Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, September 03, 1897, Sonntags-Blatt., Image 9
f F ullers einzige Beise. humoresle von E. Krittel-ers »Mutter, denle doch, ich habe in der Lotterie gewonnen!« Mit diesen Wor ten trat Herr Müller zu seiner Frau tn’s Zimmer. Er war Bureau - As sistent bei einem Rechtsanwalt ber Re sidenz und ein kluger und brauchbarer Mensch, aber bei dem hocken über den unendlichen Schreibereien, bei dem Grübeln und Tüstelm das sie erforder ten, war er alt und stumpf geworden vor der Zeit. Die Frau, ein lleines, eiwas verwachsenes Geschöpf, mit einem freundlichen, bescheidenen Ant lih, bob den Kon mehr erschreckt als erfreut von"«ibrer Handarbeit. Seit 25 Jahren spielten sie Lotterie, ohne jemals gewonnen zu haben, trotz dem hatten sie weiter gespielt, wie man so manches thut, aus alter, lieber Ge wohnheit —— und nun in ihren alten Tagen hatten sie wirklich einmal etwas gewonnen? »Jst’s denn möglich, Vater?« »Ja ——s ja, wahrhaftig! Und nicht einmal so ein Kostehäpvchen, sondern einen rechtschaffenen Bissen —- erschrick nicht, Mutter 2000 Marl!« »Herr des Htximelsz 2000 Markt« Die Frau schqu die Hände zusammen uns sanl überwältigt in den Stuhl zu ru . »Womit haben wir so viel Glück ver dient?" »Nanu, Muttert« Heft Müller war heute sehr couragirt. »Wenn man 25 Jahre dem Glück nachrennt, so ift’s einfach ein Akt der Gerechtigkeit von ihm, wenn es sich endlich einmal einem s zuwendet.« »Vater, Du frevelst!« »Ach, Unsinn! Und weißt Du, was wir mit dem Gelde machen?« »Nun, natürlich legen wir es zu dem anderen, das gibt einen ordentli chLZuschuß zu unserem Alt-enfonds!« »Hm! ——- —--- etwas natürlich kommt auch dazu, — —- aber das ganzc9 — nein, Mutter, dazu haben wir’s nicht . gewonnen, sondern, daß wir uns ein- - mal ein paar recht vergnügte Tage machen sollen.« »Vater, Du kriegst keine Pension. Wenn Du einmal arbeitsunfähig . . .« »So wird das Vorhandene auch sür unsere bescheidenen Bedürfnisse aus reichen. Herr Gott, soll man denn im mer nur zusammenscharren? Du bist auch garnicht im Stande, Mutter, das Leben von einem höheren Gesichts punkte aus aufzufassent« Aber auch ihm schien diese höhere . Lebensauffassung nicht sehr geläufig zu sein: denn er holte erst noch einmal tief Athem, ehe er fortfuhr: »Ich habe mir das reiflich überlegt, ganz reiflich —— ———- ganz reiflich, sage ich —- —-— wir machen eine Reise!« ,,Vater!« —- mehr konnte die Frau vor Entsetzen nicht hervorbringen,denn nun stand es bei ihr fest, daß ihrMann entweder zu viel getrunken hatte, oder daß er von dem Uebermaß der unver hofften Freude närrisch geworden war. Sie hatten beide die Fünfzig über schritten und waren niemals über die nächste Umgebung Berlins hinausge tommen. Sie bewohnten in einem öst lichen Vororte ein kleines einstöckiges Häuschen, das die Frau von ihren El tern ererbt hatte. und das Häuschen ; war ihre Welt. Dort hatten sie ihre » fröhlichen und trüben Tage gemeinsam verlebt, dort waren sie alt geworden, ohne daß sie je eine andere Reise als gelegentlich nach Werber oder Bots dam unternommen hatten. Der Mann mußte ohnehin genug reisen bei seinen täglichen Fahrten zum Bureau und die Frau scheute ihrer schiefen Schulter wegen die Blicke fremder Menschen. Jetzt sollten sie, einem unbegreiflichen und sündhaften Naptus des Mannes zu Liebe, ihr friedliches Ashl für eine Weile aufgeben und in die Fremde ziehen? kLafz nur, Vater, das können wir ja morgen besprechen,« suchte sie abzuleu len, »beute laß unr- doch still uns un seres Glückes freuen!« Aber Herr Müller war ganz rabiat. Man müsse das Eisen schmieden, so lanae es heiß ist. Gereist würde, das stände fest — nur wohin, sei noch die Frage. Das Meer und das Gebirge, beides locke s-— es wäre überhaupt eine Schande, daß man so etwas noch nicht gesehen habe. Frau Müller mußte wohl einsehen, da gab’5 tein Halten, und als ihr schüch terner Vorschlag, daß ihr Mann doch allein reisen möge, eine enipörte Zu rückwetsung erfuhr und er nicht müde wurde, die bevorstehende Reise in allen Farben des Spettrums zu malen, da begann sc sich nach und nach für die selbe zu erwärmen, aber nur ja nicht an die See reisen, sie war wasserscheu und das Wasser hat ja auch keine Ballen — dann doch lieber in’s Ge birae, wenn et denn sein sollte und mußte. Ja, es mußte sein« und also wurde das Riesengebtrge zu dem Aussiuge bestimmt ——-- ohne daß die alte Dore um ihren Rath befragt wurde —- das tvar einfach unerhört. Dore war als kleines Mädchen in das Haus der Eltern der Frau Müller gekommen und aus Anhänglichkeit«bei deren Tochter geblieben. Sie war in den Sechzig, aber trotzdem Frau Mül ler doch immerhin auch schon ein ver trauenerweckendeg Alter erreicht hatte, konnte Dore sich nicht daran gewöhnen, sie anders anzusehen als einst das schwöchltche lriinlliche Kind mit der Neinuna zum Schiesweeden. Nun wollte sich das zarte Persönchen, von dem aewissenlosen Gatten angestachelt, leichtsinnig ohne Schuh und Pflege in die wilde Fremde begeben! « herr Müller war sonst ein ganz re vutirlicher Mann, aber daß er das veranlassen konnte, war eine Rohheit, eine Barbarei und es war Pflicht der alten Dore, solch ein Verbrechen zu verhindern. Und von diesem Augen blicke an begann sie mit den verschie densten Waffen, schlimmen und guten, einen erbitterten Kampf gegen das Reiseprojett. «Sehen Sie nur, Frau Müller, was für schöne Knospen dies Jahr die Amaryllis hat, wie schade, sie blüht nun gerade, wenn Sie weg sind.« »Hahen Sie schon gelesen, Herr Müller, Falb hat einen naßlalten Sommer prophezeit, da swerden Sie auch nicht viel Vergnügen von der . Reise haben.« " »Der Töpfer läßt sagen, er sei dies I Jahr so mit Bauarbeit überhäuft, daß er erst in vier Wochen gerade nur ein paar Tage Zeit hätte, die Oesen um zusetzen. Jn vier Wochen aber sind Sie verreist, nnd ich übernehme mir so etwas nicht allein, so werden wir eben noch einen Winter durchfrieren müs en!« »Sie sehen schon wieder schrecklich angegriffen aus, Frau Müller, aber das macht dieAusregung von der Reise. Für so alte Leute ist das Reisen nun einmal nichts mehr. Sie werden Ih ren Herzkramps kriegen und kein Mensch wird Sie da oben pflegen, kei .nen Doktor werden Sie kriegen, man Jweiß ja, wie das unterwegs ist, Sie ; werden sterben und verderben.« »Aber Dore, der Herr ist doch. . . .« »Der Herr heirathet sofort) wieder; das können Sie glauben; meinen Sie, er hat nicht seinen Grund dabei, wenn er Sie mit Jhrem schwächlichen Kör per in die Wildniß schleppt. Jch weiß, was ich weiß!« Und sie behandelte fortan ihre Herrin mit einer Rührung und Sorgsamkeit, als ob sie dem ar men Opferlamm seine letzten Erden tage noch-möglichst verschönern wollte. Frau Müller, ohnehin im Gemüth bedrängt durch die bevorstehende unge heure Umwälzung in ihrem stillen Da sein, wurde dadurch nur noch nervöser, ausgeregter. Sie lies wie im Fieber umher, nichts Anderes empfindend als Angst und Grauen und doch auch wie der eine geheime, neugierige Freude. Herr Müller war wie ausgeweehselt, ordentlich elastisch und unternehmend, und Dore sorgte, allerdings ganz ge aen ihren Willen, redlich dasiir, daß seine Stimmung nicht verschlechtert wurde, indem sie ihm täglich die aus gesuchtesten Leibaerichte kochte. Sie wollte ihm die »schlampigen Restaura tionsiiichen«, aus die sie bei jeder Ge legenheit hinwies, recht verekeln, und er meinte wieder, wenn man so tüchtig Vorrath ißt an allen möglichen guten Dingen, so könne man schon einmal ein paar Wochen mit geringerer Kost vorlieb nehmen. Und so kam die Reise heran, trotz dem Dore noch am Tage vorher einen plötzlichen, bedenklichen Anfall ihres Kopfkrampfes bekommen hatte. Als sie sah, daß auch dies letzte Mittel die schreckliche Reise nicht aushalten konnte, ermannte sie sich zu einer stillen Resignation. Solch ein waghalsiges Unternehmen konnte ja nicht gut en fden, nun, so mochte es kommen, wie schon wollte Wie alle im Reisen ungeijbte Leute begaben sich Müllers mit einer un glaublichen Masse von Geväet mehrere Stunden vor Abgang des Zuges nach der Bahn: Frau Müller, kaum mehr als ein Gepäckstiick, zitternd vor Aus regung nnd vollkommen verlchüchtert, denn Dore hatte beim Abschied zum Herzbrechen geweint und mit den Tö nen einer Kassandra behauptet, daß sie sich nie, nie mehr wiedersehen würden, und Herr Müller, verärgert durch die Aufregungen der letzten Tage und die Renitenz des Droschtenkutschers, der behauptet hatte, zu einer Bahnfuhre und nicht zu einem Umzug gedungen zu sein, dazu ganz tonfus gemacht von all den gutgemeinten und ironifchen Rathlchlijgen seiner Collegen. Jetzt war er in ewiger Sorge, ob man auch nichts vergessen habe und keines der Gepäckstiieke verloren gehen könnte. Als er am fchlesischen Bahnhof den l Droschtenkutscher bezahlen wollte, glaubte er vor Schreck in die Erde ver sinten zu müssen, als er bemerkte, das; er die Brille vergessen hatte, gerade das nothwendigste Stück. Er stand im ersten Augenblick wie erstarrt, denn ohne Brille war er verrathen und ver kauft. Was nun? —— »Da hast Du es ja, Du paßt aber auch aus nichts aus,« schleuderte er seiner Frau witthend zu. »Was mache ich nun? Natürlich kann ich ohne Brille nicht reisen, ich muß sie holen, vor dem Abgang des Zuges kann its- wieder zurück sein — war es nun nicht sehr gut, daß ich so zur Eile drängte? -- —- Du kannst inzwischen das Gepäck befördern.« »Nein —-- nein!« wehrte Frau Mill ler erschrocken ab, »ich bleibe aus keinen Fall allein mit den vielen Sachen, »ich werde die Vrille holen.« Und ohne ih ren Mann zu Worte kommen zu las sen, erklettert sie mit plötzlich erwach ter Energie schleunigst die eben verlas sene Dtofchke und fährt davon, ihren Mann wuthschnaubend, ein Ergötzen fitr die impertinenten Gepäckträger, zwischen den abgeladenen Sachen ste hen lassend. Ungefähr zur selben Zeit wie Herr Müller hatte auch Dorn bemerkt, daß ihr Herr die Brille vergessen hatte. Um Gotteswtllem sie würden ihrs betrügen in der Fremde, er erkannte ja ketn Geldstüek mit bloßem Auge. — Da half kein Besinnen, es war einfach barschast zu thun gehabt. Frau ) » l ;dacht, daß der Herr darauf ausginge, Christenpslicht, die Brille nachzube är dern —- also nur schnell in die Pferde bahn gesprungen und zum Bahnhof geeilt. Als Frau Müller zu Haufe ankam und in aller Aufregung und hast an die Thür schlug, öffnete ihr Niemand —- wie ausgestorben lag das Häuschen da. Was nun? Dore war gewiß aus gegangen und Frau Müller hatte ver gessen, sich die Schlüssel von ihrem Manne geben zu lassen. Sie wartete endlose 5 Minuten —- 10 Minuten, Dore kam nicht zurück. Was bedeutete das? Sie hätte höchstens in der Nach Miiller donnert noch einmal mit Auf gebot aller Kraft an die Thiir —- in nen blieb alles still. Und allmälig schlich sich ein entsetzlicher Verdacht in ihr Herz. Die Thränensluth Dore’s, ihr durch nichts zu zerstreuender Ver eine andere Fran zu heirathen, ihreBe hisuptung beim Abschied, daß sie ein-i ander nie wiedersehen würden. — Herr Gott! Wenn die alte, treue, aber etwas beschränkte Person von der Aufregung der Schlag getroffen oder wenn sie sich am Ende selber das Le ben . . .. Frau Müller trommelte mit beiden Fäusten an die Thür, sie rannte zum Fenster, um hineinzuspähen — die Nachbarn wurden aufmerksam, man rieth und tombinirte — Niemand hatte Dore gesehen, einige behaupteten natürlichdasz sie schon längst eine son derbare Veränderung an ihr wahrge nommen hätten endlich schickte man zur Polizei und zum Schlosser. Frau Müller war vollkommen iibetwältigtf Als das Hans geöffnet war und Dore weder lebend noch todt darin ge funden wurde, sank die Frau« unfähig, die Fahrt nach dem Bahnhof noch ein mal zu machen, kraftlos auf das So pha — Dore kam nicht wieder, es war zweifellos, sie hatte sich ein Leid ange- ’ than. Dora kam gerade auf dem Badnhof an, als der Zug im Begriff war, als zufahren. Sie rannte auf den Ver-( kon. »Herr Müller! — Herr Mül ler!« Aber keine Antwort erfolgte. ! Resolut, wie sie war, begann sie die Coupees abzufnchenz einige Jahrg-Taste lachten: Herr Müller sei nicht da, aber Herr Schulze, andere zankten. Da rüber setzte sich der Zug in Bewegung, ein Schnellzug, der das erste Mal in Fürstenwalde hielt,und während Frau Müller daheim saß und weinte und. Herr Müller im Wartefaal vor Des- . peration einen Cognac nach dem an dern hinunterstiirzte, fuhr Dore ze ternd und widerwillig dem Linsenge birge entgegen. Es wurde dunkel und noch immer war Frau Müller allein. Sie hatte die entfetzlichften Kopfschnierzen nnd der von Dore prophezeite Herztrampf nahte langsam, aber sicher. Ruhelos irrte sie jetztaus einem Zimmer in's andere es würde doch endlich ei zer- — doch wenigstens ihr Mann « zurück kehren ’ Da hielt eine Drofchkel Sie stürzt an’s Fenster —— endlich! Herr TUtiiller stieg aus-« -— Gott fei Dankt Die Frau raffte sich zufammen, jetzt iriirde es eine böse Auseinanderfetzung geben, aber was schadet das-, wenn nur ..... Das Wort erstarb ihr auf der Zunge. Herr Müller war in einer ganz naß-r ordentlich fidelen Stimmung. Er lachte nnd schwatzte mit dem Drolch kenlutfcher nnd es dauerte eine endlose Weile, ehe er das Fahrgeld beglichen hatte. Dazu merkte Frau Müller jetzt, daf; er kein Gepäcl mitgebracht hatte. Ein schlimmer Verdacht stieg langsam in ihr auf und als sich jetzt durch den Corridor merkwürdig stam pfende Schritte nahten und eine un sichere Hand schwerfällig und uiigitiinds lich die Thitr öffnete, da wurde dieier Verdacht zur« Gewißheit ,,Mann!« rief sie empört. - ,,Guten Abend auch, mein Zitter püppchen, — mein Engelchen!« ent gegnete er feelenvergniigt, »das war aber fein! Denk mal, wie ich da sitze nnd warte auf -— auf Donnermot ten! Auf was wartete ich doch gleich ..... « »Lafz nur — laß nur!« wehrte die Frau matt. »Ja, wartete, da kommt der lange Baumann, Du weißt schon, der Bau : rnanna mit der großen Nase« —ja doch!" von Angst und Aufregung. i »Alte, biedere Haut —- was? Nun, siehst Du, der ist ietzt auch hier auf Urlaub, d. h. eigentlich in Friedrichs hagen aus Sommerwohnung —- Du weißt schon s-— da soll’s aber himmlisch sein! Das Riesengebirge ist nichts da gegen,sa«qt Baumann, und es wäre ein ganz albernes Vorurtheil, wenn man immer glaubte, man müßte wer weiß wohin reisen, um was Schönes zu sehen. Und im Riesengebirge ist es surchtbar theuer —-« na, und da Du ja so wie so nicht gern so weit sort woll test, Du weißt schon da dachte ich halt, s’ist besser. wir gehen nach Friedrichshaaens-——die Baumanns sind doch nette Leute und. . . .« »Wo hast Du das Gepäck?« unter brach Frau Müller mit rauher Kehle seinen Redeslusz. »Wo soll ich es denn haben? Du weißt doch, das habe ich nach Hirsch berg geschickt, hier sind auch die Fahr tarten.« Frau Müller sagte nichts, aber eine unheimliche Entschlossenheit trat in ihre Züge. ——— Nach Friedrichshagen, wo sie in ihrem Vorort dieselbe gute Lust und alle häusliche Bequemlichkeit haben konnten und mit diesen Bau manns zusammen? — nimmermehr. Jhr Mann nahm das-Schweigen fiir eine Bestätigung ,,Wo ist denn Dore?« fragte et selig, »Dore kommt auch mit." Ja, Dore! Siedendheiß quoll es in Frau Müllers Brust empor, die alte, treue Person war vielleicht hinaeopfert worden durch die frevelhaften Vergnü gungsgeliifte ihres Herrn —- und hattec er nicht auch die eigene Frau beinahe umgebracht damit? Und nun öffneten sich die Schleusen ihrer Beredsamteit; ihr Mann weiß bis heute noch nicht, wo die stille. ge duldige Frau in jenem Augenblick alle Worte herbetommen hat, damals schnappte ihm vor ftaunendem Schre ,cken der redseliae Mund zu, er wurde kleiner und kleiner, und als er fühlte, daß nach der seligen Gehobenheit eine recht abscheuliche Schwere und Depri mation immer mehr und mehr Besitz von ihm ergriffen, da zog er es vor, sich mucksstill in s Bett zu legen Als Dorn endlich Von ihrer Irr fahrt heimkehrte fand sie gleich so viel zu thun, daß sich ihre galliae Laune davor verkriechen mußte. Der Herr verlangte stöhnend nach Essiacomores sen fiir den fchmerzenden Kopf und die Frau hatte ihren Herzkrampf wie nie zuvor. Das war eine schwere Sorge für die alte, treue Dienerin, aber zu gleich doch auch eine gewisse Genugthu una sie hatte es ja gleich aesagt, das Reisen ist was fiir junge Sprinains felde, aber nichts für alte, gesetzte Leute. Das dachten Müllers auch, denn sie haben es definitiv aufgeaeben, aber sie trösteten sich mit dem Gedanken, daf; der aroße Kant ja auch niemals iiber die Grenzen seiner Vaterstadt Königs bera binausgelommen sei Die beiden Fahrscheine nach dem Riesengebirge aber beben sie forasam auf zur Erin nernna daran, daß sie beinahe einmal gereist wären. Feuer an York-. Eine Seegcschichtc von Robert Bart. Der prächtige Ozeandampfer »Ada- s ’ mant« von der berühmten Croß Bow- « Linie begann seine Februar-Fahrt von New York nach Liverpool unter; besonders günstigen Verhältnissen ———. Die Tage verstrichen in gleichsörmiger Ruhe, und obgleich man New York bei Schneewetter verlassen hatte, war es so warm auf dem Schiffe, daß die Passagiere ihre Lehnsessel auf Deck bringen ließen. »Der Einfluß des Golfstromes,« so erklärte der junge Spinner, der Alles wußte· Trotzdem erschien Capitän ; Ryce am zweiten Tage der Reise mit einem so krankhaften, erregten Ge sichtsausdruck zum Lunch, daß die Frau Senats - Assistentin erschreckt ausrief: »Aber, um Gottes Willen, Herr Capitän, Sie sehen ja aus, als-i hätten Sie die ganze Nacht kein Auge zugethan.« »Im Gegentheil, gnädige Frau,« er widerte der Capitän, »ich schlief so gut, wie immer.« »Nun, ichs hoffe, daß es in Jhrer Kabine angenehmer war, als in der meinen. Jch fand es unerträglich heiß. « »Wir haben so sehr viele zarte Frauen und schwächliche Kinder an Bord, « sprach der Capitän, »daß ichs sehr streng auf die gleichmäßige Wär me zu achten habe.« Mit diesen Worten schob der Cahi tän seinen nnberiihrten Teller fort und erhob sich von der Tafel. Er schritt hinaus nach der Com mandobriicke. »Nichts in Sicht, Johnson?« fragte der Capitiin. »Nicht das Geringste, Capitän.« Der Capitän überschaute die Was serfläche mit dem Fernglas-, dann leg te er es seufzend nieder. »Wir sollten heute Nachmittag fig nalisiren, Capitän,« sprach Johnson; »wir sind auf der genauen Linie; die »Fulda« muß irgendwo in der Nähe sein.« »Ich fürchte, daß wir fiir die »Mit da« zu weit nördlich sind,« antwortete der Capitän. »Ja, dann müssen wir aber den »Bultan« treffen, noch ehe es Abend wird, Herr Capitän. Er hatte gutes Wetter seit Queenstown.« »Ja, das ist richtig, scharf aufpas sen, Johnson!« »Zu Befehl, Capitän!« Mit gesenktem Haupte schritt der Capitän einher. »Ich hätte nach Nein York zurück müssen,« sprach er zu sich selber. Dann ging er hinunter in seine Kabine, wobei er eine Begegnung mit Passagieren möglichst vermied, und ließ sich etlras Bouillon kommen; selbst ein Capitän laan nicht von der Angst allein leben. »Schiff am äußersten linlen Hori zont in Sicht!« schrie der Matrose aus dem Mast. Jn demselben Augenblick erschien bereits der Kopf des Capitäns an der Treppe. Er ergriff das Glas und schaute lange nach einem einzigen Punkte. »Es muß der ,,Vultan« sein,« sprach et endlich. »Das denke ich auch, Capitän.« »Drehen Sie das Steuer etwas nach linls und fahren Sie auf den »Vultan« zu.« ,,Hallo!« rief der junge Spinner auf Deck. Da ist ein Schiff. Es ist mein’s, ich hab’s zuerst gesehen.« l Aug-meines Auftqu sue diese-s Seite des Schifer folgte den Worten. ’ »Ein Schiff in Sicht!« Einer rief’d dem Andern zu, und plötzlich hatten alle Journale und Bücher an Jntereffe verloren. « »Da spricht man immer von den vorgezeichneten Schiffsrouten,« rief Spinner, der Allwissende, aus, »das ist Unsinn, sage, ich. Wir fteuern ja direkt auf einander zu! Denken Sie nur, was daraus kommen könnte, wenn wir zufällig Nebel hätten! Der s reine Glücksfall!« ’ »Werden wir einander signalisiren, Mr. Spinner?« fragte eine wißbegie-z rige junge Dame aus Bofton. I »O, ,natürlich,« entgegnete Spin ner, »sehen Sie, da flattert ja unser Signal schon! Das verkündet ihnen, welcher Compagnie unser Schiff ange hört.« »Ach, wie interessant!« sprach die junge Dame. Während dessen verwandte der Ca pitän keinen Blick von dem sich schnell nähernden Schiffe; plötzlich ließ er das Fernglas sinken. »Mein Gott, Johnson!« rief er ent setzt aus. »Was ift es, Capitän?« »Der »Bulkan« flaggt auch die Un fallsflagge!« Als die beiden Schiffe sich bis auf ungefähr eine Meile genähert hatten, erklang die Glocke des ,,Adamant,« und dieser unterbrach seine Bewegung. ,,Sehen Sie nur,« belehrte Spinner die Bostonerin weiter, »das Andere gehört zur selben Compagnie wie wir, denn es flaggt dasselbe Zeichen.« »O, wie wunderhübfch!« rief das Mädchen enthufiastisch aus. Jedermann blickte nach den Masten, an denen immerfort verschiedenfarbige Flaggen aufgezogen wurden; dasselbe fand auf dem anderen Schiffe statt. »Ach, schauen Sie nur hin,« rief die Bostonerin, in die Hände klat fchend, aus. »Das andere Schiff dreht um.« »Es war in der That so. Der große Dampfer warf das Wasser mit seiner Schraube in kolossale Bewegung und nahm langsam dieselbe Stellung ein wie der ,,Adamant« nach Osten zuge wandt. Als dies geschehen war, er klang die Glocke zum zweiten Male und beide Schiffe fuhren Seite an Seite gen Osten· Der Capitän kam lang samen Schrittes von der Commando briicke herab. »Oh, Herr Capitän, was hat das Alles zu bedeuten?« ’ »Das Schiff,« antwortete der Ca pitän langsam, »ist der ,,Vultan« von der Black Bowling - Linie; es ging an demselben Tage, an dem wir New York verließen, von Queenstown in See. Ein Unfall ist ihm zugestoßen, wie es scheint, hat es durch ein vom letzten Sturm umhergetriebenes Wrack ein Loch bekommen. Seine Sicherheit hängt jetzt hauptsächlich von der Gunst des Wetters und der unausgesetzten Thätigteit der Pumpen ab. Wir müs sen an seiner Seite bleiben bis wir Queenstown erreicht haben.« ,,Ob sich viele Passagiere darauf be finden, Capitän ?« »Es sind siebenundreißig Cajiiten passagiere und über achthundert Zwi schendecks - Passagiere aus dem «Vul tan.« ; »Warum nehmen Sie sie nicht ein « fach aus unser Schiff, Capitän?" »Die Nothwendigkeit hierfür ist nicht vorhanden, gnädige Frau. Das würde viel Zeit kosten, und die ist in solchen Fällen das Wichtigste. Sollte sich das Schiff aber, wider Erwarten, nicht halten können, so wird immer Zeit genug sein, Alle in den Rettungs boten unterzubringen.« »O die armen Geschöpfe,« rief die mitleidige Adjutantin aus. »Welch’ entsetzliche Situation.« Auf allen Seiten herrschte die größte Sympathie für die unglücklichen Pas sagiere des »Vultan«. Mit Schrecken gedachte man der fürchterlichen Kata strophe, die das Schwesterschiss jeden Augenblick vor den eigenen Augen er eilen könnte! Zur selben Zeit herschte an Bord des »Vultan« keine geringe Aufre gung. Jn der Mitte des Salons stand Capitän Flint, umringt von angstersüllten Frauen, an die sich die weinenden Kinder ängstlich schmieg ten. Auch die Männer machten be sorgte Mienem und ihnen Allen hatte der alte rauhe Seebär Rede zu stehen. »Was, zum Teufel, bedeutet all’ dies?« schrie Adam K. Vincent, Mit glied des Congresses in Washington »Was denn?« »Sie wissen recht gut, was ich meine. Was bedeutet die Umkehr un seres Schiffes?« »Sie bedeutet, mein Herr, daß die sünfundachtzig Kajüten - Passagiere und fünfhundert Zwischendecks - Pas: sagiere des- »Adamant« in größter Le bensgesahr schweben. Jn dem Ma schinenraume ist Feuer ausgebrochen, das mit schier iiberinenschlicher Kraft Tag und Nacht bekämpft wird. Jeden Augenblick steht eine Explosion zu be fürchten. Und daher, Mr. Vincent, bedeutet unser Umdrehen, daß der »Vulkan« dem ,,Adamant« beistehen wird.« Ein Schrei des Entsetzens esårang sich den Lippen der Frauen. »Zum Donnerwetter, Herr.« brach der Congreßmann los, ,,wolli-« Sie damit sagen, daß wir auf dies- Weise gegen unseren Willen, ja, ohne auch nur gefragt zu werden, nach Queens totvn zurück sollen?« »So ist see allerdings, Mc ·Vin rent!« « -«« « ( »Nun, bei Gott, das ist ein«-net bödtc Zumutbung, die ichs mir nicht gefallen lassen werde. Jch muß m 27. d. M. in New York sein; ich muß hören Sie wohl, Herr Capitiini!« s · »Ich bedauere unendlich, daß eine Verzögerung unvermeidlich ist.«- « »Unvermeidlich? Sehr gut! »Wa rum nehmen Sie denn die, Passagiere nicht einfach an Bord und nehmen fie mit nach New York? Jch diiides est nicht anders. Jch werde-Sie und die Compagnie verklagen, Casiitän Pünkt ,,Mr. Vincent,« sprach der a sp Be drohte festen Tones, »eriauben-Sie mir, Sie zu erinnern, daß ichs der· Capitön dieses Schiffes bin. Em-v pfeble mich, mein Herr!« Jm Gegensatz zu dem Congreß mann, der nicht aufhörte, zu fchimpfen und mit Klagen zu drohen, waren die anderen Passagiere alle einig, daß es im· höchsten Grade unmenschlich sein würde, den «Adamant« in solcher Lage allein auf dem Ozean zu lassen. »Warum kehrt denn der »Aha mant« nicht um, Capitän?« fragte Mrs. General Wellen »Weil in derartigen Lagen jeder Augenblick von Wichtigkeit ist, gnädige Frau, und weil wir etwas näher zu Queenstown sind, als zu New York.« So quälten sich die beiden stolzen Schiffe mühsam ostwärts; doch er reichten beide den ersehnten Hafen. An Bord des Dampfers, der die Passagiere beider Schiffe an das Land brachte, trafen sich zwei erstaunte Frauen. » . »Mr. Weller!!!! Jst es möglichLT Sie waren an Bord dieses unglückseli gen Vulkan’s ?« »Um des Himmels willen, Mrs.. Brownring! Sind Sie es oder ist es Jhr Geist!? Also gibt es doch noch Wunder? Unglücklich, sagten Sie? Nun, sehr glücklich fisr Sie, sollt’ ich meinen! Haben Sie sichs nicht zu Tode geängstigt?« - »Gewiß, trotzdem ich ja nicht ein mal ahnte, daß eine Bekannte auf dem Schiffe sei!« »Aber Sie waren doch selbst auf I dem Schiff »Ich au dem Schiff? Was meinen Sie denn eigentlich? Jch war doch nicht auf dem »Bulkan«? Fanden Sie denn noch einen Augenblick Schlaf, nachdem Sie wußten, daß Sie jeden Augenblick sinken könnten?« »Um Gotteswillen, wovon reden Sie denn? Sie hätten jeden Augen blick sinken können, oder schlimmer noch, verbrennen können, wenn das Feuer überhand genommen hätte! Sie meinen doch nicht, daß Sie nichk gewußt hätten, daß der »Adanmnt«" brannte?« ,,Mrs. Welleri Das ist ja ein ent setzlicher Jrrthum. Es war ja der »Vulk«an,« der ein großes Leck bekom men hattet Und der Capitän sagtL, daß Alles von der Thätigkeit derPum pen und dem Wetter abhinge! Die Pumpen arbeiteten Tag und Nacht.!« Die Frauen blickten einander an, , während ihnen Beiden die Erleuch tuna zu däminern schien. I Ätso war es nicht das Geräusch der Maschinen, sondern das Pumpen!« sprach die Eine endlich. »Und die Hitze kam nicht durch den Dampf, sondern durch das Feuer!« rief die Andere aus. »O Gott, wie hat der Capitän ge logen, und ich fand ihn doch so nett. Ich werde eine Ohnmacht bekommen!'« »Das ließe ich, an Ihrer Stelle-, hiibsch bleiben«, sprach die verständige Generalin, die eine beherzte Frau wat.. ,,«.)lußerdem ist es jetzt zu spät dazu, wir sind Alle gerettet. Mir scheint, beide Capitäne haben recht vernünftig s und aut gehandelt; sicher sind sie Beide l verheirathet!« Und das war thatsächlich der Fall v-f Souiuiergang. ——-. l —« Von starl v. Arnswaldt. . Sommermittagl Auf den Bäumen T Dehnt sich still die müde Lust. ! Selbst die Schmetterlinge träumen, s Matt vom schweren Blüthendust. i Manchmal eines Spechtes Hämmem j Kurz die Stille unterbricht. 1 Auf den weißen Wolkenlämmern l Gleißt das aold’ne Sonnenlicht. Das ist heut ein Tag, zu tauschen » Der Natur geheimen Klang, « i Rraug verworrnem Bachegrauschem ) Weichein, süßem Mückensang; « Komm, mag fesseln auch die andern » Seelenloser, flücht’gser Tand. i Laß ung durch die Heide wandern, i - l Sommerselig, Hand in Hand. ! Dort will ich dir viel erzählen S Von den Wundern dieser Welt, I Und wie Liebe nur die Seelen I Jnnig fest zusammenhält, ZFlüstern holde Heimlichteiten H Jn dein bang erschrocken Ohr, — ; Ueber uns in Näh’ und Weiten s Jubelt heller Lerchenchor. Und so wandeln wir alleine Jn dem lauen Sominerwehn, Amor nur, der Schelm, der kleine, Darf bescheiden mit uns gehn. Aber wenn er sollte fragen , Neckend, ob dein Herz noch dein, ; Welche Antwort wirst du sagen?v Weißt du’s schon, lieb Schätzeleinf -— Je eETstTk das Lede siir Einen ist, desto mehr Witz braust et. -