SMW Beilage des ,,Anzeiger und Herold« . P. Windolph, Herausgehen «—Tf;«si--·. Grand Island-, Nebt., den 10. September 1897. II No. 10, Jahrgang 1 s. Die Htunde der Anthe. Von Gottfried Böhm. Der Lieutenant stöhnte. —- —— Eine frühe Dämmerung senlte sich nieder »aus die zerstörten Gefilde. Es war, als schlösse der Himmel sein Auge vor der Noth der Welt und den Gräneln des Krieges. Dichte, schwarze Wol lenllumpen eilten am Horizont hin, gleich als hätten sie einem fernen Va z terlande die unheilvolle Kunde von dem frühen Tode einer Anzahl seiner besten Söhne zugetragen. —— Den gan zen Tag über war heiß gelämpft wor den, der Donner der Geschütze hatte die Luft erschüttert, und noch stiegen aus verbrannten Dörfern Rauchwol - en empor. l Aber es war jeht still rings umher, . unheimlich still. Die weißen Kreuze des Kirchhofs starrten gen Himmel, und zwischen alten Grabhügeln lagen frische Leichen — ein ganzer Zug fröh licher Jäger, deren erstarrte Hände noch immer die Büchsen umklammer ten, aus deren weißen Lippen aber kein siegesfrohes »hurrah!« mehr er tönte. Sie hatten sich zu weit von ih rem Bataillon entfernt und waren ab geschnitten worden; sie hatten gelämpft k wie Löwen, aber die Wogen der Ueber macht war-en iiber ihnen zusammenge- ; schlagen und über sie hinweggerauscht. Was hatten sie auch hier zu suchen ge habt? — Es lag nicht im Sinne der ertheilten Befehle, sich im Vollng des Erlaireurdienftes derVernichtung aus zusehem Der Lieutenant hatte es so gewollt. Er war immer rücksichtslos in Verfolgung feiner Ziele gewesen, ; und in feinem schmächtigen Körper Z fieberte ein maßloser Ehrgeiz. Frei willige hatten sich ihm angeschlossen, und er hatte sie —- in den Tod ge führt. Jn ihrer stillen Mitte ruhte er nun schwer verwundet, zerschunden, gebro chen, das Haupt auf einen Leichenstein - gebettet. Aber das Streben, das ihn I erfüllte und das die meisten für einen ; starken Willen hielten, war noch nicht anz erstorben; noch glimmte ein Funke davon in seinem halbgeschloffe nen grauen Auge, und seine Lippen be wegten sich. »Alles todt?« stöhnte er. »Nein! — ich lebe!« rief eine laute Stimme, und unter einem Knäuel von Leichen wühlt ein Arm sich hervor und greift nach dem Haupt, das erft lang sam und allmälig aus einer schweren Betäubung zu erwachen scheint. Das f Gesicht ist auffallend schön, aber die fast beständig zusammengezogenen Brauen werfen einen Schatten darauf. Jetzt hat der Erwachte sich vollends , überzeugt, daß er heil geblieben; er springt von der Erde auf und streckt die Arme in die Luft hinaus. Der Lieutenant blickt auf die kräf tige Gestalt, die in blonder Blüthe vor ihm steht, und es war, als ob plötzlich sein blasses Gesicht noch um einen Ton l bliisser würde. Der aus den Reihen der Todten Auferftandene ift fein Feind, fein Tod feind —-— er weiß es wohl. heiß und füß ift die Liebe der Jugend, schwär merifch ihre kurze Freundschaft, aber heifz und bitter ift auch ihr Haß. Der Lieuienant und der Einjährig - Frei willige Thure haßien sich vom ersten Augenblick an, da fie sieh sahen, mit jenem instinktiven, leidenschaftlichen Hasse, mit dein tiefe Wesens-verschie denheiten fich gegenseitig ablehnen und verneinen. Der Lieutenant ganz Strammheit, Diseiplim Profa. der Einjährige ganz Phantasie, Zier-fahren heit, Auflehnung gegen das Befie hende. Engherzige Lehrer nannten ihn einen Taugenicht5, und feine eigene Mutter wollte nicht an feine Zukunft glauben. Der Lieutenant hatte befchiossen,ihn zu bessern, Und vorn erften Tage an, da Thure in die Armee eintrat, unter nahm der Officier einen nimmer ru henden Kampf gegen feine Unbotmii fzigieit. Gehörie er doch zu denen, die da glauben, die miiitärifche Erziehung könne allen Verirürnrnungen des Kör pers, des Geistes und des Charaiters abhelfeni Allein zum erften Male fah er sich einem Wefen gegenüber, bei dem feine bewährteften Mittel nicht verfingen. Er mochte ruhig fein und eisig kalt, ftreng confequent und unerbittlich ge recht; er mochte tviithen, fo viel er wollte, ihn mit Strafen aller Art quä len und des letzten Reftes von Freiheit berauben »s— Thure fuhr fort, sich auf iuiehnen und zu proteftiren, fei es auch fchlieleich nur durch den kühnen Blick feines Auges, durch eine gewisse Ueber iegenheit feiner Haltung, durch ein ganz blasses, faft unfafzbares Lächeln, das um feine Lippen spielte, wenn der kleine Lieutenant säbeirasselnd an ihm vorbeiftoiziete. Thure war natürlich fehr weit da von entfernt, die gute Absicht anzuer lennen,"di,e dem Verhalten feines Jn ftruetion eieri zu Grunde lag; er Malt ihn den Gefpriichen mit den Kameraden einen Pedanten, einen »Zopf«, und nannte die Behandlung, Jdie ihm widersuhr, eine unwiirdige, standeswidrige und hundemiißigr. Jn der That gab es bald keine Demüthi gung mehr, die ihm erspart blieb, und der Lieutenant war ein Meister darin, sie immer gerade dann und dort zuzu fügen, wenn und wo sie am empfind lichsten war. Jm Kasernenhose schien Thure frei lich kaum mehr etwas zu fühlen, sein Ehrgefiihl schien stumpf geworden zu sein; er ertrug Alles mit der gleichen unzugänglichen Miene und hielt sich dadurch schadlos, daß er im Kreise sei ner Kameraden seinem Unmuth itber den verhaßten Vorgesetzten in den un zweideutigsten AusdrückenLuft machte. Aber der Lieutenant wußte ihn auch außerhalb des Kasernenhofes zu tref fen, und leider traten zuletzt auchnoch Verletzungen intiinster Natur hinzu und vergifteten das kranke Verhältniß noch mehr. Es hieß, daß der Lieute nant und der Einjiihrige für ein und dasselbe Mädchen schwärmten, siir die kleine Fiii Bruch die sehr hübsch und munter war und nur den einen Fehler hatte, daß sie gern über Alles lachte und die Widerspenstigleit und Schwärmerei des schönen großen Ein jäbrigen ebenso komisch sand, wie die Strenge und«den Zorn des häßlichen kleinen Lieutenants. Niemand konnte es angenehm sein« eines schönen Abends wegen einer an geblichen Jnsubordination im Ange sichte des Gegenstandes seiner schwär merisrhen Verehrung angeschnauzt zu werden; aber Thure nahm diese pein liche Seene besonders tragisch, und seitdem kannte sein Haß gegen den Lieutenant teine Grenzen mehr. Hun dert wahnsinnige Rachegedanken wog ten durch seine Brust, und er verzehrte sich förmlich in ohnmächtiger Wirth. Seinen Feind todt und vernichtet vor sich im Staube zu sehen, war ihm die liebste Vorstellung und er trug sich mit dem Gedanken an unmögliche Duelle und unwahrscheinliche Schicksal-Brom dungen. -— — Jetzt war das Unwahrscheinlichste lzur Wirklichkeit geworden; der er sehnte Augenblick war plötzlich einge treten: der Lieutenant lag blutig, zer schunden und gebrochen zu seinen Fü ßen; das Schicksal hatte ihn in seine Hand gegeben; er war ohne Zeugen, er konnte ihm zufügen, was immer die Leidenschaft ihm einflüsterte, die Stunde der Rache hatte geschlagen! Der Lieutenant stöhnte. »Wir sind schlecht ausaeiommen bisher,« sagte er mit einer häßlichen Verzcrrung seines Gesichtes »Sie waren ein schlechter Soldat im Frieden, aber seit heute halte ich sie fijr einen anständigen Kerl: Sie werden mich nicht lange lei ben lassen·« Ldures Deri tma an lauter Zu po chen, seine fragenden Blicke fiarrten iuf den Leidenden hinab, der sich vor Schmerz die Zähne in die Lippen bohrte. »Was wollen Sie von mir?« fragte er tonloii. Der Lieutenant deutete auf das ; Herz. ,.."-iiele.-1 Sie gut,« sagte er. I »Mein Revolver ist noch geladen.« Dann schloß er die Augen. Er verlangte den Tod, der seine hoffnungslosen Leiden abkiirzen sollte, er verlangte den Tod von der Hand feines Feindes-! Thure lief es kalt durch den Leib. »Das kann ich nicht,« entgegnete er. »Warum nicht?« fragte der Lieute nant barsch. Thure schwieg Wenn man ihn hier träfe und neben ihm den todten Lieute nant mit einem Kolbenschlag über der Stirn und einer Kugel mitten durchs Herz —— müßten ihn nicht Alle des s feigen, heimtiickischen Meuchelmordes an einem Vorgesetzten zeihen —- ihn, ! der ihm so oft in den Augenblicken des überschäumenden Zornes mit halben Worten und bedeutungsvollen Gebre den den Untergang angetiindigt und noch kurz vor dem Ausniarsch gedroht hatte, daß er ihn bei der ersten besten Gelegenheit niederschießen werde? Aber es waren nicht dieseBesorgnisse allein, die es ihm unmöglich erscheinen ließen, dem Ansmnen des Lieutenants zu willfahren; ein Widerstreben seiner innersten Natur hielt ihn ab. Der Lieutenant hatte die Augen wieder geöffnet, und in dein scheuen Blick. mit dem er den Tod erbat und zugleich davor zurückschrak, lag etwas ungemein Schreckliches. Thure wandte sich unwillliirlich ab. Eine laute ! Selbstantlage pochte an die Pforten i seines Gewissens: er hatte geslucht und i gehaßt, er hatte mit seinen wilden i Wünschen die Wege dessen betreten, von ; dein da geschrieben steht: »Sein ist die s Nachtt« —- Nun kehrte der verbrccheri sche Gedanke dieSpihe gegen ihn selbst. i »Ich kann nicht,« sagte er; »ich kann i nicht!·« z »Ich befehle es Jhnenl'· drängte der Lieutenant«, dessen Qualen von Minute zu Minute wuchsen. » »So etwas tonnen Sie nicht befeh len.« fuhr Thure auf. »Das« bin ich nicht zu thun schuldig.« »Wollen Sie mich lehren, was ich besehlen kann, und was nicht? —- Das ist so Jhre Art! — Nichts als Raison niren. und Widerspenstigteiti — Und weil ich Jbren steten Widerstand zu brechen-wußte, wollen Sie sich jetzt an« mir rächen und sich an meinen Schmer zen weiden. O pfui! . . . Die Zornader schwoll auf der Stirn des Jünglings. ,,Solche Motive kön nen nur Sie unterlegen« — hatte » sagen wollen, aber er besann sich, daß er einen schwer Verwundeten vor sich habe, der im Wundfieber sprach. »Sie regen sich zu viel auf,« sagte er begütigend, indem er niederkniete und dem Lieutenant das Blut von der Stirn wischte. »Ich werde hier verschmachten müs ien oder von den Wölfen aufgefressen werden, denn es gibt noch Wölfe in dieser Gegend Frankreichs.« Ein Anflug vonLiicheln huschte iiber Thure’s Gesicht bin. »Ich werde Sie nicht verlassen,« sagte er fest. »Wollen Sie einen Schluck Wein?« Der Lieutenant setzte die Feldflasche I an die Lippen und sog den Jnhalt mit - gierigen Ziigen ein. Dann dankte er mit einer kaum sichtbaren Neigung des Kopfes-. Beide verstummten eine Zeit lang. Man hörte nur noch das Rauschen der Blätter im Abendwind und die schnel len tiefen Athemziige des schwer Ver wundeten. Thure überlegte, was zu thun sei. Er hatte nie bei einem Ster benden gestanden, und die Feierlichteit des Augenblicks machte ihn seltsam be klommen. »Niemand hier?« rief er laut, wie um sich selbst von den hem menden Eindrücken zu befreien. — Alles todtenstill! — Hoch nein! — Jetzt wurden deutlich in derFerne wie der Schusie vernehmbar. . .. »Fran«zoien!« sliisterte der Licute nant mit geschlossenen Augen« Tbure nahm sein Gewehr auf und lickte finster um sich· Das Geräusch tam näher, man hörte etwas wieCom mandorufe. . . . ,,Gehen Sie,« befahl der Lieutenant, der wieder zum vollen Bewußtsein ge , kommen war. ,,Gehen Sie, sonst wer ; den Sie gefangen genommen,und dann ist Jhr halber Ruhm dahin!« »Ich bleibe bei Jhnen,« entgegnete der Einjährige. Die Stimme des Lieutenants sank wieder zu einem heiseren Geflüfter herab. »Wisfen Sie, wie die Francti reurg ihre Gefangenen behandeln? — s— — Machen Sie, daß Sie fortkom men!« Mit diesen drängenden Worten stand in einein auffälligenWiderspruch die· rarnp fhaste Fes tigteit, mit welcher der Lieutenant "Thure’s Handgelent umspannte und zurückhieli. »Ich bleibe bei Jhnen,« wiederholte der Einjährig Freiwillige. »Nein, gehen Sie! Gehen Sie so gleich! —- Jch will kein Opfer von Ih nen, ich kann iein Opfer von Jhnen annehmen!« —- Nun packte ihn ein hef tiger Schüttelfroft und seine Zähne schlugen aufeinander. Endlich wurde er wieder etwas ruhiger, schloß die Augen und sprach wie im Traume weiter: »Ich weiß nicht, ob ich immer ganz gerecht gegen ihn war, ganz ge recht; ob ich mich niemals zu weit hin reißen ließ aus Gründen, die nichts mit dem Dienst zu thun hatten. Jenes Verteufelte AlkädchengesichU — Nein, ich will teinOpfer don ihm, ich brauche lein Opfer von ihm —- O, Gott! . . . Ein Blutstroin ergoß sich über feine Lippen und er wurde blaß wie eine Leiche. Der Schall der im regelmäßigen Schritte anriickendenTruppen kam nä her und näher. »Jetzt kommen sie,« sagte der Lieute nant kaum hörbar. ,,Lassen Sie sie kommen!« rief der Einjährige wegwerfend. »So lange ich Tebe, soll Jhnen kein Haar ge krümmt werden-" Der Lieutenant blickte zu dem Ein jährigen auf, und in seinen Auge-: strahlte ein ungewohnter Glanz, etwae wie Bewunderung und Dantbarteit. Aber Thure sah nichts davon. Wie immer hatte ihn die Gefahr tolltiiljn und unternehmend gemacht. Er war aufgesprungen und auf einigen locke ren Steinen an der Kirchhofmauer emporgctlettert. Er glaubte seinen Augen nicht zu trauen, das waren ja deutsche Truppenl —- Aber in sein Ge sicht trat nicht der Ausdruck freudiger Ueberraschung; ja er schien über seine Entdeckung förmlich zu erschrecken. Was wird der Lieutenant nun wieder alles gegen ihn vorbringen? Welcher unniöglichen Substdinationswidrigi leiten wird er ihn in seinem kranken Gedankengange zeihen? Ungehorsa:: vor dem Feind? Bei den überspanm ten Vorstellungen des Lieutenants von absoluter Disciplin schien ja alles möglich! —- Wenn man sich still ver hielte, wenn man die Abtheilung an sich vorüber-ziehen ließe?«Doch pfui ! — Welch schnöderGedankel — ,,Hurrah!« —- ries er mit treischender Stimme. Er handelte —- so glaubte er — wi der seinen persönlichen Bortheil, aber er erfüllte seine Pflicht, und das Be wußtsein dessen gab seiner Haltung eine Festigteit und Würde, die jeden» Verdacht von ihm fern hielten. Dies anrückende Compagnie trat durch das s schwarze Gitterthor in den Kirchhof. ( Der Lieutenant hatte versucht, das Hnrrah Thure’s nachzurufen, aber es war nur noch wie ein leiser Hauch über leine Lippen gedrungen. Mit unge duldiger Geberde winkte er den Haupt mann zu sich heran. Thüre’s Gesicht versteinerte sich. Jetzt also wurde die letzte, schwerste Anklage geaen ihn erhoben, jetzt wurde er als der Widerspenstigste der Wider spenftigen denuncirt! Der Lieutenant hatte sich mit über menschlicher Anstrengung noch einmal aufgerichtet. Er öffnete den Mund. aber die Sprache versagte ihm. Doch seine weißen Hände irren zitternd und hastig über seine Brust bin, er reißt sich mit einer letzten Kraftanstrengung das Eiserne Kreuz ab und hält es nach Thure hin. Was sein Mund nicht mehr ver mochte, sagte der bittende Blick, den er auf den Hauptmann richtete, sagte das geisterhafte letzte Niclen seines Haup tes, das dann zum ewigen Schlummer niedersank. Und der Hauptmann verstand sehr wohl diese stumme Geberdensprache. »Nun, wenn e r Sie vorschlägt, müssen Sie es doppelt verdient haben,« meinte er, zu Thure gewendet. Thure wollte protestiren, er wollte gen, daß ihm der Sinn nicht nach ßeren Anerkennungen stehe; abr auuu iljm versaate die Stimme; ein schwerer Druck liegt auf seiner Brust und ein unbekannteg Etwas schnürt ihm die Kehle zu. Das Gefühl der Schuld, die Erinnerung an die geheg ten bösenGedanken ist in dem Bewußt sein der erfüllten Pflicht untergeaan gen: der alte Haß hat sich aufgelöst in einen neuen Schmerz. Sie hatten einen Mantel über dieI Leiche des Lieutenantsö gebreitet und beteten leise. Der Wind erhob sich kälter· die Dämmeruna ward tiefer; am Himmel ging der Abendftern auf und sandte einen Strolrl des Friedens lxetnieder auf die streitende Welt. ——-..-.— per gandsmamn Tc1:tsrh-an1eri7anilrtic Stisze von W. v.; Echterbrand. « ; »J0Whl Herr Landsmann-A "st)ie Stirn des alten Behrend ver sinsterte«sich, und er schickte dem bis-l diensteten Kellner, der scheinbar mit dem Titel ,,Landstnann« ein-: Art Band zwischen seinem anscheinbaren Selbst und dem reichen, stadtsbetamH ten Brauen zu knüpfen Versuchte, einen l unwilligen Blick nach. Biber er sagte! nichts in Erwiderung j Als- sein Schoppen Martgxsifler an l ihm hingestellt ward, da nibpte er ixcrz j Zeit zu Zeit daran, schwieg »in-r r:n-x)s immer beharr-lich. J »Na, alter Freund, so na«iids:-kji«l,- . ertönte die heitere Stimme seines III-i « senfreundes Mangscld. »Ehe SpsnnJ über die Leber gelansenI« Herr Behrend raffte si:h arti ti-: mußten triibe Gedanken genas-In s.«in. die ihn beschäftigt hatt-Jn, denn seit-. fiir gewöhnlich Liebenden braut-en Un den blieben düster, als-·- cb sie ins Schacht der Vergangenheit traurig rBilder erblickten. »Einem Geschichte,« I.1-.irtn:lke (-« dann halb sür sich. »Wie so ein Ietzt Eincn doch dass Geschehene wieder s-. lebendig vor die Seele ruft.· »Was denn I« »Nun, so erzähle doch, wenn ci:. Geschichte darin liegt.« »Grab’ sie ans, Deine ErzixliirrsgI So scholl es in bun ein Cloer t:r.·. ihn herum. Der alte Behrend strich sieh den er arauenden Bart. ,.Meinctwegen,« sagte er dann, »wenn’s Euch interessirt. Quar un der Sache an und fiir sich cigsnilxch nicht viel ist. Gleichviel — Ums-: Jhr’s wollt« — ,,:’ta, ja, nur los,« brüllte cZ »Gut denn. So bött.« I sit II »Jch war damals schon .ingefähr 20 Jahre alt nnd hatte mir den Wind schon tüchtignm die Ohren wehen les sen. Reich war irh zwar noch nicht, aber doch schon wohlhabend, und nahm eine gesicherte, gcachiete Stellung in der Stadt ein. Da wurde ich dringender Geschäfte halber nach Sau Francisco gerufen. Jch war noch niemals dort gewesen. Die Stadt und ihre Umge bung waren mir sremd und interessir ten mich, und nachdem ich das drin gende nein Geschäftliche erledigt für den ersten Tag meiner Anwesenheit schlenderte ich im Geschäftstheil de: unteren Stadt umher, indem ich die bedeutenderen Gebäude —- damals gab es noch wenige wirklich stattliche dort — musterte und die größeren Läden mir ansah. An der Montgomerh Str-eet, als ich mir das Gewühl vor der Börse anschaute, stieß mich plötz lich Jemand am Arm, und zugleich hörte ich eine Stimme, die mich deutsch anredete. ,,Jnteressanies Treiben hier, Herr Landsmann, nicht wahr,« sagte der Fremde. »Ich drehte mich rasch um und fixirsie den Mann scharf. Wie ein Bauernfänger oder Abenteurer sah er eigentlich nicht aus; aber schäbig und heruntergekonimen. Was mich aber kibgestofzen und stutzig gemacht hatte, das war die Anrede, Landsmann. Gegen das Wort hatte ich seit langem einen Widerwillen, schon seit der Zeit, als mich, kurz nach meiner Landung in New York, ein Kerl, der vor einem Kleiderladen an der Chatham Streit stand und dessen Wiege offenbar nicht in Deutschland, sondern in Rußland oder Galizien gestanden hatte, so ange redet. Und seitdem habe ich häung gefunden, daß wenn in Amerika Je mand als Landsmann angesprochew wind, man ihm das Fell über die» Ohren ziehen will. Qurzum, die An- » rede gefiel mir nicht, und ich drehte dem Mann, kurz entschlossen, den » Rücken und schickte mich an, weiter zu» gehen. Der aber ließ nicht locker. Er » haftete sich an meine Sohlen und folgte mir auf Schritt und Tritt immer un- i ermüdlich aus mich einsorechend. Eri eriählte mir von San Francisco, von’ seinem Leben und Treiben, von deni vielen ,,iips« und »i10wns« seiner Be wohner, von den Silber- und Goldmi nen und den Crösussen derselben Ers erzählte ganz unterhaltend, ost sogar witzi g und amiisant, und seinen Schil derungen slocht ev die komischsten Anecdoten ein aus dem Privatleben der i mir bis dahin nur dem Namen nachj bekannten Millionäre, den Fair unds Marien etc Er verbreitete sich dann über das Theater, über die Kunst, über die Zeitungen, die Hotels, die Sitten und Gewohnheiten der-« Einwohner, in dem er sich die ganze Zeit dicht an mei ner Seite hielt. Wenn ich nicht gerade zu brutal sein wollte, konnte ich den Mann nicht abschütteln. Die Laute der Muttersprache auch, hier in diesem vielsprachigen Gewimmel, am User des Stillen Meeres-, so weit von der Hei math, umschrneichelten mein Ohr, und der Mann war wirklich unterhaltend, darüber konnte kein Zweifel sein. Er mußte eine gründliche Bildung genos sen haben —- seine Sprache und Aus dructsioeise verriethen das-. Jch stand an einer Ecke still und sah mir den Mann etwas genauer an. Er hielt meinen diirchdrincienden Blick ans, sann-. mit der Wimoer zii zucken. Die «T-’-riifiing fiel trotzdem nicht zu seinen Gunsten ans-. Er war noch sung, aber "(iis schweifiingen oder Entbekirungen — — vielleicht beides ——— hatt en schon tiefe Tini-eben in dexn jungen, Zeichen ide fi;1«:t gegraben, und uni die MiindwE n Zel laii ein schlaffer, müder Zug. »Wie heissen Sie?« frin ich. ,,Ls«tiar Weber,« antwortete cr L·:o:n«ot. »Was sind Sie nnd was wollen Sie Ton mi:?« forschte ich weiter. Daran erzählte er mir eine lange Leidensaeschichte mit derselben Suada nnd derselben Geste, die er bei seinen isovberiaen Schilderunaen angewandt. Dir sei der Sohn vermögender, hochae icesIter Leute in der Frankfurter Ge .Jend, erzählte er, und durch eine un aliickliche Liebe und etwas Leichtsinn nach Amerika gekommen, wo er sein Giiick zu machen hoffte, sich aber ariindlich getäuscht habe. Wenn er nicht bon seinen Eltern jeden Monat eine Unterstützung von 810 erhielte, so wäre er schon längst hier verhungert, denn nirgendwo sei’s ihm bisher ge alijckt. »Es schlägt eben nicht bei Je-» dem an, Herr Landsmann,« so schloß r. c If- Itc sit »Landsmann!« schon wieder dieses Wort, das mir so verhaßt. Ein Schwindler, ein Gauner jedenfalls, so sagte ich mir im Geheimen, und indem ich fiir die dringend angebotene fernere Esealeitung dieses Menschen dankte, wollte ich gehen. Da sah mich der Fremde aber mit einem Blick voll Thränen an. " »Herr Landsmann, helfen Sie mirs, retten Sie mich,« so schluchzte er dann. »Ich habe seit drei Tagen schon nichts Wann-es im Magen, und zu meiner Wirthin traue ich mich nicht davon zu sagen, denn ich schulde ihr die Miethe noch Haben Sie Mitleid mit mir — ich will Jhnen alles bei Heller Und Pfennig wieder erstellen.« Ich blickte den Menschen nochmals genau an. Die Musterunq fiel nicht Z aixnfiiaer aus. Es lag etwas in sei ; :::n Zügen, das mir nicht gefiel — T etwas Berstecktcs, Unaufrichtiges, et I was das mir entschieden nicht gefiel, j mich abstieß. Und dann mit seinem 3 ewigen ,,Landsmann« —- das Wort —— i i verdroß mich. »Ich griff in die Westentasche nnd suchte einen Silberquarter heraus; das reichte ich ihm. —- Das ist Alles, was ich fiir Sie thun kann,« brummte ich dabei und drehte mich aus den Harten. ,,,,Aber, Herr Landsmann, seien Sie doch barmherzig — ich leide wirklich die äußerste Noth,« schrie mir der Mensch nach. »Den Teufel ist ihr Landsmaan — lassen Sie mich ungeschoren,« rief ich entrüstet und geärgert und schritt schnellen Schrittes von dannen. »An der nächsten Straßenecke drehte ichmich rasch noch einmal um. Da — da stand der Mensch noch — aus demselben Flecke und starr-te den Him mel an -- scheinbar das Bild der Ber zweiflung Es schoß mir durch den den Kopf, daß ich gegen den armen Kerl vielleicht doch unbarmherzig ge handelt hatte. Schon seine Anecdoten vwaren mehr werth gewesen als diese lumpiae Münze, die ich ihm gegeben. Ob ich umkehrte und ihm etwas mehr aab? eFast hätte ich’s gethan —da klang mir’5 wieder in den Ohren, sein »Aber, Herr Landsmann.« Nein, brummte ich vor mich hin —- der Kerl ifi ein Humbuqaer — ganz gewiß. Würde er sonst diesen Ausdruck sont während brauchen? Ein Gauner, aanz sicher. Er hatte auch so etwas in sich. Und ich entfernte mich. »Ich blieb im Ganzen eine Woche in San Franciscox amiisirte mich ganz aut, erledigte mein Geschäft zu bester Zufriedenheit, und hatte das Cursum mentresfen mit Max Weber, oder wie er sonst heißen mochte, ganz vergessen Beaegnet bin ich ihm nicht mehr, ob wohl ich in der Gegend, wo ich ihn ge troffen, noch mehrmals gewesen bin. Am Vorabend meiner Abreise, als ich aelanaweilt in der Lobbh des Hotels saß, kaufte ich mir die soeben erschie nen-c Abendzeitunq und warf einen Blick hinein. Fast das Erste, was mir ausstieß, war ein Bericht von einem Selbstmord dem mehr als gewöhnlich dramatische Umstände zu Grunde la uer-» Und am Schlusse hieß es: »Der Verstorbene war in San Francisco unter demNamen Max Weber bekannt. Sein eigentlicher Name, wie die hinter lassenen Briese und Papiere beweisen, lautete anders. Thatsächlich war er der Sprosse eines altberiihmten deut schen Adelsaeschlechts. Sein Vater nimmt noch heute Generalsrang in der preufiischen Armee ein. Es ist kein Zweifel, daß die dringendste, äußerste Noth den bedauernswerthen Menschen in den Tod getrieben hat; ev ist, man kann beinahe sagen, verhungert, ehe er Hand an sich legte. Und die Ironie des Schicksals wollte es, daß zwei Stunden nach seinem Tode die regel mäßige nionatliclxe Geldanweisung von seinen Eltern eintraf, die ihn dem Elend entrissen hätte. Zugleich hören wir Vom deutsch-en Consul hier, daß dcr Verewigte der- Erbe eines kinderlos verstorbenen Oheirns ist« und dafi die ses Erbe schon seit Wochen auf ihn wartete, ohne daß der- Consul die Adresse des Mannes wußte. Die Leiche wird anständig beerdigt wed den« »Das ungefähr waren die Worte, Init denen der- lanae Bericht schloß. »Ich scheue mich nicht zu gestehen, daß mich tiefe Reue erfaßte. Durch reinen filziaen Geiz hatte ich dies infinunagvolle junge Leben auslöschen helfen-, so sagte ich mir. »Und das-s, meine Herren, ist der («’-)rund, warum ich seitdem mich be sxrzsss mich nielst Dorn Schein blenden ·- « iu lauer J; e m p e l b u r g. Jnfolge Brand siistuna wurde das Haus des Schnei dernieisteriJ Tieks ein Raub der Flam men. Tiets befand sich mit seiner Fa milie besuchsweise in Stettin. —Begriindung »... Das Stück leidet an furchtbarer Ideen armuth!« Autor: »Aber das ist ja gerade das Naturalistische!« —-—- Fatale Wirkung. »Wie wirkte denn der Aufentlalt an der See « auf Ihre (5te1:ial)li:i?« »Ach, sie hält » mir ietzt nur noch gesalzene Gardinen s rediatens — Jn Eadiz hatte der Hausknecht eines Gastyauses einem gerade von Cnba angekommenen Jn - genieur einen Haufen Banknoten ent wendet. Aig die Sache bemerkt wur de, suchte der Dieb zu entkommen. Mehrere Polizisten und viele Personen aus dem Publikum betheiligten sich an der Jagd, aber Niemand konnte ihn erreichen, denn der Dieb Warf ab und zu ein 3e1ne Bantnoten hinter sich, die die Verfolger dann bestrebt waren aus zugreisen. Dadurch versperrten sie aber in den engen Straßen den Nach tommenden den Weg, kurz es gelang auf diese Weise dem Manne, der of fenbar dem Ausspruch des hesiod, daß die Hälfte oft mehr ist als das Ganze« huldigte, mit dem größten Theil des Beute zu entkommen.