Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, September 03, 1897, Sonntags-Blatt., Image 10

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    M
·or Erichs
· Mindre-man von M Osqu Höcker-.
" ( Fortfekunaq
.cmpfangen Sie ihn nicht!« drängte
· Halm «Oder gestatten Sie mir we
an Ihnen voraus-zugehen, um
Usiünfche des Herrn zu hören.«
Die Künstlerin war willenlos und
Nenn in ihrem Schmerz. Mehrere
Anblick-später verließ Karia daher
gleit- dss Zimmer, um sich zu dem in
s U anstoßenden Salon geführten
Wald zubegedem
M komme im Auftrage Jhres Va
QIQ Notla, um Jhnen zu fagen, daß
K Eber die Nachricht von Tante Afta,
M uns bei unserer Rückkehr ward, im
M Grade betroffen ist!«
M fah ihn kühl an und versetzte
II abweifendem Tone:
.Uud mehr habenSie mir nicht aus
Mark
sacdonatd wollte in feinen ermah
« III-n Vorstellungen fortfahren, doch
. M fchnitt ihm kurz das Wort ab.
»Wenn nichts als diefe Botschaft
M dem Trauerhause an mein Ohr
gen sollte, dann bedauere ich, Sie
lassen zu haben.«
r Befucher nahm einen bittenden
an.
I Entla, ich habe Sie auch im'Na-’
CI Jbres tiefgebeugten Vaters zu er- »
scheu, sofort mit mir zu ihm zurück
Zulebren!«
.Jch bleibe bei Fräulein Petersen,
M ich gewiß bin, daß ihr von den
Verwandten Ewalds die gebührende
Mung und Theilnahme entgegenge
Dicht wird!«
» » Die bat das Fräulein nach dem
« Bergesallenen doch wohl nicht zu bean
sptu chen. Die Komödie, die sie hier
eukgefiihrt hat, gibt nur neuen Nähr
, M für die albernen Klatschereien,
sdie die Stadt durchschwirren und ge
-— cis-ei sind, sowohl den Rus des Da
hingeschiedenen als auch ihren eigenen
Mutustenf
.- Darla hatte sich verächtlich abge
M.
.Ichtwiirde Jhnen darauf erwidern
M ich annehmen müßte, daß dies
such die Ansicht meines Vaters ist!'«
· .Sie ist es, Karla!" sagte Mardo
M ernst nnd bestimmt.
Streng sah ihn das Mädchen an.
aUnd er hat Sie beauftragt, auch
«Itäuleie Dagniar Petersen davon zu
? jenerchrichtigen. ?«
I,Wenigstens läßt er die Dame durch
Isich ersuchen, die etwaigen Ansprüche
diese vielleicht noch an die Hinterlas
fenschast Ewalds zu haben glaubt.
Iechtzeitig zu präcisiren««'«
»Ah, das ist eine
Knria lachte rauh und gequält au?
« Sind schritt erregt durch s Zimmer
,Jch weiß nicht, was Sie veran
bit, mich für die Strenge Jhres Ba
ieti büßen zu lassen, Karla Jch bin
sitt gezwungen, seinem Befehle nach
zusiencmenf
Pein, das sind Sie nicht!« sagte
Kerle rasch und erregt. »Auch ich
I hin dabei gehört seini«
Jehn Churchill sah sie bittend an.
Linn denn so hefehlen Sie, Karla
Ich werde Ihnen folgen, soweit es in
des Grenzen meines Auftrages liegt. «
« «Se besehle ich Ihnen, die Weh
M der Braut Ewalds aus der
M zu verlassen und mir zu erklä
ts- daß Sfie jbeden Versuch, ihr zu be
wen an ge en
« -.«Dns darf ich nicht. Jch muß mich
» MS desjenigen Theiles meines
Wes entledigen, der eine ganz be
HJM Anfrage Jhres Vaters beant
ffjeriet wissen will. «
sein« so legen Sie diesen Auftrag
III seine Händel«
«T"«« Racdenald überlegte
«-. .; "«snt,« sagte er entschlossen, »unter
»Z» eher Bedingung«
gz »Und die lautet?"
!
Ez; ·Jch muß darauf bestehen, baß Sie,
isspsald diese Angelegenheit erledigt ist«
ZU meiner Seite zu Ihrem Vater zu
« Wiehren Denn er hat mir streng
Inbefohleth Sie von hier fortzuführen
.ist beabsichtigt, mit dem Abendzuge
zisch Berlin zurückzufahren, und er
;"Icttet, daß Sie ihn begleiten, da
tzists-regen früh die Ueberfiihrung der
Wehen Reste Ewalds vom Bahnhofe
G Berlin nach der Erhgrust stattfin
HUI Mkd.«
» — Karls nickte kurz und verließ den
« Jalou, um zu Dagmar zurückzukeh
ij G kostete ihr leine große Ueber-win
-—; .der Unglücklichen vorzulügen,
« - « ihre Verwandten ihr theilnahms
—- Gkiiße schickten; der ängstliche
II Dagmars rang ihr förmlich die
W spendenden Worte ab. Schwie
Hi wurde ihr dann die Frage, oh sich
T" z. schloß Ewalds irgend etwas be
« , das von Werth für sie sei —
» » sit ein Andenken, Geschenke.
Ali-Die Worte wurden ihr immer schwe
-— III-sie müssen verzeihen, Liebste, daß
, ! ; seschästige Welt jetzt schon daran
z« den Nachlaß zu ordnen. Aber da
. ’ »Ist meinem Vater heute noch Kiel
» « « e,so wäre es vielleicht angebracht,
Sie mir Ihre Wünsche sogleich
« · «len — wollen Stel«
; r hatte sie unter Thtänen lä
»»" angesehen.
- « gut Sie sind!« sagte sie
« r « . »Ich wüßte a nicht-, was
. — W E di zu ethitten
" - M einzige Geschenk das ich
« « is seine sortriitbiiftr.
Bielleichhw sie aus seinem Schreib
iische gefun — wenigstenisschrieb er.
rnit, daß er an jenem Blase häufig
mit Inir geplaudert habe. Wenn sie
in sremde Hände kommen sollte, die
Miste ——«
»Das wird sie nicht!« ries Karla
warm. »Ich bitte Sie, mir Jbr Wert
zu schenken!«
Die Minsiletin preßte die Hand der
jungen Dame und fuhr fort:
« »Dann bitte ich nur noch darinn,
die Briefe, die ich ibsr geschrieben, wie
derzubelommm Oder wollen Sie da
sin sorgen, meine Freundin, daß sie
vor Jndiscretivnen bewahrt bleiben?«
Karla sann nach.
»Es werben viele unberusene
Hände seinen Nachlaß durchsorschen!«
sagte sie bitter. »Das beste wäre schon,
Sie brächten es über sich, in meiner
Begleitung das verlassene Heim mei
nes Vetters auszusuchen, um die Briese
den neugierigen Augen Fremder zu
entziehen.«
Nach kurzer Ueberlegung erklärte sich
Dagmar bereit. Sie wollte sich zum
Fortgehen fertig machen und llingelte
der Jungfer.
Inzwischen begab sich Karls wieder
zu Macdonald und kündigte ihm ihren
Entschluß an. Jobn Churchill war
außer sich. Da ibin aber Klara er
klärte, daß sie, salls er nicht einwillige,
bei Dagrnar bleiben werde, so gab er
endlich nach, aber nur Unter der Be
dingung, daß sie dann zu fdritt den
Weg dahin zurücklegten.
Karla sah ihn ernst mabnend an.
»Ich darf aber doch wohl annehmen,
Macdonald,« sagte sie in etwas wär
merem, dringlicherern Tone, »daß Sie
I sich als Cavalier benehmen werden ?«
I »Da Sie Fräulein Petersen Hoch
i achtung entgegenbringen, Karla, so
! würde ich meine Pflicht ja auch gegen
’ Sie verletzen, salls ich die Dame nicht
voll respectirte.« «
Er sagte es mit einer huldigenden
Verbeugung siir Karla, die diese über
sah.
Macdonald verhielt sich aus det.
Fahrt, die sie zu dritt in einer hvtek
equipage unternahmen, thatsächlich ta
dellos. Er hatte es sogar bei der
Vorstellung über sich gebracht, Dagrnar
unter der Versicherung seiner herzlichen
Antheilnahme die hand zu küssen.
Jn der Wohnung Ewalds sand so
eben durch eine Ausnahmecommission
Ortstermin statt. Erstaunt bemerkte
Macdonald, daß mehrereHerren, theils
in Civil, theils in Unisorm, aus dem
Altan vor der geöffneten Thitr stan
den.
Mardonald eilte denDamen voraus
Er wandte sich an den ältesten der
Herren in -Uniform, der sich ihm als
Auditeur Doctor Camphausen vor-—
stellte, und theilte ihm den Grund sei
nes Kommens mit.
Den Herren war die Störung sehr
unangenehm. Da Macdonald aber die
nahe bevorstehende Abreise des Fräu
leins von der Tann ansührte und
außerdem versprach, sich mit den Da
men nur wenige Augenblicke in den
Räumen der Wohnung aufzuhalten,
so gestattete man endlich seinen Ein
tritt.
»Noch eines-. meine Herren!« sagte
Macdonald bittend. »Die Damen
wissen noch nichts von der gewaltsa
men Tödtung Meerheimbå. Jch darf
Sie wohl ersuchen, in ihrer Gegenwart
nichts davon laut werden zu lassen?«
Stammes Riclen der herren, denen
Macdonald durch den Auditeur schnell
; einzeln vorgestellt worden war; dar
aus vertheilten sie sich in die verschiede
isnen Räume.
Die Damen, die die Anwesenden site
? eine Commission zur Regelung des
Nachlasseö hielten, sahen sich von Nie
mandem gestört, als sie sich in eigen
artiger Bewegung am Erler vor Dag
mars Büste nieder-ließen und in dem
» ossenen Schreibtische ihre Nachfor
s schungen gemeinsam begannen.
! Auch Mcdonald hatte sich discret
abgewandt. Jn einer Ecke gesellte er
; sich zu einem der Herren, der ihm kurz
jzuvor als Staatsanwalt Mayrhoser
T vorgestellt worden war, und der sich in
seinem leisen Gespräch mit dem Audii
teur befand. ,
,,Werden sich die bürgerlichen Ge
richte ebenfalls mit dem unglückseligen
Fall zu beschäftigen baben?« fragte
Macdonald in gedämpstem Tone den
Staatsanwalt
»Ich hoffe nicht,« erwiderte Mant
»hofer. »Der mir verdächtig gewordene
Agent Gödecke hat bei allen Verneh
mungen einen ganz einwandsreien
Eindruck auf mich gemacht. Seine
festgestellte hochgradige Erregung am
Abend vor der That ist wohl nur auf
ein gewagtes Kassenmanöver zurückzu
führen. —- Haben Sie jenes Fest viel
leicht selbst mitgemacht, here v. Mac
donald?« wandte er sich höflich an
John EhurchikL
»Ich bedanke, ich befand mich an je
nem Abend noch in Berlin, fuhr die
Nacht durch hierher und traf erst um
acht Uhr früh hier ein. Es war eine
entsetzliche Nachricht, die mir meine
Verwandten entgegenbrachten.«
»Und das Geschehene ist noch grausi
ger, als man ursprünglich annahm!«
sagte der Auditeur.
? Jnteressirt fragte Macdonald nach
den neuesten Feststellungen
E »Den von der Tann ist ja bereits
s darüber unterrichtet, daß eine Vergif
stung duich Morphin vorliegt!« sagte
Carus-hausen »Es liegt uns jetzt
nichts mehr daran, die Sache geh-im
zu halten. So mögen denn auch Sie
als Verwandter des hat-fes Alles er
tadeen.' »
Und m ins-Der Nachmit- die
erforderlichen Mittheilungen iiber den
»augnenblicllichen Stand der Untersu
knRäthselhast ist mir nur noch der
nhalt dieses Eimer-IF sagte der
» taatsanwalt, indem er auf ein Ge
fäß deutete, das in der Nähe von che
mischen Apparaten an der Thtir stand.
.Wir haben soeben durch den Gerichts
arzt eine Untersuchung anstellen las
sen nnd erfahren, daß auch die in dem
Eimer dorFsundenen Weinreste Max-.
- phin entha en. und zwar in ziemlich
beträchtlicher Mengeck
Die Herren sprachen hin und her,
auch andere Mitglieder der Commis
sion gesellten sich dazu. Die verschie
densten Bermuthungen wurden laut.
»Jedenfallö,« schloß Mahrhofer, »ist
das Ausschiitten dieser Reste aus den
Gläsern vorgenommen worden, um
die Spuren der stattgehabten Vergif
tung zu oernichten.«
»Aber es ist doch nicht anzunehmen,«
wendete der Auditeur ein, »daß
Scheuermann, der muthrnaßliche Thä
ter, in Anwesenheit Meetheimbs die
Reste sortgeschiittet haben solltet Und
ebensowenig, daß er nach dem Weg
gange seines Opfers noch einmal hier
her zurückgekehrt sein sollte!«
»Dann bliebe nur noch die Moglichs
teit offen, daß Herr Sendlinger diese
Aufräumungsarbeiten vorgenommen
hat,« sagte der Staatsanwalt
" Die übrigen Herren schüttelten un-»
gläubig die Köpfe
»Was sollte ihn dazu veranlaßt ha- (
ben?« fragte Camphausen »Er hatt
mir die kleinste Kleinigkeit jener
Stunde geschildert. Warum sollte er
mir gerade· dieses verschwiegen haben Z«
»Seltsam! Seltsam! —- Wir wer
den ihn darüber morgen srüh noch ein
mal hiiren müssen!«
Die Herren zerstreuten sich wieder;
Macdonald blieb aber inziemlich er
regtem Gespräch bei dem Auditeut zu
rück. —
Endlich hatten Karla und Dagmar
gesunden, was sie suchten. Sie waren
Beide ties ergriffen von der Anwesen
heit in diesen nunmehr verwaistenRäu
men. Beiden standen die Thränen in
den Augen, als sie sich schließlich erho
ben, um die Wohnung zu verlassen.
Rasch war Macdonald wieder hei
ihnen.» Nach einer kurzen Auseinaw
dersehung mit der Commission wurde
den Damen die Mitnahme der Briese
gestattet. «Karla nahm draußen herz
lichen Abschied von Dagmar. Sie
svrachen nur wenige Worte miteinan
der, aber ihre Blicke waren hetedt und
zeugten davon, daß sie sich in wirklicher
Freundschaft gefunden hatten.
Während Dagmar den Wagen he
stieg, um nach dem Gasthofe zurückzu
kehren, schritt Karla in Macdonaldg
Begleitung stumm der Ban der Frau
v. Zeck zu. Sie wurde daheim mit ei
ner Fluth von Borwiirfen überschüttet.
Herr von der Tann war ganz außer
sich über das selbstständige Gehahren
seiner Tochter.
John Churchill war politisch genug,
sich während dieses Auftritts zurückzu
ziehen. Als er sah, daß man ihn nicht
vermißte, schlüpste er schnell wieder in
den Paletot und eilte nach der Woh
nung Ewalds zurück. Dort hatte er
noch mit Camphausen und dem
Staatsanwalt eine längere Untern
dung —- im Austrage des Herrn von
der Tann, wie er vorgab.
F
Dreizehntes CapiteL
Als Bollrath am Tage nach der
Bestattung Ewalds sich aufmachte, um
sich im Hause der Frau v. Zea hei
Herrn von der Tann melden zu lassen,
ward ihm die Mittheilung daß der
herr· Admiral in der Begleitung sei
ner Tochter und des Herrn John
Churehill Macdonald bereits mit dein
gestrigen Abendschnellzuge nach Berlin
abgereist sei.
Der Schiffsbaumeisier ging lange
mit sich zu Rathe. Sollte er herrn von
der Tann nunmehr in Berlin aussu
chen, um ihn wegen seiner mehr als
eigenthiimlichen haltun um Aufklä
rung zu bitten und um eine Genugthu- ,
ung sür die ihm durch MacDonald zu- ;
theil gewordene Kränkung zu fordern? J
Er hatte wenigstens aus einen Ab- «
schiedögruß Karlas gerechnet, aus ei- »
nen kleinen Fingerzeig, doch verge-3
dens.
Sendlinger war unzufrieden mit
sich, mit Karla, mit der ganzen Welt.
Und aus diesem Unmutb heraus ent- «
stand bei ihm der Plan, zu reisen, um
ruhiger zu werden und um auch Karla
Zeit zur Sammlung zu lassen.
Ohne lange zu zaudern, packte er
seinen Koffer, schärste der Wirthin ein,
daß er nichts nachgesandt haben woll
te und aus diesem Grunde auch seine
Adresse ihr nicht zugeben lassen werde,
und weniae Stunden später saß er
schon aus der Bahn, um sich nach Ham
burg, dann nach Köln z : Besuch von
Freunden und Verwandten zu bege
ben.
Gleich nach .semer Abreise traf
Campbausen in seiner Wohnung ein,
um ihn um Ausilärung über einige
noch fragliche Punkte zu bitten. Er
war sehr erstaunt darüber, daß Send
linger Kiel verlassen hatte, ohne auch
nur ein Wort zu hinterlassen. Da
keinerlei Adressen bekannt waren, so
schickte der Auditeur ein Perrontele
gramm siir den Schiffsbaumeister nach
hamburg Es meldete sich aber, als
bei Anlunst des Zuges, in dem Send
linger zweifellos saß, die Adresse aus
gerusen wurde, Niemand.
Vollratb Sendlinger wollte sich a
nicht finden lassen. Auch durch t
—
Unit, auch die still "rische sei.
bsrde ließ m Ausenthtslt nicht er
mitteln.
Das war eine arge Störung der Un
tersuchung. Das Untersuchungsgericht
batte durch die Vorarbeiten des Audii
teurs schon ziemlich viel Antlagemate
rial gegen Scheuerrnann zusammenge
bracht. Der Zahltneister war auch
schon von dem Untersuchungsgericht
überführt worden, das Morpbin dem
Oberlazarethgebilsen Kracht entwendet z
und dem Burschen Gödezlgeinen da-;
’mit schwach gemischten Schlastruni ;
verabreicht zu-- haben. Nach wie vor l
blieb er dabei, daß er den Lieutenant ’
v. Meerbeimb in der angegebenen
Stunde überhaupt nicht gesehen, noch
weniger ihn gesprochen und am aller
wenigsten einen Vergiftungsversuch
gegen ibn unternommen habe. Unter
diesen Umständen war es mißlich, dasz
gerade Sendlinger, einer der Hauptbe
lastungszeugen, zur Zeit unaussindbar
war.
Der Gerichtshof hatte das Kriegsge
richt ursprünglich aus den 15. März
festgesetzt. Da Vollrath Sendlinger
bei seiner Wirthin nichts weiter ange
geben hatte, als daß er bis zum letzten
Tage seines Urlaubs, dem 1. April,
fortbleiben werde, so wurde nun die
Spruchsitzung des Kriegsgerichts bis
aus den zweiten Weiltag des neuen
Monats verschoben.
Inzwischen war das Untersuchungs
gericht nach wie vor thätig. Der Audi
teur lud noch immer neue Zeugen, auch
einige Leute, die angegeben hatten, aus
dem Fest im »Elysium« einige Bruch
stiicke der gebeimnißvollen Untern
dung des Zahlmeisteks mit seinem
Schwiegervater zufällig ausgesungen
zu haben.
Auch Käthe Gödeeke, die zwei Wo
chen lang bettlägerig gewesen war und
sich auch jetzt von dem schweren Schick
salsschlag nur langsam erholte, wurde
) commissarisch vernommen. Jhre Ver
! zweiflung schnitt allen Mitgliedern des
- Untersuchungsgerichts in’s Herz.
; Hans Gödecke war aus dem Laza
reth als geheilt entlassen worden. Er
sowohl als sein Vater wurden häufig
verhört. Am meisten aber der Ver
sicherungsagent, der auf Befehl der
Staatsanwaltschaft während der ersten
vierzehn Tage sogar in Untersuchungs
hast gehalten, endlich aber wieder frei
gegehen worden war.
Einige Zeugen wurden schon vor
dem Untersuchungsgericht vereidigt,
auch Frau v. Zeckx nur von der Verei
digung Käthes nahm man Abstand, da
sie als die Braut des Angellagten mit
unter den Begriff der ,,Verschwäger
ten« fiel, und von der eines Ober
bootsmannes, der zugab, an dem frag
lichen Abend etwas »angeheitert« gewe
sen zu sein.
Mit Spannung sah man in allen
Kreisen der Spruchtitzung entgegen.
Obwohl bei dem militärischenGerichts
verfahren die Oeffentlichkeit ausge
schlossen ist, so hoffte man doch, nach
träglich — bei dem groszen Apparat
der aus dem Civilftand aufgebotenen
Zeugen —- den Hergang der Sache
durch die Zeitungen zu erfahren. —
Frau Briesen, Sendlingers Wirthin,
empfing den am Abend des 1. April
erfrischt von der Reise zurückkehrenden
Miether mit einem langen Klagelied.
Sendlinger hatte nur mit Mühe die
häßlichen Eindrücke überwunden, die
die ersten Tage nach dem Tode Meer
heimbs ihm gebracht; er seufzte tief
auf, als er vernahm, daß die leidige
Untersuchung nun abermals ein Hin
einversenten in jene trüben Stunden
von ihm verlangte.
Sofort büßte seine Stimmung wie
der an Frische ein. Auch der turze
Brief von Karla, der vor wenigen Ta
gen als einziges Lebenszeichen aus
Berlin eingetroffen war, vermochte ihn
nicht heiter zu stimmen.
Karla schrieb ihm, daß ihr Vater
dem langen Drängen Macdonalds zu
folgen und in allernächster Zeit eine
Reise .nach Norwegen anzutreten ge
denke. Er verlange mit großer Be
stimmtheit von ihr, daß sie ihn be
; gleite. Da sie der Trauer wegen in
! Berlin keinerlei Verkehr habe ausneh
l men können und nur auf den mit dem
I Vater und dem immer zudringlicher
werdenden Mardonald angewiesen sei,
so wolle sie sieh nicht ernstlich sträuben
l gegen diese Reise und den Aufenthalt
in dem ihr sympathischen Land« Jhk
Vater gedenke zunächst ein paar Wo
chen in Christiania und an verschiede
nen Orten des herrlichen Christianiai
Fiords zuznbringen, bei Eintritt wär
merer Witterung dann die Reise durch
das Mittelaebirge und die Landtchast
Teletnarken anzutreten, um schlieszlich
am handangerfjordund in Bergen den
Sommer über zu bleiben
»Der einzigeGrund, mich gegen diese
Reise zu sträuben, wäre, dasz ich fürch
ten muss, in Bergen, wo Macdonald
eine leitende Rolle als Director der
großen Nordlandsdampser - Gesell
schasi spielt, wieder aufs Neue mit den i
dringenden und quälenden Vorschlä-H
gen meines Vaters belästigt zu werden
und neuen Werbungen John Ebrach
ills ausgesest zu sein. Andererseits
drängt es mich jedoch, von hier satt
zugeben, weil ich rnir sage, daß wir
hier bei der Abgeschlossenheit, die mein
Vater nach außen hin hergestellt hat,
niemals uns sehen und sprechen wür
den. Jch vertraue also aus dem
Schicksal und Deiner Energie.«
Vollrath saß düster über den Brief
gebeugt da, der ihm so wenig Erfreu
liches sagte. Wie weit war noch dkk
Weg, den er bis sum glücklichen Ende
zurückzulegen hattet Welch’ mißaiinsti
-·« O ) e.
,,aer Stern hatte dei- chqaligeu Bräu
tigam hierhergelockt"4«—— gerade jehti
Es war begreiflich, daß ihn in die
ser Stimmung die Vorwürfe des ihn
besuchenden kluditeurs ziemlich gereist
machten.
.Jch tonnte Jhnen in jenen Tagen
teinen Einblick in mein Gemüthöleben
gestatten!« sagte Vollrath endlich miß
muthig. »Gewiß hat der jähe Tod
Ewalds mich tief erschüttert, doch et
was anderes bewegte mich in noch hö
herem Grade: Jch mußte Ruhe haben,
wenn ich nicht fürchten wollte, trank zu
werden«1
»Es liegt mir ferne,« sagte Camp
hausen etwas förmlich. ·Jhre Privat
angelegenheiten irgendwie zu treuzen.
Jch hätte auch, von Jhrem angegriffe
nen Gesundheitözustande derstiindigt,
nicht von Jhnen verlangt, daß Sie sich
der Untersuchung mit eben demselben
Eifer widmen sollten, wie Sie es in
den ersten Tagen gethan. Aber Sie
» hätten mir meine s were Aufgabe er
fheblich erleichtern können, wenn Sie
i mir wenigstens einen Anhalt gegeben
hätten, um Sie bei den wichtigsten
Fragen zu erreichen.«
»Ich habe Jhnen damals schon Al
les gesagt, was ich wußte. Was kön
nen Sie mehr von mir verlangen?
Jch muß Jhnen gestehen, daß ich mit
meiner schleunigen Abreise sogar die
Absicht verband. mich der weiteren Un
tersuchung so lange als möglich zu ent
ziehen, nachdem ich so ausreichend als
möglich meiner Zeugenpflichi genügt
hatte. Wenigstens bis zur Spruch
sitzung des Kriegsgerichts hoffte ich
frei davon zu sein.«
»Nun, Herr Schiffsbaumeister, ich
hatte geglaubt, annehmen zu dürfen,
daß Sie tiefer bewegt seien durch die
Ermordung Jhres Freundes-, und daß
es auch für Sie ein Gefühl der Erleich
terung, ja des Trostes sein müsse, zu
wissen, daß Sie durch Jhre Aussagen
zur Aburtheilung des Thäters Lei
tragen künnen.« .
»Ich dente, die Ueberzeugung müß
ten Sie doch damals, gleich nach dem
Unglück, aus meiner Bereitwilligkeit
gewonnen haben."
»Aber Sie hätten mir doch noch we- I
rnigstens ein paar Stunden widmen
können!" hielt ihm der Auditeur grol
lend bor.
»Ich wußte ja nicht, daß ich Ihnen
noch irgendwie dienen konnte; sonst
würde ich mich sicher bezwungen ba
ben."
»Nun gut, so lassen Sie uns also
zur Sache kommen. Sie wissen, mor
gen ist bereits die Spruchsitzung Ein
merkwürdiger Umstand ist uns aber
just an dem Tage, an dem Sie abwi
sten, gelegentlich eines erneuten Lokal- »
termins ausgefallen. Wenn wir vor
vier Wochen nur eine Frage hätten an
Sie richten können, so wäre uns viel
Kopszerbrechen erspart geblieben."
»Ich bin gespannt, sie zu hören!«
sagte Bollrath verwundert.
(
»Wir haben bei einer Untersuchung «
der Wohnung Meerheimbs in einem
Eimer, der nach der Aussage des
Burschen zur Ausnahme gebrauchten
Waschwalsers diente, Reste von Wein
und Grog vorgefunden, die zweisellos
von Iemandem dort hineingeschüttet
wurden, der nach der Vergistung
Meerheimbs in dem Zimmer anwesend
war. Der Bursche will, nachdem er
am Abend des 21. Februar die Zim
mer zurecht gemacht und dabei die
Flaschen mit frischem Wasser versehen
hatte, diesen Eimer leer an seinen
Platz gestellt haben. Wissen Sie viel
leicht, herr Schiffsbaumeister, wie die
Reste aus den Gläsern, die aus dem
Tische standen, in den Eimer gelangt «
sind?«
Vollrath hatte gespannt zugehöri.
Eine gewisse Unruhe bemächtigte sich
seiner. Er erinnerte sich wohl, daß er
diesen, seiner Ansicht nach unwesentli
chen Nebenumstand damals nicht mit
angegeben hatte. Sein Beweggrund
dasür war außer ihm nur noch Karla
bekannt.
»Ja, ich weiß es, herr Auditeurt«'
sagte Vollrath nach kurzem Besinnen·
»Ich habe die Reste selbst in den Eimer
geschüuet!«
»Sie? Sie selbst? Aber, bester Herr
Sendlinger, warum beant«
»Nun, »ich habe Ihnen ja damals
angedeutet, was ich geglaubt hatte, von
Ewalds Zustand annehmen zu mits
sen.« .
Der-Auditeur sah ihn ernsi und sor
schend an.
,Sehen Sie, herr Schiffsbauineis
ster, schon das war mir ja von vorn
herein nicht klar, daß Sie, trotzdem
nichts Sie zwang, zu jener nächtlichen
»Stunde Jhren Freund zu verlassen,
; es über sich brachten, den zum Fortge
; hen dienstlich bekleideten und Ihrer da
maligen Ansicht nach trunkenen Kame
raden talibliiiia in die eisige Winter
nacht hinausgehen zu lassen. Jch weiß
nicht, wie andere Osficiere darüber
denieU; aber es scheint mir doch sonst
üblich unter Waffendriidern zu sein«
daß sie in solchen Momenten aufeinan
der achtgeben, und sei es auch nur, um
einander vor Dummheiten zu bewah
ren!«
Den Schiffsbaumeister quälten diese
Worte bis aufs Blut· Konnte er dem
Auditeur jetzt nach sagen, daß damals
Katla bei ihm gewesen war, und daß
er die Ritterpslicht vor die Freundes
pfcicht hatte stellen müssen? Er ver
wünschte im Stillen die intriguante
Schiebung der Tante Zeck.
»Nun, Sie wissen ja, here Radi
ieur," suhr Bollrath Sendlinger nach
kurzer Pause fort. »daß ich mir schon
W
wenige Minuten später selbst Vol-g
würse machte, meinen Freund Meers ·
heimb nicht be leitet zu haben, und
schleunigst um ehrte, um nach seinem
Ergehen zu sehen. Leider war es da zu
spät, denn icb sand die Wohnung leer
bis auf den gleichfalls schon halb be
täubten hans Gödecke.«
»Und, in jener Minute also geschah
es, daß Sie die Neste ausschiitteten f«
; »Ja. Jch will ganz offen sein: ich
: schämte mich der Unmäßigieit Ewaldö,
und in der Anwandlung eines gewis
’sen Zornes suchte ich die Spuren des
nächtlichen Gelages zu entfernen. Jch
wußte damals ja nicht, daß die beiden
halb leer getrunkenen Flaschen in Ge
sellschaft eines zweiten auf ihren Jn
halt geprüft worden waren —- ich
gnußie also an eine Unmäßigleit glau
en!«
»Nun, und mit dem Rest des Glases,
das den Todestrunl fiir den armen
Meerheimb enthielt, bekamen wir auch
einen Theil des Morphins zu Gesicht,
das dem Weine oder dem Grog —
denn zwei Getränke standen in den
Gläsern — beigemischt gewesen war!
Nachdem Sie mir —- leider ziemlich
spät —-- diese letzte Aufklärung gegeben
haben über den einzigen für die Justiz
noch unllaren Punkt, lann nichts mehr
die Gerechtigkeit verhindern, ihrenLauf
zu nehmen!«
Cambhausen derbeugte sich vor dem
Schiffsbaumeister, der eine sehr ernste
düstere Miene zur Schau trug.
»Noch eine Bitte» lieber Sendlinger.
Kommen Sie· morgen, etwa eine
Stunde vor Beginn des letzten Ver
hörs, das der Spruchsrtzung.» zu der
Sie die Ladung unter Jhren Briefeim
gängen finden werden, vorausgehtysk
mir, damit wir den einen Punkt noch ’
nachträglich in die Arten bringen«
»Ganz wie Sie wünschen,« sagte
Vollrath· —
Der Schiffsbaumeister lief nach dem
Weggang des Auditeurs zornig in sei
ner Wohnung hin und her
Er hatte sich wie ein Lügner herum
drüclen müssen, um Frau v. Zeckg fal
sche Aussagen zu bemänteln. Er lam
sich feig und llein vor. hätte er doch
lieber aus der Stelle dem Auditeur die
volle Wahrheit gesagt. Denn wenn
man ihn oereidigte, so war er gezwun
gen, morgen in der Verhandlung Frau
o. Zeck nachträglich noch Lügen zu
strafen. Und wie stand Karla dann
da? Welch« häßliche Deutung wurde
damit der nächtlichen Wanderung ge
geben, die er mit Karla gemeinsam
vorgenommen! Hatte man dann nicht
ein Recht, der bisherigen Heimlichthue
rei unlautere Gründe unterzuschiebeM
Nein, nein, das durfte nie und nim
mer geschehent Frau v. Zeck mußte sich
noch heute Abend zu dem Auditeur be
geben, um vor dem Untersuchungs-ge
richt diesen Punkt zur Sprache zu
bringen. Besser, sie gestand heute, so
lange die Arten noch nicht geschlossen
waren, ihren Fehler ein, als sie wurde
morgen in feierlicher Sitzung mit ihm
confrontiri und gezwungen. einzuge
stehen. daß sie diesen einen Punkt bis
her verschwiegen und dadurch auch den
zweiten Zeugen gezwungen hatte, in
seinen Aussagen eine Lücke zu lassen.
Hastig begab sich Sendlinger nach
den Düfternbrooler Anlagen. Wie er
es eigentlich nicht anders erwarten
lonnte, ward ihm die Mittheilung: die
gnadige Frau sei nicht zu hause. Da
der Schiffsbaumeister die hochmüthige
alte Dame aber mit ihrer Gesellschaf
terin vierhändig spielen hörte, io be
stand er energisch darauf, vorgelassen
zu werden. «
Frau v. Zeck empfing ihn schließlich
sehr ungniidig — taum, daß sie·es
über sieh brachte, dem Besuch durch eine
slüchtige handbewegung einen Platz
anzutragen.
Vollrath blieb, den Hut in der hand
haltend, steif und förmlich stehen.
»Gnädige Frau, ich bettete Jhr
haus, wie Sie sich nach dem Vorange
« gangenen wohl denken konnten, nur ge
zwungen. Ich muß Sie aber bitten,
mir für wenige Minuten Gehör zu ge
ben. Es handelt sich um die morgige
Somit-situng
»Ich wüßte nicht« welche Ausliiirun
ich Jhnen schuldig sein sollte. J
habe meine Aussagen zu Protokoll ge
eben und glaube damit meine Pflicht
em Gericht gegenüber erfüllt zu ha
ben. »
» Mortletdung solgt.)
—- Dieier Ja e starb-— in
einem Curorte bei W en der Stadt
pfarrer Canonicus hugo Simon aus
Schweidnin in Schlesien. Er war ein
gebotener Berliner. Beim Ausbruch
des dänischen Krieges war er·Militiir
pfarrer. An der Spitze des 18.Ciegi
ments, das fast ausschließlich aus Po
len bestand, machte er den Sturman
die Düppeler Schanzen mit· Durch
dendichteften Kugelregen eilte er· das
Kreuz hoch in der Hand haltend, den
Soldaten voraus und entriß dabet
einem dänischen Fähnrich eine Dane
T brog-Fahne. Für diese Bravourthat
l erhielt er das Düppeler Sturmtreuz
und die Schleswig - Holsteinifche
Kriegsdentrniinzr. Später wurde ihm
der Rathe Adlerorden mit Schwertern
verliehen. Kaiser Friedrich Ill. schenkte
ihm sein Bild mit der Unterschrift :
»Muth und Tapferkeit bewiesen vor
dem Feinde.«
—- Beiden letzten Reichs
tagswahlen in Galizien sind 8 Perio
nen getödtet, 29 verwundet worden.
804 Mann wurden verhaftet und da
von 148 zu insgefammt 65 Jauren sj
Monat verurtheilt.