Vor Gericht Kriminalromnn von Paul Oskct Höckkk (7. FortsetzungJ Er hatte mit jeder Hand den Hals eines Beutelj ergriffen. Gödecke löste feine» kyingee uno zog die Beutel wieder hastig an sijp heran. »Gut, dann brauche ich ja nur den eineni« flüsterte der Agent in erreg tebtn Tone. »Wir zählen schnell c . . . .« »Nein, nein«, warf Scheuertnann ein, »das geht nicht. Jch habe nachher keine Zeit zum Zählen. Nehmen Sie den Beutel mit rund sechshundert " Und aus dem anderen gebe ich Jhnen dann noch in Scheinen. . . also wie viel?« »Neunhundert!" Der Zahlrneister griff in den Sack und nahm ein Couvert heraus, das oben neben den Rollen mit den Gold stücken lag. Mit zitternd-en Fingern» « blätterte er in den blauen Scheinen ! ,,Beeilen Sie sich!« drängte Gödecke gereizt »Ich höre Schritte auf derJ Treppe!« ’ Scheuermann erbebte, als er sah» wie der Agent den ersten Beutel über! eine im Getdtaften stehende Truhe hielt und den ganzen Jnhalt mit einem ein sigen Ruck da hinein entleerte. Hei-I stig nahm der Zahlmeister den anderen ? Beutel an sich und schob feinem; Schwiegervater die abgezählten neunj Scheine hin. I Da öffnete sich eine Thür. Beide - fuhren jäh zufammen. I »Ich horte doch hier sprechen» Fritz,tdu?1« Tief eine helle Stimme i di rcar H. l »Ah-del Ruhe!'« raunte der Agenhl dessen Stimme merklich zitterte, dens beiden zu. Dann lauschte er nach der l Treppe »Mensch —- hinein!« stieß er angstvoll aus, nach der Wohnstube ! Zeigend Scheuer-wann hatte den gefüllten j nnd den leeren Sack an sich genommen s und sprang in’s Nebenzimmer. Käthes folgte ihm. l Deo total erfchöpfte Zahlmeister hatte dort auf dem Sofa kaum Platzs enommen, als die Thür vom Bureau Ich wieder öffnete, und Gödecle diel "Dienftmütze Scheuermanns, die dieser! drinnen verloren hatte, hereinschleu-j jderte. ; »Und sich nicht sehen lassen —- u271’;3 vHimmels willen sich nicht sehen lassen, I ; .Fritz!« rief der Agent seinem Schwie- i sgerfobn zu. I , Jm Wohnzimmer herrschte darauf i » kschwiiles Schweigen. l ;-- Käthe war die ganze Sache sehrs ; Deinlich Sie gab im Grunde ihremj " Bräutigam darin recht, daß er sich ge- E sträubt hatte, das Manöver auszufüh- ! ten. Gestern war sie aber aus Oppo- j Mionsgeist gegen ihn gewesen. Jetztl schämte sie sich des kleinen Zwiftes am l gefirigen Abend um so mehr-, als ihr; Bräutigam ihr weder einen Kuß noch J einen Händedruck gegeben hatte. ( :- »Frit3, trinkst du eine Tasse Kaffee?« H « .Danle!« brummte der Zahlrneister. i - Er lauschte angespannt nach dem Ne- 1 Ienzimmen i Thatsächlich war in dieser Minute I ’ Jemand von draußen hereingekommen. s ; An dem Tone Gödecte’s konnte man j III-erken, daß es der- Director der Ver zxerungågesellschaft war, der sich zur -· is« vision eingefunden hatte. Gödecke ".«-«"sp.ielte natürlich ein bischen Komödiep ice stellte sichv erstaunt, obwohl ihm wie s den meisten Agenten solche Revisionen EW irgend einen Freund im Unter enal der Direktion privatim stets - ; · ein paar Tage vorher angemeldet spenden, und er den Revidenten gerade -Hie3mal zu ganz bestimmter Stunde Wrtet hatte. « . »Le ,-·»,v...( .. -» . » «Trint doch, Fritz,« bat Käthe in sanftem Ton. »Mir zuliebe. Er ist - gaan frisch ausgebrüht. Und ein Bröt TM- Ftttz. M« sp; «Danke. Jch kann jetzt nichts ge T Eritßen.« Er sagte es fast abwesend, Dädsemd ev die Uhr zo und bald die Zum Bureau führende här, bald das , . Zifferblatt anstarrte. «;;:«Wieder gab es eine Pause in der - Futerhaltung des Brautpaares. Kä schob ihre Tasse, trotzdem sie gerade "«- » zu frühstücken begonnen hatte, von und stand ärgerlich aus. Sie setzte «·:W schwellend an’s Fenster, vorn Näh » . eine Handarbeit aufnehmend « --’ einer Weile ließ sie die Arbeit in Schuß sinken. Frist« ·-,« Wenerrnann wehrte heftiq ab. stxssll dacht« sagte er ganz heiser vor bis mir noch böse?« fragte das .- . während sich ein weinerlichev . s Im ihren Mund einstellte. Ins-»- - doch, nötigen steht- vkk Zahl " Eis , der zitternd hinaus-horchte " »Ach seyte er hinzu: »Böse? sollt-e ich dir denn böse sein?« .-2, ich wußte es ja gleich, daß nicht recht war, als ich fnit dem « «- t tanzte.« . « ! Mit was für einem Lim M«—— ich weiß von keinem »He «1ntt herrn Lieutenant v. :. F ann fuhr in die Höhe. ) W Was saasi das« war gleichfalls erschrocken z gen. Heiß —- me-in Gott« « du« denn nur-? Aber das ist i, mit dir! Ach, lieber hine isbsäeuliche Gelt-P — — -—; ,,Du, Köthe,« sagte der Zaylmetster rauh, wenngleich noch immer im Fliisi sterton, »den! nur, sie haben ihn in den Anlagen todt ausgesundenS« »Wer: denn, Frist« fragte das Mädchen erregt. ,,,Nun den Lieutenant!« »Ach, du liebersGott!« »Stil! —- stilll . . . Du, sie rechnen immer noch!. Heiliger Himmel, wenn es noch lange dauert, dann ———« «Fritz, aber das ist Ia unmöglich — ganz unmöglich! Lieutenant v. Meerheimb todt?!« . »Ja, ja! Aber, laß mich doch um’s E Himmels Willen in Frieden. Das ist " ja, urn den Verstand zu verlieren!'« Käthe war start erschüttert durch diese Mittheilung. »Todt — todt — und heute früh hat man noch mit ihm getanzt — und er war so lustig und guter Dinge!« »Wenn du jetzt nicht schweigst, Kä the, so laus’ ich davon, und dann wirst du ja sehen was aus uns wird!« »Aber erkläre mir doch nur, Fritz, ich tann das ja gar- nicht fassen. Jst er verunglückt? Wie war das denn nur möglich?« »Schlagansall!« sagte Scheuer mann kurz. »Er wird zuviel getrun haben —- ja, das wird der Grund sein.« Schritte näher-ten sich der Thür. »Der Vater kommt!« sagte Rathe hastig. Man hörte den Agenten noch drin nen an der Thür ein paar verbindliche : Worte sagen Dann ging die Thür auf, und Gödecke kam herein. »Ach, liebe Käthe, ein Glas Wasser siir denHerrn Directov!« sagte er laut. · Hastig zog er den Zahlmeister, der ihn , unruhig ansah, beiseite. »Noch eine: » habe Stunde, Fritz, dann bist du er-; löst!" i Nur mitMühe unterdruckte Scheuer- I mann einen Aufschrei. »Was, jetzt - noch eine halbe Standes« »Ruhig! Er hört uns ja! Thu mir den einzigen Gefallen und verhalte « dich still. Je ruhiger es hier ist, desto schneller geht die Sache vorüber!« Laut fügte er, seiner in die Küche ge eilten Tochter nachrufend, hinzu: »Da, Käthe, und wenn Geschäftsbesuch kommt, so sage, daß ich nicht vor halb ; zehn Uhr zu sprechen sei. Hörst du«-« z »Bor halb zehn Uhr!« stöhnte. Scheuermanm ; ,,Ruhe — Ruhe doch!« « »Solange kann ich nicht warten!" Der Zahlmeister machte ein paar ha stige Schritte und blieb dann wieder stehen, auf die Uhr blickend. »Noch drei Mir uten bis neun! Und Onkel Todias ist auch noch nicht da! Bis zehn Minuten nach voll warte ich noch, . dann komme ich hinein in’s Bureau — und dann werde daraus, was da willk« - Gödecke hatte seiner Tochter das Glas abgenommen. Es tlapperte aus « den: Teller, den er in seiner zittemden Hand hielt. L »So —- dante, mein Kind!« sagte. Gödecie laut, sich zu einem freundlichen Z Ton zwingend ; « Als die beiden wieder allein waren, I wars sich der Zahlineisier m eine Sofa- « ecke schlug die Hände vors Antlitz und verbarg es in den Kissen i Käthe war so ergriffen von seineri Verzweiflung dasz sie auf ihn zueilte an dem Sosaende in die Kniee sank und in Thriiinen ausbrach. ,,,Ach Fritz, lieber Fritz, es thut mir.1 ia so leid —- ach, und-wenn ich nur hel fen könnte!« Sie umschlang seinen Nacken nnd leqte ihr Antlitz an seine Schulter. Jhr aufrichtiger Schmerz that dein Verlob ten wohl. Er war selbst ein wenig weich gestimmt und küßte das Mädchen ausdie Stirn. »Dein Vater macht uns beide un glücklich!« sagte er stockend, während er sich halten mußte, um nicht in Ihrs nen auszubrechen. Ein paar Augenblicke hielten sie sich zitternd umschlungen. Es schlug neun Uhr. Sie fuhren auseinander, und de Zahlrneister erhob sich. »Nein, es geht so nicht!'« sagte er mit einem festen Entschluß. »Fritz, was willst du thun?« fragte das Mädchen schnell, während sie nach der Buveauthür sprang und sich mit ansgebreiteten Armen davor ausstellte. »Noch zehn Minuten —- hast du ge sagt!« , J »Ich kann nicht. Ich ertragTJ ern sach nicht.« »Aber, was hast du denn sonst vor? Fritz, Fritz, ich beschwöre dich ...'· »Weißt du, wo das Bankgeschäst von Golland ist? Jst es nicht in der Büchtingstraße gleich an der alten ; Färbergasse?« »Ja —- ja! Aber wäve es denn nicht ! Thorheit, wenn du jetzt hinlaufen - wolltest, um —?« ,,Ueberzeugen muß ich mich! Viel leicht hat es damit überhaupt nicht seine Richti leit!" »Du sieh gleich zu schwarz! Nein, und wie aufgeregt du bist! Deine hände sind eisig talt.« Jenermann setzte die Mütze auf. « riß, du willst wirklich sort?«« ,,Ja!« Er hatte es rauh und sast laut ausgestoßen Nun sprang er nach der Thür, durcheilte den Flur und stürmte die Treppe hinunter. Käthe blieb, trampshast das Ta schentuch zwischen ihren Händen zer Intillend, mitten in der Stube stehen —- rathlo5, gequält, gepeinigt. , Scheuer-wann flog durch die Stra ßen, der Glätte ungeachtet, die durch den nächtlichen Schnee-full und den da raus einaetretenen Fwst hervaraerufen worden war. Es war zehn Minuten nach neun Uhr, als er an das Bantge fchcift von Golland kam. Er trat, nachdem er sich nach allen Seiten klo Pfenden Herzens umgesehen hatte, ein. Rnsch überflog er die Ueberschriften, die über den einzelnen Schaltern ange bracht waren. »Auszahlungen« hieß es auf dem Schild über dem zweiten Schulter. Er trat hinter die dort war tenden Leute, die der Reihe nach von den Bantbeamten abgefertigt wurden. Es war fünfzehn Minuten iiber neun Uhr, als der Zablmeister endlich »an die erste Stelle rückte. ,.Verzeihen Sie,'« stotterte er, »Ich wollte draußen mit einem Verwandten zusammentreffen; ich glaube, er hatte hier geschäftlich zu thun —- möchte alter nun gerne erfahren, ob er schon dage wesen ist oder« ob ———« »Wer solks denn sein? Von wel cher Firma ?« »Ein Herr Gödecke. Herr Tobiaö Gödecke.« Der Angestellte lächelte. »O ja, Herr Gödecle war schon hier« »Ist das lange ber?" »Ja, er war gleich« nach Oeffnung des Geschäfts da, mußte aber war-ten, bis der Buchbalier kam. und der hatte sich des Schnees wegen verspätet.« »Ich dunkel« sagte der Zablmei ster unsicher. »Und wielange ist er schon fort?« »Gut zehn Minuten!« Scheuerinann biß die Zähne auf einander und rannte davon. Am lieb sten hätte er in seinem ohnrnächtigen Grimm laut ausgeschrieen. Jetzt ke reute er natürlich, nicht auf die Käthe Gehört zu haben. Gewiß war Tobias gleich nach seinem Fortgang in der Wohnung des Agenten eingetroffen. Wer bürate dafür, daß Kiitbe ihn jetzt nicht hinter ihm hergeschickt hatte? Sicher verfehlten sie sich dann auch das zweite Mal, und dann . » ; Die Angst beflügelte seine Schritte. Schweißgebadet traf er in der Woh nung des Agenten ein. Die Thitr zum Flur stand offen. Scheuerrnann stürmte in’s Zimmer. Jubelnd tarn ihm Rathe entgegen. »Das Geld ist da, Fritz!« rief sie ihm, ganz aufgelöst von der ausgestan denen Angst, zu. Scheuer-wann tnickten die Kniee ein. Er mußte sich einen Augenblick bin-v setzen. Zu sprechen vermochte er nicht. Aufgeregt sprachen ihm die beiden anderen zu. Tobias Gödecke, fonft fo» ernst und bedächtig, erging sich in brei- s ten Schilderungen von den Wegen, oie’ ex am heutigen Morgen schon zurückge leat bade. Der Zahltneister hörte nicht hin. Plötzlich sprang er wieder empor undi zeigte nach der Wandubr. »Fiinf Minuten bis halb! Heiliger Himmel —- urn halb ist Appell!« Tobias hatte die Scheine bedächtig· aufgezählt Scheuermann fah einen Tausendntarstfchein und fünf Hundert martscheinr. »Hei- mit dem Geld!« stieß er her-. vor, raffte die Scheine zusammen,« stopfte sie rnit zitternder Hand oben auf das Geld, das er in dem Beutel trug, , verschnürte das Säckchen hastig nndj schoß zur Tbür hinauf-. Kätbe lief bis an den ersien Treppenabfatz hinter ihm drein. Da er sich aber nicht ein mal umwandte, kehrte sie unrritttlpigi Und verletzt wieder zurück. T Ganz erschöpft tarn soeben derAgent I in die Wohnstube und, als er diese leer ; fand, in die Küche. »Gott sei Dant!« sagte er tief auf atdniend, als er erfuhr, daß Scheuer nrann fein Geld bereits wiedererhalten habe. Sie waren alle drei fo schwach von der ausgestandenen Aufregung, daß sie, wo sie gerade waren, sinen blieben, ohne sich zu rühren. Ausfübtlich sprachen sie noch einmal die ganze Sache durch, und Gödeete litt noch fett unter der Vorstellung, daß ein einziges kleines hinderniß fein Verderben hätte werden können. i »um eine Minute yanoeire nur-gr saate er, die Hände aufs Knie stü tzend und sorgenschwer in’s Herdfeuer blickend. »Wenn zum Beispiel Scheu ermann unterwegs von einem Vorge setzten angehalten worden wäre, so hätte das die ganze Berechnung über den hausen geworfen. Uebrigens scheint sich Meerheimb doch nicht auf der Haupttasse eingefunden zu haben. Das ift wahrhaftig ein großes Glück fürs unsere Sache gewesen." Käthe war bei der Namensnennung des Lieutenants schaudernd zusam mengefahren. Sie hatte in der allge meinen Aufregung die grauenvolle Nachricht fast vergessen. »Ja, wißt ihr denn nicht,« sagte sie, indem sie sich erhob und den beiden näher trat, »daß der arme Meerheirnb todt ist?« Gödecke fuhr entsetzt zurück bei die sen Worten. Die Nachricht schien ihn geradezu niederzuschrnettern. Er öff nete den Mund, um zu sprechen, aber er vermochte nur ein paar unartitulirte Laute von sich zu geben. Aengstlich musterte ihn seine Toch ter. »Weißt du’s —- — von Lands-« Preszte der Agent endlich hervor. Käthe berichtete, was sie wußte. Jhr Vater hatte die Hände an seine Schläsen elegt und starrte sie ganz entsetzt, e irre, an. Scheuerniann rannte rnit derSchnel ligteit eines gehegten Wildes durch die Straßen Kielz nach dem Hafen. Aber alle Eile brachte die verlorene Zeits nicht ein. Scheuertnann gelangte erst WW kurz bot dreiviertel auf zehn Uhr sum Hult No. 1. Schon von weitem fah et, daß auf dem weiten Plan ein Truppentbetl noch in Linie aufmarschikt dastand. wäh rend alle übrigens Appellpiäye in der Nachbarschaft geräumt waren. Scheuermann hörte auf zu laufen. er nahm ein gewöhnliches, wenn auch flottes Matschtempo an, richtete sich Auf, setzte die Mütze gerade und ging direkt auf den Capiiiinlieutenant zu, der den Appell a.bl)ielt. Sobald er um die Ecke des Erst-zier ichuppens bog und der im «,ittühti euch!« dafiebenden Truppe sichtbar wurde, ging eine kleineBetoegung durch die Reihe der Mannschaften. Auch den Capitänlieuteuant, der in Beglei tung des Zahlmeifters Ftöben von de: Werfidivision —- desselben, mit dein Scheuetmann beuie morgen auf rec Hauptiasse eine Uniettedung gepfiogen hatte — vox der Front auf und nieder ging, bemerkte jetzt den Nähettommens den. « Capiiänlieutenant Wetterling war ein sebv gefürchteter Vorgesetzten Bot allem konnte er das Warten nicht ver tragen. Daß gegen zweihundert Mann, zuzüglich der Cbatgiekten, der Unpiinltlichieii eines Zablmeistets hal ber fast eine baibe Stunde long im Schnee sieben mußten, erschien ihm ge radezu ungeheuetlich. »Melde mich zur Stelle!" sagte Scheuermann athemlos, indem er, drei Schritt bot dem Vorgesetzten steh-en bleibend, militärische Haltung an nahm. »Na, es diirfte ja wohl endlich an der Zeit sein!« sagte der Capitäniieu tenant ironisch. Er nahm den Zahl meifter scharf aufs Korn und fragte die Augen zusammentneifend: »Sie haben die Hauptkasse um acht Uhr drei Minuten ver-lassen mit dem Geldes Stimmt das?« ,,"3u Befehl. Herr Eapitänlieute-s nnnt!« — I »Wo sind sie in der Zwischenzeit ge wesen? Sie haben sich mit dem tat serlichen Eigenthum in der Stadt her umaetrieben. Herr, wissen Sie. daß das gegen alle Dienstordnung ist?« »Verzeihen der Herr Capitänliente nant, ich habe ——« »Ich will nichts hören!«' unterbrach idn Wetterling. »Sie werden sich an anderer Stelle zn verantworten ha ben!« Er wandte sich an den ältesten der Deckofsiciere, die am rechten Flügel der vier Schritt dor die Front getrete nen Chargierien standen »Es wird oiort Meldung an die Division ge macht. Setzen Sie die Sache auf nnd neben Sie mir sie dann zur Unter schrift.« Scheuerinann war leichenblaß ge worden. Er verzog aber keine Miene. »Jetzt liefern Sie wLGeld ab, saht meisier Scheu-ermann, damit wir zu Ende tornment'« Der Zadlmeister trat an den Raser nentisch, der im Exiznee mitten dosr der Front stand-. Der Feidwedeldienste thuende Tectosficier rechnete in Ge meinschaft mit den beiden Schreibetn nach. Dann wurden tieine Häuschen gebildet don den verschiedenen »san«-, forten. Der alte Deckofiicier sah den Zahl rneisier-ganz verblüfft an, als er Nöß lich den Tansendrnartschein nnd isag übrige Papiergeld erblickte. »Ja, zum Geier, damit kann ich doch keine Ma trosenlöhnung auszuhien!« brummte er vor sich hin. · Wettenling setzte natiirlich nun nst recht eine grimmige Miene auf. »Also dazu hatten Sie keine Zeit, uns das Geschäft hier zu erleichtern? Sie haben wohl erwartet, daß ich selbst tausend Mark Courant aus dem Rit cken anschleppen werde, um Ihnen ten Fetzen da einzulZsen? . . . Das geht mir denn doch iiber die Hutschnur!« Er trat dicht an den Zahlmeister deren. »Wo waren Sie mit dem Gelde? Sie sind also Ihren-. Vergnügen nachgegan gen, statt daß Sie Jhte Pflicht erfüllt hätten?« »Nein, Herr Capiiänlieutenant!« stammelte Scheuermann· »Aber fo fagen Sie doch, wo Sie waren! Sie sind nicht in der Stadt aewefeni Wo denn sonst?« Scheuermann wirbelte allerlei durch den Kopf. Er fand keinen Ausweg. Endlich blitzte ihm ein glücklicher Ge danke auf, und er faate tiefaufath mend: »Ich hatte die Geaenzeichnnng des auffichtfiihrenden Officierg noclj nicht und wollte ihn in feiner Woh nuna auffuchen ——" »Hm, fo. hm!« machte der fchneidige Vorgesetzte, indem er sich plötzlich etwas milder zeigte. Es war ihm aus eigener Erfahrung bekannt, daß diefe kleine Comnrandos, die fo zeitraubend fiit die Herren Officiere find, felten mit allzu großem Eifer befolgt wuc den. »Wer hatte denn heute den Dienst als aufsichtsfiihrender Offieier?« »Hu Lieutenant v. Meerheimb.« « er?« Wetterling fah den Zahl meifter durchbohrend an. »Und den wollen Sie ausgesucht habe-ni« Scheuermartn fah es den blihenden Augen des Capitiinlieutenants an, daß diefer ihn nun in der Klemme zu haben glaubte. »Ich bin nicht bis zu feiner Wohnung gelangt, denn unterwegs hörte ich, daß Herr v. Merrheimb verunglückt fei. Da machte ich lehrt und kam hierher.« Wetterling ärger-te sieh darüber, daß ihm der Untergebene, der ihm offenbar einen Bären aufband, so leichten Laufs entwifchtr. »So, wer hat Ih nen denn das gesagt «- von dem Un alüel2« — Der Zahlmetster gerieth wieder tn Besiegenheit »Es tanr ein Matrose gerade aus der Gegend, und der wußtt es,« stotterte er. »Und schrie es Ihnen so ohne wei teres über die Straße zu. wie?« fragte derCapitänlieutenant scharf. »Dae est Ia ein höchst verwunderlicher Ver kehr zwischen einem Zahlmeister und einem Matrosen!« »Es war zufällig ein entfernter Ver wandter —« »Wie heißt er denn?« fragte Wetter ling rasch. »Hans Gödeckel« erwiderteScheuer mann in seiner Aufregung. - »So?! Das ist ja wohl der Bursche des Herrn v. Meerheimb?« »Zu Befehl, herr Canitänlieutei nant!« Der Zahlmeister sagte es ton los, ein wenig zitternd. Es trat nun eine Pause in diesem Berhör ein. "Wetterling wandte sich schroff von dem Zahlmeister ab und begab sich zu dem Tisch, wo er mit dern Deckofficier sprach. Die Löhnung konnte nur mit Hilfe des glücklichen Zufalls stattfinden, daß der Zahlmeister Fröben fiir mehrere hundert Mart Gold und Silber besaß die für die Officierszuschiisse noch aus zuzahlen waren. Da ihm Papicrgeld selbst lieber war, so war er schnell be reit, das Wechselgeschäft vorzuneknnen. Zu je zweien erhielten nun die Leute ihre Löhnung sowie die Kleidergelder. Die Mannschafien theilten aus der Stelle. und in wenigen Minntrn war die Sache beendigt. Der älteste Decksofficier ließ nun »stillstehen«, richtete die in Unordnung gerathenen Glieder wieder aus nnd meldete dem Eapitiinlieutenant in stramrnem, militärischern Tone: »Die Mannschaften sind abgelöhnt!« Wetterling dankte dadurch, daß er zwei Finger an denMützenschirm legte,j nnd trat darauf vor die Mitte der Front. »Seit noch einer der Leute eine For- l derung an das Commando —- an Geth Brot oder sonstigen Competenzenis Der trete vor!·' Niemand folgte diesem Ruf. »So sind die Mannschaften entlas sen E «’ · Wie ein Mann machte vie ganze Truppe kehrt, ordnete sich dann wieder in andere kleinere Abtheilungen und begab sich im Laufschritt, da den mei sten die Füße vorn langen Stehen im Schnee wie abgestorben waren, zur Eingangsbrücte des Hults No. 1. Zwei Leute fchnfften den Tisch fort» Außer Wetterling nnd dem Zahlmebl iter blieben nur noch die Deckofficiere nnd die Maate auf dem Platze zuriiet. Schenermann klopfte das Herz fast hörbar, als er den Capittinlieutenant nun wieder auf sich zukommen sah. »Sie hoben also den Matrosen Gö- l deckt heute früh um neun Uhr gespro en?« Der Zahlmeister sagte sich, daf-, die von ihm vorgenommene Schiebung herauskommen müsse, wenn er jetztk widerriefe. Rasch schwirrte es ihm! durch den Sinn, daß er den But-schen des Lientenants nachher sofort von der Sache nnterrichten tönne. Er erwi derte also nach nur ganz kurzem Zö gern: »Zu Befehl, Herr Capitänlieu tenont!« Wetterling sah ihn noch durchboh render an· »Das ist die Unwahrheit, Herr Zahlmeister Scheuermann!« Eine athemlofe Paufe, während ; deren der Untergebene zu zittern be gonn. »Der Matwfe Gödecke ist vor fünf- , zehn Minuten, wie vom Polizeirevierx nach der Kafernenwache telephonirt wurde. in feinem Schlafraum bewußt los aufgefunden und sofort nach dem Lazareth gebracht worden« Es tanzte dem Zahlmeister vor den Augen. Er senkte die behenden Lider. Seine Lippen waren treideweiß gewor den. »Für Jhre dreiste Behauptung, diei einer Achtungsverletzung Jhres Vorge- i setzten vor verfammelter Mannschaftz aleichlommt, werde ich Sie zu exempla- t, rischer Bestrafung höheren Orts mel- i den. Jch verhänge gleichzeitig bis auf « weiteres Stubenarresi über Sie." « Scheuermann wankte. Er standl gebeugten Hauptes da. Der Capitänlieutenant gab dem , ältesten Deckofficier noch ein paar Be- ; fehle, die sich auf die Feftnahme des! Arrestanten bezogen; dann verfügtei er sich nach dem Vulk, um sich den Wachthabenden der Kasernenwache kommen zu lassen. Gebrochen und ganz fassungilos . folgte den Zahlmeifter feinem Vorge-; letzten. An der Thiir feiner Kases i l l nenstube nahm ihm der ältefte D officier den Degen ab. Neuntes Capitei. Der Oberstabsatzt hertling hatte sich bald, nachdem Ewaldö Leiche nach j der Todtentapelle des Marinelazateths 1 gebracht worden war, zu seinev Bist-? tenrunde ausgemacht. ! Jn einigen Däusern fragte man ihn T sofort mit großer Bestütznng über den I sensationellen Fall aus. Durch dass Gesinde war das Straßengerede schon J in die Salons getragen worden. « Ueberall herrschte lebhaste Aufregung T Hertling hatte große Mühe, zu be- i weisen, daß der traurige all wissen- ; schastlich durchaus nichts »wunder liches habe. »Aber es ist doch der erste derartige i Fall in diesem Wintert« wandte man I ihm ein. »Die Witterung qu mit( Ausnahme der ersten beiden Wochen I des Monats Dezember durchaänaioI Wiss mild: nnd auch der Frost der legten Nacht iann nicht gar so schlimm gewe sen sein. Nur eine ganz dünne Eis decke bat sich über den Föbrde gebildet, und die Mitte der Bucht ist auch seht noch eissrei!« »Meine Herrschaften, es kommt durchaus nicht aus den Kältegrad an, sondern aus den individuellen Zustand desjenigen, der der Kälte ausgesetzt ist. Bei nahrhaster und kräftiger Kost so wie bei genügender Bewegung erträgt der Mensch erstaunlich niedrige Tem peratutgradr. Sie wissen, dasz es Nordpolsahrer gegeben bat, die mo natelang einer Kälte von vierzig, ja siinszig Grad Celsius getro t haben. Ganz anders abeo wirkt die älte auf einen ermüdeten, start erschöpften Körper ein. Bedenken Sie: Lieutu nant o. Mnrbeimb hatte gestern vonr frühen Morgen an mit der Ausschnriis ckung des Ballsaales zu thun. Zwi . schrndurch traten noch verschiedene j militärische Anforderungen an ihn heran, und- Abends hat er viel ge tanzt. Ja, meine Herrschaften, über legen Sie sich nur, was der Mann sür Anstrengungen durchgemacht hat. Man hat bewiesen, daß eine durch tanzte Nacht eine viel größere Stra paze darstellt als ein sogenannter Kriegsmarsch der Jnfanteristens im ." Manöver.« Die Damen des Hauses, in denr der tleine Oberstabsarzt, der gar zu gern planderie, diesen Vortrag hielt, lach ten über die letzte Bemertun Heri lings und wollten ihr keinen lauben beimessen. »Aber ich ver-sichere Ihnen, meine Herrschaften, daß zum Beispiel ein Sträsling, der gezwungen würde, jeden Tag sechs bis sieben Stunden sang in einem unbequemen Anzu und engem Schuhwert auf den Fußsepitzen sich sinnlos um seine eigene Achse zu drehen, schon am sünsten Tage dieser Gewalttur in’s Lazaretb gebracht wer den miißte! — Nein, nein, meine Da men, es giebt nichts Anstrengenderes und Ermüdenderes als solch eine Ball nacht!« ,,....-.. ..». ..-..»... -».., z-» , Herr Oberstabsarzt, daf; ein forfcher, junger Lieutenant mit einem anderen Feuer- tanzt als ein Individuum, dem man zwangsweise die Strapaze des sinnlosen Herumdrehens um die eigene Vertilalachfe zudittieti« Hertling niclte lächelnd. »Gewiß, es tornmt für den Tänzer noch die Musik, der Champagner und das Auge schöner Frauen hinzu. Dieses Trio zeitigt natürlich einen Rausch der Beaeisterung.« « »Besonderss, wenn ein so schönes Auge auf dem betreffenden Tänzer ruht, wie zum Beispiel das des Fräu leins von der Tann.« »Wie, meine Damen. Sie wußten also auch schon davon, daß man plante, den Herrn v. Meerhcimb mit seiner Eousine zu verheirathen?« Die Damen bejahten. »Welch ein tragisches Schicksal fiir das arme Fräulein von der Tann! Zum zwei tenmal schon verliert sie den Bräuti gam.« »Sie wird ihrem Vetter wohl nicht lange nachtrauern. Am gestrigen Abend hat ihr nämlich der Freund Meerheimbs, ein gewisser Sendlinger, in einer Weise den Hof gemacht — »Ach, wie interessant! Erzählen Sie. erzählen Sie!« Der Oberstabsarzt mußte leider be dauern. Er hatte um zwölf Uhr die vierdienst imMarinelazareth, und vor her wollte ihn noch der Eorvetteneapis tän Pogstorff sprechen, der von dem Ableben Meerheimbs bereits auf lizsienstlichem Wege Kenntniß erhalten atte· Er traf, nachdem er seine Besuchsi runde erledigt, den Eommandeur Vog storff in dem Augenblick, als er vor detåi Marinelazareth den Wagen ver lie . »Nun sagen Sie mir, wie war das möglich?« rief ihm der Capitän schon von weitem zu. »Ich dachte, mich träfe ein Schlag, als ich die Nachricht Ver-nahm! Ein b.liihender, gesunder junger Mensch —- morgens um zwei Uhr fidel und guter Din e und ein paar Stunden später eine eiche! Jch muß Jhnen offen gestehen, ich hielt das mit dem Erfrieren anfangs fiir ein Märchen und glaubte an einen Selbstmord. Aber hr Feugniß ist ja so tlar gewesen, da i schließlich an einen natürlichen Tod glauben mußt-« Herstling hob die Schultern. »Na türlich tann man ihn doch wohl kaum nennen, Herr Capitäm Es wäre jedenfalls nicht nöthig gewesen, daß Fikerheirnb dem Frost zum Opfer e ." »Nun —- nithig allerdings nicht!« sagte der Commandeur verwundert. »Ich will damit sa en: es sprachen da noch andere Einst· sse mitt« setzte der Oberstabsarizt hinzu. »Der arme Meerheimb hatte estern Abend jeden falls mehr getrun en als sonsi.« »Das bestreite ich. Jch habe Meer heitnb bei Liebesmahlen ost beobachtet, denn ich habe mich von jeher süt ihn interessirt und mich stets darüber ge freut, daß er zu der samosen Froh laune, die ihn auszeichnete, nicht der Anregung durch Champagner be durste.« »Aber kein Freund Sendlinger, der ihn schlie lich ausgefunden hatte, ist anderer Ansicht. Er ist ein glaubn-ör diger Zeuge dasiin dass Meerheimb, bevor er seinen verhängnisvollen Marsch antrat, noch einen tüchtigen Grog getrunken han« Gortsesung folgt.)