W weih-meide- qui-pp
Suuetampfeu
Wisse-J bjssse Getan-I Prescwa
Mein lieber Herr Redaktionäri
Es duht mich
akig leid, daß ich
Jhne diesmol nit
.fchrciwe kann, ich
hen soviel uff mer
Herz, aber ich hen
auch arig viel an
mei Eis un an
, niei rechte Hand.
Es hot mich nam
lich e Flei, ich
senkt se hot Peusen in sich gehabt, hot
. sich in mci Eilidd un e annere hot
sich in mein rechte Jndeksfinger ge
Fchr. Mehbie, es war auch ein un die
- we Flei, wo mich an die zwei Platz
- Ietäckelt hoi Der Truwel is, ich kann
; Iicks sehe un die Lizzie, was mei Altie
« ji« die hat mich for die paar Leins die
"nd geführt. Die Lizzie hot sich, wie
. - Pohriethaus Steht hot iotie ge
sellt, mit das Hetschet in die Händ ge
chlage un weil se bei-H Schreiwe links
« , do is fe nit ehbel gewese, von mich
It ripohrtr. Der Karlie, wo auch
. s. z gutinit die Penn händig is, war s
» E frei un hoi den Schapp for mich.
omme. Jch schicke Jhne seinJ
Hjstieß was et gefchriwwe hct hen ich
- III Ekaunt von mei Jnscherrie nit lese ;
staunt Plies korrekte se s e wenig.:
J hen en Eidie, daß der Brib vieles
FIißiehks gemacht hot, bikahs die deit- (
L Lengwitsch is nit so händig for!
Die schmatteste Leit hen oft die
stvßie Esel von Kids.
Womit ich verbleiwe
Jhne Jhrn liewer I
Philipp Sauerampfer. 1
— i
Mein Pa is heit nit ehbel zu s
Schrein-e un do will ich emol ebbes
ZU mich g.ewwe Der alte Mann
it doch g,blos er hätt alleins das
lwet etfunne, awwer ich hen’ s auch.
jage jo nicks gege ihn, dann er is
immer fozusage mein Pa, awwer
kann Jhne sage, unsereins hot
tie Butter mit die alte Leit. Nicks
mer se recht mache, immer werd
Ist gefchkohlt un in’s Bett muß mer,
Eis-W die annere Kidds noch all Form
U die Striti hawwe derfe Do is
Doch schuht keen Senz drin Mein Pa,
sssKohtg der hot all den Foun, wo
. schalt-we will un er bras. Icht auch die
;Mgat nit zu meinde. Wann di. « alte
LÆdie feite duht, dann zieht cr sei
ein un geht bei de Wedesweiler
T wollt nor emol sehn, wann ich so
duhn dehtl Wei, dann debt ich
Birken kriege, daß ich for drei Wrr che
mei Frontfeii liege mißt cchukir
W, die Ma is gege uns Kidds arig
M nickts kann se ftende, atrwer
; est de Pa, do is se noch viel zu gut.
wann ich so en Hoßbend hätt, ich
Dis keiteweg an die Kohrt Sein
Mifehler is sein Dorfcht. Jch denke,
is erblich. Wei, einige Zeit kann
, Wie, un es is sonni, daß er ice
»Wer gleicht. Wei wann er not
«3ji« daß ich en Dipper mit Wasser
k; FI, dann fchiwwert et schon. Jch hen
TM oft gedenkt, er deht die Wollduht
i set die Dollwuth hawwe, bikahs in
I Wer Mister Redacktionieker!
Z
»Es WITH-W
THE Kondischen drinke die Hunde auch
FF Wasser, sell hen ich in die Schul in
. Hi Tichiagraffie gelernt. Jch denke,
Te Mister Wedesweiler is e gut Diel
mei Po zu blehme un die Ma
schi, er deht fein Salulm muhfe. So
Licht die alte Lehdie immer, awwer
weiß besser. Jn ihr Jnnseii do
L;ji- fe’s ganz gut gleiche, daß der Pa
ivfi fort is. Wann der alte Mann
p« das Haus is, dann geht die Mo
e Ruhl auch fort Se kahlt an
agraut-e un dann werd Koffie ge
un iwwer die Nehberfch ge
- scpr daß es e Art hot. Jch war’n
F emol mit Ach, was hen ich do
kicheene Geschichte gehört! Jch hens
J kweg die annere Kidds verzehlt un
Ma bot große Truwel gehabt. Von
km hen ich nit mehr mitgedurft
fiel-le arig sarrie derfor, bitahs
kleiche Geschichte zu höre, wo Kidds
;nii wisse derfe Ich gleiche auch
Ml in de Saluhn zu gehe, aw
»so is die Ma ariq fonni se sagt,
s- mich e beeses Eckfempel an mei
me. Awtver fell duhi mich kee
Its-wir dieselwe Zeit fiick ich
mei Ma. Wisse Se, mit den
« do is nit viel los. Wei,
·«W mer mii so en Pa? Er
mich nit mit an kein Plan, un
auch kei Spendgeld All mei
Jena«-den Spendgeld,
— muß allein mitaug duhn.
»der Trutvel is, er duhi zuviel
W niede Denke Se nor
- - an deof otte Tschulei hen
Ich hen das Lewe
iterti. awiver kei Geld. Mit
« bot er mich vier Vennies
Feier-works zu kaufe. Off
ich das bische Geld in de
gespend. Drei Pennies
Sockerfch un ein Vennie
tretts. En enger-endet
doch ebbes zu schmohie
auch nit, wann mer
» Die e Eid. Otvendz, do
e Seit Fonn gehabt
after Mann, der bot bei
Tier thust un die Ma
in« aichingtonx Do hin
Rettung geiend. Well,
,Cfs wann ich unser
brenne foklt for daß
gehabt hen Jch
is gekeeini sum-er uff
e cidie kriegt, vie war
Miit Ich ben mich
n
l
E
Z.
F
?
e paar von meine Schentelmen Frendg
gernfe un hen gesagt: »Bohs«, hen ich
gesagt, »die Fohts sin nit heim un do
wolle mir emol e gute Zeit hen.« Dann
sin ich in den Groserstohr, hen mich
Kutlie5, Banahnseses, Arrensches,
Pickels, Feierträckers, Ciindy, Pruhn
fes und Brickstein Tschies geholt Jch
hen den Großer gesagt, er sollts zu
die Mifz Saueriimper tschartsche un er
hot gesagt, sell wiir schon ahlrecht, et
deht mich troste. Wisse Se, der Stohr
kieper hot mich gelennt, bilahs ich hole
alle Woche fünf Cents werth Schnuff
, for mein Pa. Früher hot er mich im
! mer noch e Kultie derbei geschenkt,
awwer jetzt is er arig stinschie. Jch hen
ihn emol gefrogt un do sagt er, die
Zeite wäre zu hart, er tönnt’s nit mehr
erfordern. Well, ich kann Jhne sage,
mir hen e gute Zeit gehabt! Jch sin
in de Keller un hen en Krack vom alte
Mann sein Wein geholt. Sell hot
awwer gut geschmeckt un mir hen eens
nach das annere geleppert, bis das
mer all gut gefieblt heu. Jch hen auch
noch en Nickel in mein Pa sei West
packet gesu:ine, do hen mer uns Sitte
retts gekauft. Mir hen auch das
Feierwort errunnergebrennt, awwer in
den Pahrler un sell war fuhlisch.
Awwer sehn Se, wann der Mensch gut
fiehlt, well dann fiehlt er gut. Mir
hen de Karpet voll Löcher gebrennt un
hen auch so ebaut e Yard un e halb
von die Lehs Kohrtens verbrennt. Das
ganze Haus war voll Rauch un
Schmvht. Mir hen auch gesunge, eck
säcktlie wie große Schentelmänner.
Uff eemol geht die Diehr uff un der
alte Mann kimmt instit. Do is die
Gäng awwer ausgerisse, wie alles.
Erner hot mein Pa umgerennt nn, o
mei! was hot der alteMann geschwore!
Er bot mich am Schlafittche kriegt un
hot mich gelicki, daß ich vuttinier halb
drekvertels doht war. Er hot sei lange
Peif usf mich verschmisse, un sein
Buhtjäck un dann bot er mit alle
Fist’s uff mich geschmisse, daß mich
alle Bottonhohls, wo ich an mich ge
habt hen, ausgerisse sin. Schierussa
lern, was hen ich do geltischel Well,
Mister Redaktionierer, ich denke, so
brauch mer doch en Bub nit zu ver
hammatsche wege e bische Foun! Aw
wer, ich ben’s jo gesagt, ich hen lein
Jnhs vor mein alte Mann, bikahs er
macht mich zu Viel Truwel. Mache:
Se, daß mein Pa mein Brief nit sehn -
duht, sonst krieg ich de Dickens.
Rispeckfuhlie
Karlie Sauerampfer.
Unter zwei Herren.
Ein sonderbarer Ort in seiner
Staaigaiigehörigteit ist dag- Dorf Wol
tcrf auf der prensziich-brannichweigiichen
(«-)ren;e. Wie Moresnet bei Nachen ge
lidrt dass Torf in zwei verschiedenen
Ländern, Zu Preuss-en und zu Braun
schweig. Dementsprechend besteht auch
die Einwohnerschaft Woltorfes ans
preußischen nnd brannschweigiichen
Etaateanaehörigem Bei der Volke
zahlung list-Z waren von seinen 716
Seelen 475 preußifch und 243 braun
fchweigisch. Die Hause-r dieser Woltor
fer liegen nun innerhalb des Dorfes,
nicht etwa in zwei verschiedenen Theilen,
einem preußischen und einem braun
schweigischen, beicinander, sondern sie
sind bunt durcheinander gewürfelt: das
Nämliche ist mit den Ackerstiicken der
Fall, die sich fast schachbrettartig, hier
preußisch, dort braunschweigisch, durch
einander drangen. Um das verworrene
Bild vollständig zu machen, giebt es
noch gemeinschaftliche, dem ganzen Dorf
gehorige Grundstücke, die noch heute
unter der gemeinschaftlichen Hoheit bei
der Landesregierungen stehen. Dazu
kommt der den preußischen nnd braun
fchweiger Woltorsern ebenfalls gemein
sam gehöriae grosze Wald, der abers
unter Aufsicht eines preußischen Försters ;
steht. Das Torf, eine Station an der
Bahn von Braunschweig nach Hannover,
besteht also in der That aus zwei Ge
meinden. Der preußische wie der
braunschweigische Antbeil hat seinen
eigenen Ortsvorsteher-, der preußische
zwei, der braunschweigische eine eigene
Kneipr. Jeder Theil hat seine beson
deren hausnuinmern nach den verschie-f
denen Brandtassen, hier werden für
Vrannschweig, dort für Preußen Steu
ern gezahlt und Rekruten ausgehoben
u. s. w. Jn den aemeinschaftlich ab
aebaltenen Gemeinderathssitzungen
führt bald der preußische, bald der«
draunschweigische Ortsvorsteher den
Vorsit. Die Gemeindeabgaben sind
so gere elt, daß drei Fünftel auf die
prenßi chen, zwei Fünftel auf die braun
ichweigischen Bewohner entfallen. Die
Doppelaemeinde besipt indeß nur eines
Kirche. Das Dorf ist sehr alt; es er
scheint schon 1170 als Walthorpe
lWalddorf) in den Urkunden Wahr
scheinlich haben nicht Verträge, sondern:
alte Gebrauche daran mitgewirtt, dass
die Höfe und Felder jest so bunt durch
einander liegen. ;
— Mormonisrnus. Fritz
chen: »Mama, was ist das —- Mor
monen?« Maina: «Mormonen, Fritz
chen, sind eine Seite, bei welcher ein
Mann dreißig, vierzig Frauen heira
then kann.« Fritzchem »Ach Gott«
ach Gatt, das muß ja schrecklich sein!«
Mainm »Wie meinst Du das, Fritz
chen?« Fritzchem »Nun dent’ Dir
nut, wenn man da von dreißig, vierzig
Mamcks baue kriegt!«
—- Ein BeweismitteL —
Richter Luni Klä er): »Wie wollen
Sie bewe sen, da die Ohrfeige die
hnen der Angeklagte gegeben, gar so
räftig war?« »Ich bitte Heer Rich
ter. der Anaeklaate ist Claaueut t«
Ist stüailittltr seg.
Von M. Stadt
Jahrelang hatte er gearbeitet und
gestrebt, um diesen Tag feiern zu tön
nen, den glücklichften seines Lebens!
Am frühen Morgen —- er war nach
anstrengenden Strapazen der vorher
gehenden Tage sehr spät zur Ruhe ge
kommen und in freudiger Aufregung
erst vor Kurzem eingeschlafen —- weck
ten ihn die langgezogenen Töne eines
Chorals vor seinem Fenster.
»Mein Gott, wen begraben sie denn
da heute zu so früher Stunde?« dachte
er schlastrunlen.
Da klopfte es an seine Thür.
»Herr Direktor, die Stadttapelle
bringt Jhnen ein Stündchen, da müs
sen wir wohl Wein und Cigarren be
reit hatten?« fragte Kunde, sein ge
treuer Famulus.
Als er an das Fenster trat, erblickte
er sämmtliche Beamte und Arbeiter
seiner Fabrik in Festtagstleidern und
um sie herum einen geschlossenen Kreis
von Kindern, Weibern und Neugieri
gen des Städtchens.
Nichts war ihm mehr zuwider als
öffentliche Demoiistrationen, und wie
J er nun aus den Balton hinaus mußte,
um die Ansprache seines Wertfiihrers
. entgegenzunehmen, fühlte er sich so
ziemlich wie sein Verurtheilter am
Pranger.
Der gute Mann lobte ihn so entsetz
lich, als ob es das höchste menschliche
Verdienst sei, eine Fabrik zu besitzen
und Hochzeit zu feiern, und er wünsch
te so«viel Glück und Segen auf fein
Haupt herab,dasz mindestens drei kom
mende Generationen der Seebalds da
mit das Paradies aus Erden haben
konnten.
Er ließ nun Alle, die an der Huldi
gung Theil genommen, in sein Haus
kommen, wo Kunhe schon Wein und
Cigarren aufgetischt hatte. Je mehr
die seuchtfröhliche Stimmung um sich
griff, umsomehr Reden hielten sie. Sie
ließen zuletzt seine todten Großmütter
im Grabe und feine noch ungeborenen
Kinder leben. Endlich hielt er ihnen
eine kleine Abschiedsrede und schickte
sie weg, da er doch unmöglich seinen
Hochzeitstag mit ihnen beschließen
konnte, sondern sich trauen lassen
mußte.
Kaum waren sie gegangen, da ließ
sich ein altes Frauchen bei ihm melden.
Sie war die Mutter eines weggejag
ten Arbeiters, der ihm einst schrecklich
viel Aerger und Schaden zugefügt
hätte.
Nun tam sie, kläglich und jämmer
lich, mit einer Schilderung von solch
einein gotteserbärmlichen Elend, mit
so viel Thränenftrömen und bitterli
then Klagen« daß ihm selbst elend und
flau zu Muthe wurde.
Und weil heute seine Hochzeit fei,
darum fühlte sie sich berechtigt, all ihr
Unglück auf ihn zu wälzen und feine
Theilnahme für sich zu beanspruchen.
Sie rührte so viel Aerger und un
liebsameckrinnerungen in ihm auf, dasz
er Zeit brauchte, fein inneres Gleichge
wicht wieder zu finden, nachdem sie ge
gangen war.
l
um zwoii uyr ioute er schon aus!
dem Stande-Samt sein. Er wollte sich I
nur noch ein halbes Stündchen aus
ruhen und ein paar nöthige Disposi
tionen treffen, ehe er an die Toilette
ging, da kam ein Eilbote vom Stan- (
desamt und noch einer von seiner
Schwiegermutter. Der Standesbeamte
meldete« daß eins von den nothwendi
gen Papieren nicht eingesandt sei, und
daß deshalb die civile Trauung nicht
stattfinden tönne und die Schwieger
mutter schrieb: »Mein Mann reißt mir
den Kopf ab. ich kann nicht mehr!
Kein Mensch hilft mir, die Gäste kom
men, nichts ist sertig, die Tischord
nung ist noch nicht gemacht. Gertrud
hat Migräne und Weintramps, der
Lohndiener hat die schöne Krhstall
Bowle mit acht Flaschen Mosel und
drei Flaschen Seit zerschlagen. Es
wird am besten sein, wir schieben die
Hochzeit aus.« —
Wie einNasender stürzte der Fabrik
direttor Erich Seebald zuerst auf das
Standesamt.
Es tostete endlose Mühe, Boten,
Lauserei und Zeit, bis das sehlende
Papier zur Stelle gebracht war, das
sich sicher geborgen im Schreibiisch des
Schwiegervaters vorsand, der hoch und
theuer schwor, es rechtzeitinggesaitdt
zu haben oder —- es seiner Frau zur
Besorgung gegeben zu haben.
Nachdem dies erledigt, hatte Erich
den dringenden Wunsch, seine Braut
zu sehen und ein paar Augenblicke mit
ihr allein zu sein.
»Um Gotteswillem sie muß Ruhe
haben, sie darf sich jetzt nicht ausre
gen!« wehrte ihm seine Schwiegermut
ter den Zutritt in ihr Gemach, das von
Damen, Tanten, besten Freundinnsn
und Cousinen belagert war und in dem
es wie in einem Taubenschlag aus
und einging.
»Sie hat ein Antipyrin - Pulver
genommen, eine Morphium - Einst-ri
tznn bekommen und Tante Evetixse
ma t ihr jeht Umschläge.«
»Aber sie war ja gestern noch ganz
gesund," erwiderte Erich erschrocken.
»Mein bester Erich,« sa te Tance
Dorchen feierlich, indem siei re reiße.
weiße hand beschwörend aus eian
Arm legte: »Ihr Männer habt keine
I Ahnung, was ei heißt, sich von Eltern
J und Vaterhaui losreißen. um einem
z fremden Manne zu so ent«
i
Und sie schluchzte leise in the Ta
schentueh.
Sämmtliche anweiende ältere s
men schrien-zielt sich, mischten die Au
gen und drückten der Brautmutter, die
in heftiges Weinen ausbrach, innig
und theilnahrnsdoll die hand.
Der hochzeitsmorgen, den er sich so
schön gedacht hatte, schloß für ihn da
mit, daß er die Tischordnun machen
durfte, und als er nach mshfeligein
Kopfzerbrechen fertig war, kam sein
Schwiegervater und rang die Hände,
daß er eine Frauhauptmann über eine
Frau Major gesetzt und die beste Erb
tante, die eine silberne Kasseelanne ge
schenkt, neben einen Mann ohne Titel
Wie er schließlich noch Zeit sand, die
nöthige Toilette zu machen und die
unumgiinglichen geschäftlichen Angele
genheiten zu ordnen, die an jeden
Mann herantreten, der verreiicn und
sich von feiner täglichen Berufsarbeit
beurlauben will, wußte er selbst uichi.
Er kam erst wieder zur Besinnung,
als er mit seiner Braut zun. Standes
amt fuhr und bemerkte. wie reizend
Gertrud in ihrer rehfarbenen Seiden
toilette aussah und in dem Lapi-thut
chen mit Moosrosem schon ganz wie
eine junge Frau.
Er hätte sie für sein Leben gern in
die Arme genommen und ordentlich
abgeliiszt, aber ihm gegenüber saß fein
Schwiegervater, neben ihm ein sehr
würdevollerOnlel, und Gertrud knüpf
te an den zwölf Knöpsen ihrer Hand
schuhe, als hinge das ganze Glück ih
rer liinftiaen Ehe davon ab, daß teän
Knon offen blieb.
Und bei der Rückkehr vom Stande-,
amt, wo Alles furchtbar eilig und ge
schäftlich zuging, bildeten so viel Neu
gierige Spalten die in die Kutsche hin
einstarrten, daß Gertrud isim nicht ein
mal erlaubte, ihr die Hand zu dritciem
Zwischen der Civiltrauuitq und der
kirchlichen Trauung hoffte er auf ein
halbes Stündchen Ruhe und Zusam-s
mensein mitGertrud, damit sie lich nur
endlich einmal bewußt würden, welrtf
einen schönen, wichtigen Tag sie heute
feierten. Und sein Herz war voll den
all’ dem Lieben und Guten, was er ihr
; zu sagen hatte, damit sie so recht her
- zenseinig den Schritt zum Altar thun
konnten.
Aber gerade in dem Augenblick traf
noch ein Pathenonlcl mit seiner Frau
von auswärts ein, ein Stratrattn Ver
älteste Bruder des Brauzoaterz, bu
sich so ziemlich als Hauptversnn in let
e»amilie zu fühlen schien und mit gro
iier Auszeichnung behandelt werden
mußte.
Er hielt alsbald Erich am Hinl
tnopf seit und wünschte, ibn, als mu
es Familienmitglied, näher kennen zii
lernen.
Die Tante Stadtrath beanspriickxtc
unterdessen aller Uebrigen und besass-.
ders Gertruds ungetheilte Aufmeri
famieit siir die Geschenke, die sie mit
gebracht hatte, Von denen sie selbst un
geheures Aufsehen machte-, so daß Dir
ganze Familie und besonders dar
Brautxisar ficb in Bewunderung und
Dank erschöpfen mußte.
Und dann wurde Gertrud wieder
hinter verschlossene Thuren gesteckt, un:
große Brauttoiiette zu machen.
Ach, er hätte sie ja gern in Sackleins
wand geheirazbei, wenn er sie dafiir
jetzt ein Stündchen für sich haben
könnte.
Alles-, was nun lam, war eigentlich
gar nicht wie ein persönliches Erlebniß,
sondern nur eine große Schauftellung.
bei der er sich wie ein Statist fühlte·
Und mitten in dein Tumult sah er
Gertrud, bleich und derweint, von wei
ßen Schleierwollrn und schleppender
weißer Seide umwallt, mit ihrer Mut
ter den hochzeitswagen besteigen.
Und er tonnte sich gar nicht hinein
denken, daß das seine Braut sei, der
er jeht Treue fiir ein ganzes langes
Leben schwören sollte.
Bei dem Gang durch das lange Kir
chenfchiff war es ein Kunststück, Ger
trud mit ihrer fürchterlich langen At
lasschleppe und die Kinder, die sie tru
gen, sicher dor den Altar zu bringen,
ohne daß sie alle auf die Nase fielen.
Brausende Orgeltiine, Gesang, Blu
mendust, Kerzenflimmerm rauschende
Seidenrobrn, leises Schluchzen und
Flüstern um ihn herum und dazwi
schen die volltönende Stimme des
Geistlichen —- es wollte sich eben etwas
wie eine schöne, weihevolle Andacht in
.-sein Herz schleichen, da tuschelten zwei
Damenphinter ihm:
- »Mein Gott« der Kranz sitzt ja
schief-« - . - -. » ..
«Sag' mai, m oag nlche grau »pra
sident da oben auf dem Chor ?"
»Na, die platzt vor Neid, weil ihre
Aelteste noch nicht unter der Haut-e
ist«
Und gleich darauf mußte er den gro
ßen heiligen Schwur fär’s Leben able
gen. Aber trotz des Spießruthenlau
fens durch die gaffendeMenge, trotzdem
er bei der Rückiabrt iaum die Finger
spitzen seiner bleichen, zitternben Braut
zu drücken und zu küssen wagte, wegen
des Spalier bildenden Publikums,
trotz der neuen,heitigeren Thriinenaus
briiche, mit denen die alten Damen
ihn, seine junge Frau und sich unter
einander bei den Gratulationen um
armten, trotz der flehenden Bitten, die
ibin alle Tanten und die Schwiegerel
tern der Reihe nach in’s Ohr flüstert:n,
doch ja ein gruer Ebernann zu werden
——— und trotz der nicht enden wollmden
Toaite beim Hochzeitsbitter —- trotz all’
dieserGeduldprüfun en kam das Glück,
das große, jubelvo e Glück wie ein
Wonnerauich über ihn.
Und alt er einen Abglanz dieser
Seligkeit in dem Auge feiner Braut
durch schimmernde Tbräueu hindurch
—
- aufleuchten sah. nachdem er sie im Ret
iejkoagen als sein Eigenthum am het
zen hielt, da war er keinen Augenblick
im Zweisel, daß dies der glücklichste
Tag seines Lebens sei.
AA
fff
Bei den Grödner Schreiber-m
Von Ierdinand Kronesm
»Das interessanteste und dabei ver
baltniszmaßig am. weni sten bekannte
Hpchthal Tirols ist das grimme-Thal
mit seinem Voll von Künstlern.
Ueberreich an landwirthschastlichen
Schonheiten, das That zu dem Zau
bergarten der Dolomiten, dabei kul
turell so voll von Besonderheiten und
Merkwürdigkeiten, daß man sich wun
dern muß, daß der Strom der Frem
den noch immer unten bei Waidbruck
vorbei aus-.und absluthet, ohne einen
stärkeren Arm auf jene prächtige hoch
gebirgslandschast zu senden.
Abgesehen von allen anderen Beson
derheiten ist das hochintelligente, kunst
sertige Volk der Grödner schon des
halb interessant, weil es der letzte Rest
der Urbevölterung Tirols ist, die ein
zigen echten Rhätier, die sich da oben
im Laufe vieler Jahrhunderte, über
den Sturm der Völkerwanderung hin
aus, in ihrem weltabgeschiedenen Hoch
thale rein und unverfälscht erhalten
haben.
Es ist von den Gelehrten viel über
diese »Spracheninset'« gestritten wor
den, aber die tiesgriindigen Forschun
gen Dr. Tappeiner’s haben zweifellos
die direkte Abkommenschast der Gräb
ner von den alten Rhätiern festgestellt,
die schon Vor Christi Geburt und vor
Eroberung Tirols durch die Römer
die Thäler dieses herrlichen Landes
bewohnten. »Nu: wenige, fremde
römische Elemente während der römi
schen Herrschaft,« so schreibt Dr. Tap
Peiner, »und etwas mehr germanische
Elemente haben sich im Laufe der Zei
ten mii den alten Nhiitiern vermischt.«
Diese Mischungen kommen auch in der
merkwürdigen Sprache der Grödner
zum Ausdrucke und dadurch war es
ihnen immer möglich, sich mit Leichtig
keit die Nachbar-Jdiome: das Deutsche
und Jtalienische, anzueignen.
So weltverloren und abgeschieden
die Grödner Gebiete auch sind, so un
terhielten doch schon seit vielen Jahr
hunderten ihre Bewohner den regsten
Verkehr mit der Außenwelt. Vor 500
Jahren schon wurden da oben vorzüg
liche Soitzenklövvelarbeiten erzeugt, die
dann von Burschen und Mädchen aus
der ,,Araxn« hausirend durch die
Lande getragen wurden. Erst vor un
gefähr 200 Jahren begann man mit
dem Holzschniszem das dann nach und
nach solche Ausdehnung gewann, daß
heute weit iiber 3000 Personen —
Männer, Weiber, Kinder — damit
beschäftigt sind und reichlich Verdienst
finden. So ist denn heute in Gröden
jedes Gebäude, von den großen, schö-;
nen in St. Ulrich und St. Christinaz
angefangen, bis hinaus zu den zierli
chen Bauernhiitten hoch oben auf den
Berglehnen, ein Bildhauer-Meint
Jm Hauptorte St. Ulrich eoncentrirt
sich die Erzeugung kirchlicher Schnitze
reien vom tkeinsten Cruzisixe bis zu
iiberlebensgroszen Heiligenstatuen aus
Holz und prachtvoll geschnitzten gothi
schen Flügelaltären etc. Jn St. Chri
stina ist der Sitz der Spiekwaaren
· Industrie. sp · — «
Die Kunstfertigkeit dieser einfachen
Bergbauern ist geradezu verblüffend——
ihr Geschmack und Empfinden für das
Schöne bewunderungswiirdig Schon
unter Kaiser Franz 1., zu Beginn die
ses Jahrhunderts-, war in St. Ulrich
eine Zeichenschule auf Staatstosten er
richtet worden. Durch sie erhielt die
heranwachsende Jugend in der Volks
schule mehrere Stunden wöchentlich
Unterricht im Zeichnen. Es hatte lan
ges Bitten getostet, bis endlich dieses
schwacheZugeständnisz unter dem schul
ieindlichen »gütigen« Negenten gemacht
worden war. Als der neue Erwerbs
zweig immer mehr blühte, da fand sich
die Regierung bewogen, die Mittel für
den theoretischen Unterricht etwas
reichlicher fließen zu lassen und die
Schule zu vergrößern.
Die hervorragendsten Verdienste
aber um die Hebung der Holzschnitzers
iunst in Gröden hat sich ein Grödner
selbst erworben. Einer der bedeutend
sten Künstler, Ferdinand Demetz,
gründete in St. Ulrich eine Fachschule,
wo der theoretische Unterricht der
Boltsschule erst seine praktische Vollen
dung fand. Zahlreiche vorzügliche
Schniker sind unter seiner iundigen
Leitung herangebildet worden, und
heute noch arbeiten in seinen immer
mehr vergrößerten Ateliers iiber sech
zig Bildhauer. Lange Zeit war diese
Demetz’sche Atademie ftaatlich subven
tionirt, bis endlich vor wei Jahren
eine eigene t. t. Fachschule inSt. Ulrich
selbstständig geschafer wurde, die,
reichlichsi mit Lehrmitteln und vor
züglichen Lehrlräften ausgestattet,
dazu bestimmt ist« eine außerordentlich
segensreiche Thätigieit zu entfalten·
An des-Spitze ist hans Larch alöDirec
tor und erst kürzlich iit der in München
ausgebildete Maler Morader, einer der
besten Defieggerschiiler, dafiir gewon
nen worden.
Hochinteressant ist eg, die Abend
iurse zu besuchen, wo die Alten noch die
Schule besuchen. Von weit über Berg
und Thal, unbekümmert um Sturm
undNeaem kommen die biirtigen Män
ner daher, nachdem sie den ganzen Taa
über emsig gearbeitet haben und voll
heiligen Eifers wird da nun gezeichnet,
den Vorträgen gelauscht und notirt.
Ob Opfer-ersehnst sann ihre Freud
—
Es
haben mit dieser lernbegterigen Schil
lerschaar. »
Aber nicht nur hier verrath sich die
hervorragende Intelligenz dieses Berg
volles, sondern auch nach der laufmans
»sich-u Seite hin sind sie außerordent
lich fix begabt. Wie schon vorhin er
wähnt, haben die Grödner durch Jahr
hunderte in immer wachsender Zahl
ihre heimathlichen Gefilde verlassen
um als hausirer durch die Lande zu
ziehen, erst mit Spitzen, dann mit dem
gewonnenen Gelde Tücher, Band-h
Leinen in Bozen einhandelnd und im
mer weiter ihre Kreise ausdehnend,
stets freundlich, ehrlich, emsig und vor
Allem sparsam. Dann tam der Han
del mit den Schnihereien und da war«
der Grödner Hausirer, namentli bei
der Jugend, ein gern gesehener ast.
Jn vielen großen Stadien Europas
existiren heute noch Firmen, wie Bank
geschäfte, Großhandlungshiiuser, deren
Gründer ehemals arme Grödner Hau
sirer gewesen sind.
Und es waren recht merkwürdige,
originelle Leute unter diesen Reichge
wordenen. Als besonderes Beispiel
dafür mag der alte Johann Dominil
Mahltnecht dienen, der trotz seines
Neichthums stets armselig wie der
ärmste Bettler gelebt hat. Er hatte
laum die nothdürstigste Schulbildung
genossen, dann das Holzschnitzen ge
lernt, aber sein unruhiger Geist trieb
ihn hinaus. Jm Jahre 1750 unge
fähr zog er mit seinem ,,Kraxele« fort,
durchstreiste alle Provinzen Oester
reichs als »Holzbub,« wie man sie da
mals nannte, brauchte täglich laum
2—3 Kreuzer und nachdem er die
Handelsverhültnisse mit offenem Au e
studirt hatte, handelte er zum Schlu, e
einfach mit Allem, was ihm eben
unterlam. Aber als reicher Mann
war er noch immer gekleidet wie ein
Bettler; nachdem schon längst aus ihm
der »reiche Mahllnecht« geworden, der
bei der Kaufmannschaft in Wien, Bo
zen, Trient, Jnnsbruck etc. belannt
war und hoch in Ansehen stand, ver
brauchte er auf seinen Reisen nie mehr
als höchstens H Kreuzer täglich.
Als er starb, hinterließ er ein Vermö
gen von über 500,000 Gulden. Und
dabei hatte er Zeitlebens immer reich
lich für die Armen gespendet und seine
Verwandten sehr sreigebig unterstützt.
Aus der Hinterlassenschaft flossen auch
jetzt den Armen und Wohlthätigleits
anstalten die reichsten Gaben zu.
Jn ihren Höhen, wo eine Feldwirth
schaft nicht mehr betrieben werden
kann, waren die Grödner naturgemäß
aus Hausindustrie und Hausirhandel
angewiesen, denn wie sollten sie da
oben in ihrer vollständigen Abgeschie
denheit sonst ihr Leben fristen? Wie
abgeschieden sie waren, davon lann sich
der heutige Mensch laum mehr einen
Begriff machen. Keine Straße ver
band sie mit dem Eisatthale unten, wo
der Anschluß an die natürliche Verbin
dungstinie von Norden nach Süden
liegt. Von Klausen aus führte da
stundenweit ein schmaler schwindelerre
gender Weg hoch über Felsen und
Grate nach St. Ulrich hinauf, der im
Winter auch vom Kühnsten nicht be
gangen werden tonnte. Wie ein Mär
chen klingt es heute, wenn man hört,
daß die Todten von Collsusena und
Wollenstein ,,im Winter in irgend ei
nem Winkel unter Dach oder in freier
Lust dem Gefrieren ausgesetzt wurden
und erst im Frühjahre nach dem
Schmelzen des Schnees nach Albeins
zur Beerdigung getragen werden tonn
ten.«
Vor vierzig Jahren war es erst that
triiftigenMiinnern, an ihrerSpitze dem
Bürgermeister Burger, gelungen, den
Bau einer Straße von Waidbruck na
St. Ulrich in’s Wert zu setzen, was bei
den großen Terrainschwierr leiten nur
mit riesigen Kosten und Au wand aller
Energie möglich gewesen war.
Seither ist das herrliche Grödner
Ländchen in bequemer dreiftündiger
Postfahrt von Waidbrurl aus zu errei
chen, und in den letzten Jahren quillt
den Einwohnern ein neuer Born der
Einnahme aus dem Fremden- und
Touristenverlehr.
ff
«- «-»,
Attentate auf die Königin Viktoria.
Tag Leben der Konigin Vittoria ist
häufiger bedroht gewesen, als das irgend
eines anderen europäifehen Herrschers.
Zum ersten Mai war es am 10. Juli
list-U als ein 17iähriger junger Mann
Edivard Oxford zwei Pistolenschüsse auf
sie abfeuerte, ohne sie zu verwunden.
Der Verbrecher wurde für wahnsinnig
ertlärt und in ein Jrrenhaus gesteckt.
Zwei Jahre später, am 30. Mai 1842
schoß ein gewisser John Francis nachihr.
Er wurde zum Tode verurtheilt, aber
von der Kdnigin begnadigt. Zwei Tage
nach feiner Begnadigung versuchte ein
Anderer Namens Bean die Königin zu
ermorden. Man verurtheilte ihn zu
drei Jahren Gefängniß und öffentlicher
Ausbeitschung, da die Todesftrafe für
versuchten Konigsiuord inzwischen abge
schafft war. Am lit. Mai 1849 machte
ein Jrlander ein neues Attentat und
wurde auf sieben Jahre dedortirt. Jm
folgenden Jahre schug ein ehemaliger
Husarenlieutenant Robert Pate der
Königin mit einem Stock heftig ins Ge
sicht und wurde ebenfalls auf sieben
Jahre devortirt. Dann ionnte Viktoria
22 Jahre lang ruhig leben. denn bis
1872 trachtete man ihr nicht nach dem
Leben. Das leiste Attentat gefehah am
2. Mär-z lässt-. Der Schuldige, ein
gewisser Maclean, wurde in ein Jrrens
haus gebracht.
— A l l z u viel Vorbereitung ver
dirbt zuweilen das Gelingen.
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