M Ein gelulsmetln Ritt. Erzählung von E. T hu n. . - . . . Es war im November 1870. Die durch den Fall von Meh freigewordene Armee des Prinzen Friedrich Karl eiltij in foreirten Märschen nach Orleans«’ um den französischen Generalen Vom-; bali und Chanzh den Weg nach Paris« zu verlegen. Dieser Vormaesch, wel cher zu neuen Siegen und frischeml Pubm führen sollte, bestimmte viele deri tnNancy, Pont--«e-Mousson und anders-! wo wegen Krankheit zurückgebliebenenj Offiziere, mit hereischem Muthe ihre! Leiden zu überwinden und den schnell dorrückeuden Trupp-en nachzueilen F Der General v.—S·tiilpnagel, der Rom-E mandeur der 5.Division, war aus Wies- Z baden, woselbst er sich vierzehn Tage zur « · Kur aufgehalten hatte, in Nancy einge- . troffen, er beabsichtigte, über Bersailles fein KorpH zu erreichen. : ,,Vrgleiten Zie mich«, rief er dem Licutenant T. zu, der gerade im Be-« griff war, ein neuerworbenes Pferd zu? probiren, »ich reife morgen früh vonk hier ab. Sie sehen zwar noch verteufelt angegriffen aus-, aber was hilft es, mir i geht es nicht besser als Ihnen, aber man braucht uns -—— und dassv entscheidet.« »Es-H war meine Absicht, tiezellenz,· bis Vitry le Franks-ais die Eisenbahn zu , benutzen und dann der Armee auf dem lürzesten Wege nachzueilen, der Trans- z port meiner Pferde iiber Versailles dürf- - te auf unvorhergesehene Schwierigkeiten ; stoßen.« Der titeneral sann einen Augenblick nach. »Schwierigteiten dürften immer- k bin möglich sein. Werden sich Jhnens Kameraden anfchließen?« · « »Lieutena-nt Verthold von den Zieten- ( Husaren hat die Absicht, es zu thun.« F ·,,Jhre Idee, lieber T» will mir nicht ; recht gefallen«, meinte er kopfschüttelnd. · ,,th ist ein waghalsiges Unternehmen, zu I Zweien quer durch Feindes Land zu rei- I ten. Die Franctireur-Banden werden; auch Sie nicht unbeläftigt lassen. Bes- ! fer ist’s, Sie geben Jhr Vorhaben auf und warten, bis Sie sich einem größeren Detachement zugesellen lönnen.« »Der Abgang eines solchen ist für die - allernächste Zeit nicht zu erwarten, Ex·zellenz!« s »Wenn Sie durchaus Jhr Vorhaben I ausführen wollen, so beobachten Sie « alle erdenkliche Vorsicht dabei. Leben Sie wohl! Jch hoffe« Sie gesund wie derzusehen!« - Der General schritt nach diesen Wor- E steu langsam davon, und Lieutenani T. - ritt in schneller Gangart weiter. ’ Seine Fahrt nach Vitry le Franz-ais -" am nächsten Tage dauerte vom frühen Morgen bis zum späten Nachmittag. Fast auf jeder Zwischenstation mußte der Zug halten, bevor das Signal »freie Bahn« gegeben werden konnte. »Sie werden in Vitry laum ein Un terkommen finden«, meinte der Inten danturrath Berga, der die Strecke von Nanch nach Vitrh und umgekehrt fast J täglich besuhr. »Erst kürzlich bot mir « ein Wirth ein Bett in der Bedientenstube an, ---- zur Strafe dafür habe ich mehr als einem Dutzend Quartierbedürftiger das gastfreie Haus aufs Wärmfte em pfohlen. Der letzte Gast hat den flegel haften Wirth in die Bedientenstube ge- ; jagt und sich selbst ln des Wirthesf Schlafzimmer eingenistet.'« I Das Gespräch wurde in diesem Au genblick durch das plötzliche Halten des Zuges unterbrochen. »Wir lönnen nicht einfahren", meinte der ans Kupeefenster tretende Schaff ner, »ei; wird wohl eine Weile dauern, bis die Bahn frei wird. Wenn die Her ren hier aussteigen wollen, können Sie in wenigen Minuten die Station er reichen.'« " »Wer sind wir denn?« fragte Lieute nant Berthold. »Ja Vitrh Te Frangaikz Herr Lieute nant!« »Na, dann haben wir ja unser iel erreicht! Also »rau5« meine Herren!'· Bei diesen Worten war Lieutenant Berthold bereits heraus-gesprungen »Ist das die Stationlt« fragte er den Schasfner, auf ein hellerleuchteteg, einige s hundert Schritte entfernt stehenveg Ge- ; bäude weisend· ; »Nein, Herr Lieutenant, die Station j ist weiter lian. Was Sie da sehen, ist I ein Hotel, welches ich Jhnen empfehlen. würde —— der Wirth ist ein halber Deut- i fcher und stets erfreut, wenn Deutschei sein Haus besuchen.« . »Na, na!« meinte der Jntendantursi rath zweifelnd, »mit der Gastfreund-I schaft dieses Halboeutschen ist es nichtT weit her, mich hat er fast rausgeschniis- Z set» als ich neulich Zimmer und Bett für f eine Nacht verlangte.« I »Da hat er Sie vielleicht für etwas; gehalten, was Sie nicht sind«, meintej trocken der Schafsner. E »So—o, etwa für einen Gauner?«i rief Rath Bergo mit Entsetzen. »Meine 3 Herren, sehe ich danach aus?« »Alteinetwegen, machen wir den Vet iuch!« » Die drei herren begaben sich in das Hoteh nachdem sie die Burschen mit de. Uebersiihrung der Pferde dorthin beauf tra t hatten, — und fanden, wie der Ssassner verheißen, eine durchaus freundliche Aufnahme. »Wenn de herre Offiziers mit das vorlieb nehme wolle, woö ich hob, fein'z willkomme. Mit Bette lonn i zwar nit diene, aber e raine Streu solle Se hebbe, unn zu trinke unn esse wird sich wo oueh noch was ftnde.'« kö lich den Jntendanturrath bemer ken , r f der halbdeutsche, einen mi - tranischensltck auf Bergs werfend: « e hört der rr ouckkzu Jhnei« »Der rr geh et zu unserer steure .W und-list einer Derjenigen, von denen ums ser ohl und Wehe abhängt,« erklärte Lieiitenant T. «»»So, so, vor fo’ne wicht’ge Persehoni hatt i den Herrn nimmer geholte. i bvcht’, Se wäre . . .« E ·»Was Sie denken, bin ich durchaust nicht neugierig zu erfahren, alterj Freundl« unterbrach Rath Bergo dent tsteligen Wirth, »und sorgen Sie jetzti siebet für das, was Sie uns verspro-i chen, denn wir sind ebenso hungrig wiej DUkstig und miide.« s ·»Gleich, gleich, meine Herre!« Da-; mit wandte sich der Wirth der Thiir zu,j konnte es sich jedoch nicht versagen, dem! Ndlb nochmals zuzuriifem ,,J docht’k wefrllich, als Se neulich hier ware, Sei ware . . . .'« 4 Auch dieses Mal kam er nicht dazu. Unfarift schob der Rath den gedanken schwangeren Halbdeutfchen aus dem· Zimmer. ; Nicht lange währte es. als der Wirth,å beladen mit allem Möglichen, zurück-l lehrte. i ,,««J,ier, meine Herre«, sagte er, ,,hebbej Sei, ivos i hob in der Eil’ finde tönne.« Lasse Sei es sich gut schmecke.« ? Es war ein Mahl, das selbst ver wöhnten Ansprüchen genügt hätte. Der Jntendanturrath bemerkte, als er nach der mit Wohlbehagen verzehrten Mahlzeit fein Glas zum so und so viel ten Male wieder füllte: »Nun wäre ich in der Stimmung, zu hören, was der Wirth von mir denkt.« Fragen Sie ihn, dort kommt er ge radet« »Herr Wirth, sagen Sie offen und ehrlich, wofür hielten Sie mich damals, als Sie mir Zimmer und Bett verwei gerten?« ,,J möcht's Jhne lieber nit soge.« »Sagen Sie es nur!« drängte der Rath »No, wenn Se es denn durchaus wisse wolle, denn will i’s Jhne soge. J docht’: Se miißt ä Erzlunip sein, doß Se ä Zimmer un Bett verlonge, wo sich de« brove Offi,1,iers mit ä elendige Streu begnüge. So, nu wisse Se’s!« »Wahr gesprochen, sehr wahr! Ge ben Sie mir Jhre Hand! DieLehre wer de ich mir nierlen.« Am nächsten Morgen saßen die bei den Lieutetiants frühzeitig iin Sattel, der Wirth stund neben den unruhig scharrenden Pferden und wiederholte wohl schon zum dritten Male, daß sie, um den Weg nicht zu verfehlen, zuerst gradeaus, dann den ersten sWeg links, dann beim Kreuzwege rechts und spä ter links reiten miiszten.« ,,Nach dieser Jnstrnttion«, meinte Lieutenant Berthold, »bin ich sicher, daß wir uns gründlich verreiten werden« »Se könne gor nit sehle'«, rief der Wirth, ,,solge Se nur dem Woge, der da eben klimmt, der fährt mit die Herre Osfiziers, «wohin wollen Sie reiten?« ,,Ueber Troyes nach — Gott weiß — wohin!« ,,Dahin wollen wir auch! Geben Sie Ihr Pferd dein Burschen und steigenSie hier ein, wir haben gerade noch einen Plale« »Gebt nicht! Kann Lieutenant T. nicht allein reiten lassen.« »Ob« Kamerad T. nimmt Ihnen das nicht übel, er bleibt ja übrigens in un serer Gesellschaft, wenn er sich uns an schiießi.« - Dem Lieutenant Berthold wurde es» recht schwer, der verfiihrerischen Einla dung zu folgen, er gab jedoch derselben nach, als auch Lieutenant T. die Auf-I forderung mit der Versicherung unter stüßte, daß er dem Wagen folgen werde. Fort rollte der Wagen, Lieuteiiant T. trottete nebenher. Wer jemals einen bald langsamer, bald schneller dahinrollenden Wagen zu Pferde begleitet hat, wird die Erfah rung gemacht haben. daß es fiir den Reiter nichts Ermiidenderes giebt als diese Art der Fortbeivegung Der Schucleltrab schwerer Wagenpferde bringt den Reiter, der sein Pferd zu der selben Gangart zwingt, allmällig zur Verzweiflung LieutenantT. hatte sich daher wieder holt von seinen Kameraden getrennt. Dieselben waren ihm, als er im Schritt dahinritt, vorbeigesahren. Er wollte dieses Mal dem Gefährt einen größeren Vorsprung gewähren, um seinen Gaul austreiben zu lassen. Eine tnappe Vier telstunde mochte seit dem Vorbeipassiren des Wagens vergangen sein« längst war derselbe seinen Blicken entschwunden, auch das Rollen auf dem chaussirten Wege war nicht mehr vernehinbar, da endlich dachte er daran, daß es nun wohl Zeit fein dürfte, eine Wiederver einigung mit seinen Kameraden durch einen stotten Trab herbeiziifiihren.I Das Pferd folgte willig dem Schenkel dructe und trabte munter die Chaussee entlang, welche schnurgerade durch nie-» diiges Gestriipp einerThalmulde führte.? Hier theilte sich die Straße, ein Wegf zog sich die Thalmulde hinunter, der an-; dere bog rechts ab und verlor sich auf einer Anhöhe. « Der Lieutenant zögerte einen Augen-g blielz sollte er geradeaus oder den Wegs rechts einschlagen? Er besann sich aufs die Instruktion, welche der gefälliges Wirth in Vitrn le Franixais beim Abq schiede gegeben hatte. Hatte dieselbei nicht gelautet: gradeaus, dann den er-t sten Weg rechts, oder links? Neins rechts, entschieden rechts, also vorwärts. Aus der Anhöhe angelangt, ver hielt er sein Pferd und spähte nach dem Wagen, aber so viel er auch spähte, er konnte nichts von ihm entde cken. Er sehte seinen Gaul abermals in einen scharfen Trab. Kaum hatte er eine kurze Distanz zurückgelegt, so theil te sich die Straße abermals in mehrere Zweige. 4 4 l «Aha! « Der Kreuzweg!'« rief er. «Vorher rechts-, nun linlsl« Ohne zu zögern, schlug er die links abzweigende Straße ein. Plötzlich mündete dieselbe in einen Steinbruch. »Den Teufel auchl« brummte er miß Inuthig ,,da habe ich mich ja gut verrit en.« Er parirte sein Pferd, machte iurz Kehrt und ritt die Strecke nach dem Kreuzwege zurück. Kilometer reihte sich an Kilometer, weder ein Wagen, noch ein Dorf, wo man ihn hätte zurechtweisen können, tauchte vor ihm auf. Daß er sich ver ritten, gründlich verritten hatte, kam f ihm zum vollen Bewußtsein. Die ! Uebersichtskarte von Frankreich, welche ? er mit sich führte, zeigte ihm, daß süd- i östlich von Bitrh le Franesais das? Städtchen Brienne und genau südlich der Ort Piney liegen mußte. Außer diesen beiden Orten stand aus der Karte südwestlich von Vitry noch der Name Arcis verzeichnet. Wohin aber die Straße führte, aus der er seinen Ritt fortsetzte, darüber gab die Karte keinen Aufschluß, selbst die Sonne, verdeckt durch regenschwere Wolker, versagte ihm den Dienst, nach ihr die eingeschla gene Richtung bestimmen zu können. So viel wurde ihm klar, daß nur ein glücklicher Zufall ihn aus dieser gefahr vollen Lage befreien könne. Um seinem schon Ermüdung zeigen den Pferde und sich selbst eine kurze Rast zu gönnen, stieg er aus dein Sattel. Ein dichtes Gestrüpp bot ihm kärglichen Schutz gegen den sich plötzlich erhebenden Sturm und niederprasselnden Regen. Jhn fing an zu srösteln, der kalte No vembersturm drang ihm durch Mart und Bein. Bevor er wieder zu Pferde stieg, mu sterte er schnell das vor ihm liegende Terrain. Die Straße senkte sich von der Anhöhe, aus der Lieutenant T. sich befand, ziemlich steil in ein enges Thal, das zu beiden Seiten von schroff auf steigenden Fseleafsen und in denselben verschwindenden Schluchten begrenzt wurde. Plötzlich drang ein Laut aus dem Thale zu ihm herauf, der fast wie das kurze Wiehern eines Pferde-, sich an hören der Gaul des Offiszierg hob den Kopf. spißte die Ohren. Schnell schaute der Lieutenant durch sein Glas nach dem Punkte hin, tvoher er glaubte, das Wiehern gehört zu haben, und siehe da, aus einigen der vorhin erwähnten Schluchten fchlüpften in gebückter, vor sichtiger Haltung Männer hervor, die sich schnell hinter und zwischen dem Ge stein zu verbergen suchten. Einer der selben — wahrscheinlich war er der An führer —- deutete mit emporgehobener Hand nach der Anhöhe und verschwand gleichfalls hinter einem Felsen. Der Lieutenant konnte nicht länger im Zweifel sein, daß er es hier mit einer Bande Franctireurs zu thun hatte. Zwei Möglichkeiten gab es nur: entwe der das Klügste zu wählen und schneller, als er gekommen, den Rückweg nach Vi trn einzuschlagen. oder mitten durch die hinter den Felsen lauernden Feinde hin tsurchzusvrengen und der Schnelligkeit feine-z Pferdes feine Rettung anzuver trauen. Das Erstere behagte ihm nicht, dass Andere schien ihm fast zu tollkühn. »Heute wä:’5«.« sagte er fich, ruhiger ge worden, »wenn ich die Bande hinter’s Licht führte?« Diese Jdee schien ihm so brillant, daß er sofort begann, sie in Szene zu setzen. tfr ritt ettva fünfzig Schritte dein Thale zu, machte plötzlich Halt und gab nach riictwärtg mit aufgehobenem Arme ein Zeichen, das so gedeutet werden mußte, als ob er einem hinter ihm mar fchirenden Truppentörper das Weiter rordringen verbiete. Hierauf ritt er im langsamen Schritt den Weg nach dem Thale herunter. Zu beiden Seiten ftarrten ihm Felsmassen entgegen, hin ter welchen der Tod aus jeder Spalte lauerte. Dem Ossizier schlug das Herz hör bar —— er wußte, daß nach Blut lechzen de Augen aus ihn gerichtet waren. Es galt, die größte staltblütigteit zu be wahren und durch tein Zeichen zu ver rathen, daß die Anwesenheit der Feinde ihm bewußt war. Er richtete sich in den Bügeln empor und rief, so laut er nur vermochte, der Anhöhe zugewendet: »Eskadron rnar———---r-s—sch!« Dann, dem Pferde die Zügel freilas send. sprengte er in rasender Karriere davon. Zu spät ihm nachgesandte Kugeln überzeugten ihn, daß sein Coup voll ständig gelungen war. Die Feinde hat ten den Einzelnen entschliipfen lassen, um die erwartete Egkadron bis auf den letzten Mann vernichten zu tönnen. Er wurde bald gewahr, daß man ihn nicht verfolgte, und brachte sein Pferd daher in einen ruhigen Schritt. Ueberdies er heischte die einbrechende Dunkelheit dop pelte Vorsicht. Eine Viertelstunde später ritt er in die hellerleuchtete Straße eines kleinen Ortes ein. Die Einwohner desselben schienen sich in großer Aufregung zu be finden. Gestilulirend und eifrig mit einander sprechend, standen und rannten sie umher, und jedesmal, wenn aus der Ferne, trotz des Sturmes, dumpfer Ka nonendonner herübersrhallte, nahm die Erregung einen fast wahnsinnigen Cha rakter an; glaubte doch ein Jeder, der Kanonendonner verkünde einen Siegi der Ihren. . »Bleibt un Prussien!« rief es wieauö ! einem Munde· als die Menge des Offi- I ziers ansichtig wurde. Dicht drängte t ich der Haufe an ihn heran, ihm in fast l feindlicher Weise den Weg ver-sperrend H « Hier konnten nur Klugheit und Ent- ! schlossenheit imponiren. Daß er als Einzelner sich bei der Menge keine »Hel tung würde verschaffen können, fühlte er, als er in die rechen Gesichter blickte, die ihn angafften. »Dites moi,« redete er einen Burschen an, der breitbeinig, die Hände in den Taschen, ihm am nächsten stand, »dites moi, ou est Monsieur le Maire?« ,,Voiln,« erwiderte der Bursche, mit der Hand iiber die Schulter nach einem größeren Gebäude weisend. ,,Merci bien!« .Der Offizier ritt dem ihm bezeichneten Hause zu. Die Menge folgte und stellte sich um ihn auf, neu gierig auf die Botschaft harrend, die er dem Maire zu überbringen hatte. Dem Maire mußte die Nachricht von der Anwesenheit eines preußischen Of fiziers bereits zugegangen sein,de1n er i trat in demselben Augenblick aus- dem Hause, als der Lieutenant vor demsel ben Halt machte Artig begrüßte der Maire den Offizier und fragte nach sei nem Begehr. »Ich habe Ihnen, Me: . ie ir l ?"aire, die baldige Ankunft von i»l W Mann gemischter Truppen Zu n: :lden und d-- as Ersuchen an Sie zu rich en, fii deren Untertunft und Verpflei gung das Nö thige sofort veranlassen 3u wollen. ,,C est impossibl e! is est imposfible!« rief der Matte, verzweifelt die Hände ringend » Leisten Sie, so viel Sie können, die Truppen werden nichts unbilliges ver langen. Für meine Person und mein Pferd muß ich Sie bitten, zu allernächst Sorge zu tragen.« »Ich würde Sie ersuchen,« entgegnete der Maire, »mit meinem Hause fürlieb zu nehmen. Darf ich bitten, mir zu folgen?« Er öffnete ein Hoftiwr, rief einen Boten herbei, trug demsekben die Pflege für das Pferd auf und nöthigte den Qfsizier, näher zu trete:i. ,,Womit darf ich aufwarten7 Was befehlen Sie?« fragte der Liitaire in zu vorkommendster Weise den eingetrete nen Gast »Ich beanspruche nur wenig,« erwi derte der Lieutenant T» ,,eine Tasse Ther, ein Bett und ein paar Stunden ungestörter Ruhe.« «Sorsort werde ich für Erfüllung Jhrer Wünsche Sorge tragen.« Der Mairc wollte nach diesen Wor ten daEH Zimmer verlassen, zögerte jedoch sichtlich damit und schien verlegen um das-, was sein Mund nicht auszuspre chen wagte. »Sie wollen mir noch etwas sagen?« fragte der Lieutenant T. in freundli chem Tone, »was ist eisi« »Verzeihen Sie gnädigst, aber ich wollte Sie noch um Jhre Fürsprache bei Jhrem General bitten, daß er unsere arme Stadt Piney, die schon so unend lich durchlkinquartierung gelitten, nicht in dem Maße belasten möge, wie es lei der seine Absicht ist. Die Einwohner sinid wahrscheinlich nicht im Stande, 10.000 Mann unter Obdach zu brin gen, und noch weniger, dieselben zu ver pflegen.« .,Theilen Sie den Einwohnern mit, daß ich gern die Fürfprache übernehmen will. Jch hoffe, daß sie von Erfolg sein wird.« »Sie verpflichten uns alle durch die ses gütige Versprechen zu unendlichem Danl!« Der Maire drückt-e dem Offizier bei diese-n Worten herzlich die Hand und verließ das Zimmer. Bald zog auch der Gast sich in das für ihn bestimmte Gemach lzurück. Ermiidet wars er sich auf das Bett und verfanl in tiefen Schlaf. Von den Einwohner war wohl keiner zur Ruhe gegangen. Der noch immer hörbare Kanonendonner und die An- - tündigung einer so lzahlreichen Ein quartierung hatten die Aufregung aufs Höchste gesteigert. Höhnisch verlachten frech-e Gesellen den Maire, als er der Menge ein ruhiges, würdiges Verhalten empfahl und von der verheißenen Für sprache seines Gastes sprach. »Wenn das-— des Offiziers ernste Ab sicht ist, dann soll er nicht ,ögern, nicht bis es zu spät ist. Kommt, wir wollen iselbst mit ihm sprechen und ihn auffor dern sofort aufzubrechen« i Tumultuarisch zog die wild aufge Iregte Menge vor das Haus deg Maikr. - Die Sorge, wie er es anfangen sollte, Iunbelästigt die-H verwünschte Piney zu verlassen, hatte den Offizier nicht lange schlummern lassen. Unruhig wälzte er sich von einer Seite auf die andere — sallerhand Pläne schwirrten ihm durch ! den stopf, doch keiner wollte ihn befrie digen. l »Es geht mir, wie der klugen Maus, der es wohl gelang, in die Falle hinein zuschliipfen, abernicht gelingen wollte, wieder lkinauszukommen. Trag laute Durcheinander aufgereg ter Stimmen dicht vor den Fenstern des » Hauses erregte plötzlich seine Aufmerk samkeit Er erhob sich schnell und griff » nach sei nen Waffe n » Ein hes tigei ttlopsen an die noch i«n ; mer verrainmelte Thiir ließ ihn in der( Flusreg ung glauben das; n an scl on beii ilm ein ,udringen beabfielitit e Wit bar sch erc tinnne rieser »Qui est l-"i?« ,,E«"st iuoi -- le Mrire « ,,Je sniH an :22· stnt n votre service.« L-».hn:llseine1. Zug ordnend, öffnete er die Thiir und hieß den Maire eintre ten. »Man-til kann ich Ihnen dienen, Mon fienr le )«licire?« sein Ton klang ver bi nd! ceh »Ich flehe- ich beschwöre Sie, mein Herr, weisen Sie das Verlangen des un verständigen Volkes nicht ab.« ,Worin besteht dieses Verlangen ei gcliili TM « »Das-, Sie sofort abreitrn und bei Jh- l rein General zu unseren Gunsten inter ice-C rief der M aire flehend s i e » . Mk . FÆMWJ - s I t— 1 Hände zu dem Qfsizier emporhebend. »Wie dieses auszuführen sei, darüber, lieber Matte, habe ich mir schon die halbe Nacht den Kopf zerbrochen.« ,,Dürfte ich Sie begleiten ?« fragte zö gernd der Maire. »Das könnte den Erfolg vereiteln. Besser ist’s, Sie beruhigen das Voll und überlassen es mir allein, meinen Vorsatz auszuführen. Vor allen Dingen sorgen Sie jetzt für ein Frühstück und einen gu ten meiß in der Satteltasche, — und dann lassen Sie, bitte, mein Pferd vor sühren.« Hocherfreut über die liebenswürdige Aufnahme seiner Mission, verließ der Maire das Zimmer, um die Wünsche seines Gastes zu erfüllen. Er ahnte nicht, daß sein Auftrag dem Offizier tausendmal mehr Freude bereitete als ihm selbst. Lieutenant T. mußte trotz der noch immer bedroblichen Lage, in der er sich befand, mit aller lslewalt an sieh halten, unt .«a,. «i ein schallendes Gelächter auszubrechen So etwas war ja wohl noch nicht dagewesen! Jhm, der noch vor wenigen Minuten im Angstschweiß griibelte, wie er sieh aus der Klemme zie hen sollte, öffneten mit Blindheit ge schlagene Menschen die dunkle Pforte, deren Ausgang zu finden ihm so jäm merliches Kopf-zerbrechen gekostet hatte. »Ja, ja«. tief er übermüthig, »der Mensch mus3 Glück haben, sonst helfen ihm alle Listen nichts!« Da hörte er in der Ferne Trommel schlua — Himmel! Jst das nicht der Trommel schlag deutscher TrsuppenZ Gewiß! Und siehe da! Was das Zureden des Maire nicht vermocht hatte, brachten ei nige mit Schlägen trattirte Kalbfelle zu Stande. Die Menge stob aus einander wie Spreu vor dem Winde. Zwei Sätze brachten ihn vor die Thür, ein dritter aus den Gaul, und in gestreck tem Galopp ging es den einmarschiren den Truppen entgegen. Erstaunt blickte der Maer auf den vor ihm parirenden Ossizier. »Was bringen Sie?« fragte er. »Die Meldung, daß ich mir erlaubt habe, in ausreichendsterWeise siir Quar tier und Verpslegung Ihrer Mannschas ten in Pineh gesorgt zu haben«, erwi derte er; dann, allen Fragen zuvorkom mend, berichtete er, welche Umstände ihn dazu veranlaßt hatten. »Um eines«, so schloß der Erzähler seinenBericht, ,,möchte ichSie, Herr Ma jor, noch bitten, lassen Sie nichts da von oerlauten, was ich Ihnen soeben mitgetheilt habe, die sreche Bande dieses Ortes wäre im Stande, alles für eine Kriegslist zu halten, und ließe es den nächsten auartiermachenden Ofsizier entgelten, was ich verbrochen.« »Seien Sie darüber ohne Sorge«, er wiederte lachend der Major, »wir wer den genießen, ohne zu fragen, wer uns den Tisch gedeckt hat« ,,Danke, Herr Major, wenn Sie er lauben, werde ich in Trohes für Sie Quartier bestellen!« Lieutenant T. langte einige Stunden später wohlbehalten in Trones tin und fand dort die Kameraden oenen sein räthselhaftes Verschwinben dasselbe Ztopszerbrechen »macht k)eitte, Vie ihm die dentwiirdige Nacht zu Pineh. —- »..-—-.O s---- s———— ller Irr-inde. Von Leopold Jacobsem , —....,, « Man hielt die Beiden für ein Liebes paar. Kein Mensch wollte glauben, daß es Bruder und Schwester seien, die mit solcher Zärtlichkeit aneinanderhingen. Es schien dies den Leuten als etwas ganz Absonderliches, und sie meinten, es müsse gewiß ein Geheimniß dahinter stecken, weil das junge Mädchen und der blasse schlanke Mann so ängstlich be strebt tvaren, sich als Liebende auszuge ben. Je länger man das Paar betrach tete, desto mehr wurde man in jener An sicht bestärkt. Die Beiden wohnten ganz für sich und pflegen keinen Verkehr mit den Nachbarn; wenn sie miteinan der ausgingen, schmiegte das Mädchen sich liebreich an den Arm des Mannes, und sah man einmal ihn allein nach Hause lomnien, dann hielt er gewiß eine Blume in der Hand, die er ihr brachte. Man hatte nie gesehen, daß das junge Mädchen je auf die Blicke anderer Män ner irgendwie reagirt hätte, knrzurn, die Leute wußten eben, was sie sagten. Aber sie waren wirklich Bruder und Schwester, und hätten sicherlich hell aus gelacht, wenn ihnen zn Ohren gekommen wäre, was iiber ihr Berhällnisz geflü stert wurde. So aber merkten sie nicht, daß sie der Gegenstand des Interesses anderer Menschcn seien. Das war ge wiß a«.::h gut so. Denn sie würden sich villeiiixt berinträllitigt gefühlt haben in ihrem stillen Glück. Eine unaussprechliche Liebe erfüllte die Beiden zu einander. Jedes von ihnen hätte sich für den Anderen opfern mögen. So war es immer gewesen, und sie hofften, so werde es immer bleiben. Das Schicksal hatte diesen Seelenbund geknüpft. Friih waren sie als Kinder verwaist, und bei den fremden Leuten, wo sie aufwuchsen, fühlten sie sich auch fremd. Niemand sand ein Wort der Liebe für sie. Für Niemand hatten sie in ihren Kinderherzen ein kliliilzchern Sie mußten fest zusammenhalten weil die leiche Empfindung in ihnen lebte. Sie fühlten es förmlich heraus-, daß sie sich gegenseitig angehären müßten, wollten sie nicht ganz vereinsamt bleiben mit ih ren großen und kleinen Schmerzen Das tettete sie zusammen. So war es auch geblieben. Jhre Gedanken flossen ineinander, ihre Freuden und ihre Schmerzen berührten sie Beide gleichmä W ßig, in ihnen wohnte nur die Sehnsucht den Anderen glücklich zu sehen. Das brachte es mit sich, daß sie verschlossen blieben gegen Andere, konnten doch nur sie allein sich verstehen. Das hatte sich mit den Jahren nicht ändern können, und sie blieben weiter beisammen, auch · als sie ihr Schicksal schon selbst bestim men durften. Sie hätten sich gegensei tig ausgelacht, wenn jemals der Gedan te sie beschlichen hätte, daß in diese See lenharmonie eine Dissonanz schrillen würde. Wie hätte es auch sein können, da sie doch ineinander ausgingen und sich so lieb hatten, so lieb. Einmal aber sprachen sie doch dar über, ob sie wirklich immer beisammen bleiben würden. Das war ganz plötz lich gekommen. Sie sahen gerade zum Fenster hinaus auf die Straße. Vor dem Hause gegenüber gab es lebhafte. Bewegung. Wagen auf Wagen fuhr bor und holte eine Hochzeitsgesellschast ab. Da war es dem Bruder ganz von ungefähr eingefallen; die Schwester neaend zu fragen, ob sie denn nicht auch heirathen wolle. Sie lachte ihn herzlich aus und sagte dann : »Wenn ich nur wüßte-, wen ?« Er spann den Scherz weiter und zeigte triftig auf ein Fenster gegenüber, wo ein junger Mann stand und das Mädchen niioerwandt an starrte. Sie sah jetzt hin, als der Bru der auf ihn wies und nieinte : »Hm, «gar nicht übel.« Der «T·-riiutigam« er freute sieh nun in den nächsten Tagen der besonderen Beachtung der Beiden. So oft der junge Mann sich zeigte und zu den Fenstern der Ges"cl):;)ister hinfah, rief der Bruder der Schwester zu : »Schau, er blickt schon wieder her, der Mensch hat wirklich Absichten !« Dann kam sie rasch näher, sah sich das Vis-a-bis an und sie lachten dann Beide über den harmlosen Spaß« Der junge Mann Von drüben verstand dies .Alles nicht, er glaubte blos, daß das Mädchen sein Interesse erwidere. Und er wartete nun immer aus der Straße, um ihr zu begegnen, wenn sie ausging. Er grüßte sie und liesz sich nicht beirren, wenn sie auch noch so befremdet und kühl erwiderte. Mit der Zeit wurde es anders. Sie hatte sich an seinen Gruß gewöhnt, sie bermißte den jungenManm iwenn er sich einmal nicht zeigte. Der IBruder lächelte Anfangs, als er dies beobachtete, dann wurde er nachdenklich. « Es legte sich wie ein Schatten über seine sSeelex er ahnte, daß sich etwas bor bereiten wolle, was ihr Beider Glück zu stören sich anschickte. Aber er verheim lichte es der Schwester. Es war sein erstes Geheimniß, das er für sich behielt. Er sagte auch nichts, als das L’Jik.i?.-.i;en einmal mit hochgerötheten Wangen und unruhig nach Hause tam »Er saa sie nur forschend an und wußte, daf; auch . sie ihr Geheituniß habe . .. Erging ihr nach. Er sah, wie sie mit dem jungen liplianne von drüben freund lich sprach, und ein ftechender Schmerz erfüllte ihn. Die Geschwister waren wie ausgetauscht. Still, einsilbig, Jedes für sich. Eine Bangigkeit hielt sie ge fangen, aber sie sagten sich nichts. Wenn sich ihre Blicke begegneten, senkte sie die Wimpern. Er aber wußte nicht, was ihm geschah. Langsam, ganz unmerk lich war es gekommen und hatte seine Seele vergiftet. Er wehrte sich dagegen-, er kämpfte die schreckliche Empfindung nieder, aber sie blieb. Und als er sah, daß es nutzlos war, ließ er sie gewäh ren. Er begann die Schwester zu has-· sen. Er fühlte sich verrathen und Um sein Glück betrogen· Sie allein war schuld, weil sie an jenen anderen drü ben dachte. Er glaubte sich in seinem Rechte auf die Schwester getäuscht. Was sollte aus ihm werden, wenn sie ihn verließ, was hätte er noch auf der Welt zu suchen ! Rauh fuhr er sie ptsjtzs s lich an : ,,Liebst Du ihn, sag’ ?-« Und als sie fest erwiderte : ,,Ja«, da brach der lang verhaltene Schmerz her vor. Er schrie, er tobte; er war wie von Sinnen. Die Nachbarn lächelten fein, alsJ sie den Lärm hörten. Wir haben ja ge wußt, sagten sie, daß es Liebesleiite sind; jetzt haben sie sich lange genug : vertragen und nun streiten sie a.i«:h. s Einmal hat’s ja kommen müssen ! NOR-- — — Schniieichelhaft. Fräulein A. : »Herr Springer hat mir vorhin gesaah bevor er mich gesehen hat, wäre die Welt für ihn eine Wüste gewesen« ——— B.: »Aha, jetzt wird mir auch klar, warum er sich immer wie ein Kameel benommen.« —— Falsch aufgefaßt. Pfarrer: »Tris st-:n Sie sich, Steinhsuberim über den Verlust Ihre-H Gatten. Wenn er Sie auch verlassen hat, so ist doch noch im mer einer da, der Sie beschützen wird-— —« ———Wittme: »J- woaß ja, Herr Pfor ra, da Michelstätter hat mir’g ja längst versprocha’11, dasz er mi ninimt.« —- Verzeihlicher Jrrtl)Um. Jsaak Cohn betritt mit seiner Saralsein ein faches sionzertlokaL »Was ist das siik ein Stück, was sie jetzt spielen?«« fragt Saral). —-- Cohn sieht in der Nähe einen Bekannten, tritt zu ihm, wechselt mit Jenem einige Worte und erkundigt sich, wie der Walzer heißt. »So wie Du,« entgegnet ihm der Freund. —- Cohn be giebt sicy wieder zu seiner Gattin und sagt: ,,Cohn-Walzer«. . »Ehe-ne anderes. »Wurden Ih nen auch schon ’inal die Pferde durch’i Publikum aussaespannt?« ——- Schau spieler (eineL« Vorstadttheaters): »Die Pferde nicht« aber meine Uhr.« — Jn der Menagerie des Central Parts. Fremder: «Sind Sie immer hier im Naubthierhaus?« —- Aufskhkkx »Nein, nur vorübergehend; ich Ochs-. s T« -« tu den Kameelen!« « s L 1 i