— xtuf dunkler Bahn. Von Carl Treumaun. Das Bergglöckchen läutete. Sein Klang nemaltnte die Bergleute an den baldigen Beginn der Frühschicht. — Die leichtbeschneiten Gassen der al ten Berastadt waren noch von der tie fen Ruhe der Nacht umfangen; aber schon leuchtete hier und da ein schwa chen Lichtschein in den Fenstern auf. Bald schallten die ersten Tritte anfech render Bergleute fernher durch die stillen Gassen. Der aaukelnde Schein der Gruben blenden huschte gespenstisch an den« Wunden der Häuser hin, in flüchtigen Umrissen riesengroße Schattenbilder zeichnend —- In den Schall der Tritte der schweren, eisenbeschlagenen Holz sttefel, die so hart und rasselnd auf dem holprigen Straßenpflaster klan 3U,»Mtschte sich immer häufiger das erausch der sich öffnenden und wie dev schließenden Hausthüren, und ei ner kleinen Völlerwanderung glei chend, ergoß sich der Strom der an sahrenden Bergleute durch die Gassen, immerzu der einen Richtung folgend, in der. unweit der Stadt, die Schachte der »Himmelfahrt« lagen. «Nach einer- in schwerer Gemüthsber stimmung fast ganz schlaflos ver brachten Nacht hatte sich der Hauer Ernst Walter von seinem Lager erho ben. T- Wäbrend die jugendliche Schwagerin Frida Mühling, die seit dem Tode der Gattin dem kleinen haushalte vorstand, den Morgenkassee bereitete, leate er die von der» schwefeli gen Grubenluft getränktenGrubentlei der an. Jn gewohnter Fürsorge goß er aus der dem Spinde entnommenen Glas flasche Oel in die Lampe der Blende und aab auch dem in der Zschärper tasche aufbewahrten Reservefläschchen neue Füllung Nachdem er noch eineTasse des dam pfenden Kaffees getrunken und den von der Schwägerin indessen gefüllten Brotbeutel unter den Falten des Berakittels an der Brust untergebracht hatte, trat er seine Wanderung nach der Grube an· »Frida, vergiß ja nicht, daß Rudi heute eine Stunde früher zur Schule muß,« äußerte er noch im Fortgehen. »Glück aui!« »Nein, Schwager, ich werd’s nicht vergessen und Nudi rechtzeitig wecken,« beruhigte ihn diese. »Glücl auf! und tomm’ aeiund wieden!« Jn trübem Sinnen schritt er die wohlbekannten Gassen entlang, vor über an dem altehrwürdigcn Donaths tburm. um bald die Stadt hinter sich zu lassen. Das Herz war ihm so sorgenvoll und schwer und die stolze Hoffnungs sreudiateit, die ihm noch vor wenigen Tagen die Seele bewegte, war nun da hin aui immer. — Er hatte so zuver sichtlich gehosst und gewöhnt, daß in dem verwaisten Heim für ihn und die armen muttenlosen Kleinen ein neues bescheidenes Glück erblühen werde. Von Tag zu Tag hatte er sich vorge nommen, die Entscheidung herbeizu führen und die so still und segengreich waltende Schwägerin, die den verwai sten Kindern im wahren Sinne des Wortes eine zweite Mutter geworden war, zu bitten, ganz und fürs alle Zei ten die Stelle der heimgegangenen Schwester einzunehmen, aber immer und immer wieder hatte ihn eine eigen thiimliche Zaghaftigkeit abgehalten, das entscheidende Wort zu sprechen. — Und nun — nun war es zu spät! — Es war am letzten Sonntage, als der jüngere Kamerad, der mit ihm in der Grube vor Ort arbeitete, ihm einen Besuch machte, um sich sein-n Dom pfaff, der so gelehrig war und das «Steh’ ich in finstrer Mitternacht« be reits so allerliebst bfeifen konnte, ein mal anzusehen Wie es dabei gekommen, er wußte es nicht: die Herzen der beiden jungen Leute hatten sich gesunden und waren in Liebe ftir einander erglüht. — Und gestern. alö der Kamerad seinen Besuch wiederhoite. war ihm offenbar gewor den, was ihn mit tiefem Schmerze er füllte und alle die schönen Pläne und blühenden Hoffnungen mit einem Schlage vernichtete. Ernster Gesang tönte jetzt an sein Ohr; er war in der Nähe des Huthau fes angekommen, woselbst sich in der Betstube die ansahrenden Genossen bes reitiz zum gemeinschaftlichen Gesang und Gebet versammelt hatten. Gesällia rückten die bereits Dasitzew den zur Seite, als er die Betstube be trat und der zunächst Sitzende reichte ihm die Lampe. damit er die seine, die draußen im Winde verlöscht war, das ran anzündr. Mechanisch griff seine band nach einem der aus dem Fenster gesimse lieaenden Gebetbücher und er suchte, auf einer der rohgezimmerten holzbänte Platz nehmend, die Lied nummer auf. Aber es wollte heute nicht recht gehen mit dein Singen; die Kehle war ihm wie zugeschniirt. Wäh rend er sonst mit einer gewissen Freu digkeit seine kräftige sonore Männer stimme zu den Klängen der tleinen Bergorael ertönen ließ, starrte er heute stumnk und gedantenschwer auf das Buch nieder. Nachdem die Morgenandacht beendet und das Verleien der einfahrenden Mannichast durch den diensthabenden Untersteiger vorgenommen worden war, ainaen die Leute auseinander, um sich für das Cinsahren vorzubereiten. Während die jungen Leute —- Gru Ienjungen und Bevglnechte —- von den Gängsteiaern die ihnen in den ver schiedenen Grubenbauen zugedachten Arbeiten zugewiesen erhielten, gingen die Häuer hinüber zum Hutmanne, um die in der Bergschmiede frischgeschärf ten Bohrer in Empfang zu nehmen und um die nöthigen Sprengmateria lien zu fassen. — Für den Hutmann und seinen Gehilfen gab es eine Weile alle Hände voll zu thun, denn die Be dürfnisse waren gar mannigfaltige, und Alle wollten möglichst schnell ab geferstigt sein. ——— Nach einem kurzen dauernden lebhaften Durcheinander rufen und Drängen war jedoch der ersteAnsturm glücklich überstanden und bald waren die Wünsche auch des letz ten Häuers befriedigt. Jn vlaudernden Gruppen standen sie nun dort im Treibehause um die Schachtmündung herum und einer nach dem andern ergriff die Sprossen der Fahrt lLeiter) und trat bei dem matten Scheine der an dem Halstu men auf der Brust hängenden Blende die Einfabrt an. —- — Ernst Walter hatte den Abstieg aus der steilen Fahrt bereits bis zur fünf ten Gezeugstrecke zurückgelegt, ohne nur ein einziges Mal zu rasten. Jn großen Tropfen rann ihm der Schweiß, langsam unter- der schweren Filztappe hervorguellend, von der Stirn und den Schläfen hernieder, und die Last der stählernen Bohrer, die er in zwei Bündeln an dem über die Schulter gehängten Strick trug, drückte schwer und schmerzhaft. Auf den Bänken, die zum Ausruhen im Hintergrunde des Füllorts ange bracht waren, hatte bereits eine größere Anzahl Kameraden Platz genommen, und Walter tam ein paar Augenblicke lang in Zweifel. ob er versuchen sollte, noch einen Platz dort zu finden, oder ob es nicht aersathener sei, bis zur nächsten Gezeugstrecke zu fahren. — Das starke Ruhebedürfniß überwand jedoch schnell alle Bedenken; langsam schritt er, die nasse Stirn mit dem Schweißtuche trocknend, nach denRuhe bänten hin. Ein paar junge För»derleute, die mit dort saßen, räumten ihm ihre Plätze ein und setzten die Einfahrt fort. Die Blende zu seinen Füßen auf den Boden stellend, nahm Walter Platz unter den Kameraden, die eben in leb hafter Unterhaltung begriffen waren. Man sprach gerade von Unglücksfällen in der Grube, und der eine Häuer schilderte eben den schrecklichen Un glücksfall, der sich vor etwa einem Jahre auf dem benachbarten Schachte ereignet hatte. Ein Paar Zimmer linge hatten, trotz des bestehenden strengen Verbotes, die Fördertonne zum Ausfahren benutzt. Das Förder seil zerriß; die Fördertonne raste, im fürchterlichen Sturze Alles zertrüm mernd. hinab in die Tiefe und die leichtsinniaen Arbeiter fanden dabei ei nen entsetzlichen Tod. Von dem einen Unglücksfalle lani man auf andere zu sprechen und fast Jeder wußte etwas zu erzählen. So tam es, daß eine tiefernste Stimmung sich der Leute bemächtigte. Ernst Walter, dessen Gemüthsstini: mung so wie so schon völlig niederge drückt war, fühlte sich unbehaglich bei solcher Art Unterhaltung. Mit dem üblichen Gruße »Gefunde Schicht!« verließ er bald wieder seinen Platz und schritt zum Fahrschachte hin, um weiter zu fahren. Nach turzer Zeit hatte er seinen Ar beitsblatz, einen in der siebenten Ge zeugstrecke gelegenen Querschacht, er reicht. Sein jiingerer Gesell (Kamerad) war bereits vor- ihm eingetroffen, ebenso ein zum Kartenlaufen beorderter Förder mann. Beide hatten sich aus vorhandenen alten Pfostenstiiclen ein primitiveg klei nes Lager zucechtgemacht und waren, von den Anstrengungen des Einfah rens ermüdet, fest eingeschlafen. Der« Lichtschein von Walter’s Blende überstrahlie das Gesicht des ruhig schlummernden Gesellen Max Rau. Wie er so des jungen Genossen blü hendes Antlitz sah, auf dem es wie der sonnige Abglanz eines stillen, leuchten den Gliiekes lag,«guoll das Gefühl einer tiefen Erbitterung in Walter’s Herzen aus und er empfand etwas, wie einen tödtlichen Haß gegen den, der ihm al les selige Hoffen und alles Glück der Zukunft geraubt. Sein tlarer Verstand und sein aus-. geprägter Gerechtigkeitssinn gewannen aber bald wieder die Oberhand. Was konnte dieser dasiir,"daf; er nun so glückverlassen und hoffnungsarm der Zukunft gegenüberstand? — Trug nicht er mit seiner Zaghaftigteit allein die Schuld an dem Verhängnisse? Hätte er dem jungen Genossen ge genüber nur einmal von seinen Plänen und seinen Hoffnungen gesprochen, ge wifi wäre es dann nicht so gekommen, wie es nun geschehen war. Mar Rau würde niemals seine Blicke zur tiinstigen Gattin des Freun des und Arbeitsgenossen erhoben haben und eine gegenseitige Annäherung der jungen Leute wäre von vornherein aus geschlossen gewesen. Um noch ein wenig zu rasten, hatte Waltek sich ebenfalls einen Sitz aus Pfostenstiieten zurecht gemacht; es litt ihn jedoch nicht lange in der Unthätig keit. Er weckte die Anderen und ge meinsam begannen sie die Arbeit. Vor Ort hatte sich der durch die Sprenaarbeiten der vorher-gegangenen Nachtschicht entstandene Pulvergualm sast gänzlich verzogen. Während der Fördermann die los gesprengten Gesteinsmassen zurück — riiumte. um sie dann mit dem Lauftar ren bis dahin zu fördevn, wo sie in die Hunte (Förderwagen) geladen werden »lonnten, trafen die beiden Häuer ihre Vorbereitungen zum Beginn der Bohrarbeiten. « Bald schallte, in lustigem Doppel-» schlage, der Klang der Bohrfäustel »durch die nachterfüllten Räume der JTieir. ; Das Gestein war sehr quarzreich »und hart, und wie unermüdlich die ;Bohrenden auch das schwere Fäustel , schwangen, nur sehr langsam und all mälig grub sich das Bohrloch seinen Weg in das harte, spröde Felsgestein. Mar Rau, der die trübe Gemüths stimmung des Gesellen anfänglich nicht beachtete, ver-suchte wiederholt, wäh rend der das Fäustel schwingende Arm ausruhen mußte, ein Gespräch anzu lniipfen, er erhielt aber jedesmal so targe, ausweichende Antwort, daß er mit einiger Verwunderung über den Mißmuth des sonst doch so zugängli chen Freundes, bald alle weiter-en Ver suche aufgab. So spann sich denn die mühselige und eintönige Arbeit des Bohrens in Schweiasamleit weiter. Als der aufsichtführende Gängstei ger erschien, war das eine Bohrloch ziemlich niedergebracht; in jeder Schicht waren gewöhnlich zwei zu boh ren. Der Steigen fand nichts Besonderes vor und verließ bald wieder das Ort lhorizontal getriebener Grubenbau), nicht ohne daß er noch zur größten Vorsicht beim Besetzen der Bohrlöcher und beim Schiefzer ermahnt hätte. Das Niederbringen des zweiten Bohrloches wurde durch die kurze Mit tagspause unterbrochen. —- Die Leute machten sich’s auf ihren Pfostenstücken bequem und verzehrten das mitge brachte Buttetbrot. Zur Stillung des quälenden Durstes diente der in einer Blechflasehe mitge führte lalie Hasses Nach dem Essen streckten sie die mü den Glieder auf den Pfosten aus, um noch ein wenig zu ruhen. — Die Zeit der Mittagspause ging aber schnell vorüber: überall in den Grubenbauen fing es aus’s Neue an, zu hämmern und zu arbeiten. Nachdem die Bohrliicher auf die ge nügende Tiefe gebracht waren, ging es an die Arbeit des Besetzens (Ladens) derselben. Die mit Sprengvuloer gesüllteHülse wurde vorsichtig in das Bohrloch ein geführt und gegen den Boden dessel ben fesiaedrürtt. Die in das Pulver der Hülfe gesenkte, mit einem schwachen Schilfröhrchen umtleidete und mit ihrem Oebr über den Rand des Bohr loches hervorragende Schießnadel hatte die Aufgabe, den Zündgang freizuhal ten. . Mit dein Stamvfer wurden über der Pulverhülse die den Besatz bildenden Lehmwolgern sesigerammt, bis sie das Bohrloch bis an den Rand füllten. Hierauf wurde die Schiesznadel aus dem Bohrloche entfernt und die Mün dung des Zündganges mit einem ge schnitzten Holzpflöckchen abgeschlossen. Der Schilf-künden an dessen einem Ende das zum Anbrennen und Ent zünden des Bohrloches dienende Stück chen Schwefelfaden angebracht wurde, durfte erst vor dem Abbrennen jedes einzelnen Bohrloches eingeführt wer den. Bald war die Arbeit des Besetzens gethan. Ein eigenthümliches Knacken im Gestein zeigte an, daß in anderen, entfernteren Grubenbauen das Schie ßen oder- Svrengen bereits begonnen hatte. Nachdem man alles Gezay, Holz u. s. w. weaaeräumt und die nöthigen Sicherheitsoortehrungen getroffen hat te, konnte auch hier das Sprengen vor genommen werden. Walten als der ältere Hauer, hatte mehr unten. nach der Strosse zu, ge bohrt. Seine Bohrlöcher waren zuerst zu sprenam — Nachdem der andere sich bereits ein Stück zurück begeben und hinter der Sicherheitsblende feiner aus starken Hölzern hergestellten und zum Schutze vor sortgeschleuderten Ge fteinsftiicken dienenden Thür)Pofto ge faßt hatte, steckte er den Schilfziinder aus« brannte den Schweselfaden an und beaab sich dann unter dem vorge fchriebenen Warnungsrufe »Angesteclt, ’s brennt!« mit raschen, aber umsichti gen Schritten zu dem Gesellen, Inn hier still zu verharren, bis ein lautes-, dvns nerndes Getöse anzeigte, das; die Sprengung sich vollzogen hatte, wenn anders diese nicht versagte, was bis weilen geschah, und nur der leichte Schlag des Sünders hörbar wurde. Als Walter feine beiden Bohrlöcher glücklich abaebrannt hatte, kam die Reihe an Max Rau. —-- Ein dichter, undurchdringlicher Pulver-qualm, der feine Woaen bereits bis in die Nähe der Sicherheitsblende wälzte, erfüllte den Raum vor Ort. da Rau an das Abbrennen feiner Vohrlöcher ging. Der hinter der Sichersheitsblende harrende Walter hörte noch, wie der Gesell sich eiligst vom Ort entfernte. Mitten in dem Ausrufe ,,Angesteckt, s brennt!« ---— aber brach der Gesell plötzlich ab: ein Geräusch, als ob Je mand übev ein Hindernisz ftolpere und hinstürze, wurde hörbar und ein angst voller, wimmernder Hilferuf tönte an des Erfchrectten Ohr. Schon wollte Walter dem von schwe rer Lebensgesahr bedrohten Gefährten zu Hilfe eilen, da war es ihm, als ob eine unsichtbare Macht ihm dieSchritte hemme und eine Stimme ihm zuraune: »Laß ihn doch umkommen, der dir deii ganzes Lebenzgliiek zerstört! Werts-. er nicht mehr trennend zwischen eu.«; steht, wird sie doch noch die Deine!« Aber nur einen Augenblick währte es, daß Walter diesem lähmenden Banne aehorchte. Mit einem kräftigen Ruck riß er sich los von den sündhaften, selbstsüchtigen Gedanken und Regungen und in der nächsten Secunde schon stürmte er vor wärts, die Blende tief zu Boden hal tend, denn der erstickende Pulverdampf hüllte Alles mit seinem Schleier ein. Er fand den hilseheischenden Genos sen wimmernd zwischen den losge sprengten Gesteinsstiicken liegend vor. Nur ein vaar Schritte weiter sah er vor Ort die blaue Flamme des Schwe selfadens lodern. Hier galt kein Besinnen, hier that schnelles Handeln noth; an Secunden nur hina hier das Leben! Schnell beugte er sich zu dem Ge stiirzten nieder und hob ihn mit träf tigen Armen empor. »Raff’ dich auf, Gesell,« mahnte er dringlich, ,,sonst sind wir Beide ver loren!« Der aber stöhnte vor Schmerz und vermochte sich kaum aufrecht zu er halten. « »Gott, o Gott, ich kann ja nicht! — »Ich glaub’, ich habe das Bein gebro j chen!« Weiter und weiter fraß indeß die gieriae Flamme an dem kurzen Schwe felfaden; — Walter dachte daran und ein Schauder durchrieselte seinen Kör per. —- Ja, wenn er die Flamme lö schen iönntel —- Allein sie befand sich zu hoch. ,,Rette du dich, Gesell, um deiner Kinder willen! Meiner mög’ sich der Herraott erbarmen!« tönte es jetzt an sein Ohr. Aber hastig gab er zur Antwort: Niemals-! — Das geschieht nimmer, daß ich dich treulos im Stich lasse! Geschwind —- leg’ deine Arme um meinen Hals, ich muß dich tra gen!« Jener that, wie ihm geheißen wor den, und mit der Aufbietung aller« Kräfte suchte Walter auf seinen Ar men den Berletzten aus dem gefahrvol len Bereiche zu bringen. Nur mühsam vermochte der Fuß sich seinen Weg zu bahnen in der tiefen Finsterniß. —-- Das Licht der Blende war bei den heftigen Bewegungen er loschen. Mit keuchendersBrust taumelte Wal ter so vorwärts mit seiner Last; ——— da plötzlich ging ein blitzartiges Aufleuch ten durch die Finsterniß — ein don nerähnliches Getöse solgte und die durch den Sprengschuß losgerissenen Gesteins-störte sausten durch den nacht erfüllten Raum. »Barmherziger Gott!« kam es wie ein leiser- Klaaelaut von den Lippen Ernst Walter’"5 und schwer sank er mit seiner Last zu Boden. »Gesell, Gefell,« rief Max Rau, der eigenen Schmerzen nicht achtend, mit anasterfüllter Stimme, ,,bist du ge trosfen?« Ein leises Stöhnen nur gab ihm Antwort. Qa tauete er suchend mit der Hand Iumhen ers erfaßte das von der stopf bedeckung entblößte Haupt dec- zu Bo den aesunkenen Retterg Aber scheu ! und erschreckt zog er die Hand zuriiclt ssie hatte eine tlaffende Wunde berührt, ; aus der das warme Blut hervorquoll. s Da nahten eilende Schritte und durch den woaenden Pulvergualm und die arauenvolle Nacht brach der Licht schein einer hellen gelben Blende. « Der Steiger eilte herzu, von dem För dermann herbeigerufen. Der Letztere war von den Hauern weiter vorn, wo der Querschlag mit einem anderen Streckenort sich kreuzte, postirt worden, um etwa daher kommende Personen des Schießens wegen zurückzuhalten Er hatte die Hilferufe vor Ort eben falls vernommen und den gerade in der Nähe befindlichen Steiger darauf aufmerksam gemacht. Als der Steiger sich zu dem schwer verletzten Häuer niederbeugte, um ihn vorsichtig emporzurichten, ging ein schweres Nöcheln über dessen Lippen ind mit einem letzten trarnpfhaften Zücken und Sichdehnen des ganzen Körpers war dag mit dem strömenden Blute langsam ver-siegende Leben ent loben. — — Jn dem Bergftifte hatte man drei Tage später den Verunglückten aufge bahrt Weinend drückte Max Rau, der sich aus feinem Krankenzimmer hatte her über traaen lassen, dem braven Kame raden und Lebensretter noch einmal die treuen Hände. Tieferschüttert legte er in die Rechte des Todten das Gelöbniß ab, den ar men verwaisten Kindern ein zweiter Vater zu sein und nie zu vergessen, was er dem Opfertode des Heimge: gangenen fchulde. Eine von dem Obersteiger geführte Abtheiluna Bergleute in Paradetracht mit der umflorten Knappfchaftsfahne, und mit dem Bergmusikchore an der Spitze bildete das letzte Ehrengeleite des wackeren Häuers und unter den er greifenden Klängen des Anacker’schen Trauermarsches aus dem herrlichen und unfterblichen Bergmannsgruß trug man ihn hinaus. — Leb’ wohl, leb’ wohl du Bergmanns kind! Du hast vollbracht den Lauf. Treu wareft du und brav gesinnt, Drum rufen wir: Glückaufl i —Mquche Menschen leben nur —- um für andere zu sterben. see Magen deg Zeanoiimten Humoresle ron 11. Fen. Max Alterns Magen knurrte. Tar- irar nich I Neues fär dessen Besitzer, der ihm gewöhnlich in solchen Fallen folgendermaßen Vernunft pre digte: »Du möchtest was, ich auch,ab3r da ich nichts habe, belonimst Du auch nichts-. Punktum!« Das war zwar unsteeitig logisch, aber ein seit zehn CLnnTen fasetider Magen hat gar keinen-Sinn fiir Logik, und mit einem tüchtigen feieessteat ist ihm weit eher beizukommen als mit den herrlichsten S-.hlkissen. Wenig stens gehörte der Magen des KaisdIdas ten Blum zu dieser materiellen Sorte, und da er seit acht Uhr früh, wo ihm ein sehr dünner Kassee mit einem klei nen Brödchen, gleichsam tzzxr zur An sicht, vorgelegt war, hungerte, so ließ er sich diesmal nicht niit dem actnöhn lichen energischen Punttum adscrtigen« fondern erhob feine Stimme lau-setv drohender, und er oerfiigte iter eine sehr kräftige Ausdrucks-Ieise Blum ging aus die Straße, sein bö ser Genius führte ihn vor die Anklage einer Delitateßwaarcn - Handlung Da sah er Lachsschinken und links-sc hriiste,« aefpickte Oasen Spsrgel Mixed Pickles und GänseleberrahetetL Das Wasser lief ihm bei den: Zinsn blick im Munde zusammen. Nähe ein. Nein, er würde nicht hineingehen, noch aus siinszehn Pfennig. Er wollte nach Hause, aber der Hunger bannte ihn an die Tl)iirschwelle. Es mußte heute da drin was Beson deres los sein, die Kellner rannten in ihren glänzenden Fracts beinahe ganz weiße Servietten unter dem Arm, mit einer noch nicht dagewesenen Geschäf tigleit über Treppen und Gänge. Einer der fliegenden Geister be merkte den unschliifsig Draußenstehen den. Ein prüfender Blick flog iiber den Kandidaten. Cylinder, schwarzer Anzug, natürlich, der gehörte mit zu dem Verein »Fidelitas«, der heute im großen Saal tafelte. Er kam zwar eine halbe Stunde zu spät, das Essen hatte schon um sechs Uhr begonnen. deswegen stand er jetzt jedenfalls auch so unschlijsfig draußen und wußte nicht »ob oder nicht ob«. Aber Jean war nicht umsonst seit drei Jahren Qbertellner in ,,Weißen Hirsch«, und ehe f-« der Kandidat noch recht bewußt war, was eigentlich mit ihm vorgegan gen, saß er, gedrängt von Jean und dem Anderen, ohne Kaisermantel und Hut an einer langen Tafel inmitten einer fröhlichen, aus älteren und jün geren Herren und Damen bestehenden Gesellschaft und erercirte nach, d. h. er genoß schleunigst Suppe und Fisch, um mit den Anderen, die bereits bei einem herrlichen Rostbraten mit Maktaroni angekommen waren, gleichen Schritt halten zu können. Und bald hatte er das Ziel mit Hilfe des Anderen spie lend erreicht und sah sich nun vor sei nem Teller mit Rostbraten. Jetzt erst dersuchte er es, zu ermitteln, wohin ihn das unzweifelhaft giitige Geschick verschlagen hatte. Endlich fiel ihm die Feneipz in d:r . sein ganzes Vermögen bestand ja nur » Die Vereinstnitglieder der ,,Fideli tas« waren durchgängig brave Bür gersleute, die hier zusammengetommen waren, um ihr Stiftungssest zu feiern. Das hatte Blum bald aus den Reden der Umsitzenden herausgehört. War er nun auch nicht eine Leuchte der Tischgesellschast, so unterhielt er sich doch während des Tellerwechselns sehr gut mit seinen beiden Nachbarn, älteren Herren, von denen der eine Seifensieder. der andere Cigarren hiindler war. Blum, dem der guteWein die Zunge gelöst hatte, gab sich, gegen seine son stige Gewohnheit, so, wie er war, ohne alle falsche Bescheidenheit. Er sprach offen über alles, was er wußte, konnte und wollte, und da er ein geweckter Kon war und viel gelernt hatte, so imponirte er seinen beiden Nachbarn derartig, daß der Seifensieder endlich meinte: ,,Hör’n Sie, so ’nen jungen Men schen hab’ ich mir schon lange je wiinscht. Wenn ich sage mir,« ver besserte er sich gleich darauf, »so meine ich meine zwei Jungen. Se sind ja nich dumm, und komme- auch in der Schule flott mit, aber ich möcht’ doch, daß sie noch ’n bischen mehr weghätten als die Anderen, wissen Se, versteh’n Se?« Schwer zu verstehen war das nicht. und als der biedere Seifensieder nun fortfuhr: ,,Ueberlegen Se sich die Sache mal, wissen Se, versteh’n Se, und wenn’s Ihnen paßt, na, denn kommen Se mal morgen zwischen zwei und drei Uhr zu mir, hier ist meine Adresse.« Mit großer Umständlichteit holte der Seifensieder aus einer alten, dicken rothen Brieftasche eine Visitenkarte mit Adresse. Schon im Begriff, dieselbe einzuhändigen, hielt er plötzlich ein und sagte: »Ja so, danach hab’ ich ja noch gar nicht jefragt, am Ende sind Sie zu aut für so was.« Als der Kandidat darauf energisch gegen sein ,,zu gut sein« Protestirte, sagte Herr Hieronymus Müller lebhaft: »Na, seh’n Se, denn is es ja gut, heutzutage muß ein einfacher Mann, wie ich’s bin lder einfache Mann hat«-, drei fünfstöckige Häuser in der 37"7edrich strasre in Berlin durch Erbs-«-ft be kommen), vorsichtig sein, wi«3n Se, versteh’n Se, und man möcht’ sich doch nicht gern von so ’nem junger Lassen reinleaen lassen. der die Weickeit mit , if cchesseln gegessen hat und alles des-is steht und alles weiß. Auf-Sie geht esg natürlich nich, Herr Kandidat,« schlosi der Alte seine Rede und Blum antwor tete o-ffenherzig: »Auf mich hab’ ich’s auch nicht be-· zogen, Herr Müller, denn ich bin durchaus kein Alles-wissen ich muß Ihnen sogar gestehen, daß sich in diesem Augenblick über eine ganz einfache Sache nachdenke und nicht damit in’s Reine komme.« Müller fühlte sich durch das Ver trauen des Kandidaten geschmeichelt und sagte gönnerhast: »Na, man los, junger Mann, viel leicht kann ich Jhnen helfen, wissen Se, verstehn Se, man hat doch auch schon was in der Welt gesehn Also, was wissen Se nich?« Jn normalem Zustand wäre es dem Kandidaten nie möglich geworden, das auszusprechen, was er in der nächsten Minute in harmlosestem Tone sagte, aber mehrere Gläser Wein hatten ge nügt, um in ihm einen abnormen Zu stand hervorzurufen, und so sagte er nun trocken: »Ich hab’ keine Ahnung davon, wie ich l;ier meine Zeche bezahle!« Müller sah ihn einen Augenblick prüfend an. Er dachte, der Mensch wolle ihn u«7,en. Dann sagte er achsel zxxctend: »Das ist doch Sache des Vereins!« »Ja, aber ich hin nicht Bereinsmit glied.« Und nun setzte er Herrn Müller mit lnavpen Worten alles auseinander-. Müller nnterbrach ihn zwar mit einigen Worten: »Na, wissen Se, ver steifn Se« —— aber er hörte sich dock die Geschichte mit einem gewissen Mit gesühl an, und als sein Nachbar ge endet hatte, sagte er mit humoristischei Theilnahme: »Na, wissen Se, versteh’n Se, so’n: Stücke sollen Se aber nich wieder mai chen!« Denen, die sich noch ferner für das Schicksal des Kandidaten und seinej Magens interessiren, kann ich die beru biaende Versicherung geben, daß Her Miiller nicht die mindeste Tochte hatte, in welche sich der Kandidat mög licherweise hätte verlieben können, das also der würdige Seifensieder, da e sonst mit Blum zufrieden war, ga« ieinen Grund hatte, den Lehrer seine Jungen hinausZucomplimentiren; in GegentheiL er zählte nach kurzer Zei beinahe mit zur Familie Und den armen virhunqerten Menschen that’: so wohl, ein behagliches Plätzchen zt wissen, wo er hinaehörte, gern gesehet war und was galt. Durch Müller’ Verwenduna erhielt der Kandidat ein War bescheidene, aber feste Anstellung die ihm eine geordnete Lebensweise er neöalichte « ———-.---«————· Der gekränkt-te Waldk. Auf dem Hofpartett war der alt i Förster Grüninger nicht ausgewachsen . wag er siir gewöhnlich erzählte, wa « darum auch nicht für die Ohren vo1 Hofdamen berechnet — aber es hatt den Vorzug wahr zu sein — — wie e behauptete Hier eine merkwürdig Hundegefeliichte, in derGriininger nich die beneidengwertheste Rolle spielt — und zwar nach verschiedenen Richtun gen hin — die aber zeigt, daß ihm ebet nichts, wie schon bemerkt, über di Wahrheit geht. Möge er selbst berich ten. »Da hab’ ich einmal einen wunder schönen, reinraffigen Dattel gehabt, be dem eine Charaktereigenschaft ganz be sonderg entwickelt war: die Ehrlichkeit Schneidig aus der Spur, schneidig in Bau, ein tüchtiger Hund durchausunk ehrlich auch noch! Ein seltener Fall gerade so serme Hunde stehlen häufi« gern und gar ein Dactelt Aber nix den hätt man in die feinste Speise tammer setzen dürfen und nur zu sa gen brauchen: »Waldl!« und er hätt um die Welt nichts ungerührt. Nu eins hat er g’habt: Schmeicheln hat e nit können. Da muß ich einmal —- ich bin Witt wer ——— meine Wirthfchafterin wechselt und von dem Augenblick an hat’s mi der Ehrlichkeit beim Waldl bös ge fpuckt! Alle Augenblick hat’s g’heißen der Waldl hat einen Schinten, ein Wurst, einen Bratenrest gestohlen,Ein gemachteg aus-gefressen . . . kurz un gut der Kerl ist mir in den Tod hinei lzuwider geworden und eines Morgen hatte ich ihm einen Tritt gegeben, da er zum Haue- hinauszgeslogen ist. E bat sich auch nicht mehr sehen lassen — denn, wie gesagt, schmeicheln hat er ni können. Ich bin ein vertrauensselige letenfch aber wie ich die Wirthschaste rin ein paarmal selbst darüber erian l)ab’, das-, sie die grössten Patete zu Rost geschleppt hat, die sie aus de Speisetaunner gefüllt hat« hab’ ich doe glauben müssen, was man allgemei schon g’fagt hat: nämlich, dae ich nit verträchtig von ihr bestohlen werde — freilich lang hat’L« ’dauert bis ’5 sowe( kommen ists-» sie hat halt so viel schmei cheln können! . . . aber ’nausg’floge ist sie schließlich doch! Aber jetzt! was war denn das-? We kam denn da, als die andere abgezoge war, zur Thür herein? Der Waldllll und wen zieht er at Rock nach? ——-— meine vorige Wittl fchafterin! Ich bin ganz starr. Zwe mal geht er um mich herum us schnuppert mich an . . . und dann . . ich dank . . . und den Blick dazu! Ja mei — ich hab’s dem Hund ntel verdenken können —- ehrlich währt as . längsten l«