w— Yoljannisfeum Von Karl Stock. Die »Knaben", fo heißen alle Män ner, gleichviel welchen Alters, arbeiten n den ganzen Morgen mit allen Kräften für das Johannisseuer. Sie wissen, daß gerade ihr Feuer weithin sichtbar ist, und es gilt, den alten Ruf zu wahren, daß die Ettinger wieder das größte hatten. Der Blauenberg liegt der Juratette vorgefchoben. Mit feinem langen, gleichmäßig hohen Rücken schließt er wie eine Mauer das Thal der Birsig ab. Mitten in dem schwarzen Tan nenduntel, etwa in der halben Höhe des Berges,liegt eine große »Vluttene«, ein kahler Platz. Sentrecht fällt von ihr die Bergwand herunter, an der das fchmucke Pfarrdorf Ettingen liegt. Auf der »Bluttene« wird das Feuer gerüstet. Der »Wakdwart« hat schon vor Wochen den ganzen Berg durch wandert, um den geeignetsten Baum ausfindig zu machen. Endlich hat er eine Wahl getroffen: eine Schwarz tanne, eine Riesin unter den riesigen Genossen. Der Baum wird angebohrt, daß er rascher eintrockne. Es war ein gewaltiges Stück Ar beit, den Baum von seinem Standort nach der »Bluttene« zu bringen, ohne die breiten Aesie zu verletzen. Aber sie ist gethan; jetzt steht der Baum, wie ein trotziger Thurm, fest in der tiefen Grube auf der Mitte des Platzes. hier erst erkennt man ihn in feiner ganzen Gewalt, und der greife Waldwart schüttelt traurig den Kopf: »Schad’, daß du sterbe mitefchz du bisch d’r schönste gsi vo alle.« Die jungen Burschen aber haben I-I-- O-:I h:«c«- Æ-L--I-- —--t--..(. OOOOO I ()Ols, UIBILII UIUUIIICII IIIWOUHUII« gen. Sie haben sich im Dorfe ganze Wagenladungen Reisig- und Holzwel len zusammen »gesochten«. Die wer den jetzt aus die Aeste ausgeschichtet bis zur Spitze hinaus; überall werden Wergbundel eingestopst, das Ganze mit Pech übergossen, und der Leo, der viel in die Stadt kommt, hat eine be sondere Ueberraschung ausgedacht, in dem er allenthalben Feuerwertstörper einsteckt. Der Eifrigste bei der Arbeit ist’s Bure Franze Schoses, ein hiinenhaster Bursche, dessen Bärenlrast nur noch von seiner Gutmüthigteit übertroffeni wird. So wie heute hat ihn noch Kei- ! ner arbeiten sehen. Die mächtigeBrust" feucht, die strotzenden Armmuslelnz zittern vor Anstrengung; aber er rastetj nicht. Dabei ist sein sonst so blühen-; des Gesicht, das in seiner BartlosigteitE einen fast kindlichen Eindruck macht, finster und bleich. Die offenherzigem blauen Augen sind heute unstat, unds er schaut Keinen an. Auch je t, wo; die Andern z’vieri nehmen und ich den; «Gemeindetrunt« gut schmecken lassenJ leidet es ihn nicht lange bei ihnen; ers steht bald wieder aus und macht sich; allerlei zu schaffen. Z Wären die Bauernburschen Men schenkenner, sie würden sich sagen, daß« eine innere Unrast den Rameradeni plage; sie würden es sich wohl auch er- s klären können, weshalb er den zweima ligen Ruf des Mädchens überhört, das eben den Berg herausgekommen ist undi jegt in den Tannen am Rand der Lich-« tung steht. Aber sie sind teine Psychologen, und so rusen sie jeßt, erst einzeln, dann Alle ihm zu: »Schoses, hörsch denn, net? ’s isch ebbes sür Di do.« Und lachend zeigen sie nach dem Mädchen. Jetzt tann der Angeredete nicht an ders. Langsam, mit jedem Schritt langsamer werdend, geht er ans das Mädchen zu. Sie ist schön. Bis an die Schultern reicht sie ihm. Das schwarze Haar ist in schweren Flechten aufgesteckt. Jhr bleiches Gesicht, das zwei dunkle Augen beleben, verräth ihre Abstammung Jhre Eltern sind I--»- Ists h--:s-;-. K-I«--- «--I h-— Ins-I sue- --»·-· o - syst us- »ou- Urs I I DUC V » schen« hierhergetommen und haben sich in der Gemeinde »eingetcruft«. Seit Jahren sind sie todt, und Verona oder, wie sie im Dorf enannt wird 's Vroni, wohnt jeyt a ein in dem tleinen häüschem das abseits vom Dorf an der Gemeindehalde liegt. Der Bursche steht jetzt vor ihr. Sein «gueten Obe, Vroni,« foll unbefangen klingen; als er keine Antwort erhält, fragt er teiser: »Was isch?" Sie antwortet auch jetzt nicht« son dern nimmt ihn bei der Hand unt führt den Widerstrebenden tiefer in die Tannen hinein, wo sie Keiner seyen noch hören kann. Ein fesselndes Bild, die beiden ho hen Gestalten im diisteren Tannendnn tel; der Bursche mit abgetoandtemGes sicht, wie er den Blick des Mädchen meidet, dessen dunkle Augen ängstlich in seinen Zügen forschen. Sie ist sehrv erregt und nur stoßweise bringt sie ec herdor: «Jfch’s wohr, daß Du zur Schlatthofers Kathrin gehfch?« Und da der Bursche teine Antwort giebt, fchüttelt sie heftig seine hand: »Red, ifch’s wohr?« Da erwacht in ihm der Troß; et schaut sie fest an und sagt laut: »Jo!« Aber er vermag seine Haltung nicht zu behaupten angesichts der Wand lung, die in dem Mädchen vorgeht. Jhre Augen sprühen, ihr wogendet Busen droht das Mieder zu sprengen und aus dem verzerrten Mund über sttirzen sich die Worte. —— Sie über häuft ihn mit Vorwürer, schilt ihn. Betrüger, Lügner,———gesentten Kot-set läßt er Alles über sich ergehen· Jetzt beschwört sie ihn bei allen Heiligen, sie nicht zu verlassen. Er stürze sie in etot Schmach, die gan e Gemeinde Mist mit Fingern auf zeigen. aus — ne, die Ehrtosr. Und warum wolle et sie verlassen? Weil sie arm sei und die Kathrin die reichste weit und breit. O, sie könne arbeiten, sie würden durch tommen. — Jhre Rede wird dringen der, jetzt wirst sie sich an seine Brust. Sie will ia Alles thun, sie hat ihn ja so schrecllich lieb. Weinend sinkt sie zu Boden. Und der Bursche? Er steht wie ge brochen, sein Gesicht ist fahl, die Au gen starr. Ein Zittern geht durch den riesigen Körper, jeder Muskel zuckt an thm; er ballt grimmig die Fäuste —— jetzt aber sagt er tonlo3: ,,J ta net. Der Vater.« Das Mädchen ist ausgesprungenz ihr Busen fliegt, zornspriihcnd sieht sie den Burschen an. Jhre Lippen be ben; sie sind geöffnet zu heftigsterRede· Aber sie sagt lein böses Wort, da sie den Geliebten sieht, in dessen Gesicht ein entsetzlicher Schmerz arbeitet. Jetzt saßt sie seine Hand und mit hingeben der Jnnigkeit sagt sie zu ihm: »Geh Schoses, ’s isch net wohr? Du häsch mi jo viel z’lieb. Gel, Du b’sinnsch Di bis — henecht." Langsam verschwindet sie im Tan nendunlel. Wie angewurzelt steht der Bursche. Jetzt geht ein Schütteln durch seinen Körper; mächtig richtet er sich aus, und als tönne er sich so von einem bösen Bann befreien, schlägt er mit der ge ballten Faust gegen einen Tannen stamm. — Ob er sie lieb hat? Lieber als Altes in der Welt. O, wenn er sein Leben für sie geben tönntel —- Und wie schön sie war! —- Nem, er kann sie nicht las sen, er kann ohne sie nicht leben. Sie wäre unglücklich, sie wiire —- ehrlos; sie hat ihm ja ihr Höchstes gegeben. Und er eilt davon, in der Richtung, U--:- s- -------- sc- mzssh Z- « UND-»Ist Isb UGHUIIVLIIO VI OUIDU sII U·I sich reißen fiir immer. Aber schon wird sein Schritt lang samer; müde lehnt er gegen eine Tanne — —- er lann nicht. Vor acht Tagen war’s. Als er vom Feld heimgekommen, fand er den Schlatthofner beim Vater. Der stolze Bauer hatte ihn so freundlich behan delt, dasz er ganz erstaunt gewesen. Als er gegangen, fing der Vater an, wie ihm des Schlatthosners Kathrinle gefalle. Dann war er damit beraus geriickt, der reiche Hofbesitzer sei bei ihm gewesen, ob der Schosef nicht feine Tochter wolle. Er würde es ja sonst gar nicht zugeben, aber das Maidle habe am Schosef den Narren gefressen Sie hätte ihm gedroht, in’s Wasser zu gehen, wenn sie den Burschen nicht be tomme; und sie sei sein einzig Kind. Schoses hatte turz geantwortet: ,,Un s’ Broni?« Da hatte der Vater gelacht. Das sei eine Liebschaft, wie sie jeder Bur sche einmal habe; die Vroni werde sel ber nie ernstlich gehofst haben, daß er als altangesessener Bauernsohn so eine Hergelausene heirathen könne. Als aber jetzt der Sohn zornig aufgebraust war, daß er die Geliebte nie lassen tönne, war der Vater an ihn herange treten und hatte ihn in die Kammer geführt· Hier, im stillen Schlaszim mer, wo voriges Jahr die Mutter ge storben war, hatte ihm der Vater ge standen, daß das Wasser ihm an der Kehle stehe. Wenn er, der Schosef, keine reiche Heirath mache, dann sei es aus, der Vergeltstag fertig. Und als der Sohn auch jetzt noch fest geblieben war, da war der alte Mann vor ihm niedergesunlen und hatte ihn weinend gebeten, diese Schmach fernzuhalten. Er würde sie nicht überleben, und wenn sein eigener Sohn an ihm zum Mörder werden wolle, solle er nur nach seinem Willen handeln. Da hatte der Bursche Alles verspro chen, sogar das härteste, daß er schon am Johannistag der Kathrin seine Scheibe werfen und so vor der ganzen Gemeinde seine Absicht kund thun würde. —- ——— Den Burschen oroven iaur es nicht aus, daß der Schoses nicht zurück kommt. Sie haben das gar nicht er wartet. Er gilt mit der Vroni längst für einig und sicher war er mit ihr in’s Dors hinunter gegangen. Sie haben noch die »Scheiben« zu rüsten. Ein Weißbuchenstamm liegt schon behauen da. Er wird in etwa zollbreite Scheiben zersägt, das Mart wird herausgestoszen und Alles wenige Schritte vom Holzstoß aufgehäuft. Nochmals sehen sie nach, ob Alles siir den heutigen Abend in Ordnung ist, dann gehen auch sie den Berg hin unter. i I Jm Dors herrscht betvegtes Leben. DigLeute sind heute trotz des ,,.f)euets« schon um sieben Uhr vom Feld heimge kehrt. Jetzt wird noch rasch zu Nacht gegessen, dann geht's aus die »Mut tene« hinaus. Zuvorderst in Reih und Glied die Schultinderz dann kommt die Dorf musit, ganze neun Mann. Sie blasen den Marsch, den sie schon seit Jahres frist üben, immer noch so falsch wie am ersten Tag. »’g liegt an da Jnschtrumenta,« meint der Barbier, der hier das Sap ter schwingt, «sie sen verschtimmt un blieba verschtimmt.« Dahinter kommen Alle, Burschen und Mädchen, Männer und Frauen, Keiner bleibt zu Hause. Selbst der allbcliebte Pfarrer hält es anders. als die Mehrzahl seiner Amtsbriiden er schimpft nicht iiber die altbeidnischen Bräurhe, sondern macht selbst mit, dann weiß er, daß Alles ehrbar zu ebL , g Nur der Gemeindewaibel muß zu Hause- bleiben und Wache halten. Er i ix schwört heute, wie schon seit zwanzig Jahren, daß er im October seine De mission eingehen werde, weil er an Jo hanni unten bleiben müsse. Jm ersten Jahre war die Gemeinde darüber so erschrocken, daß man berathen hatte, ob der Waibelbaschi nicht auch mit kommen tönnte. Er war zu der Zeit der einzige Krüppel im Dorf gewesen, und einem gesunden Mann tann man den Wachtdienst doch nicht zumuthen. Seitdem aber der Florentin beim Holzschleifen beide Beine gebrochen, harren die Dörfler mit Gleichmuth, daß der Baschi demissionirt. Aber sie tönnen lange warten, denkt dieser, der Waibel ist ein Beamter, Und das ist eine Ehre; er wartet, bis der Tod ihm die Demission gibt. Jetzt sind sie drüben. Drüben, hin ter der steilen Gempenfluh geht die Sonne unter; im Walde wird’s all mälig still. Jetzt tönt von der Dorf lirche her der »Englische Gruß«. Alles schweigt. Der Pfarrer selbst betet vor, die Gemeinde antwortet. Es ist ein feierlicher Augenblick, wenn so der freie Wald zum Gotteshaus wird. Droben wölbt sich der Himmel, dunkel aber wolkenlos, und durch die Tannen geht’s wie andachtsvolles Beben. Da plötzlich zuckt es drüben auf dem Gempenstollen, dem höchsten Gipfel der Gegend, auf. Jetzt entzünden die Burschen ihre Fackeln, und in weiten Bogen fliegen sie in den Stoß. Rasch züngelt es empor, wenige Augenblicke, und der ganze Reisigthurm steht in Flammen. Und jetzt ringsum auf allen Bergen loht es empor. Der Him mel stirbt sich weithin in rother Gluth, das von Feuersäulen getragene Dach eines Weltentempels. Und es wird still ringsum; stau nend und ergriffen schauen die Leute das gewaltige Schauspiel. Da geht ein klimmen durch die Reihen: »Der alt Amtsrichter will rede.« Schon steht der 87jährige Greis da; der fonft gebeugte Rücken richtet srch mächtig empor; fein dichtes weißes Haar flattert um das ehrwürdige Haupt. ,,Eidgenosfen,« ruft er, »Eid genossen! Vor vielen Jahren da loh ten auch die Feuer auf den Bergen· Und sie riefen von Berg zu Berg, von Thal zu Thal die Kunde: der Feind ift eingebrochen in’s Land. Und es erhoben sich unsere Ahnen in den Städt-tm in den Dörfern, auf den Al men und zogen gottvertrauend in den Kampf gegen die Uebermacht. Und noch waren die ersten Bräude nicht er loschen, da lohten schon neue empor, aber Freudenfeuer, Feuer der Frei heit! Und, treue Eidgenosfen, wenn» wieder einmal der Feind in’s Lands brechen sollte, dann werden wieder die Feuer rufen, und wir Alle folgen dem Ruf zum Kampf fiir unsere Freiheit« unsere liebe fchöne Schtveiz!« Unbeschreiblicber Jubel antwortet dem verehrten Greis-. Einige fangen an, Andere fallen ein, und jetzt braust in vollen, mächtigen Klängen das »Rufst du, mein Vaterland!« in die Nacht hinaus. Da, ein gewaltiger Krach; die stolze Tanne ift besiegt, der Feuerftoß bricht zufammen. Vor Allem die Bubenj jauchzen laut auf und springen vor: »Schiebawerfa, Schiebawerfa!« Aber auch die »Knaben« sind vorgetreten. Jeder sucht sich eine Scheibe heraus, dann wägt er sie prüfend an der star ken Haselgerte; denn eines Jeden Ehr geiz ift, die Scheibe am weitesten zu werfen. Der übrig bleibenden kleinen bemächtigen fich balgend die Jungen. Noch sind sie Meister. Die Scheiben werden in’s Feuer gelegt, bis sie roth- » glühend sind, dann wird die Gerte durch das Loch in der Mitte gesteckt, einige kräftige Schwünge, und in wei tem Bogen fliegt das Feuerrad in’g Thal hinab. Doch jetzt müssen die Buben weg; Oel Iclccllwc Ullgcllsuu III su, lUU Ulc »Knaben« vortreten, die noch dieses Jahr heirathen wollen. Es sind ibrer sechs. Der erste ist Franzsepps Eu gen· Alles lacht, als er ietzt mit träf tigein Arm die mächtigeScheibe schleu dert und sein .Fchieba, Schieba, fliag iiber de Rhi, ’B Rosi soll mini Liabfti si« hinaus-ruft Es ist ja schon das zwölfte Jahr, das; er seiner Rost die Scheibe wirst. »Das isch aber sicher ’5 letzte Mol,« meint er zu den lachenden Um stehenden. Jetzt kommen die Andern, dem Al ter nach; Jedem antwortet ein schal lendes Hochrufem wenn er den Nennen der Geliebten genannt, und freudig tritt er in den Kreis der umsiehenden Frauen zu seinem Mädchen. Als Sechster kommt jetzt derSchoses· Sein Gesicht ist blaß, aber festen Schrittes tritt er vor. Er hat die größte Scheibe gewählt, die die An dern als zu schwer haben liegen lassen. Als wäre es ein Svielball, so leicht schwingt er sie, und jetzt fliegt sie in gewaltigem Bogen durch die Lust: »Schieba, Schieba, fliag über de Rhi ’s Kathrinle soll mini Liabsti si.'« Aber nur die Jugend antwortet sei nem Rus. Die Andern wenden sich fragend gegen einander. Was-, ’s Ka thrin, nicht ’s VronM Muthmaßun gen werden ausgetauscht. Mancher schimpft. Ja, das Geld. Laut aber? wagt Niemand seinen Tadel kundzu geben, see flüstern nur, denn der’ Schlatthosner steht in der Nähe, und er ist der mächtigste Bauer weit herum. Und seht tritt ’s Kathrinle keck aus dem Kreis hervor und hängt sich an den Arm des Burschen,der bewegungs los beim Feuer steht und noch imn in’s Thal hinabschaut, als sei dort mit seiner Scheibe sein Glück versun ken. Willenlos läßt er sich von dem schmucken Mädchen wegführen, das in seinem Stolze die finstere Miene des Burschen nicht gewahr wird. Er aber hört nichts von ihrem munteren Ge plauder; ein Schrei gellt ihm in den Ohren, den er allein gehört hat, als er den Namen der Kathrin gerufen, der Schrei der armen Vroni, die, in den Tannen versteckt, die Vorgänge über wacht hatte. Doch nicht lange hat man Zeit, Ver muthungen nachzuhängen; jetzt tritt der echte Voltshumor in seine Rechte. Lautes Halloh begrüßt den Jockeli Hans, einen alten ,,Knaben« von sieb zig Jahren. Mit leidlicher Kraft schwingt er seine Scheibe: «’s Ukschi soll mini Liabsti si!« Und ’s Urschi reicht ihm mit dankba rem Lachen die Hand. Sie ist ein »Maidle«, auch hoch in den Sechzigern. Sie haben sich einmal gern gehabt, die Beiden; es ist schon lange her. Es hatte nichts daraus gegeben, die Alten waren dagegen gewesen, aber lieb be halten haben sie sich bis heute. Und jetzt kommen Alle an die Reihe, alte und junge Männer; selbst manches Mädchen versucht seine Kraft. Da horch! — Was ist das9 — Jm Augenblick ist Alles still; dann plötz lich wie ein Rus: ,,’s stürmt! ’s isch im Dors!« Und in wilder Hast geht es den Berg hinunter. Jetzt sind die Er sten um den Bergvorsprung, der den Ort verdeckt. »Der Vroni ihr Hüsli brennt!« Es ist so. Wie ein zweites Johan nisseuer loht es drüben auf der Haldr. »Do isch nüt me z’mache,« meinen Einzelne. Dann prüfen sie, woher der Wind komme, und als sie sehen, daßi den Dorfhäusern leine Gefahr drohtJ --s--— seen-u Isc ruttrgct Uct iOtuuUIluUc Hu. Allerlei Muthmaßungen werden laut, wie das Feuer entstanden. Sicher nicht vorn Johannisseuer aus; der Wind ist gerade entgegengesetzt Wo ist denn Zie Vronis — Keiner hatte sie gese en. Aber Allen wird das Schreckliche klar, als sie beim Häuschen anlangen, das nur noch ein Trümmerhaufen ist. Da sitzt die Vroni, so nahe es geht, an ihrem brennenden Häuschen und starrt in die Gluth. Bisweilem wenn die Flammen höher schlagen, ruft sie: ,,Schiel)a, Schieba, sliag über de Rhi, Der Schoses soll mi Liabster si!« Da ist kein Zweifel, die Vroni ist verrückt geworden und hat ihr Häus chen selbst in Brand gesteckt. —- Jetzt tritt der Pfarrer aus sie zu; erst läßt sie sich ruhig von ihm wegsühren,dann aber springt sie ihm plötzlich davon und läuft mit gellendem Lachen in den Wald. Der »alt« Amtsrichter tritt auf den Geistlichen zu: »Herr Pfarrer, Jhr müßtet eigentlich dem Schosef gehörig in’s Gewissen reden, daß er das Maidle doch noch nimmt.« »Das will ich gern thun, Amtörichs ter,« antwortet der Pfarrer, »aber ich fürchte, da hat der Seelsorger nichts mehr zu thun, da ist nur der Arzt am Platz.« So war es auch. Die schöne Vroni war unheilbarem Wahnsinn verfallen. -- Tas Alter der Orgeln. Die ältesten Orgeln wurden bereits im zweiten Jahrhundert v. Chr. in Griechenland und Jtalien gebaut. Der Wind wurde durch Blasebälge oder durch Wasserdruck erzeugt. Der Me chaniker Ktesibios, Lehrer des berühm ten Mathematiters und Physikers Heron von Alexandria, des Erfinder-s des heronsbrunnens, soll um 170 v. Chr. die erste sogenannte Wassekrorgd X,l"gilulllll 11·Vucil-llll(llllll, Lullllculkc haben, von der Heron eine Beschrei bung überliefert hat. Ferner besitzen wir die Beschreibung einer Orgel deg Kaisers Julian Apoftata und eine an dere bei Cassiodor, dem einstigen Ge heimschreiber Odoalers, späteren Con sul und Präserten des Ostgothentönigs - Theodorich, gelegentlich einer Ausle » gung des 150. Psalms. Kaiser Kon stantin Kopronymos machte eine Orgel 757 dein Frankenlönig Pipin zum Ge schenk. Diese ältesten Orgeln waren » sehr primitiv und llein, mit 8 bis 15 Pfeifen ausgestattet, aber im Princip schon genau so construirt, wie unsere heutigen Orgeln. Wie diese wurden sie auch bereits-z mittelst einer Claviatur gespielt. Die älteste Orgel in größe rem Stil ist wohl die zu Winchester, die um 980 gebaut wurde und 400 Pfeier und 2 Claviere, jedes zu 20 Tasten, hatte. Als im 12. Jahrhun dert die Scheidung des Pfeifenwerks in Register eingeführt wurde, erhielt die Orgel eine so complirirte Mechanik, daß es mit der ziemlich leichten Spiel art jener einfachen ältesten Orgeln vor bei war. Jin 18. und 14. Jahrhun dert mußten die Tasten der Orgeln mit den Fäusten und Ellenbogen geschlagen werden. Sie waren natürlich dement sprechend breit. Es muß das ein wun derbarer Anblick gewesen sein, die Be arbeitung jener mittelalterlichen Or geln mit Fäusten und Ellenbogen! —. —- Ein echter Pessimist. ,,Jn welchem Monat sind Sie geboren worden?« ,,Jm November ift mir das Unglück passivt!« ——EineGliickliche. ,,. . . Und was antwortete kleine Millionärstoch ter auf Ihre Werbung, Herr Lieute nant?« —- »Ja jejauchzt!« Hütten und Yrütiein Von G. J. Krauß Vom Thurme der nahen Kaiser Wil helm - Gedächtnißlirche schlug es zwölf. Bei dem ersten Glockendröhnen war fen die auf dem Neubau beschäftigten Maurer das Handwerkszeug hin und hasteten nach ihren Röcken und Hüten, und noch ehe der letzte Schlag verhallt war, standen die Männer schon vor dem Bretterzaun, der die Arbeitsstätte um friedigt, auf der Straße. ,,’ne eilich noble Jejend!« meinte der Eine und sah sich die gegenüberliegende Straßenseite mit ihren wohlgepflegten Vorgärten und den vornehmenHäusern hinter ihnen ein wenig scheel an. ,,Jawoll, Willem!« bestätigte etwas höhnisch ein Anderer, ein struppig-bär tiger Geselle. ,,Js ja ooch Westen erster Jüte, wo die obersten Zehntausend re sidenzen. Aber ’ne Destille, wo sich ’n ehrlicher Arbeeter for die paar Nickels, die er mit sauremSchweiß verdient hat, ooch wieder restauriren kann, die jiebt’s hier nich. Drum schlage ick vor, wir jehn los. Die Studien über die so ziale Frage laß man sind. Lies lieber Bebelns nächste Rede. Da haste allens viel schöner beisammen, als Du Dir’s jemals selber auseinanderpollen tannst.« Der Trupp zog ab, in einem ausfal lend regelmäßigen Gleichtritt. Rechts, links — rechts, links . . . die Leute hatten eben alle gedient und in den Bei- ; nen steckte ihnen noch der feste militäri- » sche Drill Als der Trupp eben um die Ecke ge bogen war, trat noch ein Arbeiter aus der Thüre im Bretterzaun, die zu dem Bauplatze führte. Er hatte sich, ehe er von dem Gerüste herabiletterte, Gesicht usw« GEIde In -;-«-m M«ss-sf-"iful kam i ) usi- »Es-· poss- p wuslvssuss- -- · Kalistan gereinigt Und war sich mit einem Taschenkamm durch das kurz ge haltene dichte Blondbaar und den bu schigen Schnurrbart gefahren. Nun stand er da, ein schmucker Mann trotz der fleckigen Arbeitsblufe, und wartete offenbar aufJemanden, während er sich die Goldlactbeete im Vordergarten der dem Neubau gegenüberliegenden Villa betrachtete. Er wartete nicht allzulange, da er schien an der Ecke, um die herum die Kameraden verschwunden waren, eine junge, einfach, aber nett gekleideteFrau. Auf dem rechten Arme trug sie ein pausbäckiges Kind von etwa zwei Jah ren, in der linken Hand einen umfang reichen Deckeliorb. Der Arbeiter ging ihr entgegen. »Na, Luise?« »Na, Fritze?« »Bappa — Bappa!« rief das Kleine dazwischen und reckte dieHändchen nach dem Manne. Der lächelte, strich sich den Schnurrbart rechts und links zur Seite und bot dem Kinde den Mund: »Na, Fritzeken, gieb doch Vatern ’n Küßchen!« Das Küßchen fchnalzte gehörig wie ein regelrechter, vollkommen ausge wachsener Kuß Der Mann nahm das Kind vom Arme der Frau auf den sei nen und schritt mit ihm voraus. Ueber die Schulter nach seiner Frau zurücksc hend, fragte er dabei: ,,Wat haste denn heite im Korb, Luise?« »Rathe mal, Fritze!« »Na — — Eisbein mit Kartoffel?« »Nee.« »Na denn — Kotelettes mit Kar toffel?« »Ooch nicht« »Na denn am Ende jar——Schweine schwarten mit Kartoffel?« »Jetzt haste ’s!« »Js jrade wat Schönes!« nickte der Mann vergnügt. Dann feste er schmunzelnd hinzu: ------ ed- -f«..-IJ·4 O»:k- Lsk »Ur-Oh sue-un »k. You-»F, »unp-, quo ick heite, wo die liebe Sonne so schön scheint, mein Leibjericht hinter dem ol len Bretterzaun da uff eenen Backstein hausen essen dhue, denn irrste Dir!« ,,Nanu!« spottete die Frau-; ,,da willste Dir woll bei Jeheimraths ne benan im Salong niederlassen?« »Im Salong nich, aber uff dieMau erwand bor’m Jarten. Der Herr Je heimrath oder wer schon da wohnt, wird woll nischt dagegen haben, wenn wir uns dahin plaiiren und wat Schö net vorOogen haben, während ick mir’ n Magen voll schlage. Seh Dir blos den Goldlacl da drüben an und die " Azaleen, is det nicht ne Pracht?« Die junge Frau sah angetegentlich hinüber. « »Wer s doch ooch mal so haben könnte!« sagte sie neidisch. »Die schönen Blumen!« ,,Siehste Lnise,« sagte der Gatte, schon mit vollen Backen kauend, Jetzt tedste jerade so wie die vom Bau, die Herren Sozi, die Du sonst dicke hast s bis oben’ ran Weeßte denn, wer da ! drüben wohnt?« I »Keene Ahnung!« »Na denn lies doch, wat usf das Schild an die Gitterthüre steht. Hast doch gute Oogen.« »Rechts-an-walt Gaed-icke« buch stabirte die junge Frau mit zusammen geknisfenen Augen. Das Schild glänzte so arg in der grellen Mittagsonne. »Na siehste,« sagte Fritze. Er schob sich ein großes, dem kleinen Fritz aus seinem Schoße ein kleines Stück von der fetten Schweineschwarte nebst der zugehörigen Kartoffel in den Mund und fuhr dann fort: ,,Det is jerade der, der Vöttcher-Au justen ’raus jerissen hat. « »Den Schlosser?« fragte Luise. ,Jawoll. Det war ’ne r tlmige Ge schichte; is nu so’n Stieser zehn Jahre her, und Aujust hat’s nich gern, bat man von redet, aber es war so: Dazu mal wohnte Aujuft in die Ackerstraße Nummer fünfzehn un in det Haus war ooch ’ne Fandleihe, un« den Fandleths menschen, ’n ollen Crawattenfabrilanp ten, fanden se eenes Dages mausedodt un’ ausjeräubert, und die Jndiziunzs, wie sie bei’s Jerichte sagen, jingen je tade uff Aujusten, daß der det ansie fressen hätte . . .« ,,Böttcher . . . so’ne Seele ·von Mensch?« rief Luise entsehL ,,Jawoll; Böttcher. Die Blauen hat ten ihm denn auch gleich bei’s Schlaf fittchen un spunnten ihm in und et wär’ ihm böse an’s Genick gegangen von wegen die Jndiziums, wenn der da drüben nich jewe en wäre.« ,,Gaedicke war woll sein Vertheidi ger?« fragte die junge Frau, deren Jn teresfe jetzt auf’s Höchste gespannt war. ,,Stimn1t,« erwiderte der Mauret, that einen tüchtigen Schluck aus der Bierflasche und erzählte dann, die Fla sche gegen die Sonne haltend, um dur das dunkle Glas zu erkennen, wie vie noch darin sei, weiter: »Der war fein Vertheidiger, und zwar umsonst —- px otk(), wie sie bekz Jericht sagen. Na, er sprach einmal mit dem Böttcher un’ sagte gleich: »der war’s nicht!« sagt’ er. —- Un brachte ihm durch seine Bombenrede ooch rich tig bei die Jeschworenen los, obwohl det mit det Alibi un’ so nich recht klap pen wollte, wie ja der Vöttcher schon ’n Unglück-lind is. —- Fünf Jahre spä ter kam’s heraus, wer den Ollen badi geschlagen hatte: ’n schwerer Junge, mit dem der Fandleiher sonst heimliche Jeschäfte zu machen pflegte. Aber die fünf Jahre hätte Böttcher stramtu sitzen können.« »Der arme, armeMensch!« murmeltc die hübsche iunae Frau tief erichiiiietL ,,Siehste woll! —- Un wer hat ihm losgemacht? Der Rechtsanwalt Ga dicke. Dein Oller, der Maurer - Frist, der hätt’s nich schaffen können. Un drum find’ ick et nur in Ordnung, daß der Herr Rechtsanwsalt vorne Tanz wohnt mit Goldlack un’ Azaleen un der Maurer im Hinterhaus, vier Treppen. -—- Unser Junge, wenn er helle wird us mir’s jut genug jeht, date ick ihm wat lernen lassen kann, der kann’S dafür besser haben.« . Die junge Frau schwieg und sah ih- H rem Manne zu, wiss ihm schmeckte. i Dazwischen schielte sie aber doch hin- i über nach Goldlack und Azaleen und-F dem schönen Hause mit den hohenSpiei - gelscheiben, und der Wunsch war doch-, . noch lebendig in ihrer Seele: , »Wer’s doch auch mal so haben könnte!« —- —— Drüben aber, hinter den ho hen Spiegelscheiben, saß eine schöne junge Frau in elegantem Morgenkleide und spähte voll bitteren Neides aus die» Straße hinaus nach dem Arme-Leute dell, das ihr in dem Frühlings-Sangs nenschein, der darüber lag, wie eisi Stückchen aus einer glücklicheren Welt erschien. s Wie gesund und fröhlich der Mann« in seinem mörtelbefleclten Kittel aus-i sah, wie nett und hübsch die jungeFraI·« in ihrem einfachen Kleidchen, und runde Bübchen . . . .· Sie hatte kein Kind, die arme, schö ne, reiche Frau Gaedicke, obwohl sit mit Freuden ihre rechte Hand dafür go geben hätte, eines zu haben. Damk sj wäre sie ja nicht so allein gewesen, ssl J trostlos allein neben dem ganz und ga in seinem Berufe aufgehenden Gattee . . . . Die armen Maurersleute da drü ben, die lebten ein Familienleben. Ei nes am Straßenrande zwar, aber ei Familienleben war’s doch. Sie aber . Gesellschaften, Bälle, Theater im Wir-« ter, Ostende oder Heringsdors i1 Sommer, ja, das hatte sie. Aber e war nicht das, wonach sie hungerte, ( wiar kein Glück . . . kein Glück . . . ; Klinglingling . . . . Der Fernspr Auspi usw«-« Die junge Frau trat an den App« Zt und hielt dasHöhrohr an das rosi hr. »Hier Rechtsanwalt Gaedicke!« ,,Liebes Kind,« klang es dumpf . der Tiefe des Apparats, »ich kann her wieder nicht zu Hause essen —- . . dringende Abhaltung . . . .« »Es ist gut,« rief die Frau bitter i chelnd in den Apparat. «Schluß!« Sie drehte die Kurbel ein paarm dann hing sie das Höhrrohr an seit Haken zurück und ging wieder e Fenster. s Sie kam gerade zurecht, um zu-. hen, wie der Mauren dem es offen l Prächtig geschmeckt hatte, seiner jun Frau einen kräftigen Kuß gab, ur kümmert um die Leute, die hinter Fenstern hiiben und drüben die kl Y« häusliche Scene beobachten konntet Der einsamen Frau hinter der hie Spiegelscheibe traten die Thränen e unsäglich bitteren Neides in die « gen. Aber sie wich nnd wankte nicht ihrem Sitze, bis die Arbeiter Schüssel und Besteck und Bierflix wieder in den Korb packte, das K. chen auf den rechtenArm nahm und Korb in die linke Hand. Der Ell mußte wieder an die Arbeit, die s nach Hause. Ehe sich Frau Luise aus den H weg machte, trat sie ganz nahe ar Gitter heran, das den Garten . Rechtsamvalts von der Straße tre um sich die schönen Blumen dal aus möglichster Nähe zu betrachtet glaubte sie undeutlich zu bemerken da oben hinter der Spiegelscheib mand stand, eine Frau. Die Eine blickte neiderflilli h-, dte Andere neiderfiillt herab, unt schen beiden blühten Goldlack « Azaleen . . .