Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, October 08, 1897, Sonntags-Blatt., Image 14

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    sie Diratcin
— Roman von William Clarre Rassen
LCapiteL
Die Bart »Queen«'.
Es war eine mondhelle, stille Nacht.
Ins einer kleinen Landspiye, die eine
Urze Strecke in die Bai von Sydney
Oktave-ragte standen zwei Männer in
Ingelegentlichem Gespräch
Zur Zeit dieser Geschichte war noch
Feine Spur von dem gewaltigen» Cir
erlargQuaiss vorhanden, der heute die
· Qui von Sydney umschließt Die la
- senden und läschenden Schiffe fanden
damals Unterschlupf in fogenanntenj
Eteeks, langen, künstlich hergestellten s
Ufereinschnitten in denen sie an Pfäh i
len und Bollwerken vertaut lagen, unds
zwar so zahlreich, daß die dichten Ma- -
stenwaldungen in dieserMononacht wie
Wplkenmafsen jenseits der blendend er
fchimmernden Bai lagerten
Die Masilaternen der draußen iins
sffenen Wasser ankernden Fahrzeuges
» Ufntten in dem allgemeinen Silber-Z
Tänze so fchwächlich wie Gliihwiirm»;
Eins dieser letzteren Schiffe befand
Ich dem Standorte der beiden Männer s
gerade geqeniiber, kaum eine kleines
Seemeile von der Landspitze entfernt. s
Es war eine schmucke kleine Bart die, i
ihrer iii allen Theilen vollständigeni
Talelung nach zu urtheilen, entweder?
Herr-nächst auslaufen sollte, oder aber;
soeben erst binnen gekommen war s
— Die beiden Männer hielten währendE
« ihrer Unterhaltung beinahe unablässigs
Die Blicke auf dieses Schiff gerichtet i
Jetzt zoa schaltenhaft, wie eine lichtes
Arbeit-volle ein großes Vollfchiff, das
soeben die lange Fahrt von Europas
Iach Australien beendet haben mochte,
me demselben vorüber. Einige Minu
ten später wurde das über der Bai la
gernde Schweigen unterbrochen, zuerst
von dem Gerassel der durch die Eisen
» Uüsen fahrenden Anierketten und
dann durch das verhallende Schreien
nnd Sinan der Seeleute, die die Se
gel ausaeieten, die im Mondlicht zu
zerfließen und zu verschwinden schie
tren.
Es war zehn Uhr. Von der Stadtp
der oertiindeten dies in verfchwimmen-«i
sen Klängen einige Kirchenuhren. Die ,
sGlocken der Schiffe nahmen die Kunde f
ans und verbreiteten sie weiter, ano;
seine kurze Zeit lang ersiillte ein allge- z
meines Geklingel die bisher so fiilleE
«Mondnacht. theils näher und lauter,s
theils ferner und schwächer, in denf
«Creeks wie draußen in der Bai, bald;
Höher, bald tiefer, aber immer melo-;
Idisch, wie Geistermnsik. Hier und das
troch wie ein dunkles Fleckchen eins-l
Booi über die glatte, leuchtende Fluth
umwallt und begleitet von Phosphorgk
gefuntel das sprühend und glänzend
erschienen wäre wenn kein Mond am;
Himmel gestanden hätte.
Die Schiffsgloclen hatten soeben ihr
Klingen eingestellt als die Männerks
ein Rudergeräusch vernahmen.
»Jetzt kommt er, « sagte der eine, die
« Augen mit der Hand beschattend und
« in der Richtung des Geräuscheg aqua- s
,aend. ;
»Nicht doch, Trollop,« entgegnete der :
andere, »was da kommt, ist ein Boot?
mit mindestens einem halben Dutzendi
Recmen in den Dollen. Den .L)antey,l
der sein Boot wrickt, merken wir erst,
wenn er dicht vor uns is .«
Während der letzte Sprecher noch
tedete,«alitt ein langes, weißes Boot
aus dem weißdunstigen Mondschein in
den Gesichtskreis; der Mann im Stern
desselben stand auf, als er die beiden
am Strande wahrnahrn, wie um sie
genauer betrachten zu können. Man
fah die Knöpfe an seinem Rock glän
zen, auch die sechs Bootsruderer waren
Uniformirt.
Auf ein Commando des Mannes im
Stern blieben die Reemen über dem,
Wasser in der Schwebe und das Boots
trieb lanafam an der Mündung dess
nahen Creetg vorüber, in die der Mann
forschend hineinspähte. Weit konnte
fein Blick nicht reichen, denn der Sil:
berschimmer des Mondlictitez ver
wandelte sich dort drinnen in trübe
Dämmeruna, in’5 Schwärzliche ver
« dunkelt durch die Schiffe und ihre dicht
verwobene Takeluna. Die Männer
auf der Landspitze ließen das kleine
Fahrzeua nicht aus den Augen.
»Was ist das für ein Boot?« fragte
einer von ihnen.
»Entweder ist es das Hafenwacht
Wi, oder aber es gehört zu einem der
Kriegsschiffe,« antwortete der andere.
»Was hat es hier zu suchen? Viel
;.:« Ieicht ist's hinter einemDeserteur her;
vielleicht will es auch wissen, was d
draußen vorgeht --— was?«
Der Sprecher wies mit einem Nei
sen des Kopfes nach der Bart hin
y ber·
Der Mann im Stern des weißen
: Bootes hatte seinen Sis wieder einge
- Kommen die Reemen senkten sich in’s
, Daher-, und das kleine Fahrzeug ver
sehn-and in dem schimmernden Dunst.
Fünf Minuten später erschien ein
Zwar-Fee Punkt in der Linie zwischen
« her Laut-satte und derBarL Derselbe l
ver edherte sich infehendi und erst-l
s Ite list bald zu einem Boote, das
tin is Hinter-then stehe-der Mann mit
, W , Eber das heck beten Rec
"""" «Mtl wrtckth r entte das
, in den creet hinein und s rang
W g OR Uf,r. das he
. . ander ngteines haltend. Die
« i anderen gesellten stehn thin.
l
i
l
i
l
»Nim, Haufen, wie schaut’s aus?«
»Ich bin über eine Stunde mit
Poole allein gewesen und habe nach
Möglichkeit Alles, was uns von Wich
tigteit sein kann, aus ihm herausge
pumot,« antwortete der Angetommeue.
»Der Capitiin ist am Lande, der erste
Steuermann liegt unwohl in seiner
Kammer und so gelang es mir um so
eher, ihn mit Hilfe einiger Flaschen
Champagner redselig zus·"inachen. Die
Bart bat einige Passagiere an Bord;
sie geht morgen Nachmittag in See.
Ich betrachtete mir Alles genau, als
ich das Deck entlang schritt, und ich
tann sagen, daß sie ein Fahrzeug ist,
an dem auch ter wählcrischste Seemann
feine helle Freude haben muß. Meiner
Ansicht nach ist sie mit sechs Mann sehr
gut zu handhaben. Zwar sind die
Raan etwas lang fiir die Größe des
Schiffes, dennoch mache ich mich an
heischig, das Großdarssegel bei steifer
Brise mit drei Mann zu bewältigen
und fest zu machen.«
Die beiden anderen hörten ihm eifrig
zu. Die Ausdrucksweise des Mannes
war die Jemandes, der eine gute Er
ziehung genossen hat; dasselbe galt
auch von seinen Gefährten. Allen
dreien konnte man anmerten, daß sie
einst den besseren Gesellschaftstreisen
angehört hatten, und es lag die Muth
maßung nahe, daß das Goldfieber sie
nach Australien geführt, daß sie hier
jedoch keine Schätze gesammelt, sondern
ihr Leben in wechselvollfter Art gefri-v
stet hatten, theils zu Lande und theils
zu Wasser; letzteres ging besonders
aus Hanten’s Worten hervor und aus
dem Verftändniß, das dieselben bei den
anderen fanden.
»Ist eine Waffentifte an Bord?"
fragte einer.
.Ja.«·
»Wo ist sie verfiaut?««
»Ein der Kammer des zweiten
Steuermanns. Viel Staat kann die
Bart allerdings damit nicht machen,«
fuhr Hantey fort, »denn der ganze
Waffenoorrath besteht in einigen alten
Marinesäbelm einigen roftigen Pisto
len und einer Anzahl kurzer Musketen·
Die schottischen Rheder legen augen
scheinlich nicht viel Geld in der Be
waffnung ihrer Schiffe an.«
»Sie können den Jnhalt der Waf
fentiste doch unmöglich gesehen haben,«
warf einer der anderen ein; »was Sie
da sagen, ist alfo bloße Voraus
setzuna.«
Ohne hierauf zu antworten, gab
Hanten die Fangleine des Bootes dem
ihm Zunächftstehenden zu halten und
zog eine turze Holzpfeife aus der
Tasche.
»Und wenn die Waffen auch von
neuester Consiruction sein follten.«
meinte der Mann, der die Fangleine
hielt, »die Caiiitenfenster werden wohl
groß genug sein« sie hindurchzuwerfen.«
»Wie steht’s mit der Munition an
Bord?« fragte der dritte Mann.
»Ich habe ganz vergessen, danach zu
fragen.«· war die Antwort.
»Und wie start ist die Mannschast?"
,.Elf Mann vor demMaftx mehr wa
ren nicht auszutreiben. Zur vollen
Besatzung gehören achtzehn Mann;
aber kaum haben die Kerle angeknuftert z
und eine Monatsheuer als Handgeld in
der Tasche, dann brennen sie durch und »
der Cavitän hat das Nachsehen, weil
die Polizei ihm nicht helfen kann. Wie ;
der zweite Steuermann mir erzählte,
haben sie die »Luzern« auch nur des
halb da draußen vor Anker gelegt, um
den Matrosen das Entwischen zu er
schweren. Das Boot der Hafenwache
hat Anweisung während der Nacht die
Bart im Auge zu behalten und Deser
tionen zu verhindern.«
»Das Boot ist soeben hier vorbeige
tommen,'· bemerlte einer.
»Ich weiß. Der IHasenofficier sah
meine Jolle am Heck der Bank hängen
und rief uns an; der zweite Steuer
mann aber beruhigte ihn und sagte, es
wäre Alles richtig und ich wäre sein
Freund, und sie sollten mich ungehin
dert ziehen lassen, wenn ich demnächst
an Land fahren würde.«
»Nun zur Hauptsache,« sagte der
Mann, der den Namen Trollop führte;
»das, worauf es uns ankommt, ist doch
an Bord?«
,,Selbstverftändlich,« war die Ant
wort. »Als der Champagner in
Pooles Kopfe zu wirken begann, da
brüstete der dumme Mensch sich ordent
lich damit. ,.Denten Sie sich nur,«'
sagte der Mann, die Hand vertraulich
auf meinen Arm legend, »Sie mögen’s
glauben oder nicht« aber die alten spa
nischen Gold- und Silber- Galeonen
waren Bettelpack gegen uns hieri« «
»Ach, Sie übertreiben-" meinte ich. —
»Wahrhaftia nicht,« erwiderte er. »Ja;
kann anen sagen, wir haben eine
furchtbare Verantwortung hier an
Bord: wenn die Banditen und Strolche
in denen davon eine Ahnung hätten,
dann dürften wir, so lange wir hier
noch in der Bai sind, Säbel und Re
volver nicht aus der Hand legen.« Ich
that, als wäre ich schon schläfrig und
als interessiere mich das schöne Mond-—
scheinbild des Hasens mehr als sein
Gerede. nebenbei aber fragte ich so ganz
verloren, wo sie eine so gefährliche La
dung denn eigentlich verstaut hätten,
und ob man ihn dabei in’ö Vertrauen
gezogen habe. »-Oho,« antwortete er,
»das tann Ihnen Keiner besser beant
worten als ich. denn ich habe die ganze
Verstauung geleizei. Ei liegt Alles in
einem fetten, au Ballen und Bohlen
hergestellten Gelas, das lediglich zu
diesem Zwecke im Raume, unmittelbar
hinter dem Großmutt, angebracht wor
den ist. Ringiherum und obendran
find die Wøllballen gepackt, so daß
—
beim Oefsnen der Luke keine Spur da
von zu sehen ift.«
Die beiden anderen hatten diefern
Bericht haniens mit größter Aufmerk
famteit gelaufcht; das Gehörte mochte
ihnen wohl zu denken geben,- denn
während einiger Minuten fprach Kei
ner ein Wort.
»Die Bart fieht in dieser Beleuchtung
wirkticl .:1ei tziickerrd ausf« begann Trot
lop endlich wieder. mit einer Handlu
Wkgulla über das- Waffer deutend.
»Gerade ein solches Schiffchen war es,
in dem ich damals als Ueberziihliger
von England bier herauskom. Der
Kasten war ein Schnelliealer und lief
oreizedn Knoten bei einer Brarnregeti
Brife· und das war gut, denn ich hatte
nicht die beften Tage an Bord. Die
»Queen« da drüben aber sieht mir so
aus-, als käme es ihr auf ein paar Kno
ten mehr nicht an."
Wieder standen .die drei Männer in
schweigender Betrachtung der Scenerie.
Nach einer Weile begann Trollop den
Anfang eines Liebchens zu pfeifen.
»Ich möchte wohl wissen, wie es in
diesem Augenblick in London aus
sieht, « sagte er. »Wenn Alles gebt, wie
es gehen foll, dann wird das später
meine Residenz. An teinem Orte der
Welt läßt es sich besser leben, alg dort,
und ich tenne die Weit.«
»Es ift foät,'« sagte der Mann, der
von der Bart gekommen war, »ich
mache, daß ich heimkomme· Will Je
mand noch mitfabren bis zum Boll
, werl?"
- Alle drei stiegen in das kleine Fahr
zeug, das gleich darauf geräuschlos in
den Creet hineinglitt. Als es im
Schatten der Schiffe verschwand, schlug
die Glocke der Bari fünf Glafen —
halb zehn. Unmittelbar darauf ver
tiindeten auch die übrigen Schiffs »
f glocken die Zeit, und wieder wurde die ;
« nächtliche Stille durch ein Klingen un ;
J terbrochen, das einem mit gefchlosfenen
Augen Laufchenden wohl an einen
friedlichen Sonntagmorgen drüben inj
der alten heimath hätte erinnern tön- -
nen. I
——————————— I
Den Bekanntmachungen in den Zei
tungen zufolge hatte die ,,«Queen fchon
drei Wochen vor ihrem wirklichen Aus- i
laufen in«See gehen sollen. Der -
Grund der Berzögerung war die i
Schwierigkeit Matrofen zu erlangen!
und die bereits angemusterten feftzu i
halten. Die Undollzäbligleit ibrerå
Befatzung fiel um fo mehr in s Ge
wicht, als man in jenen Tagen noch
teine doppelten Marsraaen kannte und E
die Schiffgarbeit demgemäß mebrkjj
Kräfte beanspruchte, als heute
Der Caoitän wußte sich schließlichl
vor Ungeduld kaum zu fassen Einige
der Passagiere dachten schon ernstlich I
daran. sich nach einer anderen Reifegesk ;
legenbeit nach Europa umzufeben 1
Zum Glück für die ,,«Queen aber be- j
fanden sich alle übrigen Schiffe in der j
selben schlimmen Lage. Endlich wars
es dem Steuermann gelungen, die
nothwendigfte Mannfchaft zufammen
zubringen, berwabrlofte, zerlumpte
verlommene Subjecte, die der hungec
aus den Goldfeldern getrieben batte,
die fchon seit langer Zeit nicht mehr
wußten, was es hieß. die Nächte unter
Dach und Fach und in Betten zuzu
bringen. Um zu verhindern, daß die
nicht auch noch davonliefen und ver ;
schwanden, während der Capitan beim-,
Frühstück saß oder der »teuermann den
Proviant musterte, warf man die
Trossen am Bollwerl los, ließ dasl
Ganasoill bemannen und in wenigens
Minuten glitt das schöne Schiff unter «
wenigen Seaeln und vor einer leichten
Brise nach dem Anlerplatze binaug, wo
es gegenwärtig lag. !
Am folgenden Tage, Nachmittagsl
zwei Uhr trat die ,,Queen« ihre Reise !
an. Ihr Bestimmungsort war Lon-J
don. Man hatte herausgerechnet, daß 1
« sie die Fahrt dorthin in fünfundfiebzig l
»Tagen zurücklegen würde. Die Aus
jreise hatte sie in achtzig Tagen ge-s
»macht, schneller als die Dampfschisfe.
xjener Zeit dies zu thun vermochten (
’ Der Wind war günstig, der Himmel
l blau und klar und die Lust durchglüht
svon dem australischen Sonnenschein.
sAm Morgen hatte der Capitän seine
Kleidervorräthe aufgethan und die
lMatrosem die sich vorher naschen muß
ten, mit neuen Anzügen ausgestattet,
so daß sie nun im Allgemeinen recht
ianständig einhergingen. Der Preis
ldieser Ausrüstung wurde dem Conto
jjedes einzelnen zur Last geschrieben.
Sie hatten seit langer Zeit zum ersten
Male wieder regelrechte Schlafstätten
gehabt, sodann ein menschenwiirdiges
Frühstück genossen, und nun kamen sie
sich wieder etwas menschenähnlicher
2vor, als bisher. Mit lautem Gesange
« wanden sie den Anker auf und dachten
dabei an die Genüsse der Civilisation,
die ihnen am Ziele der Reise winkten
Einige Boote ruderten vom Schiffe
nach dem Lande zurück; in ihnen stan
den Männer und Frauen, die mit win
lenden Tüchern die Abschiedsgriiße be
antworteten, die ihnen vom Achterdecl
der Bart noch zutheil wurden.
Sämmtliche Passagiere der-Bark, neun
zehn an der Zahl, befanden sich an Deck
als der Anker aus dein Grunde empor
tam und das Fahrzeug sich unter Klü
ver und Vorntarzsegel langsam auf
seinen Kurs legte. Unter dieser Schaar
befanden sich nur sieben Damen, dar
unter Mrs. James Deut, die Frau ei
nes colonialen Kaufmanns, sodann
eine Mrö holrohd und ihre Tochter
Edith und ferner eine Miß Margaret
Mansel, lehtere ein schönes junges
Mädchen mit dunklen Augen und weis
chen, gedenke-vollen Zügen. Noch
hatte der Leise das Tomenando des
Schiffes; der Cavitiin schritt abseits
aus und nieder; man sah ihm an, daß
er den Kon voll von den Schiffsange
leaenheiten hatte und allein zu sein
wünschte .
Er war ein Typus jener alten See
sahisser, die heute leider beinahe aus
gestorden sind. Sein Gesicht hatte die
Farbe des frisch abgefägten Endeö ei
nes Mahagonidaltens, welcher unge
wöhnliche Teint durch sein schneewei
szes Haupt nnd Barlhaar ncch gthodui
! wurde. Seine tiefliegenden grauen
s Augen biicklen so scharf und durchdrin
; gend. wie die eines Fischadlers. Das
jahrelanae Wandern aus den Deus
planlen hatte seine Beine nach außen
- gekrümmt Er trug den hohen Chlini
derhut. den man allenthalhen in Lon
dons Straßen sieht; eine andere Konf
bedeckung tannte er nicht, mochte er sich
nun in den wilden Winterslürrnen des
Kad Dorn. oder in der Glühoienhitze
der Wink-stillen zwischen den Wener
kreisen befinden.
Einige der Passagiere waret-. wohl
werth, las-, man sie mit besondrer sius
snertsamteit b:trach:ete. Dieselben fi II
bestimmt, eine Hauptrolle in bit-sei
merkwürdigen Seegeschichte zu spiele:s,
ec- wird daher am Platze sein, einen
und den anderen von ihnen schon jetsz
dem Leser dorzufiihren, während die
Bart dem letzten Borlande zustrebl.
An dein messingenen Geländer, welches
das erhöhte Achterdeck nach vorn ab
grenzt, lehnt ein hochgewachsener
Mann; er dreht an seinem großen
schwarzen Schnurrbart, während ers
voll Neugier und Interesse das Vor
schiss zu betrachten scheint. Sein
Aeuszeres ist nicht unschön, er schaut;
männlich und martialifch drein, er;
mag gegen sechs Fuß messen, seinej
Schultern sind von entsprechender j
Breite und seine Manieren sicher und;
vornehm. Seinem ganzen Wesen nach
könnte man ihn für einen ehemaliger-.
Qfsicier der Armee halten.
Jn geringer Entfernung von diesem
steht ein anderer Herr, der ebenfalls et
was Militärisches an sich hat; er ist
von mittlerer Größe. bat einen starken l
dunklen Bart, ein ruhiges, sorschendes
Auae und ein nicht unangenehmes Ge
sicht. Seine Kleider sind noch zu neu,
um absolut fein zu sein. Wer aber
achtet aus so etwas bei einem Manne,
der im Begriffe ist, aus Australien
heimzukehren?
Ein dritter Gentleman lehnt an der
Backbord - Reelinnx seine kleinen
blauen Augen haben den eigenthiimlich I
stieren und nebelhaflen Blick des Ge- i
wohnheitstrinters; er hat dieselben aus s
Mist Margaret Mansel gerichtet. diej
aus der anderen Seite des Achterdeckes
mit Mes. holrohd und deren Tochters
nlaudert. Von Gestalt ist er groß,’
schwer und fett, sein Haar ist hellblond, !
sein schwacher Schnurrbart kaum sicht: l
bar. I
Das waren die drei Mannen die am l
Vers-angehen Abend aus der Landspikk I
an der Bai von Sndneh standen und
die Bart und das aanze sternenfun
ielnde Mondscheinbild bewunderten.
Wer hätte wohl aus ihrer Unterhaltung
daraus schließen können, daß sie be
reits als Caiiitenhassagiere de:
,,-Queen«' ihre Ueberfahrt bezahlt hat
ten? «
Der hochgewachsene Mann mit dem «
schwarzen Schnurrbart war derHauvt .
mann »dean Trollop; der Name des s
zweiten war Paul Hanten und ders
Mann an der Reeling nannte sich Ale- T
rander Burn.
Ein weiterer Passagier, zu dem diex
Damen gelegentlich verstohlen hinblict- :
ten, war Mr. Sampson Mastersz aus ,
einiger Entfernung betrachtet, war sein I
Antlitz von vollkommener Schönheit,;
trat man jedoch etwas näher, so zeigte s
seine Haut jene unreine und pockige
Beschaffenheit, die eine Folge wüster
Ausschweifungen aller Art ist. Er
stand in der Nähe des Steuerradeg und
schaute unter der Krempe seines wei
ßen, schwarzbebänderten Filzhutes zu
den Segeln empor, und zwar mit einem
Blicke. der den Sachlenner verrieth.
Noch einige andere Herren befanden
sich an Deck; einer, ein kleines Männ
chen, Mo. William Storr, war ein
Auctionator, der seine Geschäfte bei
den Antivoden beendet hatte und nun
heimkehrte-. Sein rundes, dünn um
bartetes Gesicht blickte eifrig und aus
mertsam hierhin und dorthin; die
Neuheit der Umgebung und die Schön
heit der Scrnerie schienen ihn augen
scheinlich höchlichst zu interessiren.
Ganz in seiner Nähe gewahrte man ei
nen hünenhasten Mann, der unter dem
Namen Mart Davenire an Bord ge
kommen war: er trug eine schwere
silberne Uhrlette auf seiner glänzend
; grünen Weste, hatte den Strohhut bis
sast auf die Nase gerückt und seine Au
gen schweiften lauernd allenthalben
umbet.
Eine gewisse scheue Zurückhaltung
die man beim Beginn einer Seereise
stets unter den Passagieren wahrneh
men kann, schien auch hier obzuwalten.
Die Damen machten sich zuerst unter
einander betannt, die herren aber be
wahrten noch ihr steises Wesen, was
man allerdings bei den Dreien, die am
vergangene-i Abend so bekannt mitein
ander schienen, kaum hätte erwarten
sollen.
»Du meine Güte!« ries plöhlichMrs.
James Deni. deren schwarzes haar,
der damaligen Mode entsprechend, an
der Stirn und einem Theil der Wan
gen hinab glatt sestgetlebt war, »du
meine Gütel Schwimmt da nicht ein
Boots«
Die Hund« mit der sie in die Ferne
—
deutete. firntelte von Ringen. Das
Schiff befand sich am Ausgange der
Bat von Stil-nein der Gegenstand, auf
den die Dame hinwies, hob und senkte
sich rnit den Wogen in einerEntfernung
von etwa dreiviertel Seerneilen. Alles-s
drängte sich herzu, um zu sehen.
dauvtinann Trollop tleinmte sein Mo
nokle in’s Auge. Capitiin Betison, der
Wtiiihaarige Schiffer, nahm das Tele
stop zur Hand.
»Ach bitte, Herr Capitiin, lassen Sie
uns recht dicht an dem Boote vorbei
i fahren,« sagte Mig; Dent.
»Ihr Wunsch ist rnir Befehl, Mai
« dank« antwortete der Schiffer. T
»Solch ein einsames Boot,'« be-!
merkte Mut-. Storc, den Arm ihres
Gatten nehmend, den sie beinahe um
einen halben Kon überragte, »solch ein
einsames Boot tiifit uns den Ocean
noch öder erscheinen, als er ohnedies
schon ift.«
»Ob«-P rief Mr. Biirn, an dieGrudpe
hereintretend die sich iim den OFanitLini
gebildet hatte, ..ii: diesem Ausspruchei
lieat ein tiefer Einn, er zeigt uns den
Sinn aieictisain in einein neuen
Liifzie.« .
. Mrz Sierr sctmsite sich argmähiiiich
nach dein Sprecher iiin, dann aber lä
chelte sie nnd fuhr fort: »Auf unserer
Augreise in der »Pe:te von Indien«
begeaiieten wir einem verlasseneii
Schissc. Sein Anblick machte den
Ocean thatsiichlich zu einer schrecklichen
Wüste. Eins ähnliche Wirtung bringt
jenes tleine Boot dort hervor.«
»Das- ift ertlärlich," versetzte Mr.
Burn sehr höflich, ,,svlche einsam trei:
bcnden Faiirzeuae geben der unermeß
lichen Weite des Meeres crft ihren Ac
rent. wenn ich mich so ausdrücken
darf. Ein Wract verleiht unserer Ein
bildung den Punkt, von dein aus wir
die Messung der gewaltigen Entfernun
gen erst deginnen tönnen.«
Er sprach diese Worte mit einem
Patboå. als wäre er früher einmal
Schauspieler gewesen«
Der Hauptmann Trollov warf durch
sein Monocle einen Blick auf Mr·
Burn und wendete sich dann mit
leichtern Lächeln zur Seite. Mr. Da
venire, Mr. Caldioell, letzterer ein
schwarzbörtiger, jiidisch aussehender
Mann, und noch einige andere der Um
stehenden schienen gleichfalls durch
Burns Worte belustigt zu sein.
Mes. Storr fühlte sich durch die
Llufmertiarnteit, die sie erregt hatte,
geschmeichelt; sie war im Begriffe, noch
mehr zu sagen, als eine laute Stimme?
von der Bart her sie daran hinderte.
»Ein Boot dicht unter dem Bugr!««
meldete der Steuermann.
Während das Boot an der Seite deH ;
Schiffes dahinglitt, erhob sich ein alls
gemeines Geniurrnel an Deck. Es warf
feiner Bauart nach ein Walfischfänger- !
boot: unter den Duchten lagen diej
Leichnaine zweier Seeleute; inan tonnte !
denselben ansehen, daß sie nach furcht
baren Qualen dem Hunger und dem
Durste zum Opfer gefallen waren.
Die meisten der Damen wendeten
entsetzt die Gesichter ab und traten
hastig von der Reeling zurück; einige
der Herren wurden bleich. Mr. Burn
sah aus. als ob er trank werden wollte.
Die wahre Bedeutung der Sache aber
wurde allein den Seeleuten der Bart
verständlich. Welch eine Tragödie
mußte sich in dein kleinen, weiterge
bleichten Boote abgespielt haben!
Als der Cavitän das Telestop in die
Klamven unter der Caiiitstavpe zu
rücklegte, zeigte fein Gesicht keine Ver
änderung.
»Ich wunfchte," fagte Mit-Deut znk
dein weißbaarigen Seemann, »wir wö l
ren dem Boote nicht begegnet. Wenn;
einem gleich zum Beginn der Reife Lei- Z
chen in die Quere kommen, fo ift dies
eine fchlimme Vorbedeutung.« i
»Die beiden Todten dort können
Jhnen nichts mehr zuleide thun,« ent
gegnete der Schiffer trocken. I
»Zugegeben,« rief einer der Passa I
giere, ein Mann mit winzigen Augen;
und einem unangenehmen, felbftgefäl-— s
ligen Grinfen um den großen Mund. Z
»Der Herr aber bat gewiß dem Gedan i
len mehrerer von uns Ausdruck verlie-1
hen Jch wundere mich übrigens, Ca- ,
Pitän, daf-, Sie, ein alter Seefahrer
nicht abergläubifch sind. «
Der Schiffer blickte seitwärts nach?
den Stiefeln des Sprechers und dann
hinauf nach den oberen Raum. s
»Noch diesem Anblick werde ich nicht« I
im Stande fein, heute Mittag auch nur 1
einen Bissen zu genießen, rief deri
Hauptmann Trollob, sich von der
Gruvve entfernend. ;
Wie urn ihn auf die Probe zu ftel z
len, ertlang in diefern Augenblicke derj
erfte Ruf der Tifchglocle· I
Weit binten am Horizonte wurdenfl
die von der Sonne befirahlten Segeli
eines Schiffes sichtbar. DasselbeI
fegelte aenau im Kielwaffer der
»Queen«, fo ftetig und unentwegt, als
; wäre es ein Verfolger.
2 CapiteL
Der Kutten
Gliibendrotb ftrömten die Strahlen
der untergehenden Sonne durch dieI
Fenster und das Oberlicht in die Ca
jiite binein als die Passagiere an der
reich besetzten Tafel ihre Plähe einnah- -
men Das warme Licht ließ das Ta
felgefchirr blihen und funkeln und um
gab die Geftalt des weißtöpfigen
Schiffers wie mit einer Glorie. Auch
die Lampen brannten bereits, um die
Erleuchtung der Cajiite fortzufetzen
wenn die Sonne verschwunden fein
würde.
Die Caiiite, die Tafel und bi:
—
Tischgesellschaft stellten eins jener Bil
der dar, denen man heute nur noch
selten, ja wohl niemals mehr aus der
See begegnet. Die großen, modernen
Oceandampser zerstreuen ihre Hunderte
von Passagieren in zwanzig verschie
dene Tischgenossenschaften, und der
Capitän ist gewissermaßen nur ein
Decorationsstiict mit blanlrn Knöpsen
und Goldbarte, nicht mehr, wie einst.
der patriarchalische Gastgeber, sondern
nur noch in einsamer Höhe der Herr
des Ganzen und der Commandant.
Jn den auten alten Zeiten der »Queen«
bildeten die Passagiere des Schiffes
gewissermaßen eine Familie. Sie sa
ßen rinas um einen großen Tisch, und
der Eavitän konnte von seinem oberen
Ende aus die Fragen des am untersten
Ende sitzenden Gastes bequem beant
worten: wenn die Leute erst einigerma
: seen betannt miteinander waren. dann
fehlte es bei den Mahl-reiten nie an ei
ner gesellian Unterhaltung.
’ Die Speisenden wurden von den
gewandt und aeräuschlos hin- und her
laufenden Siewardg bedient; letztere
teuam kurze schwarz-e Jaaen und ents
wictelten eine erstaunliche Behendig·
Leit. Durch die Fenster vernahm man
das Getön des vorüberrauschenden
Wassers; eg hörte sich an, wie wenn
nächtlich ein Regen aus das Laub des
Waldes herabftrömt.
Lllg alle Passagiere ihre Plätze ein
genommen batten, die sie nach altem
Herkommen nun während der ganzen
Reise behalten mußten, iiberschaute der
Gavitän die beiden Reihen der Gesich
- rur Rechten und lzur Linien. und
im ersten Auaenbticte berührte ihn die
Wahrnehinirnq, die er dabei machte,
ganz eigenthümlich Die Anzahl der
Männer war start iiberwiegend, im
merhin aber saßen auch sieben Vertre
terinren des schönen Geschlechts an der
Tafel, so daß die Eintönigleit ange
nehm unterbrochen wurde.
Es war weder die Pertonnchreit des
Mr. James Deut, noch die des Mr.
William Storr, die dem Schiffer bei
seinem Rundblicl von backbord nach
steuerbord auffiel, es war dies viel
mehr eine seltsame Aehnlichkeit der Er
scheinungen gewesen, wie man solche z
V. in einer Gesellschaft glattrasirter
Schauspieler finden kann. Allerdings
konnte von einer Aehnlichkeit zwischen
dem Hauptmann Trollop und Mr.
Burn nicht aut die Rede sein, ebenso
wenig wie von einer solchen zwischen
Mr. Sliannon, einem Herrn mit vor
stehenden blaucn Augen und einem
Flachsbart. und dem schwarzen, finster
dlickenden Caldwell Der alte Benson
zerbrach sich jedoch nicht lange den
Kopf darüber. Die Herren hatten das
Geld sür die Passage vrompt bezahlt,
theils mit vierzig, theils mit fünfzig
Pfund Sterling, und im Uebrigen
machten Alle. olJne Ausnahme, den
Eindruck von Gentlemen; das mußte
ihm aeniiaen.
Am unteren Ende der Tafel halte
der erste Osficier des Schiffes-, der
Obersteuermann Mr. Motiven-T sei-«
nen Platz, ein Mann mit rotbem, ge
locktem Bart und einem Gesicht, dessen
bleiche Farbe von einer erst kürzlich
überstandenen Rrantbeit zeugte. me
zur Linken saß d:r Schiffs-itzt, rechts
von ihm Mr. Paul Hanlen
Anfänalich wurde nur wenig gespro
chen. Die Herren schienen sich gegen
seitig verstohlen zu mustern, als sähen
sie sich hier zum ersten Male. Mr.
·lliam Storr versuchte eineUnterhal
Wider das Boot, das man vorhin
ge » hatte, in Fluß zu bringen«
wurde jedoch durch Blicke voll Abscheu
aus den Augen der Damen sogleich
wieder zum Schweigen gebracht.
»Um Verzeihung,« begann bald dar
auf Mr. Hanterz sich mit einer gewis
sen freien Vornebmbeit an den Ober
steuermann wendend, »we) pflegt der
zweite Steuermann, Mr. onle, sein
Mittagsmahl einzunehmen?«
»Hier, auf meinem Platze, wenn die
Herrschaften fertig sind und ich wieder
an Deck gegangen bin,« antwortete Mr.
Mattbervg.
»Ich habe nämlich mit dem Herrn
die Reise nach Australien gemacht,«
fuhr Mr. Hausen sort, »und zwar an
Bord des Vollschisses ,,Golden Ball«,
auf dem er dritter Steuermann war.
Jch habe nie einen sixeren Mann beim
Neffen auf der Nock der Marsraae ge
sehen!«
»Sind Sie jemals ein Seemann von
Berus gewesen?'« mischte sich der Doc
tor in das Gespräch.
»Einem Manne, der sein Glück in
Australien versucht hat, dars man nicht
zu sehr mit Fragen aus den Leib
rücken,« versetzte Hantey lächelnd.
»Bitte um Entschuldigung-« ver
beugte sich der Doctor; »aus dem such
männischen Ausdruck, den Sie soeben
’gebrauchten, glaubte ich das schließen
: zu dürfen«
i
Jetu betheuigte sich auch der jüdilch
aussehende Herk, dek sich CUWIVCU
nannte, an der Unterhaltung. '
Entsetzung solt -««)
j—----·- R u h ne e d r a ch e. Unter
ossicter: »Macht dieser Lehmann wie
der eine jämmerliche Figur Mensch,
Sie sind ja ein uuikormirter Stoß
seuszer!«
----- Tressender Vergleich.
---— »Ich laun Ihnen meine Tochter als
ein Muster von Mädchen empfehlen,
aber Vermögen besi t sie nicht« «
,,Also, ein Muster oäne Werth.«
—- Sekundärbahntata
st r o p he. Fremder: »Warum hält
denn der Zust« Schassnerz »Mir
harrten eine Biene überschren und da
sieben mer ietzt am Donia festl«