- . zwei Hei-ansprach » sttrze aus dein deutsch · amerikanischen Theaterleben von W. v. Schierbrand. Wer die Beiden kannte, der wun derte sich nicht iiber sie. Tüchtige Schauspieler waren sie, Selbte sowohl wie Grieper, darüber herrschte nur eine Ansicht; fast zu gut, meinten Viele, für die engernBiihnenverhältnisse Deutsch Arneritas, die dem berechtigten Ehr geiz des wahren Talents und des ge liirten Könnens nicht genügend Spiel raum gewährten. Bot einer Reihe von Jahren schon waren sie Beide von demselben flotten, unternehumngslusti gen Theaterdirector (der seitdem so ustig gestorben ist, wie er gelebt hatte) von der Bühne einer deutschen Mittel stadt weg nach Amerika genommen worden, und nun waren sie noch im mer hier in dieser großen Stadt des Westens — Beide wieder bei demselben Director. Sie hatten sich nie getrennt. Schon dreimal hatten sie’o selbander erlebt, daß ihr Director ,,Pleite« ge macht. Aber auch dem Bierten hatten sie, beinahe selbstverständlich, ihre be währten Kräfte Und ihre Popularitiit gewidmet. Kurzum, sie hatten Freud und Leid mit einander treulich getheilt während dieser zwanzig Jahre, und sic waren, wie es ja Vielen geht« die ein-. mal das ungebundene, freiere Leben Amerika-'s kennen gelernt, mit dem Lande, mit dem ,,glorreichen Westen«, verwachsen nnd fühlten sich dort hei misch und wohl,trotz der etwas unsiche ren Salärderhiiltnisse, die beständig herrschten. Wer das Deutschthum die-— ser großen, aufblühenden Prairie metropole lennen lernte, der lernte auch sicher diese beiden Veteranen deut scher Schauspieltunst in Amerita len nen, und wenn sich die Zwei bei Beginn jeder neuen Theatersaison wieder vor dem Publikum producirten, da sah man sofort, daß sie Lieblinge desselben waren, denn der Applau5, der ihnen bei ihrem Auftreten gespendet ward, der war immer spontan und gleich mäßig vertheilt. Und doch waren die Beiden Feinde —- Todfeinde. Das wußte Jeder mann. Was eigentlich der ursprüng liche Grund dazu war, das hatten sie vielleicht selbst schon vergessen. Wahr scheinlich war es eine jener geringfü gigen Eifersiichteleien gewesen, die nur dem Zünstigen als von Bedeutung er scheint. Aber das Gefühl war einmal da, und es wargewachsen während dieser langen Jahre, scheinbar um so mehr gewachsen, je mehr Selbke und Grieper durch die Macht dcr Verhält nisse gezwungen worden waren, zu sammen auszuhalten. Aber vielleicht that doch der Umstand dabei etwas, daß ihre Rollen, ihre dramatischen Ta lente, so verschieden waren. Selble’s ' Fach war das der Helden, der Edlen, der glücklichen Liebhaber-, der Gefeier ten der Erde, während Grieper stets die Bösewichte, die Jntriguanten, die Hallunten darstellte —- und ach, mit welcherillleisterschafh mit welchem Ber stiindniszi Zu Selbte’"5 Carl Moor spielte er den Franz mit einer so ruf sinirien Bosheit und Niedertracht, dasz den naiven Seelen im Publikum stei ein Gruseln überkam. Sein Jagd zu Selbte’g Othello, sein Mephisto zu des sen Faust, sein Geszler zu des Andern Tell -——- eg waren sämmtlich Meister keistungen mirnischer Kunst. Und in der That schien ihn die Natur beson ders zu seinem Fache ausersehen zu haben, denn Grieper war von beinah-. unheimlicher Häszlichkeit, während Selbte’s Aeuszeres die schöne Schale einer schönen Seele zu sein schien· Und so kam es denen, die die Beiden konnten, auch immer als etwas Selbst verständliches vor, das; Grieper nitzt allein aus der Bühne, gewöhnlich un gefähr 10 Uhr Abendg, abgethan ward und seinen grausen Lohn siir teuflische That empfing, sondern daß er auch außerhalb der Bühne als ein bitterer, zu satirischenBemerkungen veranlagker Cyniter galt und ein einsame-, liebe leeres Hagestolzleben führte. Selbte dagegen war einst glücklich verheirathet gewesen. Sein Weib allerdings war jung gestorben, aber sie hatte ihm ihr jugendliches Ebenbild hinterlassen, ein reizendes, liebliches kleines Mädchen, nach der Mutter Clotilde genannt. II « sit Wie osi schon hatten sich die Beiden insgeheim zugeschworen, das solle ihre letzte Saison zusammen sein, wenn wieder einmal ihr Berhiiltniß beson ders unleidlich geworden war. Die-· geschah gewöhnlich, wenn der Eine über den Andern tünstlerisch trium phirt hatte. Einmal, als Selbke von seinen Bewunderern und Freunden, am Abend einer Ausführung, in der er den Don Carlos, eine seiner Lieb lingsrollem mit besonderem Erfolg gespielt, mit einem Lorbeertranz be acht worden war, da kannte der Jn grimm seines Nebenbuhlers teine Grenzen mehr, denn ihm, der den kalt intrigirenden Dominiianer zu spielen hatte, war kaum irgendwelcher Beifall gezollt worden. Als er dann in seiner Stammtneipe, dem Goethe-Cascs an der Bendolph Street, auch noch aus dem Munde eines Bekannten die Worte vernahm: »Der Selbte hat heuteAbend wirklich großarti gespielt i« da brummte er vor fi hin: »Humbug ! Gebutchert hat er die schöne Rolle!" und sehte sich dann schweigend und mit zornig gesalteter Stirn an seinen Tisch, wo er den starken Punsch dies mal quartweise trank. Und wenn man ihn direct srug itber den Vehenbuhley dann bemerkte Ortes-er gewöhnlich nur: »Er versteht nichts —- nur die Larve hat er, das ist Alles. Aber freilich, für Euch Kerle spielt er noch immer gut genugt« Merkwürdig bei alledem war ed daß die Beiden augenscheinlich samos zusammenspielten —- Einer schien den Anderen zu inspiriren. Auf die ber klscht, stolze Miene, die königlichen Geberden, die dem stattlichen, schlanten Selble so gut standen, antwortete Grieper, wie es fast immer zu seiner Rolle auch paßte, mit einer Bosheit, einem verächtlichen Haß, daß die Scene erst dadurch bewundernswerth wurde. Und wenn sich Grieper, der dürre Mensch mit dem consiscirten Ge sicht, an seiner Rolle erhitzte und sei nem majestätischen Gegenüber einen umso geriebeneren, vollendeten Spitz buben entgegensetzte, wenn sich seine Züge im Haß, in ohnmächtigem Grimm verzerrten nnd seine kleinen, tiesliegenden Augen dabei blitzten wie Dolche, da erschütterte manchmal ein Donner von Applaus das Haus, der zum guten Theil ihm, dem Häßlichen. Mißachteten galt. Nur wenn Griever seinen Neben buhler auf der Straße sah, wie er sein Töchterlein spazieren führte, da ver-« änderten sich seine Mienen. Dann murmelte er vor sich hin: »Glücklicher Mensch! Fast möchte ich ihn darum beneiden. Was die Kleine doch nett ist!« Und einmal, als er sie vor der Theaterthür traf, roo sie ·a s ihren Papa wartete, der seine Pr be hatte-, da tniff er die kleine Clotilde freund lich in die Wangen und lächelte sie ai — wirklich lächelte. Wie viele Haar ftolze liebte er die Kinder mit beinahe tranthaster Zärtlichkeit, und wenn er an das Vatergliick seines Feindes dachte, dann seufzte er jedesmal unk drummte mit seiner tiefen Vaßstiminc dazu: »Humoug!« -tt sit Ä Es wurde die ,,Tochter des Fabri cius-« einstudirt, ein Stück, in dem Grieper die Glanzrolle der- entlassencn Zuchthiiuslers spielen sollte und aus die er sich schon seit Wochen gefreui. Sein Nebenbuhler dagegen sollte die minder bedeutende Rolle des reichen Kaufmanns übernehmen. Bei der ersten Probe hatte Alles famosö ges tlappt. Grieper fühlte sich in seinem Element. Sein Nebenbuhler würde von ihm, so hoffte er zuversichtlich, am Abend derAusführung gründlich in den Schatten gestellt werden, und.diese Er wartung verlieh dem routinirten Schauspieler besondere Freude. Dann ta-» die zweite Probe. Der Director tlteilte mit, dassI Selbte plötzlich er krankt sei -—s- nicht unbedenklich, und ein Anderer mußte seine Rolle über nehmen« Finsteren Antlitzes hatte Grieper das vernommen. »Das ist ein Streich oon dem verfl—— Kerl«, murmelte er dumpf. Doch man hörte auch die folgenden Tage, daß Selbie ernstlich trank sei. Ja, man fürchtete für sein Leben, so hieß es. Eine Lun genentziindung hatte ihn aufs Kran tenlager geworfen, und da es ihm in seinem kleinen Logis an Bequemlichkeit fehlte, so war er nach dem Deutschen Hospital geschafft worden« Am Abend der Ausführung der ihn in feinem vollen Glanze zeigen sollte, enttäuschte Grieper seixie Freunde Steif und hölzern war sein Spiel, und feinen Gesten ermangelte jenes innere Leben und jene plastische Wahrheit, die sie sonst, wenn er mit Selbte zusammen spielte, auszeichnetr. tsg war, als ob die Seele aus ihm ge flohen, alg ob der richtige Impuls fort sei. Ziveifellos war es die Abwesen heit seines Nebenbuhler5, die dies ver schuldete. Die Zeitungen sprachen ihr Bedauern und ihre Verwunderuan über das matte Spiel des populären Schauspielers aus. Am nächsten Tage jedoch wunderte man sich noch mehr, als es ruchbar ward, daß Grieper sei nen Nebenbuhler, seinen Todseind, im Hospital besucht hatte. Das tonnte man zuerst nicht begreifen. Und doch war es eine menschlich schöne Scene, die sich in aller Natür lichteit dort am Bette des Todtranten abgespielt hatte. Traurig, gesenkten Blickes hatte sicis Grieper dern Lager seines alten Kame raden genähert. Der Schtoertrante, der bei vollem Bewußtsein war, hatte sich halb aufgerichtet im Bette. Als Grieper sich aus den Stuhl neben dem Bette sinken ließ, da sagte Selbte leis-, in innigem Tone: »Ich wußte, daß Sie lommen würden, Grieperi Gott sei Dankt" Und Grieper, indem er einen von Thriinen feuchten Blick auf diz abgezehrte Gesicht seines Nebenbuhlers richtete, sagte nur: »Lieber, armer Freundl« Dass war Alles. Und dann saß er dort und unterhielt sich fliisternd und im besten Einverständnis; mit seinem alten Feind. Kurz vordem er ging aber ereignete sich noch Folgende-Z: »Ich würde zufrieden und ruhig sterben, Grieper«, sagte der Krante leise, und cis Jener mit dem Kopfe schüttelte, fcgte er hinzu: »Ja, ja, ich weiß es, ich fühle es es wird nicht mehr lange dauern, und ich stiirbe ru« hig, wenn die Sorge um mein Kind, mein einziges Kind, meine liebe Clo tilde nicht wäre.« Und daraus hatte Grieper gesagt: »Lassen Sie mich, lieber College, diese Sorge von Ihrem Herzen nehmen. Ueberlassen Sie mir das Kind. Jch schwöre es Ihnen, ich will ihm den Vater ersetzen, soweit es in meinen Kräften steht. Sie wird der Sonnen schein meines liebeleeren Lebens sein. « pch liebe sie schon ießt, und ich will sie o halten wie mein eiaenei. ideureg Kind. Haben Sie Zutrauen zu mir, l Selbte!« Und der Kranke hatte seine Hand aus Grieper’s Arm gelegt. und hatte einfach gesagt· »So sei es, lieber, gn ter Freund. Ich tenne Jhr edles Herz ja seit Langem, wenn wir uns auch gegenseitig seit vielen Jahren verstellt haben. Mein Kind sei Ihnen das Pfand meines festen Vertrauens!« . Und wie im Traum hatte er noch ge « flüstert: »Das, Grieper, ist die schönste Rolle, die Sie je gespielt.« - Am nächsten Tage war Selbie todt. ; Wer den Mann mit dem thränenden ; Blick, in dem sich ein tiefer, aufrichtiger i Schmerz ausprägte, hinter der Bahre ! schreiten sah, das Töchterchen an der Hand, der würde in ihm wohl kaum den virtuosen Bösewicht vermuthet ! haben, den er wenige Tage zuvor auf f der Bühne gesehen. Und wer nach dem i Begräbniß in die kleine Behausung desselben Mannes getreten wäre, und da gesehen hätte, wie er die kleine Clo tilde in den Armen hielt und ihr blon des Lockentöpschen streichelte, so zart und lind wie eine Mutter, der hätte erst recht nicht den alten Grieper in ihm errathen. Aber er war’s trotzdem, und bis heute ist er dem Kinde ein liberaler, zärtlicher Vater geblieben. Ueber dem Sosa aber, inmitten allerlei oerweltter und verblaßter Reminiseen zen seiner Bühnentriumphe, hängt das lelsensgrosee Portrait seines ehemaligen Nebenbuhlers, der Rahmen umslort. Der Yeillantsnjmueti. Aus dem Englischen von E. R. Jch war Secretär bei dem Rechts anwalt Georg Gregory, der sich in kurzer Zeit einen bedeutenden Ruf er worben hatte und ein schönes Einkom men besaß. Trotzdem kleidete sich seine Gemahlin äußerst einfach und trug nur bei ganz seltenen Gelegenheiten ih ren Brillantschniuct. Derselbe war ihr besonders lieb· Sie hatte ihn von ihrer Mutter ererbt, und er bildete das ein zige werthvolle Besitzthum daß sie mit in die Ehe brachte. Die Steine waren nicht gerade kost bar, auch war die Fassung etwas un modern, aber eg waren doch immerhin Diamanten. »Jchsch1niictte mich an meinem Hoch zeithage damit«, pflegte fie zu sagen, »und sollte ich einmal eine Tochter ha ben, —— Frau Gregory besasz nur Kna ben —- »so solt sie diesen Schmuck auch an ihrem Hochzeitstage tragen.« Die Ohrgehänge erinnerten mich an Zeichnungen, wie ich sie fast auf eghptischen Basen gesehen hatte. Ein jedes bestand aus fiins Steinen. Die Brosche zeigte deren nur vier; der mitt lere war derloren gegangen und war durch eine Perle ersetzt worden. Frau Gregory bewahrte ihren Schatz in einem rothen Etui, das einer Mu schel glich. Sie freute sich immer von neuem darüber, wenn sie es öffnete, und die Kinder bewundernd hinein schauten. Jch weiß nicht, wie es karn, diese Steine slößten mir immer ein Grauen ein. Ich glaube nicht an Vorahnungen und bildete mir auch niemals ein, solche zu haben. An einem schönen Augusttage sprach Frau Gregory die Absicht aus, mit den Itindern auf das Land zu gehen. »Sie miisfen frische Luft einath men,« sagte sie, »und ich habe einen entziictenden Aufenthalt gefunden. Das einzig llnangenehme ist nur, mei» nen Mann allein lassen zu müssen. Sie nehmen sich seiner ein wenig an, nicht wahr, Franks Sie thun mir diesen Ge sallen.« Jch versprach, ihre Wünsche getreu lich zu erfüllen. An dem Nachmittage, als Frau Gregory ihre Reise nach Loughfield antrat, kam sie in das Bu reau, um ihre Brillanten zur Aufbe wahrung zu geben. Alsdann begleitete der Rechtsanwalt seine Gemahlin zur Bahn und kehrte etwas bleich ausse hend zurück. Er schlief in jener Nacht auf einer Chaiselongue im Bureau und theilte mir mit, daß er in der Abwesen heit seiner Gemahlin immer dort schla fen und in einem Restaurant speisen werde. Jch schlief zwar in meiner Woh nung, denn im Bureau gab es keine Lagerstätte siir mich, nahm aber, Herrn Gregory’s Beispiel folgend, meine Mahlzeiten in demselben Lite staurant ein. So verstrichen ziemlich vierzehn Tage. Unser Leben flos; ruhig und gleichmäßig dahin; nichts Außer gewöhnliches ereignete sich. Herr Gregory tniipste Unterhand lungen an wegen der käuflichen Gr werbung eines Grundstückeg, aus dag er schon lange Zeit ein Auge geworfen hatte, und das Frau Gregory fiir das schönste in der ganzen Umgebung hielt. Sie sollte bei ihrer Heimtehr damit ; überrascht werden. J Als alles Ersorderliche besprochen und erledigt war, begab sich Herr Gre gorh eines Nachmittags zur Bank, um dort das dem gegenwärtigen Eigen thümer zu zahlende Geld zu erheben. Ein Theil-. stand aus Hypotheken; der Baarbetrag belief sich aus sechzigtau send Mart. Innerhalb der nächsten zehn Tage waren sie zu zahlen. Jch sah, wie Herr Gregory die Summe zählte, und das Geld in den eisernen Schrank schloß, bevor er zum Thee ging. Jch erinnere mich noch, daß T ich mir wünschte, so viel Geld zu be sitzen. Als ich so überlegte, was ich wohl damit anfangen würde, that sich die Thüre des Bureaus auf, und eineFrau trat herein. Sie war hübsch, so weit ich ihr Gesicht unter dem dichten Schleier zu deuttheilen vermochte. Meine Blicke blieben aus blonden Locken, schwarzen » Augen, rothen Wangen. aus dem hübsch geformten, mit einem Griibchen verse henen Kinn hasten. Sie trug ein schwarzes, reich mit Spitzen verziertes Kleid. Die Dame trat dicht an mich heran, blielte mir in die Augen und fragte lä chelnd: »Glauben Sie, daß Herr Gregory heute noch einmal in’s Bureau kommt?« Jch theilte ihr mit, daß er jedenfalls bald erscheinen wiirde und bot der Fremden einen Stuhl an. Sie setzte sich und lächelte wiederum. Alsdann wars sie einen scheuen Blick zum Fenster hin aus und machte die Bemerkung, daß es regnete. »Ich glaube, es wird die ganze Nacht regnen,« sagte sie. »Wie thöricht von mir, auszugehen! Jch bin so schwach, daß eine Erkältung meinen Tod her beiführen kann. Wenn Sie mir nur » einen Gefallen thun würden —— es ist « zwar ein wenig viel verlangt von einem Fremden; aber — Sie thun es·»s— ich weiß es.—— ich sehe es Jhnen an.« »Wenn es irgend möglich it,« erwi derte ich. »Wenn Sie nur bis zum Avenue Platz No. 40 gehen wollten und dort bestellten, man möchte Frau Contillcs Wagen schicken,« sagte sie· »Sie können doch gleich darin zuriickfahren. Es ist wirklich ein wenig viel verlangt, nicht wahr, aber Sie müssen wissen, ich bin eine gute Freundin von Frau Rechts anwalt Grogorh, undSie erweisen mir wahrlich einen großen Dienst.« Jch muß gestehen, die Sache erschien mir recht sonderbar, und ich dachte, wag Herr Grogory wohl dazu sagen würde. Die Dame schien jedoch meine Gedanken zu errathen und fuhr fort: »Ich werde indessen hier achtgeben und Herrn Gregory den Sachverhal; erklären, wenn er kommt.« Sie lächelte mir mit bestrickender Liebengwijrdigleit zu. Dieses Lächeln trar entscheidend. Jsch nahm meinen Hut und ging hin aus. Der Regen hatte schon TM ganz aufgehört, und ich mußte im Stillen über die Angst der Dame, naß zu wer den, lächeln. Jch eilte vorwärts nach dem Avenue - Platz. Der Weg war nur kurz. Vergeblich suchte ich aber nach Nr. 40. Jn größter Verlegenheit stand ich an der Erle. Da legte ein ro her, unangenehm aussehender Mann feine Hand auf meine Schulter und rief: »Hallo, wen suchen Sie denn?« »Frau ContilleZHauS, Amme-Platz No 4(),« antwortete ich. »No. 40 giebt’5 ja gar nicht,« sagte er. »Sie haben sich geirrt, es ist No. ZU. Jch bin ihr Kutschen Was will sie denn?« »Sie verlangt nach Ihnen und ih rem Wagen,« erklärte ich. »Sie wartet T in Herrn Gregory’5 Bureau.« ,,Ja,« meinte der Kutscher, »sie ver langt immer nach irgend etwas. So machen’s die Frauen. Jch bin sogleich mit dem Wagen zur Stelle. Sie fahren s doch gleich mit zurück?« Jch hatte meinen Thee noch nicht ge trunken und die Zeit war knapp. Des halb entschloß ich mich, mit ihm zu ge hen. Als der Kutscher dies hörte, wurde er noch viel liebenswürdigen »Sie ist eine Dame, die einen Stall hat, wie kaum eine zweite,« begann er von neuem das Gespräch. »Ich sehe es Jhnen an, Sie sind ein Pferdekenner. Sie miissen sich diese schönen Thiere ansehen. Bitte, hierher, mein Herrl« Diese Worte schmeichelten mir sehr. Jch nickte init dem Stopf und folgte dem Manne. Er führte mich die Straße hinunter bis zu einem eigen thiimlich aussehenden Gebäude, dessen Thüre er öffnete. »Noch Ihnen, mein Herr,« sagte er und lud mich durch eine Handbewegung ein, einzutreten. Jch ging einige Schritte vorwärts. Plötzlich fiihlte ich harte Hände auf meinen Schultern; ich wurde wenige Schritte vorwärts geschleudert, ich hörte, wie eine Thiire geschlossen wur de, und war ganz allein in einem leeren Gebäude. Umsonst war all mein Ru fen und Schreien, ich blieb allein, stun denlang allein. Endlich brach der Morgen an. Ein schwacher Lichtstrahl fiel in mein Ge fängniß. Ich entdeckte ein lockereSBrett in der einen Wand des Gebäudes. Hef tig stieß ich mit dem Fuße daran, es i gab nach; ich schlupfte durch die ent: standene Oeffnung und gelangte in ei « neu kleinen Garten, von wo aus ich die Straße erreichte. So schnell als meine Füße mich zu tragen vermochten, eilte ich dem Bureau zu. Als ich noch einige Schritte davon entfernt war, bot sich mir ein Anblick, der mich beben machte. Die Straße war mit einer unzähligen Menge von Leu ten gefiillt, in deren Gesichtern sich Schreck und Entsetzen malte. Schntzleute bewachten die Thüre deH Biireaug. Etwas Schreckliches mußte sich zugetragen haben. Von Angst ge trieben, stürzte ich vorwärts-. Diejeni gen, welche mich tannten, machten mir Platz· Jch trat in das Bureau und sah Herrn Georg Gregory todt auf dein Boden ausgestreckt liegen in seinem Blute schwimmend. Ein grausiges Bildt Der eiserne Geldschrank stand weit offen, und die darin aufbewahr ten Papiere lagen verstreut auf dem Boden. Jch fiel in Ohnmacht und kam in das Gefängniß. Nach kurzer Zeit erhielt ich meine Freiheit zurück; denn wohl Niemand hatte ernstlich daran gedacht, mich für den Thäter zu halten. Die unglückliche — thtwe, welche der Kummer to gebeugt und verändert hatte, daß ich sie kaum wiederertannte, bezeugte vor Gericht," baß ich ihrem Gemahl stets treu undl ergehen war. Meine Geschichte wurde überall und immer wieder von neuem besprochen und beleuchtet, und es blieb kein Zwei fel, daß jener schreckliche Mann, der mich in dem Stalle eingefperrt hatte, der Mörder war. Man hörte und fah «-ichts mehr Von ihm. Er war mit der Summe von Cis-»O Mark und dem Vrillantschmucle Frau Gregorhs glück lich entkommen. Angst und Aufregung hatten mich trank gemacht. Als ich mein Schsckfal nicht länger zu ertragen vermeinte, faßte ich den Entschluß, En· land zu verlassen. Jch begab mich zu Frau Gre gory, um Abschied von ihr zu nehmen. Feierlich legte sie ihre beiden abgema gerten Hände in die meinen und sagte: »Ich werde wohl bald von der Erde abberufen werden und Sie niemals wiedersehen. Schwören Sie mir, daß Sie, wo und wann Sie den Mörder meines Gemahls auch treffen, alle Mir tel anwenden werden, ihn den Gerich ten zu überliefern. Behalten Sie.seine Ziigc und feine Stimme treu im Ge dächtniß. Bringen Sie ihn an den Galgen, wenn Sie seiner habhaft wer den. Bringen Sie ihn an den Galgen, Frank Forreft, oder mein Fluch ruht auf Jhnen.« »Es bedarf wohl kaum meines Ves sprechens«, erwiderte ich tief erregt. Sie aber ließ mich auf die Bibel schwören. Dann küßte sie mich zärtlich und fegnete mich, als wäre sie meine Mutter. Jch ging nach Amerika, und die Goldgier ergriff mich. Fünf lange Jahre arbeitete ich in den Goldminenl und erwarb mir ein großes Vermögenl i Jch konnte mich über mein Schicksal nicht beklagen. Mit gefüllten Taschen, einem kräftigen Körper und gesunder Seele begab ich mich nach San Fran eiIco, um mein Leben zu genießen. Nur Jemand, der viele Jahre wie ich gelebt hsat,kann das Vergnügen er-; messen, das ich an der Gesellschaft mei: i ner Mitmenschen fand. Jch freute mich, fie Vergnügungsorten zuftrömen zu sehen, und es war mir eine Lust, mit den neugewonnenen Bekannten plaudern zu können ttein Mann verliebt fich so leiden schaftlich und schnell wie der, welcher längere Zeit von der menschlichen Ge sellschaft getrennt war. Wer hätte aber Senora Maria nicht bewundert? Wem hätte fie keine Nei gung eingeflößtZ Die Fama erzählte, daß fie Spanierin wäre, und aus ih ren schönen Augen leuchtete die Gluth des sonnigen Spanien-C Einem Man ne, der in den Goldgruben Ameritckg gearbeitet hat, ift es gleichgültig, was die Welt über ihn oder über andere spricht. Es kam mir niemals in den Sinn, nach MarickH Vorleben zu fra gen. Ich liebte sie, ward um sie, und ge wann ihr Herz. Jch war fest davon überzeugt, das-, sie mich liebte, und glaube es auch jetzt noch. Sie war ein lebhafteg Geschöpf, leichtsinnig und leidenschaftlich. So wie sie war, kann lein Mädchen sein, dag in einem fried lichen Heim ausgewachsen ist. Auch ich war leichtfertig und heiß bliitig geworden. Jch glaubte fast, ich liebte sie um dieser Eigenschaften wil len noch inniger. Unsere Hochzeit sollte bald stattfin den. Für mich gab eg, allen Liebenden gebt eg wohl so, nur noch zwei Dinge auf der Welt: »Wo sie war, und wo sie nicht war.« Wir besuchten Concerte und Theater, wo ihre Schönheit von der Fluth des Lichts bestrahlt, alles Blicke auf sich lenkte. Jch überschüttete l sie mit Geschenken. Sie lohnte miri reichlich mit dem silfsen Versprechen, daf; sie mir bald ganz angehören, daß ! sie mir treu bleiben wolle fiir das ganze Leben. »Auch im Himmel?« fügte ich einmal hinzu. Da sah sie mich wild und seltsam ,,Still, Frank,« sprach sie, »ich mag weder an den Tod noch an den Him mel denken. Mich verlangt es nicht nach Vergebung meiner Sünden. Doch ge nug hiervon.« Der Tag unserer Verrnäblung war schon ganz nahe, alsich sie eines Tages besuchte. Sie hatte mich nicht erwartet und war damit beschäftigt, verschiedene Dinge in einen lleinenKofser zu packen. Trotz der draußen herrschenden Wärme loderte ein Feuer im Kamin. Als ich eintrat, sah ich, wie sie eine Menge hell blonder Haare verbrannte, welche von einer, auf ihrem Schoße liegenden Periicke abgeschnitten waren. Plötzlich ward sie meiner ansichtig und schrie auf: »Ach, Frank, ich habe Dich gar nicht eintreten hören. Sieh, ich gebe gerade die Erinnerungen an einen Masken ball, wo ich als Blondine ging, den Flammen prei5.« Sie war bei diesen Woten so bleich geworden, daß ich erschreckt fragte: »Ist Dir nicht wohl?« »Ich tann den Geruch des verbrann ten Haares nicht vertragen,« antwortete sie. ,,Schnell, Maria, gieb die Perücke dem Mädchen, damit es dieselbe weg wirft; ich will diese blonden Haare nicht wiedersehen,« befahl ich nnd suchte dabei nach ihrem Riechsalz. Ich fand es und nahm es unter mehreren Gegen ständen hervor. Zufällig bliel«:·i meine Blicke auf einem Etui haften - - einem muschelförmigen Etui aus ans-griffe nem rothem Sammt, das ich schon ir rendwo gesehen hatte. Eine Vrolche All und Ohrringe leuchteten mir entgegen, die mich an alte egyptische Rasen er innerten. Jii der Mitte der Brosche befand sich eine Perle an Stelle des Steines. - »Frau Gregorys Diamantschmuck!« So rief ich laut. Diese Worte hatten Maria tief getroffen. Fest schmiegte sie sich an mich. »Frank,« sagte fie, »Frani, was ist denn geschehen? Geliebter, sprich doch!« Wie ein Espenlaub zitterte sie am ganzen Körper. Ich betrachtete die am Boden lie gende Perücke. Jch betrachtete das rei zende Griibchen in dem Kinn, das ich« so oft getiißt hatte, und dann lehnte ich mich gegen die Wand. Jetzt kannte ich meine Braut. Jch erinnerte mich ihrer plötzlich ganz deutlich. Sie war also die Frau, welche ich vor sechs Jahren, an jenem verhängnifzvollen Tage, allein in Herrn Gregorys Burean gelassen hatte. Verkleidet war sie dorthin ge kommen. Jn welcher Absicht? »Se1’Iora Maria,« sagte ich, und meine Stimme hatte einen fremden, seltsamen Klang, ,,hast Du mich ver gessen? Erinnerst Du Dich nicht mehr des jungen Mannes, dessen Du Dich entledigtest, als Du vor Jahren in das Bureau des Rechtsanwalts Gregory kamst und diese blonde Periicke trugst?·« Maria lag zu meinen Füßen. ,,Frant!« stammelte sie, »Frank, Du mein Geliebter! Jch wollte ihn ja nicht tödten, ich wollte nur,den Geldschrank öffnet-» Er ertappte mich dabei, er Packte mich an. Da benutzte ich mein Messer. Frank, Frank, sei barmherzig! Jch will in ein fernes Land gehen, weit, weit fort. Ach Frank, bedenke, daß ich Dich lieb habe.« Ich bedachte es wohl Todes-quellen ctterten mich. Sie hatte das Verbrechen gestanden, und ich dachte an meinen Eid. Ich ge dachte der Wittwe und Ihrer Angst. Ich gedachte der Fiinder die in jener schreck lichen Nacht zu Waisen geworden wa ren. Jch gedachte Georg Gregorhs, wie er in seinem Blute aus dem Boden lag. Jch war zu seinem Rächer aus-erko ren, und sein Geist gab mir Muth, das zu vollbringen, was ich vollbringen mußte. Schnell öffnete ich die Thüre und lief auf die Straße hinab. Zufällig war der erste, der mir be gegnete, ein Detettiv ans London, mit dein ich einige Tage vorher über die ge heimnifzbolle Ermordung Georg Gre gorh’s gesprochen hatte. Jch ergriff ihn am Arme. »Die Frau, welche Georg Gregory ermordet hat, befindet sich in jenem Zimmer,« raunte ich ihm zu. »Ich habe Beweise und ihr Gesiändniß.« »Sind Sie toll geworden!« rief er. »Das ist ja Seüora Marias Woh nung.« »Sellell Mcaklcl UT Mc chokockllh und ich werde in kurzer Frist toll sein,f«’ erwiderte ich. Darauf fiel ich bewußtlos zu Bo den, und ein gnädiges Dunkel und - Vergessenheit umfingen mich. Sie starb. Mehr weiß ich nicht zu sagen. Jhre Schuld ward ihr bewiesen, auch trachtete sie keineswegs darnach, sie zu verhehlen. Von Kindheit an gemein, war sie dann ehrlos geworden und Mitglied einer Räuberbande. Aber ich liebte sie, und sie liebte mich. Das habe ich niev vergessen. Dieses Gesicht verfolgt mich, jetzt da ich das Goldland durchstreife, achtlos an seinem Golde vorübergehe und nur darauf bedacht bin, den An blick jeder Frau zu meiden. Es wird mich mein ganzes Leben «induch ver folgen, bis ich endlich in irgend einem fernen Himnielstrich zur ewigen Ruhe eingegangen sein werde. Jch werde nie ruhig darüber werden können, daß ich die einzige Frau, die ich je geliebt, dem Tode weihte Jcb liebte sie und liebe sie noch, obgleich sie so schlecht war — die verworfene Mörde rin Seüora Maria. N ff Vorüber! Von Maidy Koch. Eber blätterlose Ranken Raschelt leis’ der Wind dahin. Herbstestraurige Gedanken Zieh’n mir düster durch den Sinn ... Keine Rose will mehr glühen — Bleiche Astern seh’ ich nur; Armes, diifteleeres Blühen — Todten Glückes letzte Spur. Todt, wohin die Auge-n schweifen, Alleg, wag der Lenz gebar, Und ich kann eg- laum begreifen, Daß es einmal Frühling war. -—. — Ein guter Menschan Doktor Müller-, der neue Arzt, scheint ein sehr gutesv Herz zu haben?« »Das stimmt; wenn zum Beispiel mal ein Gesunder mit einer eingebildeten Krankheit kommt, läßt er ihn gesund.« - Sehn eidig. — ,,Sehen Herr Lieutenant drüben die blutjunge Ba ronesse? Deren Herz gleicht noch ei nein kühlen, von keinem Lufthanch be wegten Wasserspiegel.« — »Ach — jleich ’mal als Cyklon ’reinfahren!« H e im g e s chi ck t. Frau (eines vatientenlosen Gatten): »Was? Du willst mir etwas sagen? Du hast ja nicht einmal in der Sprechstunde was zu reden!« ——— Scheinbarer Wider s p r u ch. »Du glaubst, daß die älte e Tochter des Bankiers extra rpße Mit gift kriegte-« »Ja, die is Io hübsch häßlich!« « « «