Greolocti giioodk i Roman von Josef Tkkmutlmä (13. FortseßungJ »Von Herzen gern; sprechen Sie nicht mehr davon.« Sie blickte ihn forschend an und sag te: »Haben wir uns vielleicht schon früher getrossen?« »Nie!« »Sonderbar; Sie erinnern mich an eine Person, die ich einmal gesehen ha ben muß, obwohl ich mich nicht entsin nen kann, wann und wo es geschah. Leben Sie wohlt« . Sie nickte ihm freundlich zu. Er nahm höflich den Hut ab und verbeugte sich. Jm nächsten Augenblick flog »Sultana« mit der Reiterin Geeh lock Woods zu. Mr. Godfreh Greylock pflegte spät aufzustehen; Ethel hoffte, daß er ihre Abwesenheit noch nicht entdeckt haben möchte. Als sie in die Hauptallee des Parkes einbog, kam ihr plötzlich ein Gedanke in den Kopf. »Ob in derRo senvilla wohl schon Vorbereitungen für die Rückkehr meiner Mama getroffen werden?« sagte sie, und schnell schlug sie eine Nebenallee ein, die direkt nach , der hübschen Eremitage führte. Beim ersten Anblick wußte sie, daß ihre Mutter angekommen war. Die Fenster standen offen, Dienstboten lie fen geschäftig hin und her. Ethel sprang aus dem Sattel; sie trat ohne Weitereg in das Haus ein und lief rasch die mit neuen Teppichen bedeckte Treppe zum Zimmer ihrer Mutter hinauf. ,,Mama! Mama! Ich bin’s!« rief sie, indem sie in’g Gemach flog, in welchem Jris vor einem Tot lettentisch sasz und ihr Gesicht in dem Spiegel betrachtete, während Hannah Johnson mit den Haaren ihrer Gebie terin beschäftigt war. Die Zeit war gnädig mit Iris Gren lock verfahren; ihre dunklen Locken wa ren noch so üppig wie je kund völlig frei von jenen silbernen Streifen, die Alter und Sorgen zu bringen pflegen. Reine Runzeln entstellten ihr blasses Gesicht, das noch immer den mädchenhaften Ausdruck ihrerJugendjahre hatte. Jhre Gestalt war so schlanl und shlphen ähnlich wie je» und ihre Schönheit hat te wie in vergangenen Tagen jenen zarten Teint, der uns namentlich bei Licht so sehr entzückt; sie sah zehn Jah re jiingeri aus, als sie wirklich war eine Thatsache, die Niemand besser wußte als sie selbst. Als die Tbiir ausging und die strah lende Gestalt des jungen Mädchens hereintrat, stieß JriH einen Schrei der Ueberraschung aug. ,,(7thel! Mein Gott, isi’s möglich?« rief sie, indem sie mit theatralischer Weber-de die Arme ausstrecktr. »Mein Rind! Mein ge liebtes Kindl« Muter und Tochter umarmten ein ander, wenn auch ohne wahre, innige Zärtlichkeit »Wann hast Du die Schule verlai sen? Was machst Du drüben im Hau fe? Liebt Dein Großvater Dich noch so sehr wie je? Hast Du mich ganz vergessen?!« rief Iris, indem sie das junge Mädchen mit der Miene einer Kennerin betrachtete »Oh, wie schön bist Du geworden! Wo haft Du denn diese vornehme Miene her? Jch bin erstaunt; ich bin entzückt Du haft die Verheißungen Deiner Kindheit inehr als erfüllt!« « »Mama! Du benimmft mir ja den Athem!« sagte Ethel lachend. »Wenn eine Tochter des Hauses Grenlock nicht durch ihre Geburt ein Anrecht auf Bor nehnrheit hat« wer sollte es denn ha ben? Jch verließ die Schule vor vier zehn Tagen, vertreibe mir die Zeit auf die angenehmfte Weise, und Großpapa liebt mich mit steigender Zärtlichkeit Beweift mein früher Besuch Dir nicht, daß ich Dich nicht vergessen habe? Wenn Du einen Boten hinüberfchiclen willst, um Großpapa zu benachrichti gen, daß ich hier bin, so will ich bei - Dir bleiben und mit Dir frühstiicten; ich habe noch nichts gegessen.« Jris tlingelte und ertheilte die ge wünschten Befehle. »Pflegst Du schon zu so früher Stunde auszureiten ?« fragte Jris mit einem Blict aus Ethels nasses Reit tleid; ,,es war ja ein entfetzliches Un: wettet; bist Du davon überrascht wor den? Bist Du zu Schaden gekom men?'« »Nicht im Mindesten,« antwortete , Ethel, leicht erröthend, indem sie ihres I eben erlebten Abenteuers gedachte; »ich ; habe ein Obdach gefunden." i Hannah Johnson, die noch immer j mit der haartoilette ihrer Gebieterin ! beschäftigt war, warf zuweilen verstoh lene Blicke auf das schöne Mädchen, das sich in einen Fauteuil neben dem Toilettentifch geworfen hatte. »Ich hoffe, Sie erinnern sich meiner noch, Miß,« sagte fie endlich; »ich bin immer noch bei Jhrer Mama, wie Sie sehen.'« Ethels Augen blitztem sie hatte die intime Dienerin ihrer Mutter stets verabscheut. »Ja, Hannah,« antwor tete sie trocken; »ich habe ein fcharfeg , Gedächtnis für unangenehme Dinge." i »Mein Gott, Miß, was meinen Sie nur damit?« fragte Hannah i »Die Schläge und Püffe, die ich in " meiner Kindheit von Ihnen erhielt, fühle ich noch heute so wie vor zehn Jahren.« i »Sie waren damals ein ungezoge nes Kind, Miß,« entgegnete Hannah mit einem häßlichen Gkinfenx »Sie - verdienten alle Schläge, die Sie bela men, und Ihre Mama weiß, daß ich Sie dennoch auf den händen trug. O Niemand kann sich mehr darüber freu en als ich, baß Sie zu einer so schönen » lUUgM Dame herangewachsen sind, i und daß Sie so glänzende Aussichten ! haben. Wenn Sie erst Herrin von ! Gkkylock Woods sind, so hofse ich, dasz « Sie sich meiner Verdienste erinnern werden.« «Der familiäre Ton des Weibes er bitterte Ethesl noch mehr. »Ich sehe, Sie sind noch unerträglicher geworden, als Sie es früher waren,« sagte sie. Oannah lachte höhnisch und sagte -;Oh, ich habe meine Rechte, Miß; Jhre i Mama lennt sic, wenn Sie sie nicht ! tennen.« ? Jris sah verdießlich und beunruhigt « darein. ,,Hannah, wie kannst Du nur so thärichtes Zeug schwätzen!« rief sie; ,,tein Wort mehr davon; bring’ mir meine Morgenrobe aus weißem Kirsch mir mit den rosafarbenen Atlas-hän dern. Ethel« mein liebes Kind,« fuhr sie fort, um die Gedanken ihrer Tochter vonHannahabzuleniem »ich habe präch tige Toiletten aus Paris mitgebracht; ich werde sie Dir später zeigen. Ohne Zweifel findest Du mich so alt und verweltt, daß Du Dich wunderst, wie ich noch für Putz und Staat Sinn und Geschmack haben tann.« Ethel lächelte. »Du alt, Mama2 — Du oerwelkt2 Du könntest sehr gut für meine ältere Schwester gelten. Nun erzähle mir aber von Deinem iahmen Knie; ist es besser damit geworden? Haben Dir die deutschen Bäder gut gethan ?« Jris erhob sich von ihrem Stuhl, ihre Haartoilette war beendet; ihr zar tes Gesicht fah noch so jung und hübsch aus wie vor zehn Jahren; sie war noch immer ein Schmetterling; doch ach, der erste Schritt, den sie vorwärts- that, zeigte Ethel, dasz es mit ihrem Gebre chen nicht besser geworden war. »Ich habe Alles versucht; ich habe Tausende von Dollars auggegeben,« seufzte Jrisz ,,allein ich werde bis zu meinem Tode lahm bleiben; es ift sehr, sehr hart; Jahre lang habe ich gehofft; Jahre lang hatte ich nur den einen Zweck im Auge, eine Kur zu gebrau chen, um zur Bühne, zum Leben einer Tänzerin zurückzukehren — dem einzi gen Leben, das Reiz für mich hat.« ..Sprich nicht so, Mama,« sagte Ethel ernst. »Ah, Du kennst den Zauber einer solchen Kunst nicht!« rief Iris-, wäh rend eine fieberhafte Röthe ihre bleiche Wange überflog· »Und doch solltest Du ihn begreifen, denn auch Du hat test einst Talent; als Kind tanztest Du zum Entzücken. Tanzest Du jetzt noch zuweilen? Haft Du nicht Luft, öffent lich aufzutreten ?« »Nein," antwortete Ethet; »Groß Papa würde bei dem bloßen Gedanken daran wiithend werden; übrigens habe ich auch keine Neigung dazu, Mama1« »Der abscheuliche Graulops!« rief Jetz. ,,-O-b er mich noch immer so haßt, wie ehedeinpck Doch, wag liegt daran; es ist genug. daß er gegen Dich so zärtlich ist. Beabsichtigt er, uni ganz und gar von einander getrennt zu halten? Jst es sein Wille, daß Du Dich beständig in seinem Hause auf haltst Z« »Ich glaube dag, Mama.« »Welch’ abscheiilicheSelbstsuchtl Gib mir Deinen Arm, Feind; wir wollen l,«inuntergehen. Wie start und behende Du bist! Wollte Gott, ich hatte Deine Jugend und Deine (itesundheit!« Sie gingen die Treppe hinab; Ethel stiitzte ihre Mutter. Jn dem Boudoir war die Frühstückgtafel gedeckt, und ein pechschwarzer Page in scharlachro ther Lioree stand mit schneeweißerSer oiette unter dein Arm zur Bedienung bereit. »Polln, Pollyi Jch bin Polly!« trächzte eine heisere Stimme vom Fen ster her. Es war der jetzt altersschwache, griine Papagei. Ethel suhr unwillkürlich zusammen. »Du hast also den Vogel noch, Ma ma?« »Ja, um Deinetwillen gebe ich ihm das Gnadenbrod,« antwortete Iris, indem sie eine Triissel zum Munde führte. »Kind! Jetzt, da wir allein sind, habe ich Dir einige Worte zu sa gen. Du mußt Deine Abneigung ge gen Hannah zu überwinden suchen; sie ist mir von großem Nutzen, und wenn sie auch zuweilen ein wenig iibermiithig wird, wie es bei allen verhätschelten Dienstboten der Fall ist, so hat sie doch ein braves und gutes Herz· Jchbitte Dich. mache sie Dir nicht zur Feindin; sie ist eine das heißt, sie ist ge- s sährlich, kann es wenigstens werden. l Es ist mein sehnlichster Wunsch, daß Du Dich freundlich gegen sie be nimmst.« Ethel riß ihre Augen weit aus. »Ich sreundlichi Und gegen Hannah John son!« ries die hochmüthige Erbim ,,wie kannst Du nur so reden, Mama? Jch verabscheue dieses Wein Ich kann sie nicht ausstehen, und ich begreise nicht, wie Du sie umDich dulden kannst; wa rum gibst Du ihr denn nicht den Laus paß, Mama? Eine iibermiithige Die nerin hat sich stets überlebt.« ,,Ethel, Du weißt nicht, was Du sprichst!« ries Iris. »Wenn Dir mein Wunsch etwas gilt, so reize Hannah nicht; sie ist Dir nicht sehr gewogen ----- sie hat und Beide in ihrer ——- ich will damit sagen, daß ich nach ihren lang jährigen Diensten so aus ihren Bei stand angewiesen bin, daß ich sie nicht mehr entbehren lann.« »Ich muß mich über Dich wundern, Mama!« antwortete Ethel; »ich würde mich nie von irgend einem meiner Dienstboten abhängig machen.« ; kannst Du so etwas auch nur denken. . »Du hast gut reden!« rief Iris pi klktx »Du bist sund und rüstig; ich aber wage es n , Hannah zu entlas IMZ ich kann ohne sie nicht leben. Es ist wahr, sie ist in den letzten Jahren sehr anmaßend geworden; sie fordert ungeheueren Lohn, und da ich mich nicht mit ihr zanken will, so gebe ich ihren Forderungen nach. Apropos, EIHCL ich muß Dich um eine weitere Gefälligteit bitten. Dein Großvater schlägt Dir keinen Wunsch ab; bitte ihn, mir eine Zulage zu meinem jähr lichen Einkommen zu gewähren.« »Mama!« ,.Dich wundert es wohl, zu hören, daß ich mit fünftausend Dollars das Jahr nicht auskommen kann? Be denke nur die Reifekosten und die schweren Summen, die ich vergeblich zahlte, um von meinem Gebrechen eu rirt zu werden. Unter uns gesagt, ich stecke tief in Schulden und bin nicht im Stande gewesen,auch nur einen Dollar siir die Zukunft zurückzulegen.« »Aber Mama! Die Sorge für Deine Zukunft kannst Du doch sicherlich mir iiberlassen.« »Ja, mein Kind, ich darf Deinem guten Willen wohl vertrauen. Wollte Gott, Godsrey Greylock wäre erst todt, und Du hättest Dein Erbe angetreten; er hat wahrhaftig lange genug gelebt. « »Mama!« rief Ethel bestürzt und erschrocken aus. »O Mamai Wie Iris hatte nicht beabsichtigt, so offen zu sprechen, allein ernste Befürchtungen und trübe Ahnungen begannen sie zi auälen. Hannahs Betragen war in letzter Zeit unerträglich geworden, und ein höchst unangenehines Gefühl der Unsicherheit hatte sich der Herrin der Rosen-Billet bemächtigt. »Du liehii ihn natürlich,« sagte sie nervösx »Di kannst aber nicht erwarten, dasz ich Deine Gefühle theile. Nun, mein Kind, vergifi nicht, iim was ich Dich bat und nimm die erste Gelegenheit wahr, Dir als eine persönliche Begün stigung eine Zulage von weiteren fünf tausend Dollars jährlich für Dei: .e arme Martia zu erbitien.« »Bist Du nicht ein wenig verschiveiis derisch, Mama?« fragte Ethel ernst. »Mag sein, mein Kind; allein das ist eher mein Unglück als meiiieSchuio; ich war init dem Geschmack und den Ansprüchen einer Herzogin geboren. Du solltest mir keinen Vorwurf ma chen, (sthel, denn Du hast durch unsere Vinsfökiniing iiiit Godfrey Grehloci Alles gewonnen; selbst Hannah Jilkns son hat sich in meinem Dienst ein ltübs scheå Vermögen erspart. Jch allein bleibe arm, beiiiinmert, unglücklich Dcch,« fuhr sie fort, indem sie plötzlich einen anderen Ton anschlug, »ich rusu nicht weiter iiber diesen unangenehmen Gegenstand reden; ist der englische Ba ronet anaetominen,und hat Dein liede vvller Großvater den Tag der Trau ung bereit-« festgesetzt?« Ethel erröthete, faßte sich aber rasch und sagte: »Auf beide Fragen kann ich mit Nein antworten, Mama.« Jrig lehnte sich in ihrem Fauteuil zurück und brach in ein Gelächter aug. »Höre mich an, Ki»nd,« rief sie; »ich : habe die Bekanntschaft Deines hoclxge i borencn Freierg bereits gemacht, des . Auserwählten Deines stolzen istroizixias Iters, des verzauberten Priniem dcr Dich iiber das Meer nach dem-Stamm sitz seiner Ahnen führen soll.« Etbel stutzt-: »Wie soll ich das ver stehen, Titanias« »Es traf sich aanz zufällig auf dem Dampfer. Wir reisten zusammen von Liverpool ab; er fing an, mich zu be obachten, noch ehe wir den Hafen ver lassen hatten. Jch werde nie seetr.rnt und traf daher beständig auf dein Ver deck und in den Salons mit ihm zu samtnen Am zweiten Tage der Reise entdeckte er meinen Namen, kam mit einer Karte in der Hand zu mir und fragte mich mit der ausgesuchtesten Aev tigteit, ob ich nicht eine seiner ameri tanischen Cousinen sei. Natürlich wur den wir sofort die besten Freunde. Er war während der ganzen Reise mein beständiger Gefährte; seine Aufmerk J samleit gegen mich ging sogar so weit, daß die übrigen Damen an Bord grün vor Eifersucht wurden und allen Ern stes glaubten, daß er mich zu der Sei nigen zu machen beabsichtige.« Ethel fuhr erschrocken auf. »Er ist also angekommen, Mama?- —- Er ist -—- wo ist er?« »Das weiß ich wirklich nicht,« erwi derie Iris, indem sie ihre Chokolade schlürfte; wir trennten uns an der Werste von Boston; ich sah ihn seither nicht wieder. Und ich soll die Schwie germutter dieses Mannes werden! Diese Jdee erscheint zu lächerlich, wenn ich an seine neuntägige Courmacherei an Bord des Datnpfers denke!« Ethcl schob ihkeir Teller von sich; ihk Appetit war- dahin. »Es freut mich, daß Du den Baronet liebenswürdig und unterhaltend gefunden hast, Mama; es freut mich, daß er Dich be wunderte; hätte er dies nicht gethan, so hätte er einen tliiglichen Mangel an Geschmack gezeigt." » »Es ist artig von Dir, dies zu sa gen, Ethel. Jch war indessen iviithend « iiber seine völlige Gleichgittigteit in » Bezug auf Dich. Nach unserer ersten Unterhaltung nannte er Deinen Na men nicht einmal mehr; er richtete keine Fragen an mich, zeigte weder Interesse noch Neugierde hinsichtlich des Mäd chens, das Godfrey Greylock ihm buch stäblich ——- verzeihe mir den Ausdruck — buchstäblich an den hals- geworfen hat. War das nicht kalt und sonder bar? Jch sagte damals zu Hannah daß ich befürchtete, es möchte nichts aus der Partie werden-« Ethel blickteunwillig drein. »Mama, es ist nicht möglich, daß Du Deine Würde so weit vergessen kannst, meine Angelegenheiten mit Hannah oder Deinen anderen Dienstboten zu bespre zchen. Der Baronet ist offenbar ein l Mann von gesundem Verstand; ich bin t ihm sehr dankbar dafür, daß er dies so t deutlich zeigte.« »Du fonderbares Kindl« rief Jris lachend; ,,einen solchen Liebhaber kannst Du Dir wünschen? Wie blaß Du aussieth Sage mir aufrichtig, Ethel, bist Du mit dieser englischen Heirath einverstanden?« »Oh, warum denn nicht?« erwiderte Ethel, indem sie sich erhob; »wir kön nen indessen unsere Unterhaltung zu einer anderen Zeit fortsetzen, Mama; ich mufz jetzt fort —- Großpapa könnte über mein langes Aus-bleiben angehal ten werden.« Sie zog ihre Handschuhe aus der Tasche, doch indem sie dies that, flog —-- oh Entsetzen! —- Regnaults un glückseliger Brief heraus nnd fiel dicht vor Iris-X Füßen auf den Teppich nie der. Schnell hob die Herrin der Rosen Billa ihn auf. »Ah!« rief sie neugie rig, »Du erhältst Brieer Von wem, wenn ich fragen darf?« Plötzlich stieß sie einen lauten Schrei aus und ihr Gesicht wurde weiß wie Kreide. ,,Ethel! Oh gerechter Himmel! Wessen Hand schrift ist das?!« rief sie, indem sie auf sprang. Ethel riß ihr den Brief aus der Hand. »Was ist Dir, Monta? Wie Du mich erschreckt hast; Warum zittert Du so?« »Den Brief! Den Brics!« rief Iris-: ,,nimn1 ihn aus dem Eouvert und las mich bineinblicken!« »Ich kann das nicht thun, Nie-mer« antwortete Ethel mit fester Stimme: »Verlange das nicht Von mir T« hast tein Recht dazu!« Jrigserbebte Vom Kopf bis zu d-: Füssen. ,,Kein Eltecht!« schrie sie. »Ur dantbareg Mädchen! Antworte mir ich will ek- wifien! Wer hat den Brie? geschrieben?« lithel war bleich vor Schrecken; sollte sie sich ihr liteheiinnifz entreißen lassen. »Er ist von einem meiner Leh rer in der Pension, Mama,« statt-, melte sie. »Dein Lehrer? Wie heisit er?« ,.ilte»anaiilt, Mama.« Die Farbe lehrte lanasarn in Iris Antlitz wieder, doch mit hnsterischein Gelächter sank sie in ihren Stuhl zu riielt »Wie lächerlich von mir,«« rief sie. »Ich bin noch immer schwach von den Strapazen der Seereise. Diese Hand schrift hat mich sehr erschiiitert; sie hat« so große Aehnlichkeit mit der eine-Z meiner Freunde, der schon seit Jahren todt ist. Es ist natiirlich nur eine zu-: fälliae Aehnlichkeit; ich hatte es ja wis sen können, daß eg nicht möglich war; die Todten lehren nur in Sensation5 romancn in’23 Leben zurück. Regnault, Regnault!« fuhr sie nachdenklich fort, »ich habe den Namen nie zuvor ge hört.« »Es ist kein gewöhnlicher Name, wie ich glaube,« fagte (f«thel. die sich vor weiteren Fragen fürchtete. »Laf-, inkch klingeln, Mamm Du benöthigst ein Glas Wein. Soll ich bei Dir bleibcxi, bis Du Dich besser siihlst, oder soll ich gehen3« »(ttehe!« antwortete Iris. Eihel ließ sich das-z nicht zweimal fa gen, sondern uerabschiedete sich von ih rer Mutter und ritt davon. Es war schon beinahe Mittag, cle sie das Herrenhaiig erreichte. Tante Paniela trat ihr auf dem Hausflur entgegen und sagte, athIm los vor Aufregung: »Ob, mein liebes Kind, wie konntest Du uns so er schreckenit Die Hälfte der Diener schaft ist ausgeschickt worden, iiin nach Dir zu suchen. Eile und tleide Dich an; es ist während Deiner Abwesenheit Jei.tand angeloinmen —— ein Gast aus England.« Ethel fühlte ihr Herz still stehen. ,,Sir Gervase Grei)loct?« ,,Ja,« sagte Tante Pamela; ,,er ist in der Bibliothel bei Deinem Groß vater, und Beide erwarten Dich dort.« »Man-n ist derBaronet gekommen?« ,,Vor einer halben Stunde.« Die Krisis stand bevor! Ethel mußte ihr tiihn die Stirne bieten. Reg naults dunkle, herrliche Augen schienen vor ihr aufzuleuchten und ihr Kraft und Muth einzuflößenx um seinetwil - len konnte sie Alles thun und wagen. Sie eilte nach ihrem Zimmer hinauf, gefolgt von Tante Pamela, die sehr eifrig sprach, jedoch zu tauben Ohren. Dort machte Ethel Toilette, indem sie zu sich selbst sagte: »Oh, mein Gelieb ter! Jch will Dir treu sein; ich werde meinen Schwur nicht vergessen! Dein bin ich -- Dein bleibe ich bis in den Todt« ,,Beeile Dich, mein Kind!« sagte Tante Pamela. Bleich, aber gefaßt, begab sich Ethel mit ihrer Tante die Treppe hinab. Sie hatte ein schwarzes Kleid angezogen und einen Vergißmeinnichtstrauß an den Busen gesteckt. Einen Augenblick hielt sie vor der Bibliotbek an, um sieh zu sammeln; dann öffnete sie die Thiir und trat ein. ,,Ethel,« sagte der Großvater, indem er ihre Hand ergriff und sie nach dem Kamin geleitete, ,,unser sehnlichst ek warteterGast und Verwandter ist hier; erlaube mir, Dir Sir Gervafe Greylock Von Greylock Pakt in Suffolk, Eng-; land, vorzustellen.« ’ Langsan und zögernd erhob sie ihre Augen zu ihrem englischen Freier. Er war groß von Statur; ihr Auge hatte mehrere Zoll über ihre eigene Höhe em ! porzuwandern, um seinem Blick zu be Jurückz das Blut ftrömte in ihre Wan ! gen, sie versuchte zu sprechen, vermochte i aber tein Wort zu finden Sie stand i dem Manne gegenüber, der an diesem ; Morgen Regnaults Brief am Strand lvon Blackport aufgehoben und wäh « rend des Gewitters an der Thüre des alten Boothauses ,,Sultana« gehalten hatte. 18. K a p i t e l. »Pollh! Polly!« rief der Hausherr, und »Polly! Polly!« rief auch die ! Hausfrau »Polly! Du mußt mein zerrissenes Kleid flicken!« schrie eines » der Kleinen. ,,Pollr), ich will ein But s terbrod!« ließ sich ein Anderes verneh men. Das dunkle Mädchen mit den see lenvollen Augen und der schwächlichen Gestalt, die geduldige Sklavin des lar menden, unordentlichen Steele’sehen Haushalts flog Treppe auf,Treppe ab, nach der Küche, nach dem Zimmer ihrer Herrin uin mit einem einzigen Paar milder Füße und zwei mageren Hän den ein Dutzend Befehle auszuführen und die Arbeit einer Köchin, Aufwär terinNäherin Und Kindsmagd zu voll bringen. Es war eine nachsichtslose, undank bare Brut, diese Steele’sche Kinder schaar. Seit Jahren schon war Polly, die namenlose Waise, der Spielball ih rer Launen gewesen -—— seit jenem Abend, als Dick Vandinesie von dem Hospital nach dem Haufe def- Doctoro gebracht hatte. Während dieser Zeit war Großmut ter Scrags »schwarzer Satan« aus einem Kinde zu einer hageren Jung frau herangewachsen. Sie hatte eine bende Erinnerung an den Unfall, der ihr bei dem ungliictlichen Versuche, zige Schönheit. Jm Alter von achtzehn Jahan — Niemand vermochte ihr Alter genau anzugeben gebrach es Pollh nicht ganz an Schultenntnissenx von früh big spät hatte sie sich lzwar fijr die Kin der abmühen müssen; allein sie hatte auch Zeit gefunden, deren Schulaufga den mitzulernen; Sonntags saf-, sie ftth mit der jungen Brut um sich ber im Kirchenftuhl der Familie Dirl häßliche Narbe an der Stim, eine blei- I kostet hätte; zwei große braune Augen - und ihr üppigeg Haar waren ihre ein- E I i ! l ( ! Nan einzuholen, beinahe das Leben ge: s Vandine dessen Interesse für die arme Waise dies-Zeit nicht ahzuschwächen ver Itsocht hatte, brachte ihr oft Bücher, die Werte von Shakespeare, vorzügliche lk·toixiane, die besten Dichter aller Na tionen, sowie gute Geschichtswerke. »Diese Bücher richtig zu lesen, ist an und für sieh eine Erziehung,« hatte er ihr einmal gesagt; »Du bist zu geweck ten Geistes-, um in Unwissenheit auszu wachsen.« lind Volln hatte die Bücher in den stillen Stunden der Nacht gelesen, wenn die aeräuschvolle Familie schlies, » und wenn ihr eigener müder Leib eben 721lls hätte der Ruhe oslegen sollen. Jsu Feder Vezieluena hatte sie sich ihrer I Herrschaft unschätzbar und unentbehr lich gemacht. allein in Bezug aus die Frage des Lohnes blieb diese stumm. «t"-ollh war eine nnbezahlte Sklavin Nicht einen Cent hatte sie je für all’ ihre Mühe und Arbeit empfangen: Alles, was sie erhielt, war ihre Belösti aung und Kleidung und Beides ließ in Quantität und Qualität viel zu wünschen übrig. Als sie älter wurde, sing sie an, sich gegen diese ungerechte Behandlung auf zulehnen; sie faßte sich ein Herz, mit Vandine darüber zu sprechen. »Es war, wie Sie wissen, längst meine Ab sicht,« stammelte sie, »etwas Geld zu ersparen, um Nan aufzusuchen; wie soll ich dies aber anstellen, wenn ich keinen Lohn erhalte? Jch werde mei nen Liebling wohl nie wiedersehen.« »Was?!« rief Dr. Dick, ,,hast Du Nan noch immer nicht vergessen Z« Pollhs mageres Gesicht, das hübsch gewesen wäre, wenn es mehr Fleisch und Farbe besessen hätte, nahm eirien wunderbaren Ausdruck an. »Verges: sen! Jn meinem ganzen Leben werde ich sie nicht vergessen! Und sollte ich hundert Jahre alt werden« so würde ich bis zu meinem letzten Athemzug an sie - denken und sie lieben.« ! »Du gute, treue Polly!« rief Van idine. »Beim Himmel, ich möchte wis T sen, ob Nan auch an Dich denkt und ob sie Deiner Treue auch nur annähernd würdig is -— — Es war ein ungemüthlicher Regen tag. Rauch und Nebel hüllteu die Stadt ein und erfüllten die enge, un scheinbare Straße, in der die Familie Steele wohnte. Der Nachmittag ging zu Ende. Polln saß mit den Kleinen in der Kinderstube,—ss-s mit dem Ausbes. sern eines großen Hausens Kleider und Wäsche beschäftigt. Robert nnd Joses, die größten Plagegeister des Hauses, lagen zu ihren Füßen und rissen Lö cher in den ohnehin schon stark abge nußten Teppich. Zwei oder drei kleine Mädchen hin gen an der Riictlehne ihres Stuhle-s nnd amüsirten sich damit, ihren Ell bogen mit Steclnadeln zu stechen, wäh rend sie dem Scheine nach der kleinen May, dem einzigen artigen Kinde der Familie, zuhörten, die aus einem Stuhle neben Polly saß und aus einem Buche laut vorlas; die Thüre ging aus und Dr. Vandine trat ein. Ein vielstimmiger Freudenrus et scholl durch die Kinderstube. Niemand achtete darauf, wie Pollys Gesicht bleich, dann roth und dann wieder bleich wurde. Die Kinder stürmten insgesammt aus ihren V:tter heran; selbst die kleine May warf ihr Buch hin und sprang von ihremStukjl herab. Es dauerte einige Zeit, bis Vandiue im Stande war, sich Polly zu nähern u::d ihr freundlich die Hand zu reichen. »Da bist Du, wie gewöhnlich, von die sen Plagegeiftern umringt,« sagte er »Wie hager Du wirst, armes Ding! Doch kein Wunder; des Doktors zahl reiche Sprößlinge würden selbst einen weiblichen Herkul-es alles Fleisches be rauben. Komm’, Joc, laß meinen Hals los-; ich kam in Geschäften nach ber Stadt und dachte, ich wolle auf einige Augenblicke hierher gehen, ehe ich nach Blackport zurückkehre.« Pellh gab sich keine Miihe," ·ihre Freude über seinen Besuch zu verber gen: ihre großen, dunklen Augen leuch teten, eine schwache thhe uberflog ihre hohlen Wangen: sie ließ ihre Arbeit auf einige Augenblicke ruhen. ,,Gefällt es Ihnen in Blaclport, Doctor?« sagte sie, »und gedenken Sie dort zu blei ben?« Eine Wolke beschattete sein gutmü thigeI Gesicht; er streichelte Robertö Flachskopf mit solcher Energie, daß dieser jüngste Spröleing des- Siede ’seisen Ehepaares laut zu heulen an sing. »O ja, ich werde bleiben,« antwor tete er; »der Ort ist zwar verteufelt ge fund, allein ich bin der einzige Arzt dort; meine Aussichten aus Erfolg sind in einem kleinen Städtchen wie Plack port besser als in einer Großstadt, wo .:n.bemitt.elte Doktoren in jeder Straße spie Pilze emporschießen.« »Ist Jhnen etwas Unanaenehmes widerfahreu?« sagtePolly ruhig; »Sie sehen bekümmert und niedergeschlagen aus« - »Der junge Arzt runzelie dieStirne, lachte dann aber hell auf und sagte: «W:«lchen Scharfblick Du besitzest, PullM Nun ja, ich gebe zu, daß ich seit einigen Taan in keiner angeneh men Gemiithsstimmung bin; laß uns an das Fenster treten, so das-, die junge » Brut uns nicht hört; ich habe Dir et was mitzutheilen.« I So sonderbar es erscheinen mag, lam der junge Doktor oft mit seinen kleinen Anfechtungen zu Pollux ihr tu higes, sympathisches Wesen slößte ihm Vertrauen ein; überdies wußte nur sie ihn und seineTugenden richtig zu wür digen. Sie trat daher seinem Wunsche genxäsi au das Fenster, während er eine Schachtel mit Bonbons aus dem Tische ausleerte, über welche die jungen Steeles sofort herfielen. Er wußte, daß er wenigstens auf einige Augen blicke Ruhe haben würde, und trat nun ebenfalls an das Fenster. »Wie kommt es nur, Pollh,« begann der Doktor, »das; ich mich immer un widerstehlich zu Dir hingetrieben fühle, um iiher meine Angelegenheiten zu sprechen, namentlich, wenn diese schieff stehen Z« »Ich weißes nicht,« murmelte Polly.. ,,Hol mich der Henker, wenn ich es selbst erklären kann. aber Thatsache ifk es: ich glaube, daß Du der befteFreund bi t, den ich in der Welt habe!« ,,Jch?« erwiderte sie mit wehmüthi gem Lächeln. »Nicht doch, es gibt Leute, die sich sehr beleidigt fühlen würden, wenn sie Sie so sprechen hör ten.« »Ganz und gar nicht,« entgegnete er lachend; »ich bin nicht reicher anFreun den, denn an Geld. Pollu, ich habe eine ungeheure Thorheit begangen, die schlimmste, die ein Mann in meinen Schuhen nur begehen kann.« »Mein Gott!« rief Pollh erschrocken; »find Sie ——— sind Sie —-- in Schulden gerathen?« Die Steeles waren beständig in Schulden und Pollh erkannte die üblen Folgen eines solchen Zuftandes aus Erfahrung »Unfinn!« rief Dr. Dick; ,,es ist et was unendlich Schlimmeres!« »Sie haben doch Niemanden beraubt oder getödtet?« stammelte Polly et blassend. Dick lächelte düster und sagte: »Nicht, daß ich wüßte« obwohl den Doctoren Beides zuweilen passirt. Ich will Dir die ganze Affaire in kurzen Worthen mittheilen, Polly.« »Ich bin verliebt —— bis iiber die Ohren verliebt, und die Zauberin, die es mir angethan hat, ist die Erbin eines großen Vermögens, schön wie eine Venus und steht auf der höchsten Sprosse der gesellschaftlichen Leiter! Nun sage mir aufrichtig: kann ein Mensch blödsinniger handeln als ich?-'« Polly empfand eine. plötzliche, selt same Erschiitterung; es war ihr, als ob ihr ein Dolch durch das Herz führe; sie bemeisterte indessen ihre Gefühle und sagte: »Ist es -- s- ist es -- Jemand dort in Blaelport?« »Ja,« antwortete Dr. Dick, indem er auf feinen rothen Schnnrrbart biß; »das einzige weibliche Wesen, das der Erwähnung werth ist.« Polln hatte ihr dunkles Gesicht an eine Fensterscheibe gedrückt nnd starrte nun mit trübem Blick auf die Straße und in den Regen hinaus. »Wie sieht sie aus?« fragte sie endlich. Sie ist das holdefte Geschöpf auf (-frden,« antwortete er; »weiß wie Schnee, mit Haaren wie von getriebe nem Golde, Augen wie Veilchen und einer Gestatt, die Worte nicht zu be schreiben vermögen« (Fortfetzung folgt.) —- EineEvastochter. Mut ter: »Hast Du die Bonbons mit Dei nem tleinenBruder getheilt?« —- Elsa »Gewiß- Mama, ich aß die Bonbons und gab ihm die Verse, weil er gar so gern liesi!«