Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, June 18, 1897, Sonntags-Blatt., Image 13

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    —
srtele ans Deutschland
Von Wilhelm Kaufmann
Dreödem 17. Mat.
Seit einigen Tagen schlägt die ge
wiß loyale und lönigstreue Presse der
Nationalliberalen einen Ton an, den
man fast bedrohlich nennen könnte.
Voran die Kölnische Zeitung. Da
heißt es, daß die verantwortlichen Mi
nifter wenig Einfluß besitzen, daß die
Umgebung des Kaisers aus junlerli
chen Elementen besteht, welche gar kein
Verftiindniß für die hochherzigen
Jdeen des Monarchen haben, daß ein
ntriguenspiel im Gange ist, welches
ich gegen gewisse Minister richtet chr.
von Maxschall?)"und daß in den Krei
sen, welche die Umgebung des Kaisers
bilden, die Vorstellung Platz greift,
man werde eines Tages eine sociali
siifche Vollserhebung mit bewaffneter
band niederschlagen müssen. Das
Wort »Nehenregierung« und Flügel
adjutanten - Politil« wird allerdings
nicht gebraucht, man liest es aber leicht
zwischen den Zeilen.
Woher der Lärm? Ganz plötzlich
hat sich eine reattionäre Strömung in
Regierungslreisen geltend gemacht,
gemacht, welche für Preußen das er
reichen will, was man im Vorjahre
durch die bekanntlich gefcheiterte Um
fturzoorlage ftlr das ganze Reich zu
erreichen beabsichtigt hatte. Es ist
dem preußischen Landtage ein neues
Vereins- und Berfammlungsgesetz
unterbreitet worden« welches selbst den
Nationalliberalen viel zu weit geht«
Der Inhalt der neuen Vorlage ist si
cherlich nach Amerika gelabelt worden,
von einer Wiederholung kann deshalb
Abstand genommen werden. Die an
fiößigste Bestimmung läuft darauf
hinaus, daß die Polizei das Recht er
halten soll, Vereine und Versammlun
gen aufzulöfen, wenn sie glaubt,
daß dadurch die öffentliche Sicherheit
insbesondere die Sicherheit des Staa
tes, oder der öffentliche Friede, g e -
sit h r d et erscheint. Auf diese real
tionäre Vorlage war Niemand vorbe
reitet, im Gegentheil hatte man eine
Erleichterung der Vereinsgesetzen er
wartet, nämlich die Beseitigung des
alten längst überlebten und von
a l l e n Parteien beständig übertrete
nen Paragraphen, welcher den Verkehr
politischer Vereine mit- und unterein
ander verbietet. Fürst hohenlohe hatte
vor mehr als einem Jahre schon dem
Neichstage die sefte Zusicherung gege
ben, daß jener Paragraph fallen wür
de. Anstatt dessen kommt jetzt jene
Vorlage, welche die Vereins- und Ver
sammlun sfreiheit in Preußen faktisch
von der nade der Polizeiorgane ab
hängig machte. Würde nur die So
eialdernotratie durch die neuen Bestim
mungen getroffen, so wäre die Nebel
lion bei den Nationalliberalen wohl
nicht ausgebrochen, aber wer und wel
che Partei ist während der letzten Jah
ren nicht schon als staatsgesährlich und
reichsfeindlich charakterisirt worden«-'
Dieses Schicksal hat bereits getroffen
die Antisemiten, die Christlich-Socia
len, die Centrumspartei. die Freisinni
gen, die Polen, ja sogar die hochconser
vativen herren, welche sich urn den
Grafen Kanitz und den Baron von
Plötz schaaren. —- Welche Partei muß
man sich fragen, kann da noch sicher
sein vor Polizeiwrsolgungeni
Erfreulich ist es, daß die Opposition
gegen die Vorlage besonders von einer
Partei erhoben wird, welche zu den fe
stesten Stützen der Regierung gehort.
Da auch das Centrum entschieden ge
gen dies reattioniire Gesetz ist, fo ist die
Annahme desselben wohl ausgeschlos
sen. Vielleicht kommt darüber der
Reichstanzley Fürst hohenlohe, zu
Fall, denn er ist durch sein dem
Reichstaae akaebenes Versprechen men
» «
proinittirt.
- « i
Auch im Reichstage hat diese real
tionäre Strömung kürzlich eine Nie
derlage erlitten, und zwar in der alten
Frage, wie die Majestätsbeleidigung
zu behandeln fei. Die Regierung be
harrt auf dem Standpunkt, daß der
Staatsanwalt eine Verfolgung einlei
ten muß, wenn ihm eine Denunciation
wegen Majeftätsbeleidigung zugeht.
Von allen Parteien im Reichstage,
ausgenommen die Conseroativen, wur
de diefer Standpunkt verurtheilt. Es
wurde fast einstimmig anerkannt, daß
die gegenwärtige Art der Behandlung
dieser Frage eine ganz falsche ist, daß
viele Menschen wegen einer unüberlegs
ten Bemerkung ins Gefängniß gesteckt
werden, daß das Denunzianten - Un
wesen bliiht und daß das Ansehen der
Krone durch solche Verfolgungen in ho
hem Maße gefchwiicht wird, daß man
also gerade das Gegentheil von dem
erreicht, was das Gesetz bezweckt. Frei
lich hat der Reichstag den Antrag der
Socialdemotraten, die Majestiitsbeleii
digungs - Verfolgung abzuschaffem
nicht genehmigt. Da der Antrag nur
aus Agitationizroecken gestellt worden
war, so hat ihn der Reichstag nicht
ernsthaft behandelt. Aber alle Parteien,
mit Ausnahme der Conservatiben ha
ben zugegeben, daß auf diesem Gebiete
Reformen eintreten müssen. Auch ist
die große Rede, welche Vebel bei dieser
Gelegenheit hielt, ohne jede sachliche
Erwiderung geblieben und hat zwei
felöohne einen tiefen Eindruck gemacht.
Bebels Rede war ein oratorischea Mei
erstilcl, in sofern, als der Redner sich
mühte rein sachlich zu sprechen, nur
die Thatsachen ftir sich reden zu lassen
und es dabei doch verstand, eine Men
ge Bemerkungen und Anspielungen ge
gen den Kaiser einzustreuen, welche se
der verstand und welche stets eine gif
tige Spitze gegen den Träger der
Krone hatten. Er zeigte damit, wie
leicht es geistreichen Köpfen ist, Maje
sestätsbeleidigungen zu begehen mit
Vermeidung der strasbaren Form.
Allerdings sprach Bebel unter dem
Schutze der parlamentarischenRedesrei
heit, aber er hätte das, was er sagte,
auch in einem Zeitungsartitel verbrin
gen sonnen. Thatsächlich geschieht das
tagtäglich in den Zeitungen und Witz
blattern der Opposition nicht nur, son
dern namentlich auch in der sog. Bis
marck Presse. So brachte der Kladde
radatsch tiirzlich ein Bild, welches sich
offen gegen das Wort des Kaisers von
den »N·orglern« richtete. Man sah da
die Figur Bismarcts in einem Eisen
bahnwagen vierter Klasse mit der
Ueberschrift »O a n d l a n g e r«. Daß i
es sich dabei um eine Verhöhnung des I
Kaisers handelt, ist ganz klar siir Je- i
den, der das Bild sieht. Aber die;
Form, in welcher diese ,,Majestätsbe
leidigung« gefaßt ist, ist eine derartige,
daß man dem »Beleidiger« nicht bei
tommen kann. Ein geistreicher und
erfinderischer Schriftsteller, dessen Am
ßerungen von vielen Tausenden gele
sen und verstanden werden, spottet der
Majestiit unversroren und lacht der
Ohnmacht des Gesetzes-, welches zu so
viel Feinheit und Verschlagenheit
schweigen muß. Aber der arme Teufel,
welcher im Rausche, oder in der Erre
gung ein derbes Schimpswort über den
Landesherrn sich entgehen läßt, ein
Schimpswort, das vielleicht nur von
zwei oder drei Personen gehört worden
ist, der wird gepackt, vor Gericht ge
stellt und muß brummen. Jn der letz
ten Reichstagsdebatte über diesen Ge
genstand war es nicht etwa ein Social
demokrat, sondern ein Nationallibera
ler, der durchaus tönigstreue Herr
Muniel, welcher seine Rede mit fol
gender Anetdote würgte:
N— s-:-f--. M2".- U:—L L«.- III-It
»oll Ulksclk UUUcll stillt-U Ucls OVULUG
stand der Majestätsbeleidigung erst
mühsam ausgegraben. Es giebt sehr
viele wunderliche Aneldoten, wobei eine
ooreitige Auffassung als Beleidigung
sehr häufig die Beleidigung erst recht
bilden kann. Jn einem Kaiserpalast
befindet sich ein großes Bildniß einen
Minotaurus, bekanntlich einen Ochsen,
darstellend. Ein Vorübergehender
sagt: »Hier in der Burg befindet sich
der größte Ochse!« Er wird verhaftet.
Zur Erklärung aufgefordert, sagt er:
»Nun, sehen Sie den denn nicht? Gei
terteit.) Wen« meinten Sie denn ei
gentlich?« (Stiirmische Heiterkeit.)
Jn Deutschland werden jetzt durch
schnittlich 600 Personen im Jahre we
gen Majestätsbeleidigung verurtheilt,
die meisten derselben sind Leute, welche
iti der Erregung oder im Rausche, häu
fig in ganz intimen Kreise die «,,Belei
digung« verübt haben. Von den vie
len Fällen, die Bebel im Verlaufe sei
ner Rede vorbrachte, und die unwider
sprochen blieben, mögen hier einige »
aufgezählt werden: ?
»So hat sich vor einigen Monaten
ein Schuhmacher wegen Majestätszbe
leidigung verantworten müssen, der
von seiner eigenen Frau und von sei
nem Sohne denunzirt worden ist. Sie
werden zugeben, daß das Ansehen der
Krone nicht geschädigt worden wäre,
wenn ein solcher Proceß nicht anhän
gig gemacht worden wäre, wenn aus
dem innersten Familienlreise, aus dem
Schooß der Familie derartige Processe
nicht in die Oeffentlichkeit dringen. Die
Frau eines Eisenträgers, ebenfalls in
Berlin, wurde von einer ehemaligen
Freundin denunzirt wegen einer Aca
ßerung, die sie vor drei Jahren gethan
hat. Damals waren die Frauen in
nige Freundinnen, später hatten sie sich
Dcksclllocl, ullu llulllllkyt lll cv zu un- 1
sem Akt der Rachsucht gekommen. Hier »
in der Schwartztopssschen Fabrik ist’
ein Meister von der Schwiegermutter
seines Bruders denunzirt worden, und
es wurde dabei festgestellt, daß die»
Schwiegermutter erst aus Zureden des
eigenen Bruders die Denunziation be
gangen hat. Jn Chemnitz ist ein Ar
beiter ebenfalls auf die Anzeige einerl
ehemaligen Freundin zu einer Gesäng
nißstrase von drei Monaten verurtheilt
worden, wo wiederum die eigene Ehe
frau und der Schwiegervater die De
nunziation ins Wert gesetzt haben.
Endlich ist in dem vor einigen Wochen
verhandelten Koschemann-Procesz fest
gestellt worden, daß einer der Ange
tlagten wegen Majestätsbeleidigung
denunzirt worden war, weil eineTante
von ihm es fertig gebracht hatte, aus
zusagen, daß er schwere Majestätsbes
leidigungen ausgesprochen haben sollte.
Daß die Geschworenen nicht geneigt
waren, hier mildernde Umstände ein
treten zu lassen, ist ja klar, aber ebenso,
daß es sich um eine ganz gemeine De
nunziation handelt. Dann ist eine
ganze Anzahl von Majestätsbeleidi
gungsprocessen im Lause der Jahre
verhandelt worden, wo ein Mensch es
angemessen sand, um sich im Gesäng
nisz eine Versorgung zu verschaffen,
eine Majestätsbeleidigung aus-zusto
szen."
«- - i
Jm letzten Herbst wurde in der
Brandenburgischen Provinzial Simo
de der Antrag gestellt, den im Duell
Gesallenen das christliche Begräbniß zu
verweigern. Die Prozinzialshnode
lehnte aber diesen Antrag einstimmig
ab, nachdem ein Redner den Antrag
als eine »Jnsamie gegen einen Todten«
gebrandmartt hatte. Ermuthigt durch
dieses Resultat hat der Verein siir
Feuerbestattung an den evangelischen
--
Oberkirchenrath das Gesuch gerichtet,
fortan zu gestatten, daß Geistliche am
Sarge eines zur Feuersbeftat
tun g bestimmten Todten ihres Am
tes walten dürfen. Darauf hin hat
der Oberkirchenrath nach langem Be
sinnen, abschläglich beschieden.
Demnach muß der Ehrenmann, welcher
für seine Leiche die Feuerbestattung
angeordnet hat, wohl noch ein viel
größerer Sünder sein, als derjenige,
welcher sich gegen das göttliche Verbot
des Zweikampfes vergangen hat. We
nigstens kann man nach den beiden
Entscheidungen der preußischen Ortho
goxen kaum auf etwas Anderes schlie
en.
Ein Fortschritt auf dem Gebiete der
Rechtspflege wird geplant. An Stelle
des Voreides soll der Nacheid treten,
d. h. man will den Zeugen nicht mehr
v or der Vernehmung beeidigen, son
dern erst n a chdem er seine Aussagen
gemacht hat, und nachdem ihm noch
mals vorgehalten worden ist« was er
ausgesagt hat. Jn vielen Fällen nimmt
eine gerichtliche Zeugenvernehmung den
Verlauf einer längeren Debatte und es
ist entschieden ungerecht, den Zeugen
für jedes Wort,w as er im Verlauf des
oft sehr langen Verhörs aussagt« mit
seinem Eide einstehen zu lassen. Der
Antrag geht von Seiten der Conferva
tiven aus und wird wahrscheinlich Ge
setzeskraft erlangen. Von Seiten der
Centrumspartei will man die abge
J schaffte confessionelle Eidesfornial wie
’ der einführen, doch ist eine so zahlreiche
Geanerschast gegen diese reaktionäre
. Maßregel vorhanden, daß dieselbe
! wahrscheinlich ein frommer Wunsch
I bleiben wird.
si- e s
Die deutsche Industrie arbeitet ge
genwärtig mit Hochdruck siir den ame
riianischen Markt. Namentlich in
Sachsen wird in vielen Branchen mit
Ueberzeit gearbeitet und manche Be
fviefw find TA» nnd Inn-Hi in THAan
leit, um massenhaft Waaren herzustel
len, welche vor Inkrafttreten der neuen
Dingleh Bill nach den Ver. Staaten
geschickt werden sollen. Mit Sorgen
und Bangen sehen die jetzt übermäßig
beschäftigten Fabrikanten der Zeit ent
gegen, welche nach Erfüllung der ge
genwärtigen Aufträge kommen muß.
Amerika ist der beste Markt fpeciell
der sächsischen Industrie, der Ausfall
wird sich ungeheuer schwer bemerkbar
machen. Ganz außerordentlich hat sich
die deutsche Eiseninduftrie während
des letzten Jahres gehoben. Der Ber
brauch von inländischem Roheisen ist
auf 120,8 Kilogramrn sijr den Kopf
der deutschen Bevölkerung gestiegen,
im Jahre 1895 waren es nur 105,1
Kilogramm ver Kopf und im Jahre
1864 gar nur 21.8 Kilogramm.
se is- si
Ueber die Arbeiterversicherung des
Deutschen Reichs ist für die Weltaus
stellung in Brüssel ein Bericht zusam
mengestellt, der in wenigen Ziffern ei
nen klaren Ueberblick über die Thätig
keit auf diesem Gebiete gibt. Jn
Deutschland wird jetzt (bei einer Bevöl
kerung von 52Millionen) gegen Krank
heit, Unsälle und Invalidität rund eine
Million Mark per Tag eingesetzt.
Während der Jahre 1885 bis 1895 ha
ben im Ganzen 25,061«,620 Personen
Entschädigungen erhalten und diese
Entschädigungen haben in Summen
1,248,763,965 Mark, also naher H
Milliarde betragen. Die Unternehmer
haben dazu 969,742,016 Mark, die
Arbeiter selbst 887,865,084 Mark ein
gezahli. Folgende Tabelle gibt ein
Bild von den Einzelposten des Jahres
1895, in welchem die Gesammt-Bevöl
kerung 52,000,000 und die Lohnarbei
ter 13,000,000 betragen:
Gesammtiibersichi.
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It If sit
Der wunderschöne Monat Mai, für
welchen die deutschen Dichter eine so
unerhörte Retlame gemacht haben, ist
heuer in ganz Mitteleuropa so streng
und so heimtiickisch gewesen« wie man
es sonst nur vom Februar gewohnt
war. Jn den böhmischen und sächsi
schen Gebirgen liegt der Schnee fuß
hoch, auf dem Fichtelberg stand letzte
Nacht das Thermometer auf 4 Grad
Reaumur unter Null und ähnliche
Nachrichten kommen aus allen Höhen
lagen. Jn der Ebene ist’s nicht viel
besser. Da das talte Wetter schon so
lange anhält, d. h. schon zu Beginn
des Monats eingesetzt hat, so dürfte
der dem Obst und den Früchten zuge
siigte Schaden nicht so groß sein, als
man sonst wohl vermuthen könnte. Die
Zeitungen berichten von ähnlich kalten
Wonnemonden aus früheren Jahren,
worauf trotzdem noch recht gute Ern
ten erfolgten. Jn Frankreich soll der
Wein furchtbar gelitten haben, vom
Rhein lauten die Nachrichten nicht so
schlimm. «
Merqchensresserct am Konso.
Nach den Beobachtungen verschiede
ner Reisender und Beamten des- Kon
gostaates ist im Kongobecken die Men
schenfresserei noch ein allgemein ver
breitetes Greuel. Die richtige Men
schenfressergegend ist nach Delcommune
das Gebiet zwischen den Flüssen Ruki,
Lopori. Tschuapa, Bussera vom Tum
ba-See bis zum Lulongo. Dort haust
der mächtige Stamm der Batolo, die
förmliche Menschenjagden unter den
benachbarten Völkerschaften, die weni
ger stark und schlechter bewaffnet sind,
als sie, abhalten, um sich mit Men
schenfleisch zu versorgen. Der größte
Theil der Gefangenen wird nach Uban
gi geschafft und dort auf dem Markt
gegen Elsenbein und andere Waaren
verkauft. Gleich Viehheerden werden
an bestimmten Tagen die erbeuteten
Sklaven, namentlich Kinder, dem
Markte zugetrieben. Bei anderen
Stämmen, z. B. den Bazokos, an der
Mündung des Aruwimi ist die Gier
nach Menschenfleisch so stark entwickelt,
daß sie sogar, wie Officiere des Kon
gostaates versicheru, ihre eigenen Tod
ten verzehren. Sie lieben besonders
die Nieren und die Brust, das übrige
Fleisch pökeln sie in Töpfen gewisser
rnassen ein. Auch die Bapoto sind noch
große Menschenfresser. Sie zerstückeln
und verhandeln die Leiber ihrer Opfer
mit der Geschicklichkeit eines gewand
ten Schlächters. Dabei kommt es nach
Ort-»- thsp «ct k-- s-c. ins-. 11»«I-·Z-Ils««
« »F tat-k, Uns us Um
chen, welche fiir die Schlachtbank be
stimmt sind, zunächst auf dem Markte
zum Verkauf aus-geboten werden. Die
Kauflustigen gehen dann die Reihe
entlang, prüfen eingehend die Opfer
und bezeichnen dem Vertäufer diejeni
gen Theile, die sie zu haben wünschen,
wie z. B. einen Arm, einen Schenkel
u. s. w. Mit farbiger Erde wird als
dann der getauste Körpertheil umzeich
net. Jst schließlich der Mensch auf
diese Weise ganz verkauft, so wird er
niedergeschlagen, und jeder Käuser er
hält sein Theil. Von den Njam:
Njams wissen wir ja schon durch
Schweinsurth, daß sie ebenfalls Kan
nibalen sind. Bei den Mombuttus
werden die Leichen der gefallenen Fein
de gleich nach dem Gefecht unter die
Sieger vertheilt und aus ihrem Fleisch
lange Stücke herausgeschnitten, welche
gekocht als Marschproviant die
nen. Die Gefangen werden mit in die
Dörser genommen und fiir Schmause
reien bei festlichen Gelegenheiten auf
gespart. Bei den Bangalas, welche sich
auch sonst vorzugsweise von Fleisch
nähren, gilt Menschenfleisch als der
feinste Braten. Jn ihrer Sprache heißt
der Mensch überhaupt das »Fleisch,
welches spricht«. Je mehr Muth ein
besiegter Feind gezeigt hat, desto ge
schätzter ist sein Fleisch, da dessen Ge
nuß Muth erzeugen soll. Das Herz
eines Tapferen giebt dem, der es ißt,
wahren Löwenmuth Der Aberglaube
von der stärkenden Kraft des Men
schensleisches ist sicherlich auch die
Haupttriebseder bei der Entstehung des
Kannibalismus gewesen. Auch die
Manherna, von denen einzelne Horden
auch nach Deutsch-Ostafrika übertreten,
sind noch Menschensresser; sie lieben be
sonders angefaultes Menschensleisch
und legen deshalb die Leichen in einen
Fluß, bis das Fleisch mürbe gewor
den ist, das sie dann, ohne sich erst die
Mühe des Kochens zu machen, roh ver
kkßlismqsn mmfe Hin-»- erfissfwnma ist
das Fleisch einer Frau weniger gut; es
wird nur dann gegessen, wenn Män
nerfleisch rar ist. Das tomrnt aber
nur selten vor. Es ließen sich aus den
Beobachtungen aus neuerer Zeit die
Beispiele leicht vermehren, daß im
Kongobeelen an vielen Stellen noch
echter Kannibalismus herrscht, und
daß sogar die Userbewohner ihm im
Geheimen noch stöhnen· Und keines
wegs sind es immer Völker, die sonst
nur von Pslanzenlost leben und etwa
zu ungeschickt sind, um durch Jagd
oder Fischfang ihr Gelüste nach Fleisch
anders stillen zu können; sondern der
Kannibalismussindet sich auch unter
Völkern, bei denen Fleisch die regel
mäßige Nahrung ist. Merttviirdig ist
nun die Beobachtung, daß die Men
schenstesserei sich vorzugsweise bei
Bölterstämmen findet, die in ihrerEnt
wicklung im Vergleich zu anderen schon
einen gewissen Cultnrsortschritt bekun
den. So sind zum Beispiel die Mom
buttus, welche bereits eine gewisse Po
litische Organisation haben, wüthende »
Menschenfresser. Manche Forscher sind
sogar der Ansicht, daß es erst einer ge
wissen Culturhöhe bedarf, ehe sich diese
Gewohnheit entwickeln kann, und da
rum behauptet Dr. Hinde geradezu,
daß manche Stämme, die jetzt noch tei
ne Kannibalen sind, es sicher noch wer
den, wenn sie ohne das Dazwischentre
ten fremder Einslüsse ihrem natürli
chen Entwicklungsgange überlassen
bleiben. Dr. Hinde, der als Arzt der
Expeditivn Dhanis verschiedene Käm
pfe mitmachte, bei denen auf Seiten
des Kongostaates auch eingeborene
Hilfstruppen sochten, erzählt, daß bald
nach einem Kampfe die todten und ver
wundeten Feinde verschwunden waren,
weil die Hilfstruppen sie inzwischen
zerschnitten hatten, um sie zu verzeh
ren. Sie ließen nichts für die Scha
—
kale übrig; nur die Blutfleclen blieben
als einzige Spur des Kampfes zurück.
Dr. Hinde, der bei den Batetelas am
Gsnge-Lotete mehrfach solche Mahlzei
ten mit ansah, schildert eingehend den
scheußlichen Eindruck, den es auf ihn
machte. Als Dr. Hinde nach Europa
zurückfuhr, hatte derCapiiän des Dam- ;
pfers, der ihn den Kongo hinabtrug,»
mehrere Bangelas, die zur Besatzung
des Schiffes gehörten, in Eisen legenJ
lassen, weil sie zwei gestorbene Genos- ;
sen verzehrt hatten. Als der Capitän ;
daraufhin die Sachen seiner ganzenz
Bangela - Schiffsmannschaft durch-J
suchte, fand er bei allen geräuchertes
Menschenfleisch versteckt. Jn Leopold
ville müssen die Begräbnißplätze be
wacht werden, um die Bangelas am
Ausgraben der Leichen zu verhindern.
Sie sind jedenfalls die grausamsten
Menschenfresser des ganzen Kongo
beckens Wie Dr. Hinde erzählt, ha
ben sie die Gewohnheit, Wildpret, das
lebend in ihre Hände fällt, nur die
Beine oder Flügel zu brechen, sie töd
ten es aber nach einigen Tagen; wie
sie sagen, wird es nach solcher Quälerei
; zarter. Aehnlich verfahren sie mit Ge
» fangenen, die gegessen werden sollen.
Drei Tage vor dem festlichen Gelage
werden solchem Unglücklichen Arme
und Beine gebrochen und er dann in
Wasser eingetaucht bis zum Kinn, der
Kon wird an einer Stange befestigt,
um ihn am Selbstmord zu hindern.
Am dritten Tage wird er herausge
zogen und getödtet. Sein Fleisch soll
durch das Verfahren dann sehr zart ge- ;
worden fein. Die Zubereitung ift beii
den verschiedenen Völkern ganz ver-.
schieden; es sind auch bei dieser Scheuß
lichleit besondere Liebhabereien vertre- .
ten, so daß die Einen lange StreifenJ
miä Arm-n nnd Nein-n bemnäfchnei-;
den, Andere lieber Hände und Füße?
essen und noch Andere, und das ist die
Mehrzahl, den Kon für das Beste
halten. Fast Alle benutzen auch Theile
der Eingeweide mit und namentlich
das Fett. Wie schon erwähnt, kommt
auch geräuchertes Menschensleisch vor,
und Dr. Hinde erzählt, daß er es nie
gewagt habe, auf den Märkten der
Eingeborenen geräuchertes Fleisch zu
kaufen, aus Furcht, es könnte Men
schenfleisch gewesen sei. Wer Augen
zum Sehen hat und sich die Mühe
macht, überall, wo er auf seinen Strei
fereien und Märschen in Afrika eine
verlassene Feuerstelle findet, die herum
liegenden Knochenreste zu prüfen, der
wird, so sagt Dr. Hinde, zu seiner Ue
berraschung außerordentlich häufig als
untrügliches Kennzeichen einer scheuß
» lichen Schmauserei zerschlagene Men
l schenknochen finden.
f
Californische Straußenzucht.
Von einem »Straußenmagen«
spricht man, wenn Jemand besonders
guter und leichter Verdauung sich er
freut, weil bekanntermaßen der Vogel
Strauß im Verschlingen ganz Er
staunliches leistet; findet man doch in
den Magen von Straußen Holzspähne,
Steinchen, Knöpfe, Nägel, Schlüsselz
u. s. w. Und doch ist der Strauß ge- ’
gen unzweckmäßige Nahrung sehr em
pfindlich und geht bei nicht sehr sorg
fältiger Pflege leicht zu Grunde. Das
haben die Straußenzüchter Califor
niens zu ihrem großen Schaden schon
zur Genüge erfahren müssen. Dort
ist die Straußenzucht seit 18 Jahren
heimisch, nachdem etwa 30 süd-asri
lanische Strauße im Jahre 1879 nach
der Ebene von Los Angelos eingeführt
worden waren und alsbald ihren Pfle
gern guten Nutzen brachten. Doch ist
letzteres bloß dann der Fall, wenn man
nur solche Vögel züchtet, deren Federn
von durchaus seiner Beschaffenheit
find mmn einmal hipNøsmpnhimn hnn
l nur den besten und schönsten Straußen s
zu Brutzwecken, sodann aber auchl
eine bedeutende Bodensläche gehört,;
weil die Vögel viel frei herumlaufen;
müssen, sollen sie nicht vielfachen
Krankheiten unterworfen sein, die sie
in der Wildheit ihrer eigentlichen Hei
math kaum kennen. Außerdem müssen
die Zuchtvögel stets und alle andern I
mindestens zur Brutzeit mit passenden
Futterpflanzen gesiittert werden« Die
Zuchtvögel werden, von den andern
getrennt, Paarweise in besonders ab
getheilten Feldern untergebracht; dort
legt das Weibchen in eine seichte Ver
tiefung, die es selbst sich herstellt, seine
- Eier, deren Zahl oft bis zu 20 und
darüber steigt. an das Ausbrijten
derselben theilen sich Männchen und
Weibchen mit großer Pflichttreue und
bei pünktlichsterAblösung vom Dienste.
Ein ausgewachsener Strauß liefert
jährlich etwa lz Pfund Federn, welche
etwa 86 Dollars einbringen. Jn der
Erkenntniß der Bedeutung des Wett
bewerbs der californischen Straußen
sucht hat man denn auch in Südafrila
einen Ausfuhrzoll auf Strauße einge
führt, welcher nicht weniger als 100
Psd. Sterling für den Vogel und 5
Pfd. Sterling für jedes Straußenei
beträgt. Indessen ist die Straußen
zucht in Californien schon so ent
wickelt, daß sie auf Einfuhr neuer Vö
gel aus Südafrika nicht mehr ange
wiesen ist. Besin doch die Placentia
Farm in Süd-Californien allein ein
Heer von mehreren hundert Straußen,
und in und bei Los Angelos werden
noch immer neue Straußenzucht-Far
men angelegt, die ihr Zuchtmaterial
aus dem Jnlande beziehen.
--.—
Auf s2,o(")o,000,000 wird der
Werth aller Viehbestände unserer west
lichen Staaten geschätzt.
—
Berliner Vollswitx
Der Berliner Volks-witz, dem nichts «
heilig ist, beschäftigt sich sortgesent recht
eingehend mit dem »National-Dent
mal«- Eine Fülle von echtem Humor
liegt in manchen dieser Auslassungen.
Der Humorist Viktor Laverenz hat sich
der Aufgabe unterzogen, in einer Plau
derei die Hauptschlagwörter zusammen
zutragen. Gottfried Kulemeyer aus«
Treuenbrietzen läßt sich von August
Biifeke, einem Berliner Korbniacher,
das Denkmal zeigen. Auf dem Opern
Platz erzählt Piiseke von den Obeliskm
mit den griinangestrichenen Jungfrauen:
»Hier«, sagte er, ,,standen bei der
Centenarfeier die Ovelisken mit de
Spinatjrmgfern. Allen-T wag jetzt in «
Berlin enthüllt wird, jrient niimlich..
Berlin befindet sich augenblicklich in de
Bliitliezeit So wart ooch mit die
Friedrichöbriicke; die haben Se »Jrien
spanbriicke getooft«. Bald lam das
imposante Denkmal in Sicht, und
Kulemeyer sperrte vor Verwunderung
die Augen aus. Der spottsiichtige
Berliner hat die volle Schale seines
etwas beriichtigt gewordenen Witzes
über das Werk »aus-gegossen: »Wilhelm
in de Löwenjrube«, sagt also Piiseke
Pathetisch und macht eine entsprechende
Handbewegung. Es ist nicht zu ver
kennen, das; diese Bezeichnung überaus
treffend ist: der von allen Seiten einge
engte Tenkinalsplatz macht in der That
den Eindruck einer Grube, und die vier
Löwen an den Ecken des Sockels recht
fertigen den Auöspruch vollkommen.
»Ter- Gaul, auf dem der Kaiser sitzt,
is der »Vegas·us«. Hier um den Ga
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»Wer W., W »W. «....«,«.- .
Die sind bei Bejassen hysterisch —- nee
historisch wollte ick sagen. Begas kann
überhaupt keen Denkmal machen, ohne
die vier Franensleute anzubringen.
Uss’n Schlofzbrunnen sitzen se ooch und
halten den Rand, dito an’t Schillerdenk
mal uff’n Schandarmenmarcht. Dies
nial ig- bloZ een kleener Unterschied; die
Meecheng stehen nich, sondern se danzen
Ufs Kugeln, Terpentintänzerinnen,«
wie man sagen dhut.« Kulemeyer be
wunderte daLJ gewaltige Standbild und
fragte endlich, was denn die Frauenges
stalt neben dem Kaiser zu bedeuten habe.
»Ja, wissen Se«, erwiderte Piiseke,
,,ofsen gestanden, det weesz in Berlin
teen Mensch. Jch denke mir, et is so
wat wie ’ne Ehrenjungfrau, die den
eKaiser Wilhelm durch det Brandenbur
ger Thor jesiihrt hat. Die Jewehre,
welche aus die Waffenbiindeln unter
de Löwen ranSkieten, heeßen »Wir-e
Jewehre. « Se kennen doch die Jeschich
te von den jros—;en Jridenflinten-Proceß,
den dunnenialg die Jewehrfabrit von
Löwe jejen den Abjeordneten Ahlwardt
in’t Wert jesetzt hats Aber sehen Se,
een jroszer Thierliebhaber muß der Be
jas doch sind. Hier vorne vier Löwen,
dahinten zwee Adler, oben druff acht
Pferde, Schlangen sind ooch überall
anjebracht, und uff det Dach von de
Saulenhalle sitzt sogar een Ochse, mit
eenem Wort die richt’g,e »Menajerie
Besitz-C Die jroszen Onkel-«- da, die
sich so nsf de Treppenstusen hinjestellt
haben, det sollen ,,Nietzsche’sche Ueber
menschen« sind. Tet behaupten wenig
sten-:- die Philosophen. Det Frauen-—
zinimer, die da hinten uff de Jallerit
sitzt, det soll die »Jesehichte« sind. Au
genblicklich schlagt se in’g Konserva
tionS-Lerit«on nach und sagt: ,,-Herrjott,
iek erinnere mir doch so dunkel, mal
wat von eenen jewissen Biginarck jelesen
zu haben.« TieHalle, welche um det
Tentmal loost, heeßt: Bejasse. Die
jrienen Wagen, die oben druff stehen,
nennt man ooch ,,Kolonne Brrr«.
So hees;t nämlich det Jarde - Train -
Vataillon in Tempelhof. Hinten an de
Bejasse steht ein Eisenfabritant, der zu
de sruppe der Viehzucht und lIndustrie
jehort, an den Ambos jelehnt un droht
mit deiz spiye Dinge-, wat er jeschmiedet
hat, rieber nach de Schneiderakademie
ins Ruthe Schloß und schreit: «Usf
lsich Schneiderseelen habe ick schon lange
’ne Piete!«
Sehn Se, un da hat der Bejas noch
’n Zeuszlopp anjebracht, der sich von
eeuen tleeuen Bildhauer bearbeiten läßt.
Blei-Z ab un zu uiaeht er ihn uffnierksarm
»Du Kleener, versenge inir aber ja nich
de Locken«
--—-Ä, -—.
Uebertrnmpfr
Die baronlichfte der Baronesfen
Lichte herzinnig der gräflichste Graf,
Weshalb man beide nach kurzen Mon
en
Schon als junges Ehepaar traf.
Er besaß fünfundzwanzig Ahnen
Sie wohl das Doppelte offenbar,
Dafz sie bis YJtethusaleni reichten,
Wenn nicht gleich bis auf Adam gut.
Ja, der Graf war es selbst, der später
Deutlich gar oft zu verstehen gab,
Seine Gemahlin, die Gräfin stamme
Sogar direct von der Schlange ab.
—- DietveiseFran. Jch muß
die-J Jahr unbedingt wieder nach Karls
badl Vorlich, Baruch, Du gehst so
lange zum Brunnen, biste Bankrott
machst!
——Verliner Heirathsans
tra g. Er: Juste, Dir möchte ick hei
rathen, aber ick weeß nich, ob ick for
eene Familie sorgen kann. Sie: Ach,
for Familie wer’ ick schon sorgen, sorge
Du man for Kartoffeln un Hering.
—-Zarter Wint. A.: Man
behauptet, das Tabakrauchen soll seht
schlecht fiir’s Gedächtnifz fein. B.:
Das glaube ich nicht, ich habe die Zio
garre noch nicht vergessen, die Sie mit
vor sechs Monaten gegeben babenl
--«.L·.