Yas Haintzenfest. Von cost-org Freiherr von Ompteda Endlich war der große Tag da. Schon bei frühem Morgen, als noch alles in den Federn lag, (--zog das Schützencorps durch die Straßen, un ter dem Rasseln der zwei Trommeln, die es gab, und unter dem häuserer schütternden Blasen der Stadttapelle. Alle Schützen waren dabei, verschlafen und vertatert zwar, von dem Vortrunt am Abend vorher, aber Joch ihren Platz ausfüllend, mit dem Schieß prügel aus dem Rücken und den alten sächsischen Tschakos auf dem Kopf, die der Schützenoberst zwanzig Stück start vom vertrachten Stadttheater fiir 2 Mart 75 Pfennige im Ramsch er standen. « Nur der glückliche Käufer fehlte: Klempnermeister Hauboldt. Er »tiictschte« wie die Schützen meinten, weil Herr Hänichen, der Major, ge stern Abend behauptet, der Oberst i l hätte sie mit den Tschalos ,,colossal ingelegtC Einmal wären die Mot He drin und zweitens entsprachen sie ; Dt der Würde der Schützen, weil sie m Städtchen zu bekannt seien vom Theater her, wo sie sriiher Walten stein's Kiirassieren als Kopfbedeclung gedient. Da nun der Oberst fehlte, so führte der Major die Schützenbriider, mit hellcarrirtenHosen angethan und einem Jnfanteriewassenrock, auf den ihm seine Frau ein Paar richtige abgesta gene Stabsossiciers - Achselstiicke ge naht. Ahnchuich leitete e: den Zug! am Hause desKlempnermeisters Oberst s Hauboldt vorüber. Und gerade vors den Fenstern mußte die Musik rechts kräftig »Burn-Bum«, »Tsching-l Tsching« machen. ! INDI- szsiibsnnfsavn Dis-» use-Is- Zm m-ÄO l --- -..,-»-..-·..,. ... ..-.., »... mit einem riesigen BrummschädeL Er l fuhr aus beim Rohen der Musit und» wollte hinausguclen. Doch die dicke Klempnetmeisterin verbot es ihm, in dem sie wuthschnaubend sagte: ,,Augusi, du bist e richt’ger lapp’ger Kerl. Jetzt strampelt der Majok vors de Schitzenbrieder, und du, der» Oberscht, aalst dich hier in deinetl Baba! Da wetd’s wohl nich mehr Lange dauern, bis sie dich nausschmei- « en.« E So mochte das der Oberst-Rump nermeisier nicht auf sich sitzen lassen. Er mafz seine Alte mit einem detach-; iungsvollen Blick von oben bis- unten, strich sich den struppigen grauen Schif ferbart unter dem Kinn und meinte, ihre unförmliche Gestalt mitleidig be- i trachtend: »Wenn mer nausfliegen, sliegsi de mit, wenn de iebethaupt fliegen kannst bei dein’ Embonpoint!« st- OI II Die Schützenbriider waren nach dem Festplatz hinausmarschirt, der schon un Flaggenfchmuck prangte. Jn der Mitte erhob sich das große Zelt, unter dem das Festessen abgehalten werden sollte, der wesentlichste Theil der ganzen Veranstaltung Rechts und links davon standen Wütselbuden, eine Menagerie, Trintzelte. Verkaufs stände, zwei Carussells, eine russische Schautel, die Rutschbahn, Moment photographen, ein Kraftmesser und ein Chantant. Hinter dem großen Zelt lag der Schießstand. Auf dem Festplatze vertheilten sich die Schützen, nachdem die Stodttapelle . einen Tusch geblasen, nach allen Sei-H ten. Es war noch wenig Publitum; aus der Stadt gekommen und ein! Theil der Buben noch nicht einmals --KIc»-4 E- k-...h-.. sx k-—.. ki psvH sssss V» sur-»Du stu, Null Ulcs meisten im großen Zelte zum Theili zum Frühschoppen zusammen, und» weil die Ehesrauen noch nicht anwesend T waren, schonte sich auch niemand, son dern sast alle waren bestrebt, für das. Festessen einen ordentlichen Grund zu. legen. Ein paar Sparsame tranken; Bier. Der Major Hänichem in seinem i Cioilverhältniß ColonialwaarenhiindO ler mit Probiertisch siir einen Ge-» treideiiimmel oder einen Bittern, gleich im Laden, fühlte sich heute sehr groß und stach deshalb mit Hauptmann Leichsenring, dem Bauunternehmer, eine leichte Mosel aus. Sie konnten es sich leisten. Eigentlich sollte heute sriih schon das Schieszen beginnen, aber die Schützenbrüder hatten das ganze Jahr hindurch so viel Pulver vertnallt, daß im Grunde genommen Keiner rechte Schneid sand, dort hinten allein zul pussen. Man konnte sich nicht zeigen, Z niemand sah zu, und die Fröniasscheibe « kam ja doch erst heute Nachmittag. Auch da brauchte man sich weiter nicht anzustrengen, denn den König hattenl sie schon heimlich bestimmt. Das durste nicht der beste Schütze werden, sondern ein zahlungslrästiger Mann, der gleich ein paar Faß Bier schmiß. Dazu war Hauptmann Leichsenring ausersehen. Allmälig trasen die Frauen, Fest und Ehrengäste ein« Neugierige er schienen aus dem Städtchen. Kurzum es ward Leben. Die Festtasel prangte chon im Schmuck der unendlichen Fla schenbatteriem die der bisherige König hatte aussahren lassen. Die Damen hatten sestliche Gewänder angelegt: rau Hauptmann Leichsenring das chtvarze Seidene, Frau Major Hä nicheiy die sich trotz ihrer erwachsenen Tochter sehr jung sand, eine rosa arpr. Die Schiitzendamen standen aus einen Hausen zusammen und warteten aus das Signal, Platz zu nehmen, das durch drei Böllerschiisse gegeben wer den sollte. Die Rangen des Oberst Klempnermeisters sollten sie abseuern unter Leitung des tauben Invaliden Zirrgiebel, der, da ihm 1870 ein Stück Bein abgenommen, nur ,,7-5 Beene« besaß, wie sich Hauptmann Leichsem ring auszudrücken pflegte. Währenddessen belegten die Schützen Plätze. Nur der Stab war »gesetzt«. Dazu die ,,Ehrengäfte«, nämlich der ,,besoldete Stadtrath Mohn« als Ver treter der Stadt, Fabritbesitzer Leon hardi, Ehrensörderer der Schützen brüder, weil er auf drei Jahre den Grund und Boden zum Schieszstand unentgeltlich überlassen· (Eine sum pfige Wiese, die er später als Bauland brauchte und auf diese Art befchottert und befestigt haben wollte.) Endlich Abordnungen der Schützen von Hains walde, Klotzenbroda und Gehlichen. »Majors« waren in großer Aufre gung ob »Oberschtens« kommen wür den oder ,,belitten« wären. Wenn die dicte Hauboldten nicht erschien, so wäre die Hänichen die erste Dame gewesen, und das hätte sich am Ende auch so gehört, denn Colonialwaaren und Ci garren waren immer noch etwas ande res als Löttolben und Blech. Aber im letzten Momente tauchten Oberschtens auf. Die Dicke hatte ein weißes Kleid angethan und lächelte holdselig über ihre Borsdorfer Aepfel wangen. Der Oberst - Klempnermei ster hatte seinen Jnfanteriesäbel um, den er fürchterlich rasseln ließ, dazu trug er heute zum erstenmal, um dem Major sein Uebergewicht fühlbar zu machen, Sporen, so daß ihm sein alter Freund Kürschner Wiese gemüthlich auf die Schulter klopfte: »Du August, du willst wohl nachher Garoussel fahren?« Die drei Böllerschiisse überhoben Oberst Hauboldt der Antwort. Jeder Schiihpnbfrsdvk nnb fein-s- Ich-MERC den Arm, und die Paare schien sich nebeneinander. Da der Wein nichts kostete, waren sofort alle Gläser ge füllt. Zuerst wurde fast gar nicht ge sprochen, nur die Löffel tlapperten, dean jeder suchte so viel Suppe zu essen a s möglich. Heute, woses frei war, mußte man aus die Kosten kommen. Dann brachte der ,,besoldete Stadt rath« Mohn das Hoch auf den Landes herrn aus. Man erhob sich und leerte kräftig rufend sein Glas. Nach dem Hoch bumperten wieder die Böller der Hauboldtschen Rangen, und man stürzte sich auf den Fisch. Er hatte merkwürdig viel Gräten, was die Rothwendigkeit ergab, ihn hinun terzuspiilen. Dadurch wuchs die Stimmung zusehends und bald summte Und brauste es rundum. Nach dem Fisch erschien lange Zeit nichts mehr. Wenn das Auftragen der Speisen zu schnell ging, so hätten die Gäste nicht Zeit gehabt genügend zu trinken, und am Wein verdiente der Wirth das meiste. Aber die Pause wurde durch Festreden ausgefüllt. Weil nun aber durchaus kein Essen mehr kommen wollte, hatten einzelne zu tauchen angefangen. Andere ver ließen ihre Plätze und setzten sich zu ihren näheren Bekannten oder ihrer Freundschaft. Hauptmann Hentze, der Wagen bauer, ein stämmiger, dicker Mann mit ungeheueren Rätverträstem dem der Wein start zu Kopfe gestiegen, begann an der Tischecke seine Kraftstücke zu zeigen. Er hatte schon mit einem Arm seine neben ihm sitzende Frau sammt dem Stuhle gehoben, hatte bereits fiinf Messerbänichen gegen einen «Fufzig pfenger« Einsatz auf den ersten Ver such zerbrochen und wurde nun von Hauptmann Gottschalck — die Schü tzenbriider waren alle mindestens Hauptmann, bis aus den erst im Win ter beigetretenen Lieutenant haase, einen Cigarrenhändler —- dazu gereizt, mit einem Schlage seiner mächtigen Tsnnokfniibl fis- Fifesfvnss old-« »Es-Is schlagen. Aber er wollte etwas pro fitiren dabei: »5tinder, erseht will ich wissen, was mer einsetzen. Unter — unter eener Mark gibt’s nischt!« Doch seine Frau war wüthend, Saß er’s so billig machen wollte. »Een Dahler meenst de —« »Gut — Da is er. Ee Dahler.« Und er zog einen Thaler aus der Hosentasche, in der mit den Schlüsseln sein Kleingeld lose herum klimperte, und wars ihn auf den Tisch, wobei so fort ein Glas mit Rothwein umfiel. Doch ehe er die Tischecke abgeschlagen, hatte siehOberst-Klempnermeister Hau boldt erhoben. Er läutete fürchterlich mit dem Messer am Glase und beru higte sich auch nicht, als längst alles still war. Dann schwieg er, stüyte sich mit beiden Armen aus das Tischtuch, und begann sehr feierlich Und ernst als wolle er eine Grabrede halten: »Dort-verehrte Anwesende! Dheier ste Festgenossen! Liebe Schitzenbrie der!« Dann hob sich seine Stimme: »Mir feiern heite ee Fest. Mir fei ern ee scheenes Fest. Mir feiern unser Schitzenfest.« ,,Bravo! Bravo!« unterbrach ihn der Wagenbauer unten am Tisch, der ungeduldig darauf lauerte, seineTisch ecle zu erlegen. Es wurde energisch Ruhe verlangt, aber das Pst und Zi schen und Ruherufen hatte einen sol chen Lärm verursacht, daß nun neue Rufer sich bemühten, Stille herzustel len. Dadurch ward es noch lauter, und die dicke Hauboldtem die bisher in holdseliger Scham und seliger Ver zückung in ihrem jungfräulich weißge waschenen Kleide dagefessen, mit ge falteten Händen und gesenktem Blick, der Rede ihres August lauschend, be aann wlltbend zu werden« denn ti glaubte aus dem Lachen der Majors Hänichen einen Angriss gegen ihren Mann zu lesen. ,,Hochverehrte Anwesende! Dheier ste Festgenossenl Liebe Schitzenbrie der!« begann da der Oberst-Klempner meister von neuern. Es gelang dem Ehrensörderer, sowie dem bisherigen Schützenkönig, der aus einen Dank für sein Festessen hosste, die Ruhe herzu stellen. Nur der Magenhaut-Haupt mann unten an der Ecke, der ein Ra baubruder war, wollte durchaus seine Tischecke vernichten und warf seinen Thaler Einsatz noch einmal heraus sordcrnd hin. Der Oberst fuhr sort: »Liebe Schitzenbriederl Da ich eier Oberscht bin, so habe ich ooch die Pflicht, nee, ich meene dieEhre und das Vergniegen, unsere hochverehrten Fest genossen von auswärts willkommen zu heißen. Sie haben den weiten Weg, die Reise nich gescheit, sich anher zu be geben von Hainswalde, Klotzenbrode und Gehlichen. Nec, wie mich das freitl Jch gloobe, ich rislire nich zu viel, wenn ich sage: es sreit uns alle von Herzen und mir siehlen die hohe Ehre, die uns angethan wird. Da is mir nu ee Gedanke gekommen. Unsere Schi tzenbrieder und Festgäsie von aus wärts, die sollten sich sagen, wenn se sich wohl gesiehlt haben bei uns: Es ig zwar scheen gewesen eier Fest, aber bei uns is ooch gar nich uneben. Und ihr solltet uns besuchen, liebe Schwen brieder, zu unserem Schitzenfest in Hainswalde und in Klotzenbrode und ooch in Gehlichen! Wenn ich nu un seren lieben Herrn Hauptmann Leich senring z. B. ansehe.« »Seht gut! Sehr gut!« klang es von verschiedenen Seiten in Erwar tung des Freibieres, das der neue Schützeniönig geben würde. »Ich meene, wenn ich Leichsenringen ansehe, und Major Hänichen (wenn er ooch unsere scheenen Tschalos zu theier sindet), da gloobe ich sagen zu können: l Kinder, ladt uns ein und mir kom-! men.« Brausender Jubel brach los bei die- I ser Selbsteinladung. Nur der verflos- l sene Schützentönig fühlte sich um sei-i i nen Dank betrogen. Die andern lach ten und schrieen, tranken und verbrä derten sich durch Anstoßen, Kuß untH Umarmung mit denen aus Haineswal-1 de, Klotzenbrode und Gehlichen. i »Mir kommen!« riefen sie alle, und der eine Gehlichener fchränkte etwas ängstlich geworden ein: »Macht« nur de Deputation anstän-; dig groß.« - Aber Oberst Hauboldt meinte» freundlich: ,,J bewahre — Deputation. So ruppig sein mir nich. Mir kommen-s—i alle.« »Alle! Alle! hieß es wieder jubelnd im Corps. Nun war auch der KOM braten endlich gebracht worden und es ward eine Weile stiller wegen des Es sens. Ein paar weitere Reden gingen fast spurlos vorüber. Major Hänichen sprach inVersen auf die Damen. Der einzige Lieutenant als Jüngster auf; den ,,besoldeten Stadtrath« Mohn. MajorHänichen auf den Oberst Klempnermeister, dessen Verdienste er dTarstellte, als ob er eigentlich nun sein i Theil gethan und abdanten sollte Hä- , nichens und Leichsenrings nickten zu-i stimmend als er schloß: ,,Darum meine ich, verehrte Festge nossen und Schitzenbrieder wenn dert Tag eemol erscheinen sollte, wo unser hochgeehrter Oberscht —- was Gott verbieten möge-—das Commando jün geren Händen übergibt —- das mir ihn s dann zum Ehren - Kummandär er-, nennen missen —'« Die dicke Hauboldt war dunkelroth geworden vor Wuth, weil das doch dei nahe klang wie ein Abschiedstoasi.s Aber derOberst-stlernpnermeijter blieb ganz gefaßt. Er strich sich den strap pigen, grauen Schifferbart und läu tete sofort wieder fürchterlich an sein Glas: »Liebe Schitzenbrieder!« Aber er mußte nochmals beginnen. Die nöthige Aufmerksamkeit war nicht mehr zu erlangen schon die Plätze verlassen. mit den Armen aus dem Tisch schlies, andere unterhielten sich. hatten hochrothe Gesichter. Der Ei Einzelne hatten k Einer lag « und ; Alle · « t I l scnwaarenhändler Ropprasch schmatzte · seine Frau ab, die sich seiner Zudring- . lichkeit kaum zu erwehren wußte, und der Wagenbauer hatte endlich einen ge- " sunden, der seinen Thaler hielt. »August, du bist Oberscht bleibst’s. . Dicke ihrem Manne zu. Doch der hat te seinen Plan und meinte elen: »Mutter, mach’ leenen Salatl Heer zu und halt’ de Klappe!« Dann fing er an: »Liebe Schietzenbrieder. Jch habe eene große Jeberraschung sier eich. Un ser hochverdienter, hochgeehrter Major Hänichen, der eben die warmempsun denen, scheenen Worte an mich gerich tet hat von dem demnächstigen Ehren Kummandär, der kann doch denke ich nich egal Mai-or bleiben. Und da mee ne ich denn, mir ehren uns selber, in dem ich als Oberscht ihn . . . .« f Hauptmann Leichsenring rief so ort: Hänichen wird Oberscht!« Damit wäre der Oberst-Klemme meister abgehalstert gewesen, denn es konnte doch nicht zwei Obersten geben. Aber hohnlachelnd verkündete Oberst Hauboldt: »Ich ernenne hierdurch unsern hoch geehrten errn Major Hänichen zum Oberschtle tnant.« Diedänichens machten zwar ein ver blog tro- . und z Sag ihnen das,« rief dies buntes Gesicht, Frau Hänichen zupfte verlegen an ihrer rosa Schärpe, und ihre Tochter ward einmal roth übers andere, aber sie sahen ein da war nichts zu machen, nach dem Major kam eben der Oberstleitenant. Da entstand un ten an der Tischecke ein fürchterliches Getöse, so daß selbst. die Trunkensten aufsprangen. Der Wagenbauer hatte richtig die Tischecke abgeschlagen, doch nicht diese allein, sondern dag ganze etwas morsche Tischbrett, dem einige Teller und Gläser folgten. Unmittel bar darauf bumrnsten wieder die Völ ler. Die Jungen mochten den Lärm für einen besonders wichtigen Trink spruch gehalten haben. Nun wurde die Tafel aufgehoben. Die Stadtkapelle blies einen Tusch, stellte sich vor dem Zelte auf und die Schiitzenbrijder sammelten sich dane ben in Reih und Glied. Bis man alle zusammengerufen, dauerte es ein Weiter-Im und der Ehrenförderer, der trotz seiner Schießstandschenkung ei gentlich das Schieszen nicht vertragen konnte, rief ängstlich den ein wenig wankenden Schützen zu, die ihre Schieszpriigel unvorsichtig wie India nerkeulen hielten: »Um Gottes willen nur die Mün dungen nach oben.« Biichsenmacher KlingebeiL der auch Hauptmann war und in Tschako und Waffenrock sowie hellen Hosen sehr stramm aussah, beruhigte die erschro ckenen Damen: »Sie sein merschdendehls ohne Schlösser, und wenn schon, haben se teene große Anfangsgeschwindigleet.« Nun trat der Oberst vor die Front, zog den Samt, siel beinahe bei der Wendung über seine Sporen und com mandirte, während die Musik ab schwenkte: »Bataillon Marsch! Frei weg!« Die Menge machte Platz und unter »Bum —- Bum Tschingdrara« zogen die Schätzen um das große Zelt zum Schießstande. Die Gäste aus Heins walde, Klotzenrode und Gehlichen ge schlossen hinterdrein. Zuletzt der Eh rensörderer und der besoldete Stadt rath. Endlich die dicke Hauboldt al lein, dann Hänichens Mutter und Tochter mit der rosa Schleife, Frau Leichsenring im schwarzen Seidenen, daran schließend die übrigen Damen, alle mehr oder weniger erhitzt und mü de. Straßenbengel liefen hinterdrein. Ganz zuletzt schritt würdevoll der Stadtgendarm sk: se It Aber der Schießstand verödete mehr und mehr. Nur wer gerade an der Reihe war blieb dort. Die übrigen be ehrten die Buden des Festplatzes mit ihrer Gegenwart. Das war doch das Hauptvergnijgen. Da gab es was zu sehen und da konnte man sich mal ein bißchen gehen lassen, wenn die Alte nicht dabei war. Hänichens und Leichsenrings blie ben zusammen. Der neue Oberstlieu tenant schwankte ein wenig, aber die rosa Schleise achtete schon aus ihn. Leichsenring machte seinem Aerger ge gen ihn Luft: »Der olle Hauboldt, das is ee ganz gerissener Kunde. Nu biste Obericht leutnant und nu sagt keener mehr Mess. Und er bleibt ganz ruhig Oberscht. Weeszte Hänichen, den soll ten mer aushungern, den ollen Ischa kosritzenl Der Oberstlieutenant begriff nicht ·recht: »Wie meenst du dass--m »Ich meene, ich ernenne dich nachher, wenn ich Fieenig bin, ooch zum Oberscht!« »Das kannste doch nich!« »Na freilich, das geheert doch sozu sagen zu den Reservatrechten!« --—IA- « »JJILLII"I« »Das gloob’ ich!« »Und da meenste, der Oherscht wird abdanten ?« »Der wird pensionirt, a. D. oder z. « das kommt gehuppt wie gesprun gen« — Sie konnten nichts mehr sagen, denn eben kam der Oberst-Klempnermeister mit seiner Ehehälfle am Arm, rasselnd daher, in t"tetem Kampf mit den Spo ren. Und die Leiden verfielen auf den Gedanken mit dem zu Depossediren den, damit er keinen Verdacht schöper solle, so freundlich zu thun als nur möglich. Sie boten ihm ihre Beglei tung an und die drei Familien Verei nigten sich, die Herrlichkeiten des Fe ste-H zu genießen. Zuerst blieben sie an einer Würfel bude stehen: »Kommen Se her, treten Se näher, scheene junge Frau. Versuchen Se Jhr Gliectl« rief der Inhaber der Bu de der dicken Hauboldten zu, die sich ver-schämt näherte, während die Leich fenring die Häniahen anstieß: ,,Haben Ses geheert, Frau Nach barn, er nennt se scheene junge Frau, das alte Reff.« Jm Handumdrehen hatte sie eine Mart verspielt, und nun wollte sie nicht mehr. Fräulein Hänichen dage gen hatte für ihre ersten zehn Pfennige sofort eine Lampe gewonnen. Sie nahm sie zärtlich in den Arm und es ging weite-» Den Kraftmesser wollten sie versu chen. Hauptmann Leichsenring hätte gern vor den Damen seine Kräfte ge zeigt. Dreimal für zwanzig Pfennige durfte man mit dem großen zweihän digen Hammer auf den Pflock schlagen, der das Gewicht die Skala hinauf lrieb bis 100, wo am »Herkules« eine Glocke klang. Aber jedesmal traf er daneben. »Das is gar nischtt Jhr habt ja e keene Seefe in den Knochenl« ri da eine Stimme, und der Wagenbauer erschien, nahm den Hammer und ließ ihn fünfzehnmal hintereinander nie dessen-fu« daß das Gewicht jedesmal ! tlingend zum Herkules flog. Das sechzehnte Mal zersprang llirrend · oben die Glocke. Der Besitzer dek Kraftmessers forderte Schadenersatz, und der Wagenbauer drückte ihm groß- « müthig zehn Pfennige in die Hand, nachdem er sich von allen Umstehenden hatte den Biceps befühlen lassen. Die Damen waren ganz starr vor Bewunderung, so daß sich-Oberst, Ma jor und Schützenkönig »in spe« auch ihrerseits zeigen wollten. Deshalb stürmten sie auf das Karussell zu und erkletterten die Pferde. Die Damen mußten sich in die Wagen setzen, die von den Thieren gezogen wurden. Nur Frau Hänichen hielt es fur poetisrber sich sammt ihrer rosa Schärpe auf ei nen Schwan zu schwingen, der Loben grin derbesserte, indem er gleich selbst in eigener Person als Nachen diente. Eine gräßlicheLeierkastenmelodie er scholl und dieFahrt begann, aber schon nach zwei Umdrehungen begann die dickeHauboldten zu stöhnen. Sie ver färbte sich, jammerte und schrie end lich, bis sie zum Schluß aus Leibes kräften brüllte: »Anhalten! Anhalten! Mir is nich hiebsch!« Jhr Geschrei hatte nur den Erfolg, daß die Menge sich um das Karussell. sammelte und ein paarSchützenbriider, die ihre Oberstin erkannten, den Ver such machten, ihr zu Hilfe zu kommen. den Sporen hängen und schwebte nun I schillerten. Die Dicke war einer Ohn uvrr Iec ev nun, uukz sie zu um ge trunken oder daß sich das Laufbrett zu schnell drehte, kurzum sie wurden abgeschlagen, und der Lieutenant, der sich aus eigener Machtvolllommenheit heute einen Stern auf das Achselstück geheftet, sich somit zum Premier er nannt, flog in großem Bogen in Rich tung der Tangente dem Momentpho tographen vor die Füße, der, ein Ber liner Kind, immerfort rief: ,,Treten Sie näher meine Herrschaf- - ten. Einen Momang und ick jebe Ih nen een Bild, daß Sie sich nich wieder erkennen, so scheen sind Se jeworden.! Und allens bloß for’n Finfjroschen stück, mit ’n feinen Rahmen for’n YJtärker.« Der Lieutenant stand auf und war so Verdutzt, daß er gleich in der Bude verschwand, um sich abnehmen zu las sen. Der Oberst aber wollte seiner Frau ' zu Hilfe kommen. Er blieb jedoch mit « zwischen Himmel und Erde, bis end lich das statuser stand. »Das hab’ ich mir freilich anders gedacht!« meinte er zu den Schützen briidern, denen die Fahrt so schlecht« bekommen war, daß sie grün und gelb ; macht nahe gewesen. Jetzt auf siche rem Grund und Boden renommirte sie: »August, ich habe blos Angst gehabt um dich. Du hast doch nich bei der; Kavallerie gedient, woher sollst’5 denn E da ooch kennen.« ! Der Momentphotograph war zu ih- . nen gekommen: i ,,Tttistiren Sie ruhig eene Aufnah- T me. Een Herr wird jrade abgenom men.« - Aber sie hatten keinen Muth dazu. Der Oberst befühlte seine Taschen: »Erscht missen mer uns restaurieren. Später — will ich nischt berschworen ; haben. Heite muß alles gemacht wer- , l l den!« Und da gerade gegenüber der Chan- » tant lag, was die drei Schützen schon längst verstohlen betrachtet, so gingen sie dort hinein. Drei Sängerinnen ; saßen in abgetragenem Flitterstaat auf ? der Bühne. Ein verstimmtes Pianino ! klang, während die vierte, eine alte H fette Person, vortrug Die Schützen zdamen thaten verschämt, aber da die E Männer ihnen Bier spendierten, so waren sie einverstanden zu bleiben. ! Der Oberst- Kleinpnermeister starrte ’ die Dicke oben auf Dem Podium mit . großen Augen an Und auch die beiden E anderen redeten kein Wort mehr, son dern betrachteten andächtig dieFrauen i ziinmer, als ob sie höhere Wesen vor « sich hätten. ! ! Leichsenring sliisterte dem Oberst- J lieutenant in’5 Ohr: ; »Die sein freilich scheener wie unsere ; Alten« H i Zu gleicher Zeit stieß ihn der Oberst ; . an: 1 »Die Dicke, das wäre so was-! Pf!« ? Aber seine Frau hatte es gehört: » t »Schämste dich nicht, August! Sol e alter Fterl wie du— i » Doch sie konnten sich nicht trennen » Und auch die andern Schützenbriider erschienen, so daß man nicht begriff » wer eigentlich noch draußen auf dem Schießstand geblieben sein sollte End lich traf auch noch die Stadtkapelle ein ; und spielte auf allgemeines Verlangen · « den Schützenmarsch aus den Erinne rungen des Kapellmeisters Hiebsch . ; Die vier Sängerinnen mußten schwei- · g gen und zogen sich schließlich beleidigt, k· ; weil kein Mensch auf sie achtete, hinter 1 E die Gardine zurück. I Da kam der taube Jnvalide Zirrq giebel athemlos hereingestitrzt, soweit er aus seinen 7- o Beinen überhaupt Izur Athemlosigteit gelangen konnte ! EEr versah den Dienst als Zielet auf s idem Schießftand. Eine große Scheibe,s· , H die Königsscheibe, trug er. Kein s Mensch mehr von den Schützen war): zum Schießen zu bewegen Die letz s ten hatten fast alle die ganze Scheibe : gefehlt, aber da es dunkel wurde,: mußte nun endlich der Sch1.tzenkonig bestimmt werden ienring hatte zwar auf die Königs cheibe noch gar keinen Schuß abgege ben, aber er sollte nun mal König sem. Darum hatte der Jnvalide mit seinem Unzeigestock die Puppe durchstoßen und Bflaster aufgeklebt. Jn der Mitte war ein großes Loch gebohrt, das weit of Jen stand. Nun meldete er dem Oberst: »Herr Oberscht, mir haben eeneni Keenig!« ,,Dunnerlitzchen, den hätt’ ich bald Jergessem Wer ist’s denne?« fragte «cheinbar ganz erstaunt der Oberst Klempnermeistet .,,D.er Herr Hauptmann Leichsem« cing.« - Unter athemloser Stille hatte er es )erkiindigt. Sofort wurde aus den reuen König ein Hoch aus-gebracht. Dann bewunderten alle die Scheibe nit dem Königsschuß. ,,Gerade in’s Schwarze!« sagte einer. Ein anderer besah erschrocken das rief-ge Loch: »Und ee colosfales Kaliber muß der zehabt haben!« Da hielt der König auch schon eine Rede. Er versprach Freibier und 7chloß: »Liebe Schitzenbrieder! Da ich nu kier Keenig geworden bin, so habe ich Jnserm hochverdienten, hochgeehrten, Iochangesehenen Herrn O«berschtleit nant eene Freide zugedacht. Unser Ilter Oberscht Hauboldt is nu 25 Jahre unser Cumandär gewäsen. Da neene ich, hat er den Ruh-estand ehrlich verdient. Jch ernenne hiermit unsern Oberschtleitnant zum — Oberscht!« Wieder klanaen drei Hochs und Tusch. Damit schien der Oberst Klempnermeister abgethan. Doch er stieg plötzlich auf den Tisch, damit ihn alle gut sehen möchten, und begann: »Liebe Schitzenbrieder. Der geehrt Herr Vorred-ner, unser neier Keenig,. hat Sie erzählt, daß ich nu 25 Jahre Oberscht bin. Das ist eene lange Zeit. Egal Oberscht sein, und ich habe trei lich ausgehalten auf so e schwieriger Posten. Jch hätte nich davon geredt, aber nu kann ich noch ohn Unbeschei denheit meinen Mostricht dazu gähnt. Und da muß ich Sie sagen: ich habe heite frieh lange Zeit meine Beene an gesehen. Se haben mir nich gefallen. Se sein zu —- zu —« »Geschweist!« unterbrach ihn eine« Stimme. Doch er schüttelte den Kopf: »Se sein zu — kahl. Beim General« sähen se hiebscher. —- Jch muß rothe Beene kriegen! Liebe Schitzenbrieder, ich ehre uns alle, wenn ich rufe: Det alte verdiente General Hauboldt, lebe-« hoch!« Die R iickfahrtkarte. (· Von Heinrich Wels. Der alte, verwitterte Sepp hatte einen Sohn, Namens Anton, der drin nen in der Reichshauptstadt bei den iijardedragonern stand. Länast hätte er ihn schon mal besucht, denn der An ton hatte ihm geschrieben, daß Berlin eine sehr schöne Stadt sei, —- aber das theure Eifenbahngela Eben stand der Eepp wieder hemdgiirmlich aus seiner Wiese nnd wendete das srischgemähte Gras. Fern im Westen ging die Son ne in einem Flammenmeer unter. Der game Himmel flammte blutroth und die Wiese, die Bäume und die Häuschen deiz Dorfes strahlten die Röthe zurück, Aber der Sepp sah es nicht. Er hörte auch nicht den Gesang der Vögel, das ;-;irpen der Grillen, das Rauschen des Wassers und den Singsang der stram men Kathi. Nein, er dachte nur an Berlin. Da tam gerade der Herr Pfarrer vorüber und rief ihn an: »Na, Zeitp, wie geht’H«?-« Ter Bauer fuhr aus und rückte die Mütze von einem Ohr auf das ander-et »Gut, Hochwürden, das Wetter ist« fu«-u, un »He-unun- euuu gut uuu VII Echecfe hat gekalbt!« »So! llnd was macht denn der An ton drinnen in Berliu?« »Dein geht-:- auch gut, denn ich habe thin vargestern eine Wurstkiste geschickt.«' ,,Wollt’ Ihr ihn denn nicht mal be suchen?« Der Sepp traute sich hinter dem rech ten groszen Ohr, nahm die qualniende Pfeife einen Augenblick aus dein schiefen Urkuudwiutel und sagte dann: »Das ichon, Hochwürden, aber die Eisenbahn, neun nur die Eisenbahn nicht so theuet vare.« Der Pfarrer liichelte: »Na, so chlimin ist dasJ ja nicht, Sepp; Jhr uiiftt Euch nur eine Rückfahrtkarte iehnien.« ,,(Oine t)itiilsahrttarte?« Der Bauer uaehte große Augen und wiederholte . Jas Wort leise noch einmal. « »Ja, da ist die Fahrt viel billiger-. — llnd nun guten Abend, Sepp.« Der Pfarrer ging langsam weiter md der Sepb stand mit dem Rechen in )er Hand iuiiszig da und dachte an Ber in nnd an die !ii’iiekfahrtkarte. — — Und der Ecpp war wirklich in Berlin iewesen, hatte seinen Sohn besucht und , viie großen, schönen Häuser angestaunt. J lseniae Tage später traf ihn der Pfar «en wieder auf der Wiese und rief ihn X in: »(t3uteu Abend, Seppt Na, wie var’5 in Berlin?« »Schön, Hochwürden, — aber die Eisenbahn war doch recht theuer.« »Thener't Habt Jhr denn keine Riieksahrtkarte genommen, Sepp?« Der Bauer lächelte verschmitzt und agte dann: »Gewiß, Hochwürdenl Diuzu eine — und zurück auch wieder ine.« Der Pfarrer machte nur: «Sooo — nn —- hm.« Dann « ging er schnell oeiter, und der Sepp wühlte wieder nit seinem Rechen im Heu umher, da s nur so hin und her flog. Mit ein Itückfahrtkarte ist er aber nie wieder n Berlin gefahren.