrechern hätte· »Ist er denn jemals beraubt wor. den?« fragte der Oberst. »Ich glaube, als er noch Kind war, brachen Diebe in das Hand ein, in wel chem er lebte, Und einer der Bewohner wurde getcdtet. Er erwachte von dem Knall eines Schusses und hat den Schreck niemals überwunden« »Dann begreife ich auch feine Angft,« versetzte der Oberst. »Es ift auch etwas Furchtbares, mitten in der Nacht mit einem Manne zustimmen-iu ftofzen, den man nicht fehen kann und der alles zu gewinnen und recht wenig zu verlieren hat, wenn er einem das Leben nimmt.« »Oh!« rief Conftanze, »fchon der Gedanke erfüllt mich mit folcheni Ent feyen, daß ich jetzt vor Einbrechern ebenfo große Angft habe, als mein Onkel. Ich glaube, wenn ich einen in meinem Zimmer fähe, ich ftitrbe vor Anafi.« »Ich hoffe, daß dies nicht der Fall fein wird.« verfeste der Oberfl, »aber auch ich würde über eine solche Begcg nung nicht gerade erfreut sein.« Jn diesem Augenblick machte sich draußen an der Thiir des Eßzimmers ein leises Geräusch bemerkbar. Die beiden Liebenden lauschten und hielten ängstlich den Athem an. Die Diele tnarrte und nach einer kleinen Pause vernahmen die scharfen Ohren des Obersten einen leisen Schritt aus der Diele des Baumes, in dem sie sich be fanden. Es war sicher eine dritte Per son im Zimmer. Diese Person schlich langsam näher und blieb von Zeit zu Zeit stehen, um zu lauschen, ob sich auch Niemand regte. Das war sicher der lang er wartete Einbrecher. - Constanze fiel auf dern Sopha laut los in Ohnmacht. Der Oberst, dessen Kampfinstintte erwacht waren, sprang auf und schlich leise aus den Eindring ling zu, den er nicht sehen konnte. Nur des Schurken Athem tonnte er hören, und das veranlaßte ihn, den seinen an zuhalten. Er hätte Tausende um eine Waffe gegeben, doch nicht einmal sein Stock war ihm erreichbar. Er mußte sich mit seinen Fäusten begnügen, wäh rend der Verbrecher jedenfalls Pistol und Messer bei sich führte. Während ihm das noch durch den Kon schoß, kam des Einbrechers Fuß in Berüh rung mit einem Stuhl. Der OberstI zögerte nun nicht länger, sondernI sprang mit einem Satz auf den Ein dringling zu. Er war direkt aus ibn losgestiirzt und hatte ihn bei dieser Gelegenheit dirett aus die Erde ge worfen. Dann packte er ihn mit bei den Armen und setzte sich aus ihn. Der Einbrecher versuchte, sich zu be freien, wahrscheinlich um von seinem Messer Gebrauch zu machen, doch der Oberst,der jetzt um sein Leben kämpfte, ließ nicht nach. Als der Kampf schwä cher wurde, beugte sich Pitblado über den Einbrecher und flüsterte ihm zu: »Schurte! Wenn Du Dich nicht ruhig verhältst, so ziehe ich mein Mes ser und stoße es Dir durch die Rippen. Nur eine Bewegung und Du bist ein todter Mann.'« Der Einbrecher erwiderte ieinWort, nur Pitblado’s Ohren glaubten einen schweren Seufzer zu hören. TrotiiM nahm er noch immer nicht die Hände von der Kehle des Verbrechers fort, sondern überlegte, was er thun sollte. Er dachte daran, um Hilfe zu rufen, ; doch dann hätte er seine Anwesenheit s in diesem Hause erklären müssen, und « Constanze wäre compromittirt gewe sen. Das ging also nicht« Uebrigens vermuthete er, sie hätte sich in ihr Zim mer gefliichtet, während sie ohnmächtig «an dem Sopha lag. Was sollte er ; thun? Sollte er die ganze Nacht auf J dem Einbrecher sitzen bleiben? I ) i ) l I I I I I i - I Während er sich noch fragte, was zu « thun sei, stieß der Mann unter ihm ein dumpfes Stöhnen aus« Der Einbu cher bewegte die Lippen und murmelte schließlich: »Wenn Sie mich loslassen, dann zeige ich Ihnen. . . .« »Ja, das glaube ich,« versetzte Vit bkado und hohnlachte, »Sie würden uns schöne Dinge zeigen, Pistolen und i l I I Messer· Doch nein, ich werde Ihnen die Pforte zum Jenseits zeigen.« Der Oberst hörte wieder einenSeuf: zer, dann fuhr der Mann fort: »Ich zeige Ihnen. . . .« ,,Habe ich Jhnen nicht gesagt, daß ich nichts sehen will?« ,,Geben Sie wenigstens von meiner Lunge herunter, damit ich Athem ho len tann,« bat der Einbrecher. »Ja, ja, Sie würden so tief Athein holen, daß Sie mir bei der Gelegen heit ein Messer in die Brust stoßen, nicht wahr? Jch danie! Jch denke eben darüber nach, wie ich Sie ums bringen soll.« »Oh,-oh, oh!« kam es von dem an der Erde liegenden Körrer. , »Was Sie für ein unlogischer Mensch sind," meinte der Oberst, ,,wie können Sie sich nur einbilden, ich würde Sie am Leben lassen!« »Schonen Sie mein Leben!" stöhnte der Einbrecher. »Wie käme ich dazu?« »Ich —-« ich zeige Ihnen auch, wo das Silberzeug liegt.« »Das wollten Sie thun ? fragte der Oberst erstaunt. »Das thue ich, ich gebe Jhnen mein Ehrenwort darauf.« »Aha,« versetzte Pitblado, »Sie wol len theilen. Nein, das geht nicht.« »Ja, wag wollen Sie sonst?« »Was ich will?« gab der Oberst zu rück, ,,nun denn, Sie sollen nicht einen Zahnstocher behalten.« ,,Nehmen Sie sie alle, nehmen Sie sie alle. Nur lassen Sie mir Con stattzer Tausbecher.« »Wahrhastig!« murmelte Pitblado, »Sie sind ein recht romantischer Ein brecher.« Während dessen war der Oberst zu der Ertrnntniß getommen, daß die Si tuation nicht so sortdauern konnte. Er konnte doch nicht bis zum nächsten Morgen aus des Einbrechers Rücken sihen bleiben,und mußte aus jeden Fall zur nächsten Polizeistation gehen. Wenn er nur ein Licht gehabt hättet —-—Jn diesemAugenblict kam ein schwa ches Stöhnen vom Sopha her· ,,Allmächtiger Gott!« murmelte der Oberst, »er hat einen Eomplicen.« Wieder ertönte ein Laut vom So pha, und Pitblado sah, daß es Zeit war, zu handeln. Der »zweite« tonnte jeden Augenblick seinem Complieen zu Hilse eilen. Pitblado hatte am Ein gang des Zimmers am Kamin eine Feuer-junge und eine Kohlenschaufel bemerkt. Mit heftigem Satz sprang er aus die Füße, ließ den Einbrecher srei, iannte nach dem Kamin und ergriff die Feuerzange· Ein wilder Schrei ertönte vorn So pha, und schnell steckte der Oberst ein Streichholz an. Bei dem schwachen Lichte sah er zu seinem Entsetzen Con stanze auf dem Sopha sitzen, während der Einbrecher unbeweglich an der Erde lag. Hatte er den Schurken etwa getödtet. Ein zweites Streichholz zündete das Gas an und Constanze sprang aus den Einbrecher zu, nahm seinen Kon in ihre Arme und rief: »Sie haben meinen Onkel getödtet!« ,,Jhren Onkel? Ach, das ist ja der Einbrecher!« »Der Einbrecher ist ja eben mein Onkel undSie haben ihn todt gewürgt. Er ist leblos. Oh, helfen Sie mir, ihn zu sich zu bringen« Der an der Erde liegende Mann kam wieder zum Bewußtsein und mur melte, als er Constanze sah: »Laß ihn das ganze Silberzeug neh men, Constanze, bis auf Deinen Tauf becher. Wenn er unser Leben schont, wollen wir keine Anzeige machen.« Es dauerte nicht lange, Herrn Tim mins auf das Sopha zu bringen, und » da er nicht verletzt war, so brachte ihn ein von Constanze’s zarten Händen tredenztes Was Wein bald zu sich. Noch immer unter dem Einfluß des - Erlebten stehend, murmelte er: »Ich bin nur mit knapper Noth dem Tode entronnen. Es war mir, als hörte ich Geräusch in diesem Zimmer und trat ein, als sich ein riesenstarier Mensch aus mich stürzte und mich fast getödtet hätte, als Du erschienst und ihn fortscheuchtest.« »Das ist nicht ganz richtig, lieber Onkel. Während Du in der beiden miithigsten Weise mit dem Einbrecher kämpftest, ging Oberst Pitblado ge rade vorüber, trat durch die Vorder thiir, die der Einbrecher offen gelassen hatte, ein, jagte den Burschen fort und rettete Dich. Die Herren gestatten, daß ich sie einander vorstelle — Herr Tim mins ———« Oberst Pitblado.« sit Its II Acht Tage später empfahlen sich « Constanze Timmins und Oberst Vit blado als Verlobte. Wie sich dieSache aber eigentlich in jener »Mordnacht« zugetragen, ——-- das hat der gute Onkel « nie erfahren. i Ein Yettken Berliner Stizze von Max Kretzer. Eines Vormittags, als die Kanzlei räthin Tessel allein zu Hause war, tlingelte es äußerst zaghast an der Korridorthiir, so daß sie sofort daraus ihre Schliisse zog. Jhr Mann war Armenvorsteher, und so nahm sie an, es fei irgend ein Petent, der zur un rechten Zeit käme. Als sie öffnete, stand ein junger, an ständig gekleideter Mann vor ihr, der aus den ersten Blick durchaus nicht den Eindruck eines Almosenbediirstigen machte. Dag Ehrenamt ihres Man nes jedoch hatte die Kanzleiriithin mit der Zeit zurMenschenkennerin gemacht. Aug der Art und Weise, wie der junge Mann demüthig vor ihr stand, verle gen den Hut in der Hand drehte, den er nicht mehr aufzusetzen wagte, wie er sie scheu anblickte und zuerst kaum die Worte sand, entnahm sie sofort das Richtigk. Etwas ärgerlich dariiber, gestört worden zu sein, deutete sie auf dac Schild neben der Thürklingel, auf dem die Sprechstunden in Armenangele genheiten verzeichnet waren. Aber sofort klang es bittend zurück: »Wenn es nur die kleinste Gabe wäre. . Jch habe seit gestern Mittag nichts genossen.« , Also ein richtiger Bettler! Jhr Aerger steigerte sich noch, denn trotz dem sie eigentlich von Natur eine her zensgute Frau war, hatten trübe Er fahrungen sie mißtrauisch gemacht. Jm vergangenen Winter hat man ihr vom Corridor einen Pelzmantel ge stohlen, als man die Mildthätigkeit an einem ähnlichen Fechtbruder bethä tigen wollte Seit der Zeit war sie vorsichtig genug, jeden ,,Verd«cichtigen« durch die Thiir abzufertigem »Es gibt nichts," sagte fie etwas hart. Aber als sie eben die Thiir zu schlagen wollte, knurrte leise die Trep pe, und ein bärtiger Mann wurde sichtbar, der sehr eilig die letzten Stu ffen nahm, den Hut ein wenig lüstete und sofort fragte: ,,Hat er bei Jhnen gebettelt, Frau Tessel?« Der junge Mensch zudte zusammen und sah sie so flehentlich an, als hinge von ihrer Antwort sein ganzes Schick fal ab. Frau Tessel erfaßte sofort den Vor gang. Wenn sie Ja sagte, so würde der Mensch von dem bärtigen Manne. den sie als einen Geheimpolizisten der Revier - Polizei kannte, mit nach der Wache genommen werden, um dann dem Strafrichter vorgefiihrt zu wer den. Sie überlegte nicht lange. Ohne die Frage zu beachten, sagte sie gleich giltig imGeschäftstone: »Ich sehe doch, daß ich tein Kleingeld habe, um die Rechnung zu bezahlen. Kommen Sie einen Augenblick herein, ich werde wechseln lassen.« Und ohne von dem Kriminalpolizi sten, der einige Worte der Entschuldi gung hervorbrachte, weitere Notiz zu nehmen, ließ sie den Bettler eintreten und schloß die Thür. Der Corridor war eng und dunkel, und da sie das Bedürfniß nach Licht empfand, öffnete sie die nächste Thür« die zur guten Stube führte, und nö thigte den »Besuch« dort hinein. »Sie dürfen nicht gleich gehen, sonst werden Sie vielleicht doch noch gefaßt,« sagte sie. »Kommen Sie mit nach der Küche, dort können Sie etwas essen. Sie können ja dann die Hintertreppe benutzen. Jch weiß, daß es Polizei vorschrift ist, auf alle Bettler zu fahn den . . . Haben Sie denn ein festes Obdach?« Schon halb auf dem Wege, ihm bor anzugehen, blieb sie wieder stehen und blickte ihn fragend an. Wie beschämt fah er zu Boden. Dann schüttelte er mit dem Kopfe und i erwiderte tleinlaut: »Ich bin vor drei Tagen aus dem Gefängnisse entlassen worden. Für die ersparten Arbeits pfennige habe ich mir etwas Sachen getauft. Gestern früh schon stand ich ganz blank da. Die letzte Nacht habe ich im Freien geschlafen.« Das Wort »Gefängniß« hatte sie zusammenschrecken lassen, so daß sie s unwillkürlich mit einer Seitenschwen kung einige Schritte von ihm zurück wich. Gott sei Dant, daß Olga, die kräftige Oftpreuszin, gerade mit ihrem Korbe hereintrat. Frau Tessel athmete anf. Sie be kam ihre Ruhe wieder und fühlte das Bedürfniß, den bösen Alp durch Spre chen zu verdrängen. Während sie ihn fragte, wie lange er »gesessen« habe und die Antwort erhielt, daß es ein Jahr gewesen sei, nahm sie unwillkür lich ihre goldene Uhr, die auf dem So phatisch lag, an sich und verschloß sie in der Schublade des Wäscheschrantes Er begriff ihr Vorgehen sofort und sagte leise im Tone des Vorwurfs: ,,Gn«cidige Frau haben nichts zu be fürchten, ich habe niemals in meinem Leben gestohlen. Jch habe auch nicht wegen Diebstahls gesessen, noch aus ir gend einem anderen ehrlosen Grunde. Niemals würde ich mich an fremdem Eigenthum bereichern, lieber würde ich Hungers sterben. Wahrhaftig, ich tann’s Jhnen schwören, es war heut das erste Mal, daß ich gebettelt habe. Aber ich hielt es vor Hunger nicht mehr aus« Sie war flüchtig roth geworden und gerieth etwas in Verwirrung, während sie sagte: »O, so war das ja nicht ge meint. Jch dachte im Augenblick gar nicht an Sie, sondern —« Aus feinen Worten hatte soviel in nerliche Entriistung geklungem daß sie ihm glaubte. Um ihre Ausrede wieder gut zu machen und ihm den Beweis zu geben, daß sie ihm traue, wollte sie ihn gleich hier vorne seinen Hunger stillen lassen. Laut rief sie Olga heran, die sie dann im Flüstertone rasch verstän digte. Das Mädchen machte große Augen, tischte dann aber schleunigst einige kal te Speisen auf, dazu ein Glas Bier. »Lassen Sie es sich gut schmecken,« sagte die Kanzleiräthin und lud ihn mit einer Handbewegung ein, Platz zu nehmen. Dann ging sie hinaus, trat an das Fenster des Schlafzimmers und blickte sinnend zu dem Stückchen blauen Him mel hinauf, das sich oben an den Dä chern der Hinterhäuser abzeichnet. Es waren trübe Gedanken, die sie spann und die sich um ihren Sohn drehten, um den Einzigen, der ihr und ihrem Manne viel schlaslose Nächte bereitet hatte, an dem aber beider Herz mit inniger Liebe hing. Man hatte ihn Kaufmann werden assen, weil man hoffte, er würde sich dadurch bei seinem gefälligen Wesen schneller eine Lebensstellung schaffen, als wenn man ihn auf die langweilige Laufbahn eines Subalternbeamten drängte. Thatsächlich kam er denn auch in einem Bantgeschäft, in das er eingetreten war, schnell vorwärts-, was wohl nicht zuletzt seiner hübschen Er scheinung und seiner wirklichen Intel ligenz zu verdanten war. So genoß er bald großes Vertrauen bei seinem Chef, das ihm aber eben seiner Jugend wegen zum Verhängniß wurde. Er lernte ein leichtsinniges Mäd chen kennen, das ihn ganz in ihre Netze zog, trotzdem sie bereits einen Bräuti gam besaß, einen Mechaniker, der durchaus die besten Absichten mit ihr hatte, und der ihr wohl gut genug zum Heirathen erschien, nicht aber zum Amiisiren Was vorher so manchanderer ge than hatte, das that deg Kanzleiraths Sohn. Er rnißbrauchte seine Ver trauengstellung und ließ sich zu Unter schlagungen hiiireißen, um sich mit sei ner Geliebten immer tiefer in den Strudel dek- Berlmer Lebens stürzen zu können. Betrug folgte auf Betrug, big endlich die Entdeckung eintrat. .. Frau Tessel schauerte leicht zusam men Noch stand ihr jener schreckliche Tag mit allen Einzelheiten vor Au gen, wo sie ihn, den sie mit Schmerzen zur Welt gebracht hatte, als gemeinen Verbrecher hinter den Schranken er blickte. Fürchterliche Tage hatte sie damals durchlebt, und der Kanzleii rath, der in Ehren grau geworden war, hatte mehr als einmal daran gedacht, seinem Dasein mit Gewalt ein Ende zu machen. Allmiihlich jedoch hatten sie sich be sleißigi, das Unvermeidliche in Erge benheit zu tragen, wurden sie nur noch von der einen großen Hoffnung erfüllt, den Verirrten nicht zu den Berlorenen rechnen zu dürfen, sondern ihn nach seiner Heimlehr als einen reuigen Menschen wiederzusehen, dessen höchste Ausgabe es sei, den Leichtsinn seiner Jugend durch ein neues Leben verges sen zu machen. Langsam waren ihre Augen feucht geworden, und sie verwünschte fast die sen Menschen da vorn, der ihr plötzlich durch sein Geständniß solche Seelen qualen bereitete. Als sie wieder nach vorne ging, erblickte sie etwas Seltsa mes. Sie sah, wie der Gesättigte, wohl in der Annahme ganz ungestört zu sein, aufmerksam eine Photographie betrachtete, die er von der Marmor platte des Spiegels genommen hatte. Kaum hatte er das Rauschen des Klei des gehört, als er vor Schreck zusam menfuhr und hastig das Bild zurück stellte. Er drehte den Hut wieder in den Händen und stammelte einige unzu sammenhängende Worte, aus denen Frau Tessel etwas wie eine Entschul digung entnahm. Als fände sie durchaus nichts Auf fallendes darin, fiel sie ihm sofort lä chelnd in das Wort: »O, das thut nichts. Es ist mein Sohn, der augen blicklich in Amerika weilt.« Diese Ausrede pflegte man stets Leuten gegenüber anzuwenden, die in die Familienverhältnisse nicht näher eingeweiht waren. Plötzlich wurde sie unruhig, denn sein erstauntes Auf blicken überraschte sie. Es war ihr. als glitte ein leises Lächeln über seine blassen Züge. Wie der Blitz kam ihr ein unheimlicher Gedanke, der so stark auf sie einwirlte, daß ihrAthem schnel ler ging. Sie fühlte die aufsteigende Hitze in ihrem Gesichte und das er regte Schlagen ihres Herzens. Sosort aber beherrschte sie sich, indem sie sichI zu einer ruhigen Rede zwang. s Sie ließ sich auf einen der rothen Plüsch - Fauteuils nieder und begann mit zitternden Lippen, unter dem Ein fluß großer Neugierde: »Was haben Sie eigentlich verbrochen? Sie Hin-s nen sich mir offen anvertrauen . . .« i »Ich habe meine Braut erschossen, weil ich von ihrer Untreue überzeugt war,« erwiderte er ruhig, diesmal den Blick fest auf sie gerichtet. »Sie hatte mich schwer beleidigt, und so konnte ich mich im Augenblick nicht mehr mä ßigen. Jch wurde wegen Todtschlags eingeklagt, und man billigte mir mil dernde Umstände zu. Jch habe schwer gefühnt.« Während er den Kon wieder gesenkt hielt, glitt sein irrender Blick aber mals nach der Photographie, doch diesmal scheu, als müßte er noch viel mehr sagen, wozu er aber nicht den Muth hat. Plötzlich fügte er mit ge senkten Augen hinzu: »Ihr Herr Sohn war nicht derEinzige, mit dem sie mich hinterging.« Sie wollte etwas sagen, aber der schreckliche Eindruck des Augenblicks hatte ihr die Worte genommen. Und da er die Empfindung hatte, etwas Entsetzliches angerichtet zu haben, so begann er wieder, fast bittend: »Ich habe nicht gewußt, daß hier seine Eltern wohnen, ich sah auch gar nicht auf das Thürschild. Jch zog blindlings an der Klingel Wahrhaf tig. es ist so Nun kann ich es Ih nen aber sagen, gnädige Frau —— Jhr Sohn denkt Tag und Nacht an Sie und weint im Stillen mehr um seine Eltern, als Sie es glauben. Während der täglichen Spaziergänge haben wir uns kennen gelernt. Nicht er hatte Schuld, sondern sie, die ich getödtet habe Haben Sie tausend Dank für das Gute, das Sie mir heute er wiesen haben.« »Kommen Sie heute Abend wieder, wenn mein Mann hier ist. Sie sollen nicht untergehen,« war Alles, was sie hervorzubringen rermochte. Die Küchenthür llappte. Dann ging Frau Tessel mit ethobenem Haupte an ihrem Dienstmädchen vor über, schritt wieder dem Borderzim mer zu und riegelte sich ein. Und wäh rend sie am Fenster stand, das Bild ih res Sohnes betrachtete, rannen ihr heiße Thränen über die Wangen, Thrijnen, wie sie nur den Augen einer Mutter entströmen können . . . . —- svf cHauptmann Erozavesm Aug dem Rumänischen von Maximilian W. Schross. Um einen mit Theetassen besetzten Tisch herum sitzt die Familie Leusteanu und lauscht den Worten des Haupt manns Grozavescu Er erzählt ihnen schreckliche und unglaubliche Aben teuer, welche er selbst mitgemacht hat. Frau Leusteanu nnd ihre Töchter er warten mit Unaeduld das Herannahen der Altitternachtsstunde um mit eini gen Freundinnen aus der Nachbar schaft auf ein Costiimsest zu gehen, wel ches der Bojar Fertezoi in dieser Nacht veranstaltet. Die Costiime liegen bereit aus einem Kanapee Aber big um Mit ternacht konnten sie noch den Erzäh lungen des Hauptmanns Grozavegcu zuhören, denn um diese Zeit erwartete man die Ankunft der Fräulein Stoco nete, welche aleichsallg das Costümfest besuchen wollten. »Was nun tommt,« sagte derHaupt knann mit energischem Tonfalle, «hat sich in meinem fünsundzwanzigsten Le bensjahre zugetragen Jch war damals Unterofficier und verliebt bis über die Ohren in ein Mädchen.« »Wie hieß sie?« fragten die Damen im Chor. »Sie kennen Sie nicht. Wie gesagt, ich liebte dieses Mädchen und bat sie um ein nächtliches Rendez-bpus. ie willigte ein, jedoch unter der - dingung, daß der Ort des Stelldicheins der —-—- Friedhof sei! . . .« »O!!!« riefen die Zuhbrerinnen »Gegen Mitternacht legte ich meins Gala - Uniform an, schnalle einer scharfgeschliffenen Säbel um, steckte , in jede Tasche einen Revolver» setzte E dag Käppi mit dem Federbusch auf. · nahm eine Signalpseife und ging denn H. Orte unserer Zusarnmentunft entge- « gen. Schwarz war die Nacht wie die « Seele eines Sünders. »Bei der Kirchhofsmauer angekom men, übersprang ich dieselbe, doch als ich mich nun allein sah in einer Welt von Kreuzen, Gräbern und geheim nifzvollen Schatten, blieb ich wie ver steinert stehen. Aus dem dunklen Eingang der Friedhofscapelle schienen die Gespenster der Todten hervorzu iommen und einzeln an mir vorüberzu gehen mit ihren grinsenden Schädeln, den Körper eingehiillt in den dunklen Mantel der Nacht. »Einen Augenbkick zögerte ich, dann jedoch faßte ich Muth, zog den Säbel und marschirte vorwärts. Es schien mir, als sähe ich in einiger Entfernung etwas Weißes, das sich bewegte. Jch lenkte meine Schritte dorthin, aber als ich den Platz erreichte, wo ich meineZoe zu finden hoffte, erblickte ich nur ein Grabdeninml aus weißem Marmor. Doch nicht genug damit erhielt ich, während meine Blicke auf den Stein geheftet waren, plötzlich einen heftigen Schlag in’s- Gesicht, welcher-mich von Kon bis zu Fuß erbeben ließ. Ein Käuzchen oder eine Eule —- ich weiß es nicht mehr genau — - welche sich auf dem Grabstein zur Ruhe niedergelassen hatte, bestrafte meine unbegrenzte Ver wegenheit, ihre Ruhe in folcherStunde zu stören, indem sie mit ihrem Flügel mit ganzer Kraft mir einen Schlag ins Gesicht ertheilte.« »Entsetzlich!« riefen die Mädchen gleichzeitig aus. » ,,Jch ging einige Schritte rückwärts, als ich plötzlich fühlte, wie Etwas mei « nen rechten Aermel streifte. Seitwärts blickend,.glaubte ich das geheimnißvolle Wesen, welches mich berührt hatte, zu sehen. Da zückte ich meinen Säbel und stürzte mich auf die schwarze Gestalt, um sie in Stücke zu hauen; jedoch die Klinge durchschnitt pfeifend die Luft, ohne auf Widerstand zu stoßen. Nun kam es mir zum Bewußtsein, daß Alles nur ein Gebilde meiner Phantasie war und ich steckte den Säbel wieder in die Scheide. Zoe war nirgends zu er blicken, sie hatte mich zum Besten ge halten. »Es blieb mir also nichts Weiteres übrig, als auf dem Wege, auf dem ich gekommen, wieder zurückzukehren; doch ich hatte meine Verwegenheit noch nicht theuer genug bezahlt. Jm Wei tergehen stolperte ich über Etwas und fiel in ein an jenemTage frisch geschau selteg Grab, das am nächstfolgenden Taae einen Leichnam aufnehmen sollte.. Dasselbe war ziemlich tief, und als ich topfiiber hinabstürzte, glaubte ich einen Augenblick, ich sei verdammt, nicht mehr lebend aus jenem Friedhof her auszukommen Jedoch erhob ich mich sofort, und obgleich es mir schien, als seien meine Füße bei den Knien abgeschnitten, ge lang eg mir schließlich, wieder oben an zukommen, nachdem ich zweimal wie von einer unsichtbaren Hand zurückge stoßen worden war Als ich mich end lich oben sah wurde mir schwarz vor den Augen und ich wäre beinahe ohn mächtig zusammengesunken.« Die Damen sind sehr bewegt. Mit großen Augen blickten sie den Haupt mann an. »Doch ich schleppe mich weiter und ohne es zu bemerken, fühle ich eine schlüpfrige Treppe unter mir, gleite dieselbe hinab und befinde mich plötzlich in einem Gewölbe, wo man die ausge grabenen Knochen der Todten aufbe wahrte. Ein Lämpchen brannte im Hintergrunde des schauerlichen Rau meg und beim Scheine desselben er blickte ich große Hauer Gebeine, be leuchtet von einem grünlichen Lichte.« ,,Entsetzlich!« flüsterte die Zuhörer chaft. ,,All’ diese grinsenden Todtenschädel, deren Augen wie schwarze, unheimliche Lichter aussahem blickten mich an, als hätte ich sie aufgeweckt aus ihrem schweren, ewigen Schlafe. Und da hörte ich plötzlich einen furchtbaren Schrei, die Besinnung entschwand mir und ohnmächtig sank ich nieder.« Kaum hatte der Hauptmann diese letzten Worte aesprochen, als sich gleich zeitig alle Thüren des Salons öffne ten und herein stürzten eine Menge Ge stalten, die Teufeln, Engeln und Ge spenstern ähnlich sahen. Sie kamen schnell auf die starr Dasitzenden zu und brachen beim Anblick der entsetzten Ge sichter derselben in ein lautes Gelächter aus. Der Hauptmann sank bewußtlos zu Boden. Die Mädchen und Frau Leusteanu sprangen aus und stießen gellende Schreie aus. Sie glaubten ei nen Augenblick, daß all’·die Phantome, von denen der Hauptmann erzählt hat te, nun gekommen seien, um sie zu schrecken. Jedoch in Bälde erkannten sie, daß die Teufel, Engel und Gespenster niemand Anders waren, als ihre Freundinnen, weiche costiimirt sich ein gestellt hatten, um zusammen mit ih nen aus den Costiimball des Herrn Ferkein zu gehen. Jedoch dauerte es ziemlich lange, bis man den surchtloseu Hauptmann Grozabescu wieder aus seiner Ohn macht erwecken konnte ...... -.-.· —-— Aussicht vorhanden. uswei Damen verseindeten sichJ »Und habt ihr einander auch ,,häßliche Per son« genannt?« frug der Gatte der ei nen. »Das nicht . . .« »Nein? Nun, dann übernehme ich eure Versöhnung.«