«.t Ein Wirt-ersehen. Novellette von M. Dberberg. Tiefe Stille herrscht in dem präch tlgen Wohngemach, in das die unter gehende lSonne ihre letzten, rothgoldii aen Strahlen wirst. wei Personen ·nd anwesend; trotzdem ört man nichts als den Pendelschlag der Stutzuhr auf dem Kaminsims nnd die regelmäßigen Uthem"zlige eines auf dem persischen Teppich schlafenden Nensundlijnders» Da hallt ein Seufzer durch das Zim mer. Tie Frau mit dem feinen, blas sen Gesicht, die, liber eine Sticlerei ge beugt, am Fenster sitzt, hat ihn ausge Boßem Erschrocken, als hätte sie ein nrecht gethan, blickt sie nach der am Schreibtisch sitzenden Männergestalt hinüber· Ja den finstern, stolzen Zit gen verändert sich nichts —- beruhigt wendet sich die Frau ab. Sie tann höchstens einige vierzig ählenz trotzdem ist ihr Haar bereit-z chneeweiiz. lks legt sich aber noch in dichten Wellen um die tlassiich geformte Stirn und verleiht mit seinem schim mernden Silberglanz dem edlen Gesicht einen eigenartigen Reiz. Baron von Salten wußte eigentlich sehr wohl, weshalb seine stille, gedul dige Gattin so schwerniiithig war. Plötzlich steht er auf und legt feine dand auf ihren Arm. Frau Mode leine zuckt zusammen und sieht ver mindert in das eigenthiinilich erregte Gesicht ihres Mannes. »Sage mir doch, tann ich gar-nichts sür Dich thun-« fragt er mit seltsam weicher Stimme· »Ich danle Tir, Georg. Jch fühle mich ganz wohl,«« entgegnet Madeleine leise nnd matt. cl’I)-.s«-I-:..-« Inn-«- -.. c--4 m» - »san«-wu- ue., uqss LI- (»1s, »Hu sollst bald gesund nnd kräftig werden. Jch möchte mit Dir eine Reise eine weite Reise unternehmen. « Jbr Blick belebt sich. Forschend sieht die Baronin in die Augen ihres Gemath Du wolltest —t« stam melt sie fast athemlos. »Ja, mir beide wollen sie suchen, unsere (sditha!« »(5«ditha!« schreit Madeleine auf. Seit-fünf Jahren ist der Name nicht mehr genannt worden. Und nun sprach ihn der sinftere, harte Mann selber ang. Madeleine ringt saf snngålos nach Athem. Jhr Gesicht ist noch um einen Schatten bleicher ge worden, ihre Augen gliihen. Jetzt ergreift sie mit zitternden Händen den Arm ihres Gatten. »Gemei, wenn es zu spät wäre! Wenn mir sie nicht mehr finden!« Er zuckt zusammen· Hat er sich nicht schon selbst diese Frage vorge legt? »Es find jetzt drei Jahre her, dasz wir nicht-J mehr von ihr . .. und War den gehört haben,« fahrt Madeleine Infgeregt fort. »Seit drei langen Jahren sind sie vollkommen verschul ien. Vielleicht ist sie todt —- im Elend nmgeloininenl« Tie letzten Worte kamen langsam, abgebrochen über MadeleineS Lippen und erstorben in einem Hauch. Jhre Hände sanlen schlaff herab, und wie gebrochen fiel die ganze Gestalt in sich zusammen Entsept reifzt der Baron sie in seine Arme »Maoeieme,«" ruft er in Verzweif iunqx »Modeleine, höre mich doch! Jrh belornme ja Nachricht, und wir keier dann beide sofort, wir suchen ie!« Ihr bleicher Mund flüstert etwas-. Jsditha W Hans-— wir finden sie nicht mehr. . . Ein rother Tropfen erscheint auf den iarblosen Lippen; mit einem leier Seufzer sintt ihr Kon zurück. . « s . I Der Tagen dem man sein Weib sur Ruhe getragen hert, ist sehr arbeits eeich für Baron von Saiten. Er sitzt schon stundenlang an seinem Schreib tisch, stöbert in alten Papierem sinnt und griibelt wieder Endlich ist er fertig. Einige adress firte, versiegelte Barschen liegen vor ihm. Er legt sie in ein Fach, verschließt eg undstectt den Schlüssel in ein Convert, das erebenfalls adreisirt und versiegen Nun öffnet der Baron ein Kästchen, aus dem er einen Nevalver nimmt. Er anterzieht die Waffe einer sorsiiltigen Prüfung und legt sie vor sich aus den Tisch. Ein Zug tiefen lttraines liegt Jus dein bleichen Gesicht. Er zieht einen Brief ans der Tasche, den erheute sriih erhalten hat« Tag lioiioertttraat ven Stempel New Wort. Er faltet das Schreiben auseinander und liest wohl schon Zum zwanzigsten Male: »Weder Freund —- eS thut mir rin endlichleid, Tit keine befriedigende-re Antwort aus Deine Zeilen geben in können. Jch habe nichts weiter er fahren, als daß ein gewisser Hans Warden mit Frau und stino hier in New York einige Zeit gelebt hat. Seit anderthalb Jahren hat man nichts mehr oon den Leuten gehört, sie sind voll-; kommen verschollen—-——« » Da offnetoer Diener leise die Thür und meldet: ,,l5ine Dante wünscht den Herrn Baron zu sorechen.«« Eine Dankes lir will niemand sehen. Eine matt abwehrende Oanobei wegung, und der Diener entfernt sich. Mit unnatürlich starrem Blick sieht ihm der Baron nach. Noch immer haften seine Augen auf der duntlen Portierr. Do wird diese wieder zurückgescho ben, und eine tief verschleiern Frau steht an der Schwelle. Der Baron bliat wie vergeiftert auf die Erschei MINI. Plötzlich tonunt Leben in die statnens hafte Gestalt des schianken Weibes. Sie stürzt vorwärts mit flehend erhe benen Armen, dann bricht sie lautloe » vor dem Manne in die Knie. »Vater!« ; »Editha!« schreit er aus. »Mein . Kindl« H Mit einer leidenschaftlichen Bewe : gnng reißt der Baron das junge Weib J an seine Brust —- ein heißer Thritneni » strorn löst endlich die furchtbare Span J nung seiner Nerven. F Die beiden Menschen halten sich lange eng umschlungen —- iein Wort kommt von ihren Lippen. Da löst sich der Baron von der Um armung los. Schweigend fiihrt er sein Kind vor das Bild seiner Gattin· »Ich weis; es..· o meine arme Mutter!« sliisterte Editha mit-leisem Schluchzem Tiefe Stille herrscht wieder im Ge mach. Ta wendet sich Edithas blonder Kopf ein wenig zur Seite, und mit, « niedergeschlagenen Augen fragt sie leise: E »Du verzeihst ihm?... Er darf kom mens« Ter Baron nickt stumm. Die Arme der jungen Frau schlingen sich einen Moment um den Hals des Vater-J, dann verläßt sie raschen Schrittes das » Zimmer ; Und in wenigen Minuten erscheint ’sie wieder und mit ihr ein traustop-« figes Biibchen, gefolgt von einer hohen, k schlanke-n Maunergestalt. F Und zum ersten Male reichen sich Tdie beiden Männer die Hand- Siei Ewechseln kein Wort, aber der Blick, Tden sie tauschen, ist beredter als alle . Worte. AAA s f 3 Wunder Schlag. (Mttnchener GerichtsseeneJ Wegen eines Vergehens der Beleidi gung war der Schneidermeister Xaver f Z gegen den Realitätenbesitzer Georg Y llagbar geworden, und stand hiezu . Termin an. Die Streittheile waren! persönlich erschienen, den Klagsmiter-l grund bildete der übliche Diskurs in ; feucht- fröhlicher Bierlaune. s Richter: Meine Herren! Bevor wiri i in die Verhandlung eintreten, möchte? ich Sie daraus aufmerksam machen, : daß es siir mich immer peinlich ist, s wenn Männer hier erscheinen, um ihre angegriffene Ehre gewissermaßen durch ein gerichtliches Urtheil repari - ren zu lassen. Gewöhnlich wurde eine derartig vermeintliche Beleidigung am Biertische verübt, besteht aus einigen « gegenseitigen Schimpsworten und » dürfte eher als grober Unfug bezeich Hnet werden, weil, wie ich denke, eher I die Streitlust, als die Absicht, an der . Ehre zu tränken, vorherrscht. Jch rathe deshalb zu einem Vergleich und stelle an den Kläger die Frage, ob derselbe - hiezu geneigt wäre. s Klager: Ja wohl, a grober Unfug i3’ aa no’ g’wesen und a G’schästsschä digung extra dazua. Die Ehrenkran "tung hat außerdem mehrer wia a; Stund dauert und is’ vor einer gan « zen Stuben voll Leut vorlemma, des- ! wegen mueß er vor mir Abbitt leisten : und dreimal muesz der Widerruf in sämmtliche Blätter. Richter: Nun iiber letzteres Verlan gen läßt sich noch reden, einstweilen ge- « sniigt, daß Sie vergleiche-bereit sind.j ; Sie bestehen also auf leinem Urtheile2j Z Klagen Was? Koa Urtheil? Lieberf jaus drei Urtheil bestehn i! Vier WochaT ! Arrest is’ das Wenigste, auf was i be- - steh —- siir was hani g denn Stadel i heim baut, wenn i fragen dars? Die FAbbitt und dös Einriicken in die Blät- . E ter is ja nur d’ Nebensach. Mir losteti i doch selber die ganze Kriminalsach jetztl l scho bald zwanzg Mart, nacher der cVerdruß, die Schand, dös Ausbläcka Iund der Zeitverlust —- da müeßt i; schön d rauszahlen. i I Richter: Gut! Jhre hochgespannten . Erwartungen werden sich kaum be . wahren Wie ist nun die Sache herge gangen? Der Kläger hat Platz zu nehmen! s I l ! i BeklagteU Baums eayrn nur da Hiehen, Herr Staatsanwalt! J ihua mi leichter, wenn er noch a mal dabei fteht, der Huateren Sie sehn ja, daßY t er darauf warten thuei, daß er die; Such no' a mal wieder hört. —- Hier fiel derKliiger ein: »Den Huaterer an streichen, sag i, Herr Altuar! Dös is a neue-G’schäst3schädigung, i bin a, Schneider und loa Hitaterer!« Nuns mußte sich der Kläger zurücklegen Bellagtert Na, es ig’ g’rad so schön, wenn der Pappler a wengl im Hinter grund ig, hinten is er allerweil. Also am 20. April war a Wetter net zum sagen. Unseroaner hat seine Reißtna thias nnd sunstige faden Sachen. Da lunnft vor lauter Fadeß vergehn und wag willst thuan? Abends gehst in dein rnnchiges Bräuhans, trinlst dein alten Plamp, ißt a Brockl was FROan a Haku und dergleicha nnd wennst a mal recht wehleidig gähnst, nacher trollst wieder hoam ——s so a Leben is nacher aa a Leben nnd wird oan beim Sterben ang’rechnet. Manchmal wird’s besser, wenn Oaner recht dumm daher reden thunt, da gibt’g a Heiz, nnd in der Beziehung is der Xaverl Montier. Reden -' vom Krieg, von der Politik, von der Pest in Indien, vom Kaiser von China oder vom tappeten Brunnen am Lehel —- überall is er dabei Und da hören's nur: Aus a Wort, meine Herren! J bin no’ lang net sirti,Herr Nachbar! Jetz’n limm i, wenn Sie ge stattenl Und wenn er ausg’soßt hat, na san g so g’seheid wia zuvor» Richter: Gut! Den Hergang am 20 April wollen wir erfahren. Beile-gier: Da san mer auf dieBaus ern. an Viehstand, die großen Kartof fel excedera kemma und da hat der Xaverl wieder das Wort ergriffen und hat g’sagt, daß er von dene Wissen schaften mehret versteht wia Unser oaner, weil er am Land aufg’wachsen is. Dös Wort hat er wieder a guete Stund g’habt, und indem, daß mir Aslles fad worden is, hab i g’sagt: Moanst, Du Bauernterl, daß Unser oaner net grad so am Land aufg’wach sen is oder hat uns vielleicht a See tuah im Meer auszog’n? Um die ganze Münchnerstadt herum is Land und frag a mal an Bauern, der die ersten neuen Kartoffel in d’ Stadt eina fiihrt, was er sür’n Strich verlangt, ob er net woaß, was s’ kosten? Unter die Bauern um die Stadt herum und dene in Niederbahern is a großer Un terschied. Unsere Bauern rauchen Ci garren, stehen um Achte auf und ra deln in gelbe Schuah in d’ Stadt eina, weil’s die Kundsebaft b·suachen mües sen. Die bauen überhaupt nur mehr Gemiis’ und Salat und schwärmen fiir Sonn- und Werttagåruah Unsere Münchener san alloanig noch a g’sun der Schlag! Wir arbeiten in Fabri ken und Werkstätten das ganze Jahr auf Hautsdrein und am Sonntag ge hen mer aufs Land aussa und lassenI dene Bauernwirth unser schönes Geldl fiir a saueres Bier und a zachesFleisch ! Nacher gibt’s solchene Kameel wia der Xaverl, der jammert über’n Nieder gang des Bauernstandes, wenn amals d’ Kartoffel billiger werden oder wenn s a Seminel um a Loth größer wird.I Die Bauern dagegen jammern net um ? an Schneider, der mit seiner Familie’ leben möcht. Die kaufen ihre Kleider vom Hausirer und von die Wander lager, weil’s da viel schlechter, aber wenig billiger san und lachen anHand wertsmann aus. . . . Deswegen bist du a tramhappeter, hirntappeter Schnef ter, den’s draußen bei die G’scheerten net sollen auslassen haben. Dös war also die Ehrentränkung und da nehm i koa Pfefferkörndl z’ruck und wenn i lebenslänglich krieg —- i schwärrn amal für die Stadtleut. Richter: Wenn ich das »hirntappet« ungefähr begreife, so ist mir doch der Ausdruck ,,tramhappet« unverständ lich. Liegt hierin etwa die vom Klä ger behauptete GeschäftsschädigungZ Beklagter: O nein, Herr Staatsan walt! »Tramhappet« is dasselbe wie »hirntappet«'! Das will nur sagen, a hölzerner Riegl steckt zwischen Hirn und Verstehstmich. Wissens wir Münchner san a g’sunder Schlag und haben unsere eigene Sprach, körnig und deutlich, aber verstehn muasz mer Uns. Mögen Ich beantrag 3’wegen der Deutlichkeit und den Korn, was da drin liegt, ertra vier Wochen Stadel heim, weil i denn doch koa Schneider bin, der an Riegl im Fion hat, und weil i die Landwirthschaft net beleidi gen lassen mag Beklagter: Sei ftad, Xaverl! an landwirthschaftlichen Schneider gibt’s einfach net. und wenn du mit aller G’walt oaner sein willst, nacher wirst von unserer G’sellschaft ausg’schlosfen und mueßt im Gebirg lauter Bocks lederne z’samma nähn nacher kannsti der Landwirthschaft was nützen. I Nachdem ein nochmaliger Vergleichs vorschlag an der Hartnäckiakeit dess Klägers scheiterte, wurde Urtheil er lassen und erhielt der Betlaate fünf Maik Geldstrafe Entriistet iiber die ses milde Urtheil, erklärte der Klager, an die höhere Instanz gehen zu wollen, weil ihm selber die angethane Beleidi gung bereits mehr gekostet hätte. Der historische Schweine-reinen Weit eher, als der Echwanenritter in der mittelalterlichen lssbendichtnng iuml Stainrnvater des Hauses Brabaut erho ben wurde, war er schon in sranzosisehen Liedern mit dein Geschlechte Gottfriedz von Bouillon vertniivft worden« Um diesem Helden des ersten Kreuzntgesden Nimbns einer iibernatiirlichen Herlunst zu verleihen, sehobften die «Troitiusrse5, so urtheilte man, ein-J dem Fiillhoru der Sage und machten den Schweinen ritterHelvag, wie er in den sranzosi schen lsven heißt, zum Großvater Gott-s sriedz von Bouillon. Tieser bis- ierigen Auffassung, wonach der Eibwanenritter in muthischesz Tunlel zurintreicht, tritt J. F. D. Blote in der Zeitschr-ist siir romanische Philologie neuerdings ent gegen, indem er die sagenhaste triesialt des Echwanenritters mit einer histori schen Personlichleit identifizirt Er gelangt dazu aus genealogischem Wege, und zwar ausgehend von Gottfried-Z jiingerein Bruder Baldnin, dem nach herigen K onig von Jerusalem, der mit Godehilde, der einzigen Tochter eines Herrn von Voeni in der Normandie, vermahlt war. Ter lltrofzvater dieser Modehilde war tlloger l. von Toeni (gest. ca. Wilh, und in ihm glaubt Blote den ursprünglichen Eihwanenrits ter annehmen zu mussen. lsr stutzt sich dabei aus folgende mit den Elementen der Enge übereinstimmende und im Einzelnen begründete Argumente: Ro ger von Toeni siihrte ein Sehwanenzeis chen, er befreite die bedrangte vermit tiveie Mrasm von Bareelona von ihren Feinden, bekam alsz Belohnung deren Tochter zur Frau und zog nachher aus uns unbekannten Gründen wieder in seine Heimath zurück. Diese Züge seien dann später mit Verwischung der Namen und Lertliehteit anderen Ver hältnissen angepaßt, das Kommen und Gehen des Ritters, sowie das Verbot get Frage besonders ausgearbeitet wor M. Znnemariw Dichten Von L. Glaß. »Bitte, bitte! ich möchte so brennend gern einen Dichter kennen lernen!« Blaue schmachtende Augen, flehende Stimme unterstutzten diese Bitte, aber der junge Mann, an den sie gerichtet ward, versuchte beiden zu widerstehen. Er zupste an seinem Bärtchen, als ha be dasUebles gethan und fah so gräm lich aus, wie es sein frisches junges Gesicht überhaupt fertig bringen konnte. »Ich habe noch nie einen lebendigen Dichter gesehen,« klang es noch einmal um ein gut Theil llagender in das Schweigen hinein. »Weil man keinem den Dichter von außen ansieht, Annenmrie.« Annemarie lachte. »Ich ganz gewiß! Jch unter allen Umständen, dem echten seh ich’s unter Tausenden an! Warum soll ichDeinen Julius Heider nicht len nen lernen, Du sagtest doch, er sei so nett —« ,,)»«eloer." »Und bringst uns sonst all Deine netten Menschen.« »Weil ich zu gutmüthig bin.« ,,Joachim!« Jetzt waren sie beide ärgerlich, das blonde schlanke, aus dem Grund seines jungen Herzens ein ganz klein Bischen sentimentale Bäschen und der breit schultrige Vetter. Zwei Minuten lang waren sie böse aus einander, dann trafen sich ihre Au gen und beide lächelten. »Bitte, bitte!« sagte sie wieder. Er hob die Hände anklagend zum Himmel: »Richtig auf dem alten Fleck! O Weiber, Weiber zäh und beständig!« »Als ob Beständigkeit keine Tugend wäre!« »Er würde Deiner Mama schlecht gesallent« lautete Joachim’s letzter Trumps. »Wenn er nur mir gefällt!" stach sie eigensinnig sein Coeuraß. »So?« —- Der Mann erwachte wie der in Joachim. »Nun gar nicht, und überhaupt nicht. Das fehlte noch! csolch ein Mensch!"s yiir unser einen ist er ganz nett; man lernt von ihm — aber fiir Euer eins — Gott behüte! Als ob man das Lamm dem Wolf in den Rachen wiirse. Sie nennen ihn den erotischen Julius. Nun weißt Du’5, guten Morgen« Joachim stürmte nach dem Gymna stum, dessen Quarta er heute mit einem sehr reichlichen akademischen Viertell und ungewöhnlich strengen Erzie- s lunas - Versuchen beglüdte — An nemarie setzte sich in die Geigblattlaube und sah nachdenklichen Gesicht-is in die seinen Federwölkchen am Himmel. »Der erotische Julius-? Was mein ten sie denn damits Das war ja merk würdig, er mußte wohl besonders viel ron Liebe versteh-en? Natürlich! Ein deutscher Dichter! — das gehört doch dazu wie langes Haar und schwärme rische Angen. Er mußte noch etwa-J Besonderes sein——vielleicht, dasz er sich sehr schnell verliebe und dasz ihn jede wiederlieben müsse? —- Ja! das- war-II Und Joachim fürchtete ——- ader das wäre ja himmlisch! Liin Dichter! Wenn sich ein wirklicherDichter in An nemarie Fiohlhaas verlieben würdet Einer, der sie aus die Nachwelt brächte, wie Goethe seine Lili und Friederike——s himmlisch! himmlisch! Und das- wollte ihr Joachim nicht gönnen?« Zwei Tage darauf war Casinocon: cert. Annemarie saß voll prickelnder Unruhe inmitten der IHonoratiorem töchter am »Jungsernstand«, Joachim beim Löwenbräu an der Löwenecte im lebhaftesten Gesprache mit dem neuen Manne des Städtchens-. Annemarie fühlte ein Zittern bis in die Fußspitzen, als plötzlich hinter ihr Joachims Stimme sagte: »Liebe Base, hier bring ich Dir unsern neuesten Menschen: Doktor Julius Heider, mei ne fiir Poesie stark einpsängliche Vase JLlnnemarie RohlhaagN Annemarie war roth bis zu den Scheitellöckchen, ehe sie nur die Augen aufschlug zu dem Mann ihrer Sehn sucht. Dann kam zunächst eine kleine Enttäuschung —- keine Locken, sondern das Haar ganz kurz, als sei die Rasen schcere daruber gerollt, keine sch wär-ne rischen Blicke, sondern Augen, die ent schieden etwas teck in die Welt guckten. Und dann saß er neben ihr. Redeten also die deutschen Dichter? -s--- Von Wohnunggsuche und Bisitentour, von gutem Vier im Lordenbräu nnd schlech tem Pslaster aus dem Markts— s- Gar-z genau wie die anderen gewöhnlichen jungen Herren? Anneinarte fand Ihn beinahe tad. Wenn Joachim ihn nur nicht den ero: tischen Julius genannt hätte, sie wäre nach den ersten fiins Minuten befrie-v digt gewesen von diesem deutschen Dichter. Die Bedeutung des schindet-en den Veiwortg inuszte sich aber unde dinat irgendwie heraus-finden Ob sie von seinen Gedichten reden mußte? Ob er das erwartete?-——Alier da stand er schon auf, machte eine Ver-. beuguna wie andere junge Männer auch und ginq suriicl zn dem Tisch tnit dem guten List-«enhrän. — ,,Nun, hast Du einen deutschenDichii ter kennen aelernt, Bäschen,« sagte Jos achim am folgenden Sonntag Morgen. »Was Apartes? nicht wahr?« Hätte Joachim nicht solch spitzbiibi« sehe-Z Gesicht dabei gemacht, sie wiirde ehrlich aennttvortet haben: »Ich bin enttänscht.« So aber sagte sie: »Ihr werdet ihn nicht ohne Grund den ero tiscksen Julius nennen.« Nachdenllich gan Joachim heim. Mein Freund du hast eine Dummheit aernackitl Mit Kuchen schreckt man die Mäuse nicht von der Fallel Jent mußt du handeln, wenn er dir nicht trotz aller Versprechungen ins Gehege kommen soll. Und während et dies beschloß, traf Annemarie den Gesährlichen bei Nach bars Käthchen, die sich vorgenommen hatte, im Laufe der nächsten vier Wo chen von dem deutschen Dichter ange sungen zu werden. Heute merkte man auch, daß er ein Dichter war, heute sprach er von Mondschein und Geis blattdüften und sah dabei sehr geschickt in vier Mädchenaugen zugleich. Annemaries Herz hämmerte die ganze Nacht; sie meinte, es sei noch nie so hell gewesen, selbst zur Johannis zeit, die Nachtigall habe noch nie so wonnig geschluchzt — und wann je mals hätten die Büsche des Gartens- so stark geduftet, daß es ihr den Schlaf verscheuchte? Da raschelte es unten im Garten. Sie lief an’s Fenster;—es war zu ebe ner Erde, —- nichts zu sehn. Es ra schelte wieder, sie öffnete und bog sich spähend hinaus. Hinter der dichten, verwilderten Hecke war’s, jetzt hob sich ein Arm, eine-Hand wurde sichtbar und etwagWeißeB flog herüber, mitten hin ein in abgeblühte Maiblunien und Vergißmeinnicht. Dann verklang ein vorsichtiger Männerschritt in der Mor genferne. Annemarie lief ein Schauer über den Rücken — »was war das gewe sen?« Sie schlüpfte hinaus, sie lief nach der Hecke; da lag es, weiß, rosa umbunden, mii einem blinkenden Kie sel beschwert: Ein Briefchen. »Annemarie der holden, Mit Haaren fonnengolden, Mit Augen veilchenblau; Der wonniglichen Frau.« Flammend stieg ihr das Blut ins Gesicht: da war das Ersehnte-—schon! heute schon! angefangen von ihm, von Julius Heider, dem deutschen Dichter. Sie lächelte den Brief an, sie drückte ihn an die Lippen, öffnete mit zärtli chen Händen das Band und las: Jch wollt es dir verschweigen, Doch fürder kann ich’s nicht, Jch muß mich zu dir neigen Und meine Lippe spricht. Jch sühl’s im tiefsten Grunde: Mir dräut des Todes Nacht, Dein Mund an meinem Munde Hätt’ Heiluna mir gebracht. Jch fühl’s inSturm und Wonnen: . Dein Lächeln mild und lind Jst meines Glückes Bronnen, Du lichtgeboren Kind. Will deinem Dienst mich schwören Durch aller Tage Lauf, Willst du mir zugehören, Vlükt unsre Sonne auf. Doch kannst du mich verschmähen, Fahr ich in Nacht und Graus, Les blast ein wildes Wehen Mein flackernd Lichtlein aus. Annemarie weinte. Stolz, Ent zücken, Glück, Mitleid, Bangen — al tes ftrömte in diesen Thränerf zusam men. Nun war also ihr Leben ent schieden, nun mußte sie des erotischen Julius Frau werden, sonst blies ein wildes Wehen sein flackernd Lichtlein aus. Wie schön das klang und wie herzbrechend traurig — und —- über haupt eigentlich war das Alles sehr, sehr traurig. Sie wußte gar nicht recht, was für ein«Geficht sie machen sollte, wenn er nun käme. Einstweilen steckte sie das Gedicht in die Tasche und sagte keinem Menschen davon. Mit dem Glockenschlag zwölf eilte Joachim durch die Gartenthür. »Guten Tag, Annemarie. Nun?« Erstaunt sah sie ihn an. »War es recht fo?« ,,Reck)t fo?« — ,,Nahm ich’s so allenfalls mit dem Erotischen auf?« »Mit? —-« »V:eueia)t macht er oenere Verse — vielleicht. Aber inniger empfunden sind sie gewiß nicht. Die Bohnen fielen auf die Erde, Vlimemarie zog das Gedicht aus der Tasche und fragte zitternd: »Du?« »Aber Mie! kennst Du denn meine Handschrift nicht mel)r?« « Richtig, es war seine Handschrift; nur weil sie an keinen andern gedacht hatte-, als an den Julius Heiden war i!)r das gar nicht zum Bewußtsein ge kommen. »Bist Du denn ein Dichter?« stam meltc sie. »Ja, Herzenstind, wenn es zurLiebe ndttiig ist —— unbedingt.« Anat-um bast Du mir denn das nicht sriihcr gesagt?« Er lächelte etwas verlegen. »Ich wußte ja nicht, das; eiZ nöthig war; ich dachte, der Schulamtskandidat geniige dazu, und so richtig bis zum Reimen einaelJeizt hat mir erst die Angst um Den ——--- Julius und dabei l:ab’ ich mir denn aleich alles vom Herzen geredet, was schon wochenlang nicht zu Worte kommen konnte. Ja Mie — so’n rich tiaer Liebesjammer das ist wie unge wohnte Flügel — man denkt man stat tert sich ab und auf einmal trägt’5 ei nen und man schwebt —« »Bist in den Himmel,« flüsterte An nemarie, ihm sonderbar bewegt in die Augen sebend. Ein paar Monate später waren die Beiden ein Paar und der deutscheDich ter Julius Heider dichtete dem Braut paar ein schwungvolles Hochzeitscar men — Annemarie aber fand ihren ,,Hauspoeten« über alle deutschenDich ter. Mochten sie andere Frauen auf die Nachwelt bringen. Das Weis-kosten. Zu den wenigst bekannten, aber da Irum keineswegs brotlosen Künsten e ; hört die Kunst des Weinlostens it : größten Künstler m diesem Fach findet man in Frankreich, Deutschland und England und es ist geradezu unglaub lich, bis zu welchem Grad der Vollkom menheit ein richtiger Weinkoster es bringen kann; bloß durch das Kosten ist der Mann im Stande, nicht bloß die Abkunft, sondern mit völliger Si cherheit den Jahrgang des Weins, so-— gar die Lage, aus der er gewachsen ist, anzugeben. Es erklärt sich daraus, weshalb bei wichtigen Kaufabschlüssen stets der Weiuloster zugezogen wird und das entscheidende Wort zu sprechen haf. Freiherr Giovanni von Patro weist in seinem Buch: »Der Weinberfchnitt oder die Coupage des Weins-C darauf bin, dasz die erste Voraussetzung für diese gewöhnlichen Sterblichen völlig unbegreifliche Kunst eine natürliche Anlage, eine angeborene besondere Ge schiuactsempfindlichkeit sei, wozu abet als Ergänzung jahrelange Uebung treten musi. Nun darf man aber ja nicht meinen, der Beruf eines Wein losters sei etwas besonders Verführeri sches und Lulullisches, und es wiire ein grober Jrrthuin, sich die Weinkofter ausnahmslos als behäbige Herren mit leuchtenden Gefichtsvorspriingen vorzu stellen ——— im Gegentlzeil, gerade diese Kunst erfordert viel Lpferwilligkeit und Selbstverleugnung Der Koster darf junter keinen Umständen ein Gewohn iheitstrinier oder -Raucher sein; das ; würde die Geruehs- und Geschmacksem s psindung bedeutend abschwiichen Eben s so muß er sich den Genus; stark gewürz i ter, scharfer oder saurer Speisen streng Istens versagen. Er mus; sorgfältig i aus seine Gesundheit achten; schon ein sgewohnlicher Schnupfen würde ihn in sder Ausübung seiner Kunst behindern. Selbst auf das Frühstück muß er ver zichten, wenn er zur Ausübung feiner itiunst berufen wird; in keinem Fall idarf sein Friijistiiekstiseb Sünes odet Gesalzenes oder Gepfefsertes oder Käse, Obst u. s. w. aufweisen, noch weniger eine Morgencigarrez das Alles würde die giinstigste Zeit zur Weinkritik — und das ist der Vormittag —- aufs Schlimmste beeinflussen. Nach den Mittags- und Abendmahlzeiten ist ein zuverlässige-S Urtheil nicht mehr möglich. Auch darf der Weinkoster nicht irgendwo trinten, wo eg- ibn gerade geliistet, son dern die Kost muß in einem Lokal, das durchaus frische, geruchlose Luft ent halt und geuiigend hell ist, vorgenom men werden. »Im kühlen Keller sitz« ich biet-« dass gieth also nicht für »den armen Weintoster, so wenig wie vielmehr wird aus guten Gründen diev s»;-;al)l der vorzunehmenden Kostprobett immer aufs allergeringste Maß gebracht. Ter geschulte Gaumen würde sonst seine limbsiudlichteiteinbüßen und der Ein « drnck ein unsicherer werden. Ebenso i must der Koster bei berschiedenen Weinen seine bestimmte Elleilsensolge einlsaltem l) weiße, Z) rothe, Z) starkgeistige, 4) süße. Bei jeder dieser vier Klassen must mit den alteren Jalirgijngen an-— gefangen und mit den jiingsten geschlos , ten werden, und im Einzelnen kommen « wieder die leichteren oor den schwereren Weinen, trockene vor den süßen, ertraks tarme vor ertraltreichen, weniger herbe vor selsr l)et·ben, bouauetarnie vor ; bouguetreichen, überhaupt geringere vor besseren Weinen. Zu seinen fitnf Sin nen braucht eigentlich der Weintostet noch einen sechsten, nämlich den Sinn Weines — kurz, es ist etwas Instink tibesz um die Kunst des Weinkostens;. andere Menschentinden Laßt von diesem Feuerwein Jmmer neue Flutlsen sinken. Mir in"-J durstge Herz hineinl v As fiir die vernünftige Beurtheilung des· eine nnbeschrijntte Durstbesriedigiing;. Laßt mich trinken laßt mich trinken, s k« i l was-» . -.,« -. . ,.». nicht Jedem ist sie gegeben, nnd wer sie ,-· hat, dem ist sie weniger Genuß als Arg . beit, und niemals dars er singen wie . Was thut Manda? Jn der höheren Tischteisschiile einer rbeinifchen Stadt bat die Lehrerin der achten Klasse bei den kleinen Mädchen solaendc lsrlundiguua angestellt: »Was tbut Eure-Manni, wenn Paba brununt?« Auf die Stellung der deutschen Frau ini der betreffenden Provinz warfen dies» LIlntworteu ganz verschiedene Streif-, lichter-. »Wenn Papa luununt, danns beult die Martia-« Kliiger scheint dies Martia, die »dann immer gleich hinaus-s gel)t«. ,,L:’«enn Papa anfängt, dann Zeigt er auf die Tbiir und ruft: .Hiiiiius’"l Und dann neben wir in die Kinder-sinds · nnd wissen nicht« wie esJ dann der Maine ei«ael)t.« liin zartfiililender Vater! II einer anderen vFamilie ,,(·iel)en Papst und SUiama in ein andere-J Zimmer un "iinech:u sehr laut, aber bald imiuc lUiama am lautesten«. Wenn hie Papa nun mit einer guten Stimme bi-f aabi ist, wie lange werden sich die Nackt barn diese-H Brnmmen nnd Gener bruuuuen gefallen lassen? All-Z einei andereu lieben ll indermund kam solaeniz s Beoliachtuuat »Wenn Papa einsam und zornia erd, so schneisitsljians schnell etwa-J entzwei, d.iun erschrecktsi . Papa, und gebt fort.« Ganz ve. leugnet ibre Ltkciblichleit die Main« welche »Wartet immerzu reden läsit;da« I bort er am Ende aus«. Die kleine Mi berichtete einfach: »Man-a sagt da ganz leise: Männchens nud dabei si — sie ibn so lieb an, nud dann sagt er es nicht-J mehr-« Ein anderes tleis Mädchen sagte: »Das; Papa brunn das kommt bei uns nicht vor; das tZI nur Maina!« - IX